Ratgeber Photovoltaik, Band 2 (eBook)
196 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7460-8598-2 (ISBN)
Emanuel Saß, Jahrgang 1971, ist ein Photovoltaik-Mann der ersten Stunde. Im Jahr 1998 montierte der gelernte technische Betriebswirt und Elektromeister seine erste Solaranlage. Seitdem hat er unzählige PV-Systeme in ganz Deutschland geplant und umgesetzt, von der kleinen 3 kWp-Anlage auf der Garage bis zu Freiflächen-Solarparks mit über 1 MWp. Zudem betreibt er selbst mehrere PV-Anlagen, ist als mehrfach zertifizierter Gutachter für Photovoltaik tätig (gem. DIN EN ISO 17024, VdS, TÜV, FIB und BDSF) und hält deutschlandweit Vorträge zu allen relevanten Themen der Photovoltaik. Ehrenamtlich ist er im Prüfungsausschuss der IHK Passau engagiert. Jeder, der an Solartechnik interessiert ist, profitiert mit diesem Ratgeber von seiner langjährigen Erfahrung als Solarwirt und Sachverständiger. Seine zweite Leidenschaft gilt der Musik. Emanuel Saß ist Pianist, Komponist, Tontechniker und Produzent mehrerer CDs. Mehr dazu unter www.piano88.de
4.1 Das optimale Dach für PV-Anlagen
Bevor Sie sich auf die Suche nach einem Planer machen und sich um die einzelnen Solar-Komponenten und die „Nebengeräusche“ bei Bank, Verteilnetzbetreiber (VNB) und Steuerberater kümmern, sollten Sie wissen, welche Voraussetzungen Ihr Dach überhaupt erfüllt oder welches Objekt generell Sie sich wünschen – sollten Sie gerade einen Neubau überlegen, ein Dach anmieten oder in eine Betreibergesellschaft einsteigen wollen.
DAS FÜR EINE PV-ANLAGE OPTIMALE DACH SIEHT SO AUS
- Azimut 0°, (reine) Südausrichtung. Azimut bedeutet die Abweichung des Sonnenkollektors vom geografischen Süden
- Völlig verschattungsfrei: sommers wie winters und auch bei niedrigem Sonnenstand morgens und abends keinerlei Verschattung auf dem PV-Dach
- Schrägdach zwischen 20° und 50° Dachneigung oder
- Flachdach mit 30° Grad aufgeständert
- Statisch tragende Dachkonstruktion für eine zusätzliche Dachlast von ca. 20 kg pro m² bei dachparalleler Montage gemäß DIN 1055-4/5 (DIE Norm der Statiker)
- Keine direkt verschmutzende Umgebung (Landwirtschaft, Industrie o.ä.)
- Frei von aggressiven Umgebungseinflüssen durch Kamine, Mastställe etc.
- Kurze Kabelwege vom Dach zum WR und von da zum Einspeisepunkt (Zähler)
- Höher gelegene geographische Lage: Dadurch weniger Nebel- und Emissionseinflüsse und kühlere Umgebung
- Sonnenreiche geographische Lage (siehe Karte vom Deutschen Wetterdienst Abb. 4.1-1 und Abb. 4.1-2). Aus Erfahrung ist dies in den Hochlagen im Allgäu rund um den Bodensee, aber auch im bayrischen Rottal und generell im deutschen Süden der Fall. Nicht zuletzt deshalb stehen die meisten PV-Anlagen Deutschlands in Bayern und in Baden-Württemberg.
UNTERSCHIEDE IN DEN DACHNEIGUNGEN
Die Steilheit des Daches hat überwiegend Auswirkung auf den PV-Ertrag morgens und abends und im Sommer/Winter. Je näher der Winkel des Daches zur Sonneneinstrahlung bei 90 Grad liegt (im rechten Winkel), desto besser ist das für die Stromerzeugung. Optimal im Winter wäre eine Dachneigung von 65° und im Sommer von 25°, in Deutschland. Dies ist abhängig vom geografischen Breitengrad. Die Rendite-Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Vor allem in Hinblick darauf, wann während des Jahres wieviel Lichternte zu erwarten ist. Könnte man sich’s aussuchen, sollte man also eher eine Dachneigung nahe der 30° wählen (Abb. 4.1-3).
Flache Dächer (um 15°) ergeben in den Wintermonaten im Vergleich zu 40° Steilheit aus Erfahrung ein finanzielles Minus von bis zu 30%. Das liegt nicht zuletzt daran, dass ein steiles Dach schneller schneefrei ist als ein flaches (Schnee rutscht schnell und regelmäßig ab). Hinzu kommt, dass Module auf steilem Dach die flach ankommenden Sonnenstrahlen in dieser Jahreszeit besser auffangen und in elektrische Energie umwandeln. Trotzdem werden PV-Anlagen nicht für die Wintersaison gebaut! Anders herum holen die flachen Neigungen den winterlichen Verlust im Sommer gut auf (wegen günstigeren Einstrahlungswinkels zur Sonne, die dann stärker und länger scheint und gute Stromerträge generiert).
Je flacher ein Dach, desto geeigneter ist es auch für Ost-West-Anwendungen und bereits für PV-Nordanteile, denn im Sommer bei hochstehender Sonne sammeln Module die solare Strahlung dann effektiv ein. Eine flache Dachneigung egal in welche Himmelsrichtung wirkt sich in dieser Zeit günstig aus.
Zu überlegen ist in solcher Konstellation der Kauf von polykristallinen Modulen, wie ich in Kapitel 8/Band 3 noch näher erläutere. Sie setzen das Sonnenlicht im nördlichen Europa „gefühlt“ noch einmal etwas besser in elektrischen Strom um.
POSITIVE UND NEGATIVE STANDORTFAKTOREN
Von dieser optimalen Lage abweichend gibt es trotzdem etliche ertragsgute Dachvarianten, so z. B. bei flachen Ost/West-Ausrichtungen, die mit Dünnschicht wie auch kristallinen Modulen belegt werden (Modultypen erkläre ich in Kapitel 10/Band 4), und bei Anlagen in Flussnähe wegen der Lichtreflexionen der Wasseroberfläche. Das gleiche gilt für Standorte in Meeresnähe und bei relativ flachen Dächern mit weniger als 20° Grad Neigung. Unterhalb dieser Neigung wird lediglich die Selbstreinigung durch Regen und Schnee ungenügend und durch die Ziegel am unteren Rand des Modulfelds nahe der Dachrinne kann hier bei starkem Wind Regenwasser eindringen. Wasser fließt bei flachem Dach und starkem Wind dann leicht aufwärts. Außerdem können sich dort Insekten und kleine Nagetiere einnisten, weil Dachhaken die darüber liegenden Ziegel manchmal nicht mehr ganz genau decken lassen (Abb 4.1-4).
Bei weniger als 10° Dachneigung stellt sich die Frage, ob ein Ziegeldach überhaupt Sinn macht (und es erlaubt ist), denn Regen kann bei starkem Wind zurück in die Ziegelritzen gedrückt werden (auch ohne Solaranlage). Man wird wegen der schmutzbedingten abnehmenden Sonnenernte seine PV-Anlage wahrscheinlich auch deutlich öfter putzen (lassen) müssen als der Nachbar nebenan mit steilerem Dach das tut. Staub wird vom Regen nicht mehr richtig weggewaschen: Regenwasser verdunstet, sammelt aber beim Ablaufen den Schmutz an den unteren Modulrahmen und Klemmen bis hin zur Verschattung von Zellpartien (Kapitel 10/Band 4). Außerdem liegt bei flachen Neigungen Schnee mit seinem Gewicht länger auf den PV-Glasscheiben, weil er nicht leicht abrutscht. Es gibt so im Winter einen Ertragsnachteil (durch Schneeverschattung), wenn man als Betreiber nicht reinigend/schaufelnd hinterher ist.
Allen Standorten ist aber gemeinsam, dass eine generell verschattungsfreie Solarfläche und ein optimaler kühler Platz für die WR die besten Voraussetzungen für gute Leistungserträge und Langlebigkeit der PV-Anlage gewährleisten.
Eine Abweichung vom Süden ist nicht so schlimm wie eine Verschattung.
Von daher hätte ich persönlich lieber ein freies Dach auf einer Ost- oder Westseite als eine dauerhafte Verschattung auf einem reinen und steilen Süddach. Lassen Sie bei derlei Überlegungen Ihren gesunden Menschenverstand walten! Vermeiden Sie Verschattung generell, wo es nur geht! Oder lassen Sie technisch gekonnt darauf reagieren, wie ich weiter unten noch beschreibe. „Über Gewalt“ in einen Schatten eine Dachanlage installieren zu lassen, kann zu einer empfindlichen Spaßbremse werden (Abb. 4.1-5, Abb. 4.1-6, Abb. 4.1-7).
STATIK UND PREIS
Ein gutes Vorgehen ist, Sie lassen Ihr Dach statisch prüfen und sich ein schriftliches Protokoll darüber aushändigen. Zum Preis hierfür (aus der Praxis): Die Statik ist umso teurer, je länger der Doktortitel von demjenigen ist, der sie berechnen soll. Am Angebotspreis kann man generell erkennen, ob jemand Ihren Auftrag zur Berechnung haben will oder nicht. Eine Statik, die ohne vorherige Dachbesichtigung am Telefon pauschal für 2.500 € angeboten wird, und das schon als reduzierter Gruppenpreis für mehrere Objekte, ist ein schlechter Witz. Das Geld kann man auch angenehmer verbraten. Um 350 € sollten für eine Dachstatik genügen, wenn der Inspektionsaufwand und die Rechnereien wegen fehlender Baupläne nicht allzu umfangreich werden.
STATIK-NORM DIN 1055
Wichtig bei der Planung der PV-Komponenten ist die Beachtung der aktuellen Wind- und Schneelastzonen, grafisch dargestellt in der Norm DIN 1055-4 und -5 (siehe im www). Sie bestimmen, wie viele PV-Befestigungspunkte pro m² Dachfläche für eine langzeitstabile Unterkonstruktion am jeweiligen Standort nötig sind. Um diese Berechnung wiederum kümmert sich Ihr Lieferant und Hersteller der Unterkonstruktion.
Sollte dies aus Kostengründen vernachlässigt werden, geschehen die bekannten Pannen: Gebrochene Ziegel (Kapitel 15/Band 5) und mechanisch verursachter Modulbruch wegen verbogener Schienenreihen bei zu hohen Schnee- und Windlasten bis hin zu eingestürzten Dächern.
ASBEST
Asbest darf aus gesundheitlichen Gründen vom PV-Betreiber nicht bearbeitet werden (Löcher bohren, Module installieren...). Nicht einmal mit einer kostenpflichtig zu erwerbenden Lizenz (ca. 1.000 € für die Lehrgangsteilnahme), obwohl eine fertig installierte Anlage Bestandsschutz genießen dürfte. Denn: Wo kein Kläger da kein Richter. Für Asbest-Lösungen käme eine „Härtefallregelung“ in Frage, die man beim zuständigen Bauamt beantragen muss. Finanzielle Gründe spielen hierbei eine Rolle. Da diese Regelung der Bauordnung der einzelnen Länder unterliegt, will ich hier das Thema nicht vertiefend erörtern. Siehe dazu die „Musterbauordnung“ im www. und Auskünfte beim regional zuständigen Bauamt.
ASBEST-SANIERUNG
Eine gegebenenfalls notwendige Sanierung eines mit PV belegten gepachteten Daches kann nicht verhindert werden, da ohnehin ein Überbauungsverbot der Asbest-Dachhaut besteht. Eine existierende PV-Anlage wird dafür später, im Moment des Reparaturfalles, auf Kosten des Betreibers vorübergehend unter Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften (UVVs) abgebaut. Da Asbestdächer alte Dächer sind, ist die Wahrscheinlichkeit einer schleichenden Undichtigkeit von...
Erscheint lt. Verlag | 19.12.2017 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Technik |
ISBN-10 | 3-7460-8598-5 / 3746085985 |
ISBN-13 | 978-3-7460-8598-2 / 9783746085982 |
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