Drinnen - Wie uns Räume verändern (eBook)
320 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-5048-5 (ISBN)
»Gutes Design ist eine wirkungsvolle Medizin.« - Erstaunliche Erkenntnisse über unser Leben in Gebäuden
Überall auf der Welt haben Menschen ihre Wohnungen neu kennen- lieben und hassen gelernt - doch was wissen wir eigentlich über die Räume, in denen wir unsere meiste Zeit verbringen? Welchen Einfluss haben sie auf unsere Gesundheit und unsere Gefühle?
Die renommierte Wissenschaftsjournalistin Emily Anthes nimmt uns mit auf eine faszinierende Reise in die Welt der Innenräume: Wir erfahren, wie Büros unsere kognitive Leistung beeinträchtigen, wie Mikroben unterm Kopfkissen unser Immunsystem beeinflussen und wieso die Gestaltung eines Restaurants steuert, was und wie viel wir essen. Auch werfen wir einen Blick in die Zukunft - von Smart Homes, die unsere Gesundheit überwachen, über amphibische Gebäude, die uns vor Hochwasser retten, bis hin zu den Siedlungen, die wir demnächst auf dem Mars errichten.
»Drinnen« lässt uns unsere vertraute Umgebung mit neuen Augen sehen und zeigt, dass der Schlüssel zu unserem Wohlbefinden vielleicht näher liegt, als wir dachten.
»Der Standort unseres Zuhauses kann allerlei Auswirkungen auf unser Leben haben. Es ist an der Zeit, den Stellenwert der Welt der Räume anzuerkennen. Zu lange haben wir diese vernachlässigt - sie sind uns so vertraut, dass wir ihren Einfluss und ihre Komplexität übersehen haben. Das ändert sich endlich. Und je mehr wir über die Welten in unseren Gebäuden erfahren, desto mehr Möglichkeiten haben wir, sie umzugestalten. Mithilfe von durchdachtem, sorgfältigem Design können wir fast jeden Aspekt unseres Lebens verbessern. Wir sind Produkte unserer Umgebungen, aber wir müssen nicht ihre Opfer sein. Schon kleine Veränderungen in der Bauweise können wesentliche Auswirkungen haben ...«
»?Drinnen? erforscht fulminant, wie alles, vom Licht bis zur Belüftung, von Geräuschen bis Treppenstufen, unsere physische Gesundheit und unser mentales Wohlbefinden beeinflusst.«
Washington Monthly
»Anthes ermutigt ihre Leser, die Räume, in denen sie die meiste Zeit verbringen, näher ins Auge zu fassen und sich zu fragen, ob diese Orte tatsächlich ihre Bedürfnisse erfüllen. Da wir heute sogar mehr Zeit als üblich in Innenräumen verbringen, könnte die ganze Gesellschaft davon profitieren, wenn wir uns diesen Fragen stellen.«
Science
»Diese ausgeklügelte Arbeit wird ihre Leserinnen und Leser dazu bringen, die Innenräume aufmerksamer zu betrachten, die sie sonst achtlos bewohnen.«
Publishers Weekly
»Eine aufrüttelnder Einblick in die Wissenschaft von Gebäuden und die Geschichte einer Mission, das Leben durch durchdachtes Raumdesign zu verbessern ... Anthes unterscheidet auf raffinierte Weise zwischen dem geplanten Effekt und dem tatsächlichen Benefit. Ein fesselndes, faktenreiches Plädoyer für intelligentes Design.«
The Wall Street Journal
»Anthes berichtet spielerisch von modernen Büros und Smart Homes und schwimmenden Städten und geplanten Dörfer auf dem Mars und das neue Forschungsfeld der Innenraum-Ökologie (das Studium von Subjekten wie Milben, die sich unter unserem Kopfkissen verstecken) ... Die Empfehlung der Untersuchung? Lüften hilft. Legt euch einen Hund zu!«
The New Yorker
<p>EMILY ANTHES<strong> </strong>ist Wissenschaftsjournalistin und studierte die Geschichte der Naturwissenschaften und Medizin an der Yale University. Ihre Artikel erscheinen u. a. in The New York Times, Wired, Nature und Scientific American. Ihre Bücher »Frankensteins Katze: Wie Biotechnologen die Tiere der Zukunft schaffen« und »Das Gehirn für Eierköpfe« wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Emily Anthes wohnt in Brooklyn, New York.</p>
EINLEITUNG
In Japan, in der Stadt Mitaka, in einer Straße mit gedrungenen beigefarbenen Gebäuden, unterbricht eine eigenartige Wohnanlage die Skyline. 1 Von außen wirkt der Komplex mit seinen neun Einheiten wie ein Haufen Bauklötze, und genauso zusammengewürfelt sind seine Formen und Farben: Ein grüner Zylinder ruht auf einem violetten Würfel, ein blauer Würfel wiederum auf einem gelben Zylinder. Innen gleicht der Bau einem Architektur gewordenen Acid-Trip. Jede der neun Wohnungen hat ein rundes Wohnzimmer, in dessen Mitte wie hineingeplumpst die Küche liegt. Die Schlafzimmer sind quadratisch, die Badezimmer tonnenförmig und die Arbeitszimmer kugelrund. Die Innenräume sind jeweils in über einem Dutzend Farben gestrichen, keine davon dezent. (Apartment 302 zum Beispiel hat eine blau-limettengrüne Küche, ein zitronengelbes Arbeitszimmer und ein waldgrünes Bad.) Leitern im Wohnzimmer führen ins Nichts. Über die Betonfußböden sind grapefruitgroße Beulen verteilt. Das Gebäude wirkt eher wie eine überdimensionale Kirmesattraktion als wie ein Zuhause. Aber bei all diesen vermeintlichen Schrullen wurde es mit einer ernsten Absicht gebaut: dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.
Die Wohnungen in Mitaka wurden von Shusaku Arakawa und Madeline Gins konzipiert. Das Künstlerehepaar verschrieb sein Schaffen einer Idee, die es »umkehrbares Schicksal« nannte. Der Tod, so fanden sie, war »altmodisch« 2 , »unmoralisch« 3 und ganz und gar nicht vorherbestimmt. »Dass bisher in allen Zeiten Sterblichkeit herrschte, heißt nicht, dass dies für immer so bleiben muss«, schrieben Arakawa und Gins in ihrem 2002 verfassten Manifest. »Bisher wurde jeder Widerstand gegen den unausweichlichen Würgegriff des Todes zu unsystematisch durchgeführt … Die Anstrengungen, sich der Sterblichkeit zu widersetzen, müssen beständig, hartnäckig und absolut sein.« 4
Dabei sei die Architektur unsere mächtigste Waffe. Um uns dem Tod zu widersetzen, müssten wir unsere Umgebung radikal neu erfinden und Räume schaffen, die uns körperlich und geistig herausfordern. An einem Ort wie den Mitaka-Wohnungen zu leben, würde die Menschen durchrütteln und ständig aus dem Gleichgewicht bringen, sie aus ihren Gewohnheiten und Routinen reißen, ihre Wahrnehmung und Sichtweisen verändern, ihr Immunsystem stimulieren und, ja, sie unsterblich machen. »Wir glauben, dass Menschen, die eng und in komplexer Art und Weise mit ihrem architektonischen Umfeld verbunden sind, ihre (scheinbar unvermeidlichen) Todesurteile überleben können!« 5
Als ich zum ersten Mal über Arakawa und Gins las, verstand ich die Idee als ausgefeilte Metapher, als künstlerische Provokation. Doch im Herbst 2018 besuchte ich den Hauptsitz der Reversible Destiny Foundation in Manhattan und erfuhr, dass die beiden es genau so meinten. »Ich glaube, sie waren tatsächlich überzeugt, wenn wir das erreichen würden, könnten wir unsere Lebensdauer verlängern«, erklärte mir Miwako Tezuka, die beratende Kuratorin der Stiftung, die Arakawa und Gins 2010 gegründet hatten. »Sie vertraten diese Überzeugung sehr, sehr, sehr leidenschaftlich.«
Und sie setzten sie mit einem halben Dutzend Projekten auf beiden Seiten des Pazifiks in die Praxis um. In Yoru, ebenfalls Japan, schufen sie eine rund achtzehntausend Quadratmeter große öffentliche Parkanlage, die eine so destabilisierende Wirkung hat, dass die Besucher vorsorglich mit Helmen ausgestattet werden. 6 In East Hampton, New York, bauten sie das Bioscleave House, ein Einfamilienhaus, das die Wohnungen in Mitaka in ihrer Extremität noch übertrifft, mit etwa vierzig knallbunten Farben, scheinbar willkürlich verteilten Fenstern und steilen, holprigen Fluren rund um eine tiefer gelegene Küche. »Sie verdrehen sich den Knöchel«, warnte mich Stephen Hepworth, Direktor der Sammlungen bei der Reversible Destiny Foundation. »Sie stürzen in die Küche, wenn Sie nicht aufpassen. Und gehen Sie nicht zu hastig ins Badezimmer!« 7
Jedes einzelne ihrer Bauwerke ist einzigartig, aber alle sind sie dazu gedacht, mit kollidierenden Formen, Farben und Flächen, plötzlichen Störungen der Orientierung und ungewohnten Größenverhältnissen zu verwirren. (Ihre Räume sind so speziell, dass es zu einigen Gebrauchsanweisungen gibt.) 8 Ein Gebäude von Arakawa und Gins zu verlassen ist, »wie von einer Achterbahn herunterzusteigen. Man gerät ein bisschen aus dem Lot«.
Das Paar hatte noch größere Träume: Sie stellten sich ganze Siedlungen, Viertel und Städte vor, die sie als »Städte ohne Friedhöfe« bezeichneten und deren Besucher dem Tod von der Schippe springen sollten. 9 Sie wollten einen architektonischen Großangriff auf die Sterblichkeit starten. Aber falls sie das Geheimnis des ewigen Lebens entdeckt hatten, haben sie selbst nicht davon profitiert. Arakawa starb 2010 (Gins weigerte sich, die Todesursache preiszugeben: »Die Sache mit seinem Tod ist keine gute Nachricht«, sagte sie gegenüber der New York Times), und auch Gins erlag vier Jahre später einem Krebsleiden. 10
Ihr Werk lebt jedoch weiter. Jeder, der dem Tod trotzen will, kann eine der Wohnungen in Mitaka über Airbnb mieten. 11
Die Vorstellung, dass Architektur uns helfen kann, ewig zu leben, ist ganz klar Science-Fiction. Aber das Versprechen, unsere Gesundheit zu verbessern und unsere Lebensdauer zu verlängern, und sei es nur ein kleines bisschen, ohne dass wir dazu das Haus verlassen müssen? Nun, als erklärte Stubenhockerin fand ich diesen Gedanken natürlich unwiderstehlich. Dabei ist es nicht so, dass ich etwas gegen die Natur hätte – das Gegenteil ist der Fall, ich mag es, draußen zu sein. Ich habe schon oft gezeltet – und es genossen! Aber ich neige zu Ängstlichkeit und Risikovermeidung, und in meiner Wohnung ist es warm, gemütlich und sicher. Viele Journalisten berichten aus der Ferne – über Wildtiere in der Serengeti, Überschwemmungen im Mekongdelta und Eiskernbohrungen in der Antarktis –, aber ich habe mich immer am wohlsten dabei gefühlt, meiner Tätigkeit in der Tiefe meines Wohnzimmers nachzugehen.
Ich mag mich zwar am extremen Ende des Spektrums befinden, aber ich bin nicht allein: Der moderne Mensch ist im Großen und Ganzen eine Indoor-Spezies. Nordamerikaner und Europäer verbringen etwa 90 Prozent ihrer Zeit drinnen, und in manchen großen Städten gibt es mehr Innen- als Außenraum. 12 Beispielsweise hat Manhattan, eine Insel, nur knapp 60 Quadratkilometer Land, verfügt aber über dreimal so viel Innenraumbodenfläche. 13 Und im Gegensatz zu Manhattan selbst wächst diese ständig. Die Vereinten Nationen schätzen, dass sich innerhalb der nächsten vierzig Jahre die Quadratmeterzahl weltweit in etwa verdoppeln wird. »Das ist so viel, als würde von jetzt bis 2060 jährlich die gegenwärtige Grundfläche von Japan hinzugebaut«, schrieb die Organisation 2017. 14
Zu meiner Freude betrachten mehr und mehr Wissenschaftler die Welt unserer Innenräume als untersuchenswert. Forscherinnen und Forscher ganz unterschiedlicher Disziplinen nehmen sie in den Fokus, skizzieren ihre Umrisse und entdecken ihre Geheimnisse. Mikrobiologen erfassen die Bakterien, die in unseren Gebäuden gedeihen, und Chemiker spüren die Gase auf, die durch unser Zuhause wehen. Neurowissenschaftler lernen, wie unsere Gehirne auf unterschiedliche Arten von Gebäuden reagieren, und Ernährungswissenschaftler untersuchen, wie die Bauweise einer Kantine die Wahl unserer Nahrungsmittel steuert. Anthropologen beobachten, wie die Gestaltung von Büros Produktivität, Engagement und Jobzufriedenheit von Angestellten auf der ganzen Welt beeinflusst. Psychologen testen den Zusammenhang zwischen Fenstern und psychischer Gesundheit, Licht und Kreativität, Möblierung und sozialer Interaktion.
Ihre Ergebnisse legen nahe, dass Innenräume unser Leben auf weitreichende und manchmal überraschende Weise prägen. Um nur ein paar zu nennen: Bei Frauen, die in einem Krankenhaus auf einer weitläufigen Station gebären, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kaiserschnitt durchgeführt wird, höher als bei jenen, die die Geburt in kompakteren Räumen erleben. 15 Warmes, gedämpftes Licht beruhigt zappelige und aggressive Kinder. 16 Frische Luft fördert die kognitiven Funktionen von Büroarbeitern. 17
Der Standort unseres Zuhauses kann allerlei Auswirkungen auf unser Leben haben. In einer Studie von 2016 berichtet eine Gruppe von kanadischen Ärzten, dass, in den oberen Stockwerken eines Wolkenkratzers zu leben, buchstäblich tödlich sein kann. 18 Die Ärzte sahen sich die Krankenakten von fast achttausend Erwachsenen an, die zu Hause einen Herzstillstand erlitten hatten. Je weiter oben sich die Menschen zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs befanden, desto länger brauchten die Sanitäter, um zu ihnen zu gelangen, und desto niedriger waren ihre Überlebenschancen. 4,2 Prozent der Patienten unterhalb der zweiten Etage überlebten den Herzstillstand, dagegen nur ein Prozent derjenigen oberhalb des 15. Stockwerks. Ab dem 24. Stockwerk aufwärts überlebte kein...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2021 |
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Übersetzer | Johanna Wais |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Great Indoors |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie | |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Technik ► Architektur | |
Schlagworte | Architektur • Architektur Schulen • Drinnen • Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge • Gefängnisse • Gesundheit • Großraumbüros • Innenarchitektur • innenarchitektur buch • innenarchitektur bücher • Innenräume • Innenräume gestalten • Krankenhäuser • lockdown • Mikroben • Moderne Architektur • Pandemie • Schulen • The Great Indoors • Wohnen • Wohnraum • Wohnräume • wohnraum gestalten |
ISBN-10 | 3-7499-5048-2 / 3749950482 |
ISBN-13 | 978-3-7499-5048-5 / 9783749950485 |
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