Im Garten passiert doch nichts, oder? (eBook)
100 Seiten
Bookmundo (Verlag)
978-94-036-4373-1 (ISBN)
Ursula Kühn ist promovierte Biologin im Ruhestand. Sie war während ihres Berufslebens in der Naturschutzbehörde Lübeck, insbesondere in der Landschaftsplanung, tätig. Sie kennt sich mit der heimischen Flora und Fauna aus, leitete Planungsprozesse und hatte in dieser Zeit zahlreiche Kontakte zu dem örtlichen Kleingärtnerverband. Im interdisziplinären Forschungsprojekt 'Regiobranding' beschäftigte Ursula Kühn sich bis 2018 mit der Wahrnehmung und Wertschätzung von regionalen Kulturlandschaften und schrieb im Rahmen der Methode des Storytellings das Märchen 'Eine teuflisch gute Reise'. Nach ihrer Verrentung war sie zeitweise journalistisch tätig und schrieb unter anderem Artikel über Kleingärten in Lübeck.
Kap. 1 Elsa Corona begegnet Klara
Ein Leben vor, mit und nach der Quarantäne
„Es kann sein, dass wir die Firma in den nächsten Tagen komplett schließen müssen“, sagte Schlosser Hagen, mit dem Klara vor seiner Werkstatttür noch ein wenig plauderte. „Letzte Woche war ein Kunde bei mir, der nun gestern mit Coronaverdacht ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Eine schlimme Sache! Wir müssen abwarten.“
Während Schlosser Hagen in Krummesse bei Lübeck diese Worte sprach, saß derweil ein junges Virus namens Elsa Corona vergnügt in einem Wassertropfen an seiner Nasenspitze und sah sich die Welt von oben an. Elsa war kürzlich in einer Halszelle eines anderen Dorfbewohners geboren worden und befand sich jetzt gerade auf der Suche nach einem neuen Domizil. Das junge Virus besaß das ausgeprägte Selbstbewusstsein einer schönen jungen Dame. Zugegeben - sie war fast immer stark und bunt geschminkt. Ihr ursprüngliches Aussehen machte, wenn man es unter dem Elektronenmikroskop betrachtete - nicht gerade viel her: kugelrund mit pinselförmigen Ausstülpungen an der Außenhaut, die ein bisschen wie eine Krone aussahen und ihr damit zu dem Namen Corona (lat. Krone) verholfen hatten. Der gesamte Organismus von unscheinbarem Grau. Keine Spur von Farbe! Aber ihren Schminkmöglichkeiten waren keine Grenzen gesetzt und so traten sie und ihre Freunde im Fernsehen gerne leuchtend rot mit hellvioletten gestielten Spikes an der Außenhaut und grünen und gelben Pigmentpunkten auf. Auch mit grünlichem Outfit unter rubinroten Spikes kamen sie daher. Ein besonders brillantes Auftreten war ihr im ZDF vergönnt: Über einer fast gläsernen hellgefärbten glänzenden Kugel wölbten sich dunkelrote Spikes hervor, die am Ende mit prachtvollen lila Spitzen verziert waren. Sie fand sich und ihre Spezies einfach großartig! In der Realität war sie zwar winzig klein, nur etwa ein 10.000stel Millimeter groß, mit dem bloßen Auge überhaupt nicht sichtbar, aber natürlich trat sie in den Medien immer in überdimensionaler Größe auf. Vor allem, um ihre Macht, Schönheit und Gefährlichkeit hervorzuheben. Eine große Primadonna eben.
Wenn Elsa Corona und ihre Freunde sich im Hals von Menschen neue Fortpflanzungsplätze suchten, war ihnen allerdings ihre geringe Größe von großem Vorteil. Unbemerkt konnten sie sich durch jede Ritze zwängen und sich mit der feuchten Atemluft weiterbewegen. Wenn sich gar nichts Besseres bot, konnten sie sich auf Türklinken, Händen oder - wie beim Schlosser Hagen an der Nasenspitze - längere Zeit aufhalten, ohne gesehen zu werden. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil für das kleine Fräulein und ihre unersättlichen Freunde. Voll pulsierender Lebenslust freute sich Elsa auf ihren ersten Luftsprung, wie eine gelungene Virusinfektion beim Menschen in Viruskreisen genannt wurde. Im Luftsprung konnte ein Virus alles zeigen, was in ihm steckte: Starke Angriffslust, rücksichts- und hemmungslose Infektionsvorfreude und Gewinnorientierung.
Seit alters her werden Menschen und Tiere bereits von Krankheitserregern vielerlei Art heimgesucht. Von Bakterien, Pilzsporen und eben Viren, wie es Elsa Corona war. Bakterien sind selbstständige einzellige Lebewesen, die sich unabhängig vom Menschen durch Zweiteilung vermehren und einen eigenen Stoffwechsel besitzen. Die zehnmal kleineren Viren dagegen sind viel einfacher gebaut, gelten in Wissenschaftskreisen nicht einmal als Lebewesen und können sich nur in der Zelle eines Wirtes vermehren. Beiden gemeinsam ist, dass sie Menschen krankmachen können, allerdings auf unterschiedliche Weise. Deswegen kann man gegen Bakterien mit Antibiotika vorgehen, gegen Viren helfen solche Medikamente nicht. Wenn ein Impfstoff gegen ein Virus entwickelt wird, soll beispielsweise dadurch seine Fortpflanzungsfähigkeit eingeschränkt werden. Fast wie der Einsatz einer Antibabypille beim Menschen. Gegen das Virus Elsa Corona und ihre Freunde gab es zu deren Freude im Jahr 2020 keinen Impfstoff und keine Medikamente. Deswegen bekamen sie die einmalige Chance, sich ein Jahr lang ohne große Gegenwehr weltweit in einer sogenannten Pandemie auszubreiten.
Klara kam also durch jene klitzekleine Begegnung mit dem Schlosser Hagen am 24. März 2020 erstmalig ganz allgemein mit einem Coronavirus, und ganz speziell mit Elsa Corona in Kontakt. Eigentlich wollte Klara bei Hagen an diesem Tag nur das für sie angefertigte Podest für einen blauen Alabasterstein abholen. Und nun war sie in eine Situation geraten, aus der sich eventuell eine Corona-Ansteckung ergeben könnte. Zu jenem Zeitpunkt des Coronajahres 2020 war ja noch nicht viel über das ansteckende Virus bekannt. Personen, die durch das Gesundheitsamt als Verdachtsfälle eingestuft worden waren, mussten sich 14 Tage in ihren Häusern von allen anderen Menschen abschotten. Eingedenk ihrer schwangeren Tochter und ihrer in die Jahre gekommenen Freunde beschloss Klara spontan, sich freiwillig 14 Tage in die Corona-Quarantäne zurückzuziehen. Sie wollte sich und andere nach dieser Begegnung nicht unnötig gefährden. Auch wenn sie im Innern fest davon überzeugt war, dass sie sich in der kurzen Begegnung mit dem Schlosser nicht angesteckt haben könnte.
„Sicher ist sicher!“, dachte sie.
Das Coronavirus und die weltweite Pandemie waren im März 2020 ein allgegenwärtiges Gesprächsthema. Im Internet, im Fernsehen und im Radio rief Klara in den letzten Wochen zahlreiche Informationen zu dem Thema ab. Als Frau von 69 Jahren, gehörte sie - obwohl fit und gesund - zur altersbezogenen Risikogruppe.
„Unvorstellbar!“, dachte sie.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte neulich sogar im Zusammenhang mit den gefährdeten Alten ab 70 von den „Hochbetagten“ gesprochen.
„Wo kann ich mich über eine solche Einordnung beschweren? Man muss doch gegen solche Bezeichnungen Widerspruch einlegen können, oder?“ Klara war wirklich wütend.
Die Coronapandemie war im Dezember 2019 zuerst im fernen Osten ausgebrochen, genauer gesagt bewusst wahrgenommen worden. Auf den Tiermärkten der chinesischen Stadt Wuhan soll das Virus angeblich von Fledermäusen auf den Menschen übergesprungen sein. Viele Chinesen wurden krank und starben. Die chinesischen Behörden bekämpften die Krankheit drastisch mit Ausgangssperren, Reiseverboten und vielen weiteren Maßnahmen. Nichtsdestotrotz schafften es ein paar starke und vorwitzige Viren, sich unbemerkt in Europa einzuschleusen. In Deutschland tauchte das Virus Ende Januar 2020 zum ersten Mal in Bayern auf. Eine chinesische Geschäftsfrau hatte den Erreger unbemerkt aus ihrer Heimat mitgebracht. Für die Virusvorfahren von Elsa Corona begann nun eine beispiellose Erfolgsgeschichte rund um die Welt!
Die deutschen Politiker beruhigten die Bevölkerung: Hierzulande habe man das Infektionsgeschehen vollständig im Griff. Man möge keine Angst haben. In den folgenden Monaten änderten sich die politischen Statements allerdings grundlegend. Immer mehr Politiker rieten zu besonderer Vorsicht, zu Kontaktreduzierungen und verhängten im April 2020 den ersten Lockdown.
Klara wohnte in Lübeck und das liegt bekanntlich in Schleswig-Holstein. In Lübeck lagen die Coronawerte fast während des ganzen Jahres 2020 immer deutlich niedriger als an anderen Orten in Deutschland.
„Da hatten die Norddeutschen tatsächlich einmal Glück gehabt. Ob das am Seewind von Ost- und Nordsee, den Wolken und der vielen frischen Luft lag?“ Klara liebte ihre Heimat.
Wenn es das Virus für seine Verbreitung warm und windstill hätte haben mögen, wäre es in den nördlichen Breiten verkehrt.
„Offensichtlich empfangen die Norddeutschen dieses gemeine kleine Wesen nicht mit offenen Armen.“
„Na ja, die Leute liegen sich in unsern Breiten eben nicht an andauernd in den Armen“, bemerkte Klaras Freundin Anna. „Das muss ja auch etwas Gutes haben!“
Erst im Dezember 2020 wurde auch Lübeck von hohen Infektionszahlen heimgesucht. Hatten sich die Coronaviren etwa der norddeutschen Mentalität angepasst?
Elsa Corona war es bei Schlosser Hagen ein wenig langweilig geworden. Daher beschloss sie spontan, sich Klara anzuschließen. Da Klara zur sogenannten Risikogruppe gehörte, war Elsa bei ihr mit Sicherheit besser aufgehoben als bei dem noch jugendlichen Schlosser Hagen. Elsa Corona wartete aufgrund ihrer Jugend noch auf ihren ersten echten Einsatz im Hals eines Menschen. In Klaras Umgebung wollte sie zunächst einmal prüfen, ob ihr die neuen Lebensbedingungen gefielen und ob sie in ihrem neuen Zuhause noch zahlreiche Mitstreiter fände. Denn allein, ohne eine große Zahl anderer Viren, machte eine Infektion weder Sinn noch Spaß, das wusste sie genau. Elsa heftete sich also in einer Tröpfchenwolke an Klaras Fersen. In Klaras Wohnung zog sie zunächst in das feuchte, sauerstoffarme und fensterlose Badezimmer ein. Nun hieß es, erst einmal die Lage zu sondieren.
Klara war als Rentnerin nicht so stark wie andere Menschen von der Pandemie betroffen. Ihre Rente traf pünktlich ein, sie besaß eine schöne geräumige Wohnung und sie langweilte sich nie, selbst wenn sie allein zuhause war. Lediglich eine einzige für das Frühjahr geplante Reise musste sie aufgrund der Reisebeschränkungen in Frankreich verschieben. Allerdings hatte sie in diesem Frühjahr auch noch keine große Lust, zu verreisen, war sie doch im Januar gerade erst von einem spannenden Urlaub aus Peru zurückgekehrt. Im alltäglichen Leben traf sie sich mit der nötigen Vorsicht mit ihren Kindern und Enkeln und mit Freunden. Sie ging mit Maske einkaufen und genoss Spaziergänge an der Ostsee. Selbst ihre Bildhauer- und...
Erscheint lt. Verlag | 29.11.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Technik |
ISBN-10 | 94-036-4373-0 / 9403643730 |
ISBN-13 | 978-94-036-4373-1 / 9789403643731 |
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