Medizinprodukte und IVD (eBook)
436 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7526-0308-8 (ISBN)
HON (FH) Prof. Dr. Wolfgang Ecker, Dr. med., promoviert an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, hat seine medizinische Ausbildung als Arzt für Allgemeinmedizin in verschiedenen Wiener Krankenanstalten absolviert. Er stand mehr als 30 Jahre in den Diensten des österreichischen Gesundheitsministeriums und des EU-Medizinprodukte-Sektors. Er war Mitglied zahlreicher Expertengruppen auf EU-Ebene, u.a. als Vorsitzender der EU-Arbeitsgruppe für klinische Prüfung und Bewertung (CIE) und als EU-Vertreter in der globalen GHTF-Study Group 5 Clinical Evidence. Als Mitglied der EU-Ratsarbeitsgruppe für Medizinprodukte hat er die neuen EU-Verordnungen über Medizinprodukte und IVDs mitgestaltet. Er hält Vorlesungen und Ausbildungsseminare zu diesen neuen Verordnungen an verschiedenen Fachhochschulen in Österreich und an Gesundheitstechnologie-Clustern und nimmt an der Medizinprodukte-/IVD-Normung teil.
1. Überblick über das neue EU-Regelungssystem für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Übergang vom bisherigen Richtlinien-System auf die neuen EU-Verordnungen für Medizinprodukte und IVDs (Kap. 1.1.). Sodann sehen wir uns die Bauprinzipien und wesentlichen Rechtsgrundlagen des neuen Regelungssystems (Kap. I.2.) und schließlich weitere ihrer zentralen Konzepte für den Marktzugang (Kap. I.3.) an. Die wichtigsten Dokumente des neuen (und tlw. alten) Regelungssystems besprechen wir systematisch in (Kap. I.4.). Schließlich verfolgen wir im Überblick die regulatory compliance über den Lebenszyklus der MP/IVD (Kap. I.5.). Diese grundlegende Orientierung wird durch die Übergangsfristen von den alten auf die neuen Regelungen abgeschlossen, wobei wir hier die Änderungen durch die Verordnung (EU) 2020/561 berücksichtigen müssen. (Kap. I.6.)
1.1. Übergang von Richtlinien auf Verordnungen
Im Jahre 2017 hat der EU Gesetzgeber das bisherige, aus 3 EU-Richtlinien (Directives) und deren nationalen Umsetzungen bestehende Regelwerk für Medizinprodukte in ein neues System aus 2 EU-Verordnungen (Regulations), als nunmehr direkt anwendbares EU Recht, umgewandelt (siehe Abb. 1 Der Weg von den EU-Richtlinien auf EU-Verordnungen):
Die Verordnung (EU) 2017/745 betreffend Medizinprodukte (MDR)1, und
Die Verordnung (EU) 2017/746 betreffend In-vitro-Diagnostika (IVDR)2.
Beide Verordnungen wurden inhaltlich weitgehend parallel entwickelt und bestehen jeweils aus (siehe Abb.2+3 Überblick VO (EU) MP bzw. IVD)
Erwägungsgründen3 (Recitals), d.h. Absichten und Zielsetzungen des EU-Gesetzgebers, die bei Rechtsunsicherheiten als Interpretationshilfe herangezogen werden können,
- den Kapiteln und deren Artikeln (Chapters, Articles), mit dem Kern der beiden Rechtstexte, und
- den Anhängen (Annexes), die in Ergänzung zu den Kapiteln, den verbindlichen, mehr technisch orientierten Rechtstext enthalten, etwa zu Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (General Safety and Performance Requirements, GSPR), zur Technischen Dokumentation oder zu den Konformitätsbewertungsmodulen (= Module der „Eurozulassung“).
Abb. 1: Der Weg von den EU-Richtlinien auf EU-Verordnungen
Abb. 2: Überblick VO (EU MP)
Abb. 3: Überblick VO (EU IVD)
Die MDR4/IVDR sind auf EU-Ebene am 25. Mai 2017 in Kraft getreten; Geltungsbeginn (Date of Application) ist für die MDR der 26. Mai 2021 (4 Jahre Übergangsfrist)5; für die IVDR der 26. Mai 2022 (5 Jahre Übergangsfrist6). Zu den speziellen Übergangsfristen siehe Kap. 1.6 in diesem Buch.
1.2. Das neue EU-Regelungssystem für Medizinprodukte und IVD: Die Bauprinzipien
(Siehe insbes. Abb. 4 EU-Regelungssystem für MP und IVD: Wesentliche Dokumente und Bauprinzipien) Beide Verordnungen basieren auf grundlegenden Rechtsprinzipien der EU: dem Binnenmarktkonzept und dem Gesundheitsschutz (der primär auf Sicherheit und Wirksamkeit, ein hohes Gesundheitsschutzniveau, positives klinisches Nutzen/Risiko-Verhältnis nach dem state of the art sowie Risiko- und Nebenwirkungsminimierung abzielt).
Beide Verordnungen folgen im Binnenmarktkonzept dem New Legislative Framework (NLF), als
1.2.1. Neuer Rechtsrahmen für die Produktvorschriften der EU
Es geht hier um den neuen generellen Rechtsrahmen für (viele) Produktvorschriften der EU, (New Legislative Framework - NLF)7, der sich weitgehend auch auf Medizinprodukte und IVD anwenden lässt. NLF baut in modernisierter Form auf wichtigen bisherigen Bauprinzipien8 auf, die für das Verständnis beider Verordnungen wesentlich sind: Diese sind das
- Neue Konzept (New Approach) und das
- Gesamtkonzept (Global Approach).
1.2.2. Das neue Konzept (New Approach) im Neuen Rechtsrahmen
Im New Approach geht es im Wesentlichen um Folgendes: Die beiden Verordnungen definieren in ihren jeweiligen Anhängen I checklistenartig die Grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (General Safety and Performance Requirements, GSPR; in den Medizinprodukte-Richtlinien früher als Grundlegende Anforderungen - GA9 bezeichnet) der MP bzw. IVD, die soweit sie auf ein bestimmtes MP/IVD zutreffen10, von den Produkten beim erstmaligen Inverkehrbringen bzw. bei der ersten Inbetriebnahme zu erfüllen sind. Die Details zu diesen Anforderungen inkl. allf. Nachweisverfahren und Tests bzw. zu bestimmten Prozessen und Verfahren des Regelungssystems11 werden abseits der Rechtstexte durch harmonisierte europäische Normen geliefert, deren Fundstellen (Titel) im Amtsblatt der EU zu den jeweiligen Verordnungen oder Richtlinien veröffentlicht werden.
Diese harmonisierten Normen sind nicht verbindlich12, enthalten in ihren Anhängen Z jeweils Konformitätsvermutungen hinsichtlich der dort genannten GSPR für ein MP/ IVD; dh. folgt der Hersteller den in den Anhängen Z (ZA, ZB, …) der Normen aufgewiesenen Konformitätsvermutungen zur Erfüllung bestimmter GSPR, gebührt ihm bezüglich dieser Aspekte gegenüber seiner benannten Stelle (Notified Body – NB; „Eurozulassungsstelle“) bzw. gegenüber der Marktüberwachungsbehörde (widerleglich13) eine Konformitätsvermutung. Der Hersteller kann von harmonisierten Normen abweichen, muss dann aber seine alternativen Lösungen zur Erfüllung der betreffenden GSPR ausreichend begründen, was mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Harmonisierte europäische Normen können auch Konformitätsvermutungen bei wichtigen Prozessen, Verfahren (zB. Qualitätsmanagementsysteme, Klinische Prüfungen, Gebrauchstauglichkeit, Software-Validierung, Risikomanagement) bereitstellen.
Die Harmonisierten Normen werden von den europäischen Normungsinstitutionen CEN und CENELEC (letztere für den elektrotechnischen Bereich) auf der Basis von Normungsmandaten der EU-Kommission mithilfe der Normungsinstitute der MS14 erarbeitet, gemeinsam beschlossen und nach Prüfung durch die Kommission für bestimmte Verordnungen oder Richtlinien harmonisiert, d.h. ihre Fundstellen (Titel) werden periodisch für die betreffende Verordnung oder Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Texte der harmonisierten Normen können entgeltlich bei den jeweiligen nationalen Normenorganisationen (z.B. DE: DIN, VDE; AT: ON, OVE) erworben werden.
Europäische Normen werden heute in der Regel gemeinsam mit den globalen Normeninstitutionen ISO (<> CEN) und IEC (<> CENELEC) ausgearbeitet; die Anhänge Z mit den Konformitätsvermutungen sind jedoch nur für die Harmonisierten Europäischen Normen enthalten.
Weitere Konformitätsvermutungen können im Rahmen beider Verordnungen (v.a. im klinischen Bereich) nunmehr durch Gemeinsame Spezifikationen, GS, (common specifications, CS) in Form von Rechtsakten der COM für bestimmte MP-/IVD-Gruppen bereitgestellt werden15.
1.2.3. Das Gesamtkonzept (Global Approach) im neuen Rechtsrahmen
Im Global Approach geht es um die Konformitätsbewertung („Eurozulassung“) von Produkten auf der Basis modularer Konformitätsbewertungsverfahren, die je nach Klasse des MP/IVD nach den Klassifizierungsregeln der Anhänge VIII der MDR/IVDR ausgewählt werden können/müssen16.
Die Konformitätsbewertung wird bei mittleren und höheren Klassen der MP/IVD durch sog. benannte Stellen (Notified Bodies – NB) durchgeführt. Benannte Stellen werden von den MS nach ihrer nachgewiesenen Qualifikation und Kompetenz17 in einem komplexen, nunmehr europäisch überwachten Verfahren für
- bestimmte Produktarten,
- bestimmte Konformitätsbewertungsmodule (Anhänge IX-XI oder Teile daraus) und für
- bestimmte Spezialgesichtspunkte (zB bestimmte Technologien [etwa Nanotechnologie] oder Verfahren [zB. Molekularbiologische Diagnostik]), sog. „Horizontale Codes“ benannt18.
Die positive Absolvierung von Zulassungsmodulen (oder bestimmten Teilen daraus) durch den Hersteller wird durch Bescheinigungen (Zertifikate, NB-certificates) des NB19 (mit einer Geltungsdauer von maximal 5 Jahren) dokumentiert.
Ergänzt wird die CE-Kennzeichnung durch die 4-stellige Kennnummer des NB, (falls) der in die Konformitätsbewertung involviert ist20.
Ziel der Konformitätsbewertung ist die...
Erscheint lt. Verlag | 14.1.2021 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Technik |
ISBN-10 | 3-7526-0308-9 / 3752603089 |
ISBN-13 | 978-3-7526-0308-8 / 9783752603088 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 8,6 MB
Kopierschutz: Adobe-DRM
Adobe-DRM ist ein Kopierschutz, der das eBook vor Mißbrauch schützen soll. Dabei wird das eBook bereits beim Download auf Ihre persönliche Adobe-ID autorisiert. Lesen können Sie das eBook dann nur auf den Geräten, welche ebenfalls auf Ihre Adobe-ID registriert sind.
Details zum Adobe-DRM
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen eine
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen eine
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich