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Die Kunst des Klassizismus und der Romantik (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-77271-9 (ISBN)

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Die Kunst des Klassizismus und der Romantik - Andreas Beyer
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Klassizismus und Romantik galten lange Zeit als einander entgegengesetzt. Doch in beiden zugleich liegt der Ursprung der Moderne, und beide reagierten auf vergleichbare Krisen der Kunst. Andreas Beyer stellt die Epoche mit ihren Protagonisten und Hauptwerken in Malerei, Architektur und Skulptur vor. Er umreißt das Panorama einer Kunstperiode, die einen frühen internationalen Stil ausbildete und in vielem vorwegnahm, was die Kunst bis heute charakterisiert und belebt.


Andreas Beyer ist seit 2009 Direktor des Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris und lehrt Kunstgeschichte an der Universität Basel.

I. Zwei Signaturen, eine Epoche


Der Klassizismus: Fassung und Vorbild


Der Begriff des Klassizismus steht, namentlich in der Kunstgeschichte, zunächst und vor allem für eine Epoche; zugleich umschreibt er aber eine überzeitliche kanonische Kategorie. Deshalb taugt die im Italienischen und Englischen getroffene Unterscheidung zwischen den gelegentlich wiederkehrenden Klassizismen als Stilverhalten und dem Neo-Klassizismus als Stilepoche besonders gut dazu, diese in ein eigenes Recht zu setzen. Wirkliche Verbindlichkeit hat das freilich nicht erlangt, wie auch die zeitliche Eingrenzung umstritten geblieben ist. Gemeinhin wird die Epoche allerdings in dem Zeitraum von ca.1750 bis ca.1830 angesiedelt. In diesem setzt späterhin freilich auch die romantische Bewegung ein, was zu kategorialen Überschneidungen führt, aber auch die wechselseitige Bedingung und letztlich die innere Verwandtschaft der beiden Zeiterscheinungen beleuchtet.

Im Französischen ist mit «Classicisme» vor allem die Kunst des Grand Siècle, also des 17. Jahrhunderts, gemeint, während sich im Deutschen, vor allem befördert durch die Weimarer Literatur und Kunstpolitik, der Terminus «Klassik» für die Epochenschwelle um 1800 durchgesetzt hat. Wie für alle kunsthistorischen Periodisierungen gilt hier, und nicht weniger auch für die Romantik, dass solche Epochennamen nicht viel mehr als eine Verabredung sind. Sie stellen Annäherungsversuche dar, die gleichwohl, auch und gerade wenn sie sich gelegentlich als wenig eindeutig erweisen, Aufschluss über dominante Phänomene der in Rede stehenden Kunstproduktion gewähren.

Der Terminus des «Klassischen» leitet sich von dem lateinischen Begriff «classicus» her, womit die ersten (reichsten) Bürgerklassen bezeichnet wurden. Schon in der Antike wird der Begriff aber auch auf andere Personengruppen übertragen; so ist etwa von «scriptores classici» die Rede, womit der Terminus zu einem kulturellen Signum gerät, das Vorbildhaftigkeit bezeichnet und auch auf andere Künste Anwendung findet. Als solches charakterisiert er in der Folge Werke oder Epochen, die sich in besonderem Maße der Befolgung eines Kanons verpflichten. «Klassisch» – das meint einen (nicht selten auch kritischen) Nachahmungsimperativ und eine bewusste Bezugnahme auf Vorgängiges, zumal auf das griechisch-römische Altertum. Das schließt nicht aus, dass auch Innovationen und Avantgarden unter diese Kategorie fallen. Vor allem aber verbindet sich damit die Vorstellung von Klarheit, Rationalität, Kontur und Linie sowie die Mäßigung des leidenschaftlichen Ausdrucks.

Kanon und Krise


Untrennbar verknüpft mit dem Klassischen sind der Kanon und die Kanonisierung bestimmter Werke. Dennoch darf man auch hier immer Wandlungen voraussetzen, und man wird den Klassizismus als Kumulation ästhetischer Erfahrungen gelten lassen müssen. Nach 1750 freilich signalisiert der Klassizismus auch ein Krisenbewusstsein, das auf die kaum noch zu kontrollierenden Formexzesse des Rokoko reagiert und in der irritierenden Vielheit der Stile vorgängiger Perioden nach einem verlässlichen, eindeutigen Habitus sucht. Vor allem aber sieht sich der Klassizismus zunehmend mit der Aufgabe konfrontiert, angesichts der Unerreichbarkeit und Unwiederbringlichkeit der klassisch-antiken Epoche zu einer eigenen Identität finden zu müssen. Der englische Maler Joshua Reynolds, der erste Präsident der Royal Academy of Arts, hat das Bewusstsein dieses historischen Bruchs in einem seiner jährlichen, öffentlich gehaltenen «Discourses» (Nr. 15 aus dem Jahr 1790) unter Bezug auf die Kunst der Renaissance, der er die größere Nähe zur Antike attestierte, prägnant zusammengefasst:

Im Verfolg dieser grossen Kunst muss eingestanden werden, dass
wir unter grösseren Schwierigkeiten arbeiten als die, die im Zeitalter ihrer Entdeckung geboren wurden und deren Sinn von Kindertagen an an diesen Stil gewöhnt war; sie lernten ihn als Sprache, als ihre Muttersprache. Sie hatten keinen mäßigen Geschmack, um ihn überhaupt wieder verlernen zu können; sie brauchten keinen überzeugenden Diskurs, der sie zu einer günstigen Aufnah-
me dieses Stils überreden sollte, keine tiefgründigen Nachforschungen nach seinen Prinzipien, um sie von den grossen verborgenen Wahrheiten zu überzeugen, auf denen er gegründet ist. Wir (dagegen) sind gezwungen, in diesen späteren Zeiten zu einer Art Grammatik und Wörterbuch Zuflucht zu nehmen, als dem einzigen Weg, eine tote Sprache wiederzuerlangen.

1  John Flaxman: Zeus und Thetis, Umrissstichillustration zu Homers «Ilias», 1793, Hamburg, Kunsthalle, Kupferstichkabinett

Ist der Klassizismus also von Zeitgenossenschaft nicht zu trennen und durchaus fortschrittsbewusst, so bildet gleichwohl die Antike seinen unverhandelbaren Referenzpunkt. Deren Rezeption erlebte durch die frühe Archäologie, namentlich durch die Ausgrabungen in Herculaneum (ab 1738) und Pompeji (ab 1748), eine neue Konjunktur, die maßgeblich befördert wurde durch philologische und dokumentarische Unternehmungen. Darunter nimmt Bernard de Montfaucons frühe Publikation «Antiquité expliquée et representée en figures» (1719) eine führende Stellung ein; seine abbildungssatten Kompendien dienten dem zeitgenössischen und nachfolgenden Künstler als Vorlagenwerke und machten bis ins Detail hinein die Richtigkeit der in die neuen Bildwelten aufgenommenen antiken Zitate überprüfbar. Nicht weniger prägend wirkten der «Recueil d’Antiquités Egyptiennes, Etrusques, Grecques et Romaines» von Anne-Claude-Philippe de Tubières de Grimoard de Pestels de Lévis, comte de Caylus (1752–1767) oder James Stuarts und Nicholas Revetts «The Antiquities of Athens» (1762) und natürlich Winckelmanns Schriften, die auf der europäischen antiquarischen und historisch-archäologischen Forschung seiner Zeit aufbauten. Auch die Publikationen von antiken Vasenbildern, insbesondere aus der Sammlung Sir William Hamiltons, wie sie etwa Pierre-François Hugues d’Hancarville oder Johann Heinrich Wilhelm Tischbein vorgelegt haben, beeinflussten die bildende Kunst folgenreich und verpflichteten sie auf einen flachen Linienstil. In der Folge machten ferner John Flaxmans Umrissstichillustrationen zu Homers «Ilias» und zur «Odyssee» von 1793 die solcherart abstrahierte antike Formen- und Figurenwelt populär – auch in den Kreisen der Romantiker (Abb. 1).

Der Klassizismus zielte jedoch über die rein sinnliche Erscheinungsform und Wahrnehmung der Kunst hinaus und forderte einen lehrhaften Gehalt. Schon der französische Schriftsteller Denis Diderot hatte den Bildungscharakter der Kunst in seinen «Salons» (1759–1781) eingeklagt. Überhaupt darf der stark akademische, pädagogische Charakter der klassizistischen Bewegung als eines ihrer wesentlichsten Merkmale gelten. Der Rekurs auf die Antike war nicht zuletzt politisch begründet, da er die bürgerlichen, republikanischen Tugenden, zumal der griechischen Klassik, als für die aufgeklärte Zeitgenossenschaft taugliches Vorbild begriff. Klassizismus, das war die Vorgabe einer Ordnung, und diese war schon in der Antike als probates Mittel der Disziplinierung erkannt worden: Unter Augustus war die Rückkehr zu reinen, klassischen attischen Formen als Antidot zu der um sich greifenden Dekadenz der späten römischen Republik propagiert worden.

Diese soziale Dimension des Klassizismus erklärt auch, weshalb sich die Suche nach dem «wahren Stil» und dem «guten Geschmack» auf sämtliche Bereiche der Kunst ausdehnte. Kunsthandwerk und Innenausstattung wurden davon ebenso erfasst wie die Baukunst und selbst die Urbanistik. Der Klassizismus wurde daher treffend umschrieben als ein Habitus, der im Spannungsfeld zwischen utopischem Ideal und irdischer Wirklichkeit angesiedelt war.

Die Romantik und der Historismus haben, vor allem in der Motivik, gelegentlich aber auch in der Komposition, nicht gezögert, auf die Klassik oder den Klassizismus zurückzugreifen – nicht nachahmend, sondern interpretierend. Das unterstreicht den dynamischen Charakter des Klassizismus und die Elastizität einer Epochenbezeichnung, welche nicht immer scharf abzugrenzen ist, namentlich nicht gegen die Romantik. Und doch hat der Begriff des Klassizismus erst in der Absetzung von jenem der Romantik seine Konturen gewonnen, wobei heutzutage die Überzeugung vorherrscht, schon der Klassizismus sei etwas durchaus Neues und Eigenständiges gewesen.

Die Romantik: Haltung statt Stil


Der Begriff der Romantik ist nicht weniger komplex und kompliziert. Es handelt sich dabei...

Erscheint lt. Verlag 2.12.2021
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Kunstgeschichte / Kunststile
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Technik Architektur
Schlagworte 18. Jahrhundert • 19. Jahrhundert • Architektur • Klassizismus • Kunst • Kunstgeschichte • Künstler • Malerei • Romantik • Skulptur
ISBN-10 3-406-77271-4 / 3406772714
ISBN-13 978-3-406-77271-9 / 9783406772719
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