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Die Frau nebenan (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-1476-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Frau nebenan -  Yewande Omotoso
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Das Geschenk einer späten Freundschaft - eine wichtige neue Erzählstimme aus Afrika Hortensia und Marion sind Nachbarinnen. Eine ist schwarz, eine weiß. Beide blicken auf beeindruckende Karrieren zurück. Ihre gegenseitige Abneigung pflegen sie mit viel Eifer, aber was wissen sie wirklich voneinander? 'Yewande Omotoso bietet aufregende neue Einsichten. Das ästhetische und politische Engagement in ihrem Roman ist sichtbar in dem tiefen Mitgefühl, das sie ihren Heldinnen entgegenbringt. Obwohl sie deren Ansichten, Verfehlungen und heimliche Sehnsüchte kompromisslos offenlegt, erzählt sie in ihrer wunderschönen, fast heiteren Sprache von dem Recht auf einen individuellen Lebensentwurf unabhängig von Herkunft und Hautfarbe.' Chris Abani, Autor von 'Graceland' 'Yewande Omotoso erinnert an Nadine Gordimer. Sie untersucht die Geographie der Nähe, die die großen Kräfteverhältnisse im Kleinen abbildet.' Times Literary Supplement 'Voller Charme und verspielter Energie - und doch lauert die Geschichte der Kolonialherrschaft und der Sklaverei im Hintergrund.' Herald Scotland

Yewande Omotoso, geboren in Barbados, ist in Nigeria aufgewachsen und 1992 mit ihrer Familie nach Südafrika gezogen. Ihr Debüt Bom Boy gewann den South African Literary Award First Time Author Prize und stand auf der Short List für den South African Sunday Times Fiction Prize. Sie lebt in Johannesburg, wo sie als Architektin, Designerin und Autorin arbeitet.

Yewande Omotoso, in Barbados geboren, wuchs in Nigeria auf. Anfang der neunziger Jahre zog sie mit ihrer Familie nach Südafrika. Ihr erster Roman Bom Boy wurde mit dem South African Literary Award First Time Author Prize ausgezeichnet. Sie lebt in Johannesburg, wo sie als Architektin und Designerin arbeitet.

KAPITEL 2


Auf der Heimfahrt ließ Marion sich Hortensias höhnischen Kommentar noch einmal durch den Kopf gehen.

»Sie kann diese Angelegenheit nicht einfach wegwischen«, sagte Marion zu ihrem Lenkrad. »Wollen doch mal sehen, ob ich das zulasse.«

Der Abend war kühl, aber nicht zu frisch, es dämmerte gerade erst.

»Rasse hier, Rasse da. Alles dreht sich nur darum – ›wenn Sie von ‚diesen Leuten‘ reden‹ … So eine blöde Kuh!« Marion bremste noch rechtzeitig, um eine Katze zu verschonen, die im Zwielicht über die Fahrbahn rannte.

Im Lauf der Jahre hatten die beiden Frauen sich über alles Mögliche gestritten und ihre Feindschaft immer weiter vertieft. Sie hätten gegensätzlicher nicht sein können: Hortensia schwarz und zierlich, Marion weiß und stattlich; Marions Mann gestorben, Hortensias noch nicht; Marion mit ihrer Brut von vieren, Hortensia kinderlos.

In den Anfangsjahren, als Hortensia noch unter Leute ging, hatten ihre Nachbarn, die Clarkes, zum Abendessen eingeladen. Peter hatte Müdigkeit vorgeschützt, und Hortensia ging aus Langeweile hin. Der Abend war ereignislos verlaufen, bis Sarah einen Artikel erwähnte, auf den sie im letzten Digest of South African Architecture gestoßen war. Hortensia hatte ihn nicht gelesen. Es war ein Who’s Who örtlicher Architekten. Sarah hatte – offenbar in aller Unschuld – bemerkt, dass sie erwartet hätte, auch Marion dort erwähnt zu finden.

»Nun …« Marion war überrascht. Sie selbst hatte bis zum Buchstaben K (Karol) gelesen und das Heft dann weggelegt.

»Marion?«, hakte Hortensia nach; die Party versprach doch noch unterhaltsam zu werden.

»Soweit ich mich erinnern kann, wurde keine Frau aus meiner Generation genannt«, erwiderte Marion. »Wir waren wenig genug, aber wer diesen Artikel liest, könnte glauben, wir existieren überhaupt nicht.«

»Das tun wir im Grunde auch nicht«, bemerkte jemand, den Hortensia nicht kannte, und die Unterhaltung wandte sich anderen Themen zu. Doch dann – es war wie ein Geschenk – erwähnte Marion Sarahs Mackintosh-Stühle, und Hortensia wies mit ausreichend lauter Stimme, damit die Mehrheit der Anwesenden es hören konnte, darauf hin, dass es sich um Fälschungen handele. Ohne gefragt zu sein, führte sie aus, woran man das erkannte. Dinnerpartys waren eine gute Gelegenheit, sich in Szene zu setzen. An einem anderen Abend hatte Marion lang und breit erklärt, warum die Long Street eine Fußgängerzone werden sollte. Sie zeigte ihre Skizzen herum (in ihrer Handtasche befanden sich stets Bleistift und Skizzenbuch). Im Gegenzug dozierte Hortensia mehrere Minuten lang darüber, wie töricht es war, das Informelle zu formalisieren.

»Wenn Sie die Autos aus der Long Street verbannen, verbannen Sie auch die Menschen. Dann haben wir zu viel Platz und zu wenig Chaos.«

Im Gegenzug sprach Marion abschätzig über Leute, die ihr Hobby zum Beruf machten; Textildesign sei nichts weiter als das Herumspielen mit Stiften und Fäden – jeder Dreijährige könne das. Hortensia hatte erwähnt, dass einer ihrer Stoffe – ein Brokat – als Wandbespannung in der Cape-Grace-Weinbar Verwendung gefunden hatte. Ein kleiner Artikel im Innenarchitekturteil der Sonntagszeitung (Hortensia hob Zeitungsausschnitte, die ihre Arbeit betrafen, gewissenhaft auf) hatte vom Trost des Schönen in ansonsten beunruhigenden Zeiten gesprochen. Trivial, hatte Marion angemerkt. Als sie nach Worten rang, hatte Hortensia die Gelegenheit schnell genutzt, um ihre Verachtung für ein sechsjähriges Studium zum Ausdruck zu bringen, das einen nichts weiter lehrte, als Wände hochzuziehen.

»Haben Sie sich schon mal klargemacht, dass die Architektur gut auch ohne Architekten auskommt?«

Hortensia betrachtete diesen Berufsstand als einen Haufen Scharlatane und hatte absolut kein Verständnis für deren selbstverliebte Nabelschau und akademische Wichtigtuerei. Sie wusste, wovon sie sprach, war sie doch einmal von der Architekturabteilung der Universität Kapstadt eingeladen worden, um in einem Gremium externer Gutachter ein Projekt zu prüfen, das mit Textilherstellung zu tun hatte. Sie hatte aus Eitelkeit zugesagt, ihre Ansichten aber nicht geändert.

»Ich war einmal an Ihrer Alma Mater eingeladen«, erzählte sie Marion bei erstbester Gelegenheit.

»Und?«

Doch Hortensia schien keine Worte für ihre Verachtung zu finden. Sie verzog lediglich das Gesicht und ließ Marion mit der Gewissheit stehen, dass ihrer Ausbildungsstätte soeben die schwerste Form der Beleidigung zuteilgeworden war.

Bei anderer Gelegenheit hatten sie sich über das Verhältnis zu Hausangestellten gestritten. Es begann im Supermarkt. Hortensia hatte hinter Marion in der Kassenschlange gestanden und verfolgt, wie die Nachbarin ihren Einkaufskorb leerte.

»Wie geht es Ihnen, Precious?«, hatte Marion die Kassiererin gefragt.

»Gut«, erwiderte diese.

»Wirklich? Ist das auch wahr?«, hakte Marion nach. »Sie sehen nicht so fröhlich aus wie sonst.«

Die Frau lächelte verlegen. Während Marion ihren Einkauf auf den Kassentisch legte, schien sie es für nötig zu halten, Precious zu erklären, warum sie den jeweiligen Artikel gewählt hatte.

»Das hier ist für Mr Agostino. Magenverstimmung. Oh, und das ist für meine Enkelin. Ein verwöhnter Fratz. Sie mag nur diese Sorte. Das ist für Agnes, Sie kennen doch Agnes, meine Haushälterin. Und das, dachte ich, könnte Niknaks gefallen. Niknaks ist Agnes’ Tochter. Wir haben schon überlegt, sie zu adoptieren … wissen Sie … Und was macht das zusammen, Precious?«

Hortensia hatte angewidert vor sich hin gestarrt, eines der seltenen Male, wo sie den Mund hielt. Ihren Kommentar hob sie sich für die nächste Zusammenkunft auf. Marion hatte erzählt, dass ihre Haushälterin Agnes Teil der Familie sei: Die fünfundsechzigjährige Frau habe entscheidenden Anteil an der Erziehung ihrer Kinder – ein Junge und drei Mädchen – gehabt, und Marion habe im Gegenzug versucht, ihr das Leben zu erleichtern, indem sie Agnes’ Kinder in eine gute Schule schickte und ihr ein Haus baute.

»Und jetzt wollen Sie dafür gelobt werden, wie? Ein Judaslohn ist das. Und Missionierung dazu. Sie meinen, Sie haben sich verdient gemacht? Soll man Ihnen vielleicht eine Medaille umhängen?«

Marion war sprachlos.

»Heilige Marion. Die Almosenspenderin. Du meine Güte! So einfach geht das nicht, Marion. Wenn Sie Agnes etwas Gutes tun wollten, hätten Sie ihr Ihr eigenes Haus geben und in ihres umziehen sollen. Sie hätten die Vororte tauschen sollen. Das wär’s gewesen, meine Liebe … Oder besser noch: Unsere Heldin Marion hätte die Apartheid beenden sollen … Das wäre etwas gewesen, womit man sich brüsten kann. Ach, und natürlich ist Agnes nicht Teil der Familie, sie ist Ihre Angestellte. Wenn sie zur Familie gehörte, würde sie nicht jedes Mal putzen müssen, wenn sie zu Besuch kommt.«

Den Ausdruck »zu Besuch« setzte Hortensia mit gekrümmtem Zeige- und Mittelfinger in imaginäre Anführungszeichen. Marion hatte daraufhin die Party verlassen.

Für Hortensia drehte sich alles um die Rassenfrage, doch Marion hielt das Leben für vielschichtiger und komplizierter.

Sie parkte ihren Wagen. Als sie zur Veranda ging, klingelte ihr Handy.

»Darling … warum klingst du so erregt? … Tut mir leid, dass ich Innes’ Geburtstag verpasst habe … Nein, ich habe ihn nicht verg– … Nein, ich bin nicht einfach ferngeblieben … Marelena, ich hatte anderes zu tun … Der Buchhalter hat mich angerufen, wegen Dad und seiner … nun … Was soll das heißen, ob ich überrascht bin? Woher hätte ich das wissen sollen? … Dein Bruder nimmt nicht ab, wenn ich anrufe, und Gaia weigert sich, mir ihre Nummer in Perth zu geben … Ich habe ihr kürzlich eine E-Mail geschickt – nicht dass ich Antwort erwarte … Und was Selena betrifft, könnte man meinen, Jo’burg läge am Nordpol, so selten höre ich von ihr … Ich sage ja nur, dass ich ein bisschen Unterstützung brauche … Hilfe im Sinne von Geld! … Null, nach Aussage des Buchhalters … Marelena, bitte hör mir zu … Marelena? … Ja, weg – alles weg … Nichts mehr da … Verstehe … Ja … In Ordnung … Natürlich musst du erst mit deinem Mann reden … Gut, du rufst mich also zurück? … Ja. Bye.«

»Agnes«, Marion legte das Telefon weg und schob einen der Stühle an ihren Lieblingsplatz, wo sie durch die Silberbäume neugierigen Blicken entzogen war. »Agnes!« Sie hämmerte an die Haustür. »Hörst du nicht!«

»Ma’am.« Die Frau kam.

»Hier.« Sie drückte ihr den Hausschlüssel und die Kladde mit den Papieren von der Eigentümerversammlung in die Hand. »Leg das auf meinen Schreibtisch.«

Sie hatte wahrlich andere Sorgen als Hortensia.

»Ach, und Agnes! Tee. Bring mir doch Tee.«

Max hatte ihr Geld durchgebracht. Sie hatten jede Menge davon gehabt. Doch kurz bevor er starb, war er losgezogen und hatte es verprasst. Der Idiot.

»Agnes!«

»Ma’am?«

»Tee. Nimm das Service … Das gute. Und bring mir den Feldstecher. Und einen Keks für Alvar.«

Marion klopfte sich die Schläfen. Sie lauschte den gepolsterten Schritten nackter Füße, die sich über die Veranda entfernten, zurück ins Haus und durch den Gang Richtung Küche.

»Dass du mir ja nichts zerbrichst!« Die Frau musste Parkinson haben oder so was. Wie auch immer diese Krankheit hieß, die einen zittrig macht. Sie hatte eine der handbemalten antiken Suppenschüsseln fallen lassen –...

Erscheint lt. Verlag 10.3.2017
Übersetzer Susanne Hornfeck
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Technik Architektur
Schlagworte 2018 International DUBLIN Literary Award • Afrika • Afrikanische Literatur • Americanah • Architektin • Baileys Women’s Prize for Fiction • Baileys Women?s Prize for Fiction • Baileys Women’s Prize for Fiction • Black lives matter • Buch 2017 • Chimamanda Ngozi Adichie • Das deutsche Krokodil • Das geträumte Land • Die Farben des Nachfalters • Diese Dinge geschehen nicht einfach so • Dublin Literary Award • Frauenfreundschaft • Frauenliteratur • Galgut • Gartenzaun • Geschenk Freundin • Helen Garner • Ijoma Mangold • Imbolo Mbue • independent bestseller • Literarischer Bestseller • Mangold • Neu 2017 • Neuerscheinung 2017 • Neuerscheinungen 2017 • Nigeria • Rassismus • Südafrika • Taiye Selasi • writers to watch
ISBN-10 3-8437-1476-2 / 3843714762
ISBN-13 978-3-8437-1476-1 / 9783843714761
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