Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Das Tagebuch der Cornelia Goethe (eBook)

Die Illusion vom Großen Paar. Band 2
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
446 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-561882-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Tagebuch der Cornelia Goethe -  Ulrike Prokop
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Im 2. Band der ?Illusion vom Großen Paar? untersucht Ulrike Prokop die bürgerliche Lebenswelt am Beispiel der Familie Goethe in Frankfurt: Familiengeschichte als Kulturgeschichte. Am Schicksal Cornelia Goethes, in dem sich die menschlichen, geistigen und kulturellen Widersprüche des Zeitalters zu solchen der Geschlechterordnung verdichten, beschreibt sie das düstere Panorama der Entwürdigung der Frauen. »Cornelia bleibt eine Gefangene ihrer Verwundung. Ihre Gegenwehr geht unter, ihre Aktivität erlischt, kaum entfaltet, in dem mutig-mutlosen, offenen und gleichzeitig sich verbergenden Gerede ihres Romanfragments.« (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Ulrike Prokop, geboren 1945, Studium der Sozialwissenschaften in Frankfurt bei Th. W. Adorno, J. Habermas, A. Mitscherlich. War in der Frauenbewegung aktiv; Mitarbeit an feministischen Kulturprojekten; Tätigkeit in Regie und Dramaturgie bei der Freien Volksbühne Berlin, am Schauspiel Frankfurt und bei der Bremer Shakespeare Company. Von 1978 bis 1988 Hochschulassistentin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In dieser Zeit Mitarbeiterin von A. Lorenzer und Ausbildung im psychoanalytisch-tiefenhermeneutischen Verfahren. Ab 1988 bis zu ihrer Emeritierung Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg. Wichtige Publikationen u.a.: ?Soziologie der Olympischen Spiele?, München 1972; ?Weiblicher Lebenszusammenhang. Von der Beschränktheit der Strategien und der Unangemessenheit der Wünsche?, Frankfurt 1978; gemeinsam mit H. D. König et al., ?Kultur-Analysen. Psychoanalytische Studien zur Kultur?, Frankfurt 1988.

Ulrike Prokop, geboren 1945, Studium der Sozialwissenschaften in Frankfurt bei Th. W. Adorno, J. Habermas, A. Mitscherlich. War in der Frauenbewegung aktiv; Mitarbeit an feministischen Kulturprojekten; Tätigkeit in Regie und Dramaturgie bei der Freien Volksbühne Berlin, am Schauspiel Frankfurt und bei der Bremer Shakespeare Company. Von 1978 bis 1988 Hochschulassistentin am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. In dieser Zeit Mitarbeiterin von A. Lorenzer und Ausbildung im psychoanalytisch-tiefenhermeneutischen Verfahren. Ab 1988 bis zu ihrer Emeritierung Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg. Wichtige Publikationen u.a.: ›Soziologie der Olympischen Spiele‹, München 1972; ›Weiblicher Lebenszusammenhang. Von der Beschränktheit der Strategien und der Unangemessenheit der Wünsche‹, Frankfurt 1978; gemeinsam mit H. D. König et al., ›Kultur-Analysen. Psychoanalytische Studien zur Kultur‹, Frankfurt 1988.

Aspekte der männlichen Welt:
Bürgerliche Lebensführung in Frankfurt am Main


Die politischen und sozialen Spannungen, die sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts verschärft hatten, wurden in der »Meßstadt« Frankfurt unmittelbar sichtbar. Hier stellte sich der Luxus des Jahrhunderts zur Schau: »Wenn man damals allerorten in Deutschland Luxus und Verschwendung verspüren konnte, so erst recht in der Meßstadt, die ganz vom Handelsgeist erfüllt war. Das Bankgeschäft blühte, und als Bankiers und Wechselherren standen jetzt Reformierte, Katholiken, Lutheraner und Juden einträchtig nebeneinander – die Bethmann, Metzler, Goll, Ohlenschlager, de Neufville, Guaita neben dem Münzenhändler Mayer Amschel Rothschild, der seit kurzem im Haus zum grünen Schild wohnte. Daneben hatte der ständige Warenhandel einen gewaltigen Umfang angenommen. In Spedition wie Kommission wurde viel Geld gemacht; vor allem wurden kostbare Spezereien gehandelt. Und die Messen standen im Flor: von einem einzigen Artikel, Kattun und Zitze, soll in einer Messe für 45 Millionen Gulden umgesetzt worden sein. In den Römerhallen, dem Barfüßerkreuzgange, den Galerien des Braunfels wurde man schier geblendet von all dem Wundervollen, was dort nebeneinander ausgestellt lag.«[1] Der Glanz war um so blendender, als das deutsche Gewerbe der ausländischen Konkurrenz nicht standhalten konnte. Die holländische Tuchfabrikation hatte das deutsche Wollgewerbe fast vollständig vernichtet.[2] Neben Holland trat England mit der Baumwollindustrie, trat Frankreich mit feinen Luxuswaren: Schmuck, Glas, Gold- und Silberdrahtarbeit, dem Boissieren in Wachs, der Seidenweberei und -Stickerei hervor.[3]

Die großen Vermögen wurden in Frankfurt vor allem im Kommissionshandel gemacht. Damit eng verbunden war die Entwicklung des Geldhandels, denn Provisionen, Faktoreigebühren, Vorschußzinsen, Wechselagio machten stetiges gegenseitiges Verrechnen nötig. Bothe schreibt zu dem Ruf Frankfurts als prosaische Geldstadt: »Das war auch das Frankfurt, welches Schiller vor Augen stand, als er 1795, bei der Übersendung seines Gedichts ›Die Teilung der Erde‹, an Goethe schrieb, er werde es am besten in Frankfurt, mit dem Blick auf die Zeil, lesen; da sei ›das Terrain‹ dazu. Da ging nämlich der Poet auch leer aus beim Verteilen der Güter dieser Erde.

›Da ist jedes Köstliche zu sehen,

Und es herrscht der Erde Gott, das Geld.‹«[4]

Die Verarmung der unteren Schichten dagegen nahm in Frankfurt wie überall im Reich ab der Jahrhundermitte deutlich zu – in Frankfurt gemildert nur durch die Verdienstmöglichkeiten, welche die Messen mit den zahlreichen auswärtigen Besuchern mit sich brachten. Die Grundtendenz zeigte sich dennoch auch hier. Die Schere zwischen Bevölkerungswachstum und stagnierender landwirtschaftlicher Produktivität führte zu Teuerungen gegen Ende des Jahrhunderts.[5] Für die wachsende Bevölkerung gab es keine Arbeits- und Erwerbsmöglichkeiten. Weder bestand Nachfrage jenseits der Luxusgüterproduktion bzw. der Produktion von wenigen Massenbedarfsartikeln und Halbfertigprodukten, noch zeichnete sich im landwirtschaftlichen Bereich ein Ansatz zur Erneuerung ab. »In den Preiskurven des 18. Jahrhunderts zeichnet sich die Agrarkrise seit 1740/50 deutlich ab: Steigende Preise für Korn und Boden wurden notiert.«[6] Die Bevölkerungslücke, die der Dreißigjährige Krieg verursacht hatte, war geschlossen. Die guten Böden waren seit der Jahrhundertmitte alle wieder unter den Pflug genommen. »Der beginnende Preisschub für Land und Brot war ein frühes Warnungszeichen der überlangen Krise, die sich in den kommenden Jahrzehnten aufstauen, von 17681772 ganz West- und Mitteleuropa in dramatischer Zuspitzung heimsuchen und während der folgenden Generationen die mittelalterlichen Ordnungen unter sich begraben sollte […] Überall trieb damals der Mangel die Nahrungsmittelpreise höher, als sie seit Menschengedenken gewesen waren. Das Ergebnis war die Pauperisierung breiter Schichten. Auf der Gewinnerseite standen in den langen Mangelkrisen der Getreidehandel, die großen Landbesitzer, die Inhaber ländlicher und städtischer Pfründen, die ihr Deputat aus Holz und Korn, soweit sie es selbst nicht aufbrauchten, zu steigenden Preisen auf dem Markt absetzen konnten. Es gewannen Frachtführer, Hausspekulanten und die städtischen Nahrungsgewerbe wie Fleischer und Bäcker, wenn auch die Obrigkeit stets rasch bei der Hand war, ihnen eine Schmälerung ihrer Gewinne aufzuerlegen und mit harten Strafen einzuschärfen. Auf der Verliererseite fand sich die Riesenzahl der Eigentumslosen in Stadt und Land, fanden sich Kleinbauern und kleine Pächter, die zur Sicherung des Überlebens hinzukaufen mußten, fanden sich alle, die nichts als ihre Arbeitskraft zu verkaufen hatten, Gesellen, Arbeiter, Tagelöhner und die Menschen der knappen und mühseligen Hausindustrie. Es litten aber auch alle, die von einem festen Geldeinkommen lebten, da der Preis des Überlebens rasch anstieg, zuweilen auf das Drei- und Vierfache des Gewohnten. Das Alte Handwerk insgesamt hat sich von dieser Knappheits- und Umverteilungskrise nicht mehr erholt. Nur den Luxusgewerben brachte die ansteigende Nachfrage der Oberschichten noch einmal jene Spätblüte, die im höfisch-pretiösen, jeder Überfeinerung offenen Klassizismus ihren Ausdruck fand.«[7]

Die Armut der Menschen, das bescheidene Leben des Gesindes, der Gesellen, das Elend derer, die aus der Bahn gerieten, weil sie krank wurden, die Not der Familien, die auf Almosen angewiesen waren, weil der Ernährer ausfiel – all das wurde um 1750 als in der Ordnung der Dinge, als unvermeidlich hingenommen. In Frankfurt wurde das Maß des üblichen Unglücks nicht überschritten. Protest richtete sich nicht gegen die ökonomische Ungleichheit, sondern allenfalls gegen die geistige Bevormundung. Auch diese Versuche waren zaghaft: ein paar Pamphlete. Deren Verleger und Schreiber wurden gerichtlich belangt.[8] Noch funktionierte diese Gesellschaft im Alltag nach den Regeln der geschlossenen Ständeordnung. Die Klassenschranke war akzeptiert. Die Grenzen zu den unteren Ständen zumal wurden mit Entschiedenheit behauptet und vielfältig signiert.

Frankfurt war reichsunmittelbar. Statt eines Landesherrn herrschte eine Oligarchie. Zwar stand dem Kaiser das Recht der Aufsicht über Politik und Verwaltung zu, zwar war Frankfurt allein schon wegen der Stellung als Krönungsstadt (und das brachte nicht unbeträchtliche Vorteile) stärker als andere Reichsstädte vom Kaiser und den Reichs-schiedsorganen abhängig; aber faktisch lag alle Macht in den Händen der herrschenden Schichten, zumal des Patriziats. Beutler urteilte über das Patriziat im 18. Jahrhundert: »Ihre Herrschaft war schlecht, die Korruption sehr groß.« Das Patriziat war nur mehr Privileg, enthielt jedoch kaum noch Verpflichtungen: »Mit der Genußsucht und dem Prunken der regierenden Klasse und ihrer daraus entspringenden Bequemlichkeitsliebe und Trägheit war eine mangelhafte Geistesbildung verbunden, welche bei einzelnen vornehmen Herren geradezu als Ignoranz zu bezeichnen ist. Die Zeiten waren vorüber, in welchen Patricier, wie Johann und Raimund Pius Fichard und Heinrich Kellner, als Rechtsgelehrte und Geschichtskundige glänzten, und kehrten erst am Ende des Jahrhunderts zurück. Der Sinn war auf ganz andere Dinge gerichtet, und da zuletzt 14 Limburger und 6 Frauensteiner geradezu ein Erbrecht auf Senatoren-Stellen besaßen, so hielten viele Patricier auch aus diesem Grunde wissenschaftliche Bildung und Kenntnisse nicht für nöthig. Ein damaliger Gymnasiallehrer pflegte deshalb zu patricischen Schülern höhnend zu sagen, sie brauchten nichts zu lernen, da sie ja doch Rathsherren würden. Auch Andere spotteten in ähnlicher Weise. Der Arzt Senckenberg z.B. nennt in seiner bitteren Ausdrucksweise die Mehrzahl der Patricier seiner Zeit sechzehnlöthige Bürger und ihre beiden Körperschaften hochadelige Eselschaften, und der Senior des Bürger-Collegs Rhost von Eisenhard, welcher selbst ein Edelmann war, sprach 1762 sogar, mit Nennung der Namen, das harte Wort aus: es gebe in Frankfurt gewisse vornehme Familien, deren Kinder man, unmittelbar nach ihrer Geburt, zum Wohl der Bürgerschaft im Main ertränken solle. Der Herzog von Noailles endlich, welcher 1743 als Feldherr bei Frankfurt agirte, soll gesagt haben, der dortige Rath bestehe aus Hasen, Schwachköpfen und Verräthern (timides, faibles et traitres). In allen diesen scharfen Aussprüchen ist offenbare Übertreibung enthalten; aber man mag als solche noch soviel von ihnen abziehn, es bleibt doch noch genug übrig, um uns die Überzeugung aufzudringen, daß sowohl das Patriciat als auch die übrige vornehme Welt damals tief gesunken war.«[9]

Das Zentralorgan des Stadtregimentes war der Rat. Der Rat erhob Steuern, Zölle, Abgaben, schloß Verträge, schlug Münzen, erließ Gesetze wie ein Landesherr. Er war zuständig für die Gerichte.

Dieses Gremium setzte sich aus drei sogenannten Bänken zusammen: »Die ersten beiden Bänke wurden ausschließlich von Adeligen und Gelehrten besetzt, und nur aus ihnen wurden die leitenden Ämter besetzt. Allein die dritte Bank wurde von einigen ratfähigen Zünften besetzt. Allerdings wurden auch die Mitglieder der dritten Bank durch die erste und zweite berufen. Damit nicht genug stellten innerhalb der ersten und...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2017
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Amnesty International • Aspekt • Bildung • Bürgertum • Charles Grandison • Cornelia Goethe • Cornelia Schlosser • Deutsche Investment-Trust Gesellschaft für Wertpapieranlagen • Emmendingen • EndNote • Frankfurt • Frankfurt am Main • Frausein • Harriet Byron • Inzestthematik • Italien • Johann Caspar • Konflikt • Lebensführung • Leipzig • Lui Que • Richardson • Romane Richardson • Sachbuch • Tagebuch • Tagtraum • Votre • weibliche Kultur • Weiblichkeit • Werther
ISBN-10 3-10-561882-1 / 3105618821
ISBN-13 978-3-10-561882-0 / 9783105618820
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 10,4 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Praktische Ansätze zur Gestaltung eigener KI-Lösungen

von Jakob J. Degen

eBook Download (2024)
tredition (Verlag)
CHF 24,40