Glückauf (eBook)
208 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-8712-7 (ISBN)
Geboren am 12. April 1871 in Gelsenkirchen - gestorben am 2. Dezember 1953 in Bochum Karl Leich wurde 1871 in Gelsenkirchen geboren. Von 1900 bis 1942 wirkte er als evangelischer Pfarrer in Bochum-Harpen. Neben seiner Leidenschaft für den Bergbau trat er auch als Verfasser historischer Arbeiten an die Öffentlichkeit. 1953 starb Pfarrer Leich in Bochum-Ümmingen und wurde in Bochum-Harpen beigesetzt.
Geologisches
Die Entstehung der Kohle
Ein alter Herr aus dem Hessenlande war einmal in meinem elterlichen Hause in Gelsenkirchen zu Gast. Als vom Kohlenbergbau gesprochen wurde, erzählte er, dass er vor kurzem etwas sehr Seltenes und Merkwürdiges in einer Ladung Kohlen, die ihm ins Haus gebracht war, gefunden hätte: nämlich ein versteinertes Farrenkraut. Wir lächelten und erwiderten ihm: wenn er es wünsche, könnten wir ihm von der Zeche eine ganze Wagenladung solcher »Merkwürdigkeiten« besorgen. Man konnte es dem alten Herrn nicht übel nehmen, dass er nicht Bescheid wusste; denn er wohnte weitab von der Kohlengegend. Aber ob hierzulande alle oder viele darüber Bescheid wissen? Wie mancher Bergmann hält in der Pause des »Butterns« wohl solch ein Farrenkraut in der Hand und betrachtet es, oder sieht zwischen den Kohlen ein Stück versteinerten Baumstamms: ob es ihm klar ist, wie das Ding dahingekommen ist und wie die Kohlenflöze, in denen er jeden Tag wühlt, entstanden sind? – Wer in der Industriegegend wohnt, der lebt gleichsam in der Kohle: sie dringt hier als Staub in Nase und Mund, sie klebt als Schmutz an unseren Händen. Dabei ist sie unsere größte Wohltäterin und gibt uns Licht, Wärme, Kraft, Elektrizität. Arbeit und Verdienst und vieles andere. Die Frage drängt sich uns auf: Woher dieser wunderbare schwarze Stoff? Wie kommt er dort unten in die Erde? – Die Antwort darauf gibt die Geologie, d. h. die Wissenschaft von der Bildung und Zusammensetzung der Erdkruste.
»Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« So sagt der eherne Bericht der biblischen Schöpfungsgeschichte. Er will damit festlegen: Gott ist der Ursprung aller Dinge. Er hat die Welt ins Dasein gerufen; und zwar nicht mit einem einzigen Zauberschlag, sondern in einer stufenweisen, allmählichen Schöpfung, aufsteigend vom einfachen bis zum vollkommeneren. Die Schöpfung war ein Werden. »Es werde.« Einzelheiten über die Geschehnisse gibt uns die Bibel nicht. Das kann und will sie nicht; denn sie ist kein naturwissenschaftliches, sondern ein religiöses Buch, dem es nur darauf ankommt festzustellen, dass in der geschaffenen Welt Gottes Allmacht und Weisheit steckt. – Dem modernen Menschen, dessen Geist Himmel und Erde durchforscht, genügt das nicht. Er will Aufklärung haben gerade über die Einzelheiten und kleinen Zusammenhänge des Weltentstehens. Hier bietet sich ihm die Naturwissenschaft, die Geologie, als Lehrerin an. Ihr ist es in eifrigem Studium gelungen, ein wenig den Schleier der Vergangenheit der Erde zu lüften. Sie lässt uns einen Blick in die wunderbare Schöpferwerkstatt Gottes tun. – Man nimmt an, dass die Erde zuerst ein Glutball von feurigen Gasen war. Durch allmählige Abkühlung wurde sie zuerst feurig-flüssig, und weiterhin bildete sich eine feste Schale um die Erde. Bei weiterer innerer Erkaltung zog sich das Erdinnere zusammen und die Erdrinde wurde infolgedessen runzelig (wie ein alt werdender Apfel). Durch die Runzelung bildeten sich Hochflächen und Niederungen, Gebirge und tiefe Buchten. In letzteren sammelte sich alsdann das früher dampfförmige und durch die Abkühlung flüssig gewordene Wasser und bildete so die großen Meere. – Damit war aber die Erdbildung noch nicht fertig. Wenn wir einen Querschnitt durch die Erde machen, dann sehen wir, wie eine große Menge Schichten, bestehend aus Sandstein, Schiefer u. a. übereinander lagern. Wie sind die entstanden? Es sind Ablagerungen aus dem Meere. Dort wo die Schichten jetzt liegen, war ehedem Wasser. Und wie heutzutage noch in jedem Teich und Wasser sich Schlick, Steine, Reste von Tieren und Pflanzen auf dem Boden ablagern, so ist es auch in der Vorzeit gewesen. Man sieht dies noch deutlich an den Muscheln und Meerestieren, deren Schalenreste tief in der Erde in den Schichten eingeschlossen sind, zum Teil in großen Massen. – Diese Sand- und Schlammschichten sind im Laufe der Zeiten hart und fest geworden; und so entstand der Schiefer, der Sandstein in der Erde. – Mitten zwischen diesen Steinschichten lagern nun hierzulande kleinere, schwarze Schichten: das sind die sogenannten Kohlenflöze, die eine Dicke bis zu etwa vier oder fünf Metern haben, in Oberschlesien sogar bis sechzehn Meter. Der Bergmann kennt sie genau und gibt ihnen besondere Namen. Die Hauptflöze, sogenannte Leitflöze, heißen: Mausegatt, Einefrau, Sonnenschein, Katharina, Bismarck usw. Wenn man mit der Bahn nach Wetter oder Hattingen fährt, kann man an den Steinabhängen kleine Flöze, die dort zu Tage kommen, beobachten. – Wie kommen nun diese Kohlenflöze mitten unter Stein-und Schieferschichten? Es hat eine Zeit gegeben, da war das Wasser, das unsere Gegend bis dahin bedeckte, sehr seicht geworden oder ganz zurückgetreten. Dadurch entstanden weite Sumpfniederungen, feuchte Landstrecken und seichte Wassertümpel. In dieser Zeit sah die Erde eine rege Schöpfertätigkeit Gottes. Grüne Pflanzen, Moose, Sträucher, Bäume entwickelten sich. Auf dem schlammigen Boden, bei gleichmäßiger warmer Temperatur (etwa 25 Grad) und in feuchter, gewitterschwüler Luft konnten sie prachtvoll gedeihen. Es entstanden weite Waldmoore mit dichtem Pflanzenfilz und einem urwaldartigen Gewirr von großen und kleinen Bäumen und Pflanzen, die durcheinander wucherten. Was vom Sturm umgeweht wurde oder abstarb, sank auf den nassen Boden und bildete dort im moorigen Wasser ein dichtes Polster von modernden Stämmen, Blättern und Fasern und einen zähen Faulschlamm. Durch die immer aufs neue entstehenden Pflanzen wuchs allmählich das Moor und der Schlamm zu immer größerer Mächtigkeit heran. In diesen Steinkohlenwäldern herrschte eine gewisse Eintönigkeit: es sang noch kein Vogel, kein Säugetier war zu sehen, keine farbenglühenden Blüten leuchteten. Auch der Mensch war noch nicht da. Was an tierischen Lebewesen vorhanden war, gehörte ins Reich der Muscheln, Schnecken, Tausendfüßer, Molche und anderer Tiere niedriger Stufe. –
Man darf sich nun die Kohlenwälder nicht so vorstellen, wie die heutigen Buchen- und Tannenwälder. Damals war die Pflanzenwelt noch eine wesentlich andere; einfacher in ihrem inneren Aufbau, fremdartig in ihrem Aussehen. Abgesehen von manchen Moosen und baumartigen Farrenkräutern, wuchsen große Dickichte von Kalamiten, das sind schachtelhalmartige Gewächse, die bis zwölf Meter hoch wurden. (An diese Pflanzen erinnert heute das zierliche Zinnkraut, auch Kattenstiät genannt, das auf unseren Feldern oder an sumpfigen Stellen wächst.) Ganz besonders bezeichnend für jene Urwälder waren aber die Sigillarien, Siegelbäume und Lepidodendren, Schuppenbäume, die zu den Bärlappgewächsen gehörten und eine Höhe bis dreißig Meter und einen Stammdurchmesser von zwei bis drei Meter hatten. Die Blätter sahen nicht wie Laub oder Nadel aus, sondern wie Schilf. Den merkwürdigen Namen Siegel- und Schuppenbäume haben sie von der Rinde, auf der dicht nebeneinander Eindrücke zu sehen sind, welche die Gestalt von Kästchen und Siegeln oder von Fischschuppen haben: es sind die Blattnarben der abgefallenen Blätter. (Von dieser einst so riesigen Pflanzengattung besitzen wir heute nur noch kümmerliche Überbleibsel in dem kriechenden Bärlapp, auch Schlangenmoos genannt, das manchem unserer Leser aus Ostpreußen und der norddeutschen Heide bekannt sein wird.) – Vielleicht aber fragt einer: »Woher weiß man das alles? Kein Mensch hat doch damals jene Wälder gesehen.« Nun, die Natur hat uns in zahllosen Abdrücken und Versteinerungen getreue Photographien dieser Pflanzenwelt bewahrt, die wir in der Kohle und im Kohlenschiefer finden und dort wie in einem Herbarium aufbewahrt sind. Der Bergmann kennt die oft wundervollen Farrenabdrücke (von ihm Blaumen genannt) und die Steinplatten mit den Schuppen (fälschlich manchmal für Fisch gehalten) und die ganzen Baumstämme, die sich versteinert finden. Aus ihnen kann man ein ziemlich genaues Bild jener Pflanzenwelt zusammenstellen.
Über die Herrlichkeit der Urwälder brach nun eine ungeheure Katastrophe herein. War es, dass der Boden allmählich sank; war es, dass der Grund des benachbarten Meeres sich hob; waren es vulkanische Ereignisse oder das Hereinbrechen von mächtigen, über unsere Gegend sich ergießenden Strömen; genug, die ganze Herrlichkeit ging langsam unter und riesige Mengen Wasser, Sand, Schlick legte sich darüber. Begraben! Eine untergegangene Welt. Aus diesen untergegangenen Wäldern entstand das erste Kohlenflöz.
Lange, lange Zeit war darüber vergangen. Über die begrabene Pflanzenwelt hatte sich allmählich eine Schicht von zehn, fünfzig, hundert Meter Sand und Schlick gelegt. Dadurch hob sich der Boden wieder und das Wasser trat zurück. Und siehe, auf dem zu Tage tretenden Land wuchs eine zweite Pflanzenwelt, ähnlich der ersten. Es war wieder wie früher. Aber nach langer Zeit kam zum zweiten Male der Untergang und die Wälder gerieten unter Wasser und Erdschichten und bildeten – das...
Erscheint lt. Verlag | 27.7.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Technik |
ISBN-10 | 3-7519-8712-6 / 3751987126 |
ISBN-13 | 978-3-7519-8712-7 / 9783751987127 |
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Größe: 3,2 MB
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