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Die letzten Paten (eBook)

Aufstieg und Fall der Corleones

(Autor)

eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
380 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561915-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die letzten Paten -  John Follain
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John Follain erzählt die wahre, blutige Geschichte des legendären und berüchtigtsten aller Mafia-Clans, der mächtigsten und reichsten Familie der sizilianischen Mafia, die Mario Puzos Roman ?Der Pate? inspirierte. Basierend auf Tausenden von Seiten von Gerichtsunterlagen, auf Zeugenaussagen, Tonbandmitschnitten und Interviews ist dies die definitive Darstellung der drei mächtigsten Paten des Corleone-Clans: Luciano »der Professor« Leggio, Salvatore »die Bestie« Riina und Bernardo »der Traktor« Provenzano. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

John Follain war Italienkorrespondent für die Sunday Times und das Sunday Times Magazine. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. des Bestsellers ?Zoya. Mein Schicksal heißt Afghanistan?.

John Follain war Italienkorrespondent für die Sunday Times und das Sunday Times Magazine. Er ist Autor mehrerer Bücher, u. a. des Bestsellers ›Zoya. Mein Schicksal heißt Afghanistan‹. Irmengard Gabler war nach dem Studium der Anglistik und Romanistik in Eichstätt und London einige Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für romanische Literaturwissenschaft an der Universität Eichstätt tätig. Seit 1993 übersetzt sie Belletristik und Sachbücher aus dem Englischen, Französischen und Italienischen (u.a. Cristina Campo, Serena Vitale, Philippe Blasband, Christopher J. Sansom, John Dickie, Adam Higginbotham). Die Übersetzerin lebt in München.

Prolog


23. Mai 1992

Samstag, 23. Mai 1992, kurz nach vier Uhr nachmittags: Richter Giovanni Falcone, Italiens bekanntester Mafiajäger, und seine Frau Francesca bahnen sich einen Weg durch das römische Verkehrschaos, eskortiert von ihren Bodyguards. Unter Blaulicht und Sirenengeheul umrundet der Konvoi das Kolosseum, jenes baufällige Denkmal menschlicher Grausamkeit, ehe er gen Süden abschwenkt, in Richtung Flughafen und der Geburtsstadt Falcones – der sizilianischen Hauptstadt Palermo.

Nachdem er als Staatsanwalt in Palermo zahllose Siege errungen hatte – sein größter Triumph ein Prozess, der nicht weniger als 338 Mafiosi für insgesamt 2665 Jahre hinter Gitter brachte –, war der stämmige, schnurrbärtige Falcone ein Jahr zuvor nach Rom gezogen, wo er im Justizministerium für die Strafgerichtsbarkeit zuständig war. Mit typischer Entschlossenheit richtete der 53-Jährige, ein Arbeitssüchtiger, zwei neue Gremien ein, die die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem organisierten Verbrechen in ganz Italien aufeinander abstimmten. Damit erhielt der Staat endlich das notwendige Instrumentarium, um der Verbreitung des organisierten Verbrechens entgegenzuwirken – sofern dies in seiner Absicht lag.

Doch es gibt etwas, das Falcone den jüngsten Erfolg vergällt. Wie schon oft in seiner Karriere macht ihm wieder einmal der Neid seiner Kollegen und die Feindseligkeit derer zu schaffen, die die Mafia am liebsten stillschweigend ignorieren würden. Er ist gereizt. In einer bösartigen Hetzkampagne hat man ihm vorgeworfen, er habe das neue Amt des überregional tätigen Antimafia-Staatsanwalts – in der Presse ist von »Super-Staatsanwalt« die Rede – nur deshalb ins Leben gerufen, um es selbst bekleiden zu können. Der Richter hatte die Beschimpfungen einem Kollegen gegenüber mit den sarkastischen Worten kommentiert: »Was glauben die denn? Ich weiß doch, dass sie mich irgendwann ermorden, was kümmert mich da, ob ich Super-Staatsanwalt bin!«

Diese lakonische Haltung im Hinblick auf den eigenen Tod war typisch für Falcone, dem als Sizilianer der Fatalismus in die Wiege gelegt war. Der Mafiajäger stand rund um die Uhr unter massivem Polizeischutz – oft begleitete der Schatten eines Helikopters seinen Konvoi – und war dennoch schon zweimal nur knapp einem Mordanschlag entgangen. Die Mafia hatte ihm zunächst einen Killer ins Justizgebäude geschickt, um ihn dort zu erschießen, und nachdem dieses Attentat fehlgeschlagen war, legte man in unmittelbarer Nähe seiner Villa am Meer eine Tasche mit einer Bombe ab; doch auch dieser Versuch konnte im letzten Moment verhindert werden. Als der Autor den Richter vor sieben Jahren in seinem bunkerähnlichen Büro in Rom aufgesucht und zu den Risiken befragt hatte, denen er ständig ausgesetzt war, hatte Falcone nüchtern erwidert: »Menschen, die sich für die Gesellschaft starkmachen, leben nun einmal gefährlich, das liegt an der Trägheit, Feigheit und Ignoranz der anderen. Und am Ende werden sie ermordet – unerbittlich. So ist das eben.«

Während Falcones Konvoi an den alten Mauern der Ewigen Stadt entlangfährt, haben seine Frau und er allen Grund, sich zu freuen; Francesca, deren Arbeit als Richterin sie davon abgehalten hatte, zu ihrem Mann nach Rom zu ziehen, hat vor kurzem ihre Versetzung in die italienische Hauptstadt erhalten. Das Paar wird wieder zusammenleben, dann werden Falcones Wochenendtrips nach Sizilien nicht mehr nötig sein.

Um 16.30 Uhr telefoniert Falcone mit Giuseppe Costanza, seinem Fahrer in Palermo, um ihm seine Ankunft mitzuteilen. Costanza fährt zu Falcones Wohnung, um den gepanzerten Wagen des Richters zu holen. Eine halbe Stunde später startet auf dem römischen Flughafen Ciampino heimlich und außerplanmäßig ein Jet des italienischen Sicherheitsdienstes SISDE und bringt Falcone und Francesca nach Palermo.

 

Gut 480 Kilometer weiter südlich, an einer breiten, belebten Straße in Palermo, sitzt ein Mafiaboss und wohlhabender Geschäftsmann – er betreibt eine Schlachterei, eine Restaurantkette und eine Metzgerei – gegenüber von Falcones Häuserblock in Giros Bar und genehmigt sich ein Gläschen. Gegen 16.45 Uhr bemerkt der Boss ein weißes Auto, das er sofort wiedererkennt: Es ist Falcones gepanzerter Fiat Croma, der gerade die Garage gegenüber verlässt.

Da der Boss annimmt, dass der Wagen zum Flughafen von Palermo unterwegs ist, um Falcone abzuholen, eilt er in seine Metzgerei, gleich um die Ecke. Sein Sohn bedient gerade Kunden, und der Boss raunt ihm eindringlich zu: »Mach schnell, das Auto ist eben losgefahren, ihm nach!« Der Sohn springt auf seine Vespa, holt Falcones Wagen ein und folgt ihm bis zur Zufahrt auf die Schnellstraße, die zum Flughafen führt.

Von diesem Augenblick an läuft alles genau nach dem Plan, den der Pate Salvatore Riina, Oberhaupt der Corleoneser, ausgeklügelt hat.

 

Der Jet mit Falcone an Bord landet um 17.43 Uhr auf dem Flughafen Punta Raisi in Palermo, nur wenige Meter von der Mittelmeerküste entfernt. Drei gepanzerte Wagen erwarten ihn und seine Frau auf der Runway. Die Motoren laufen, und sechs Bodyguards halten ihre Waffen schussbereit unter den Jacken. Falcone bittet Costanza, ihn fahren zu lassen, und Costanza überlässt ihm die Schlüssel. Falcone fährt gern selbst, wenn Francesca bei ihm ist – um möglichst viel normales Leben zu erhaschen. Francesca nimmt auf dem Beifahrersitz Platz, Costanza setzt sich nach hinten. Die Wagen fahren im Konvoi los, nehmen Falcone in die Mitte.

An dem für Polizei und Justiz reservierten Gate wurde ein Beobachtungsposten platziert. Er hat von Giovanni Brusca, dem dicklichen Boss mit dem gutmütigen Gesicht, der ein Experte darin ist, Mordopfer in Schwefelsäure aufzulösen, strikte Anweisungen erhalten: »Schau in Falcones Wagen. Wir müssen sicher sein, dass auch wirklich er drin sitzt. Wir dürfen die Sache auf keinen Fall vermasseln, also schau genau hin«, hat Brusca zu ihm gesagt. Der Späher konzentriert sich so stark auf diese Anweisungen, dass er, als das Auto vorbeifährt, zwar Falcone am Steuer erkennt, aber weder Francesca neben ihm noch den Fahrer auf dem Rücksitz – was aber im Endeffekt auch nichts mehr geändert hätte. Um 17.48 Uhr ruft er einen Komplizen an, Gioacchino La Barbera, um ihm mit einem kurzen Signal, das sie zuvor arrangiert haben, grünes Licht zu geben: »Alles klar.«

Eine Minute später ruft La Barbera einen weiteren Boss an, Antonino Gioè, der von einem Hügel aus, etwa fünf Kilometer vom Flughafen entfernt, einen Streifen Autobahn beobachtet und dabei nervös eine nach der anderen raucht. Neben Gioè steht Brusca persönlich, der für den Mordplan verantwortlich ist. Er hat eine Fernsteuerung in den Händen, wie Kinder sie benutzen, um Modellflugzeuge fliegen zu lassen. Das simple Gerät zündet eine Bombe, die in einem schmalen Abflussrohr unter der Autobahn versteckt ist – etwa 770 Pfund Sprengstoff, verteilt auf 13 Metallzylinder. Die beiden Mafiosi stehen neben einem blühenden Mandelbaum. Von einem zweiten haben sie einen Zweig abgerissen, um freie Sicht auf die Autobahn zu haben. Sie setzen sich abwechselnd auf einen Hocker und spähen durch ein Fernglas.

Gioè unterhält sich per Mobiltelefon mit La Barbera. Während sie reden, fährt La Barbera eine Straße lang, die parallel zur Autobahn verläuft, und beschattet Falcones Konvoi. Aus Sorge, der Anruf könnte abgehört werden, plaudert er über dies und das und springt von einem Thema zum anderen.

Er hat den Konvoi so deutlich vor Augen, dass er die Maschinengewehre der Bodyguards ausmachen kann.

 

Vom Rücksitz aus fragt Falcones Fahrer Costanza den Richter, wann der ihn wieder brauche.

»Montagmorgen«, entgegnet Falcone.

»Würden Sie mir dann bitte die Autoschlüssel geben, wenn wir angekommen sind, damit ich am Montagmorgen den Wagen holen kann?«, fragt Costanza.

Zu seiner Verwunderung zieht Falcone abrupt die Schlüssel aus dem Zündschloss und reicht sie ihm. »Was tun Sie denn da? Sie bringen uns noch um!«, schimpft Costanza, der spürt, wie der Wagen, noch immer im vierten Gang, auf einmal langsamer wird.

Falcone hatte offenbar seinen Schlüsselbund, an dem auch die Wohnungsschlüssel hängen, auf der Stelle mit Costanzas Bund tauschen wollen. Falcone wendet sich Costanza zu, wobei er Francescas Blick begegnet. »Tut mir leid«, sagt er. »Tut mir leid.«

 

La Barbera, der den Konvoi noch immer beschattet, fällt auf, dass der nur noch 80 km/h fährt – halb so schnell, wie das Todeskommando angenommen hat –, und führt sein Telefongespräch weiter. Er hofft, die zwei Männer auf dem Hügel werden an der Länge des Telefonats erkennen, dass die Kolonne nicht so schnell heranfährt wie erwartet.

»Was hast du heute Abend vor?«, fragt La Barbera.

»Nichts. Wenn du Zeit hast, gehen wir ’ne Pizza essen«, erwidert Gioè, während er durch sein Fernglas starrt.

»Geht klar«, sagt La Barbera.

Kurz darauf meint La Barbera plötzlich: »Wir reden später weiter, ciao.« Das fünfminütige Telefonat bricht um 17.54 Uhr abrupt ab.

Gioè hat begriffen. Er sieht, wie der Konvoi sich der Bombe nähert. Brusca hat die Absicht, den Schalter auf der Fernsteuerung umzulegen, sobald Falcones Wagen einen Kühlschrank passiert, den jemand...

Erscheint lt. Verlag 29.12.2017
Übersetzer Irmengard Gabler
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Auto • Bernardo Provenzano • Caltanissetta • Cathedral • Corleone • Corte • Cosa Nostra • Der Pate • Drogen • Entführung • Giovanni Brusca • Giovanni Falcone • Giuseppe Marchese • Italien • Kriminalität • Luciano Leggio • Mafia • Mammutprozess • Mario Puzo • Mord • Palermo • Polizei • Rom • Sachbuch • Salvatore Riina • Sizilien • Tommaso Buscetta • Triumvirat • USA • Verbrechen
ISBN-10 3-10-561915-1 / 3105619151
ISBN-13 978-3-10-561915-5 / 9783105619155
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