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Schillers Lotte (eBook)

Porträt einer Frau in ihrer Welt
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
326 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560586-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schillers Lotte -  Hansjoachim Kiene
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Hansjoachim Kienes »Porträt einer Frau in ihrer Welt« macht den Leser nicht nur mit dem Leben von Schillers Lotte bekannt, sondern bezieht auch Schiller als eigentliche Hauptperson gebührend mit ein; und es vermittelt ein detailliertes Bild von der damaligen Epoche, insbesondere vom Weimar der klassischen Zeit. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Hansjoachim Kiene, geb. 1923, war Buchhändler, zeitweise Dolmetscher, ab 1949 Verlagsvertreter, ab 1980 Antiquar in Solingen.

Hansjoachim Kiene, geb. 1923, war Buchhändler, zeitweise Dolmetscher, ab 1949 Verlagsvertreter, ab 1980 Antiquar in Solingen.

2. Schiller


»… und die nähere Bekanntschaft mit
den weimarischen Riesen – ich gestehe
Dir’s hat meine Meinung von mir
selbst – verbessert.«

 

(Schiller an Körner)

Mit dem Gang seiner Geschichte, mit dem Entstehen seiner Werke sind zwar immer wieder die Namen geliebter Frauen verbunden, die entscheidenden Impulse, die den Ausschlag gebenden, fördernden Einflüsse jedoch, kamen von Männern. Das begann mit einem gewissen »Verschwörertum« auf der Hohen Karlsschule, während seiner Internatszeit. Acht Jahre Internatserziehung drückten einen ersten Stempel auf. Die Jugendfreunde, darunter vor allem Streicher, hielten bedingungslos zusammen. Später kam es zur Beeinflussung und Förderung durch den Intendanten Heribert von Dalberg, der, trotz seines zeitweise eher zurückhaltend-berechnenden Benehmens, Schiller in Mannheim zu außergewöhnlicher Leistung anspornte. Wieland, Herder, Knebel wirkten auf ihn. Und schließlich hatten den maßgeblichen Einfluß Körner, Wilhelm von Humboldt und Goethe.

Wie schon eingangs erwähnt, schnell hingerissen von der Schönheit einer Frau, von deren Fähigkeit zu beseelter Hingabe an ein hochgestecktes Ziel, war er auch stets geneigt, sich zu verlieben. Seine Zuneigung zu Frauen wie seine Freundschaft zu Männern hatte immer etwas Unbedingtes, Ausschließliches; und je mehr er sich fortreißen ließ von der Macht der Gefühle, um so stärker entwickelte sich in ihm die Kraft zum Schöpferischen.

Schiller war im Juli 1787, hochverschuldet, mit geliehenem Geld nach Weimar gekommen, um den gefeierten Goethe zu sehen, ihn zu beeindrucken, aber auch, um Herzog Karl August persönlich zu danken für empfangene Wohltaten.

Ihn reizte außerdem die Wirklichkeit um die bereits lorbeerbekränzten Köpfe der drei »Weimarer Riesen« Goethe, Herder, Wieland kennenzulernen, sie abzuschätzen und sich selbst an ihnen zu messen. Und schließlich, und vielleicht nicht zuletzt, zog ihn eine andere Charlotte an den Weimarer Musenhof, die Charlotte aus Mannheimer Tagen, mit der er, seit seinem Fortgang, einen heftigen Briefwechsel geführt und deren Wiedersehen er heiß herbeigesehnt hatte.

Der erste Teil der zweitägigen Reise in der Postkutsche von Dresden nach Weimar, bis Leipzig, war kurzweilig verlaufen. Die Gespräche mit der Frau des Buchhändlers Schneider, die zum Leipziger Verleger Göschen fuhr, verkürzten die Zeit, milderten die Strapaze.

Dann, auf dem weit beschwerlicheren Weg über Naumburg bis Weimar, waren ihm, der er im heftigen, unregelmäßigen Rumpeln des Wagens die Zeit halb wach, halb schlafend, halb dösend, halb träumend hinter sich bringt, noch einmal die Bilder seines Lebens, die Stationen seines Strebens und Hoffens erschienen.

Da steht der Vater vor ihm, der kleine, untersetzte, kantige Hauptmann der württembergischen Infanterie, in seiner blau-weißen Uniform, an der der kleine Fritz stets besonders den Offiziershelm in der geschwungenen Form der Schützenhaube mit der gekrümmten Spitze obendrauf bewunderte.

Später, als Werbeoffizier, trug er meist den hohen Stoffhut mit Schirm, der ihn zwar größer machte, den Fritz aber längst nicht so imponierend fand. Ach ja, der Vater, ein strenger, unerbittlicher Erzieher, wollte aus seinem Sohn Friedrich etwas ganz Besonderes machen, etwas, das er selbst leider nicht hatte werden können. Er war in großer Armut aufgewachsen, hatte sich alles selbst beibringen müssen. Mit beachtlichen geistigen Gaben ausgestattet, litt er sein Leben lang darunter, einer ungenügenden Ausbildung wegen nicht wirklich wissenschaftlich arbeiten zu können. Trotzdem waren ihm Niederschriften gelungen, die Erfahrungen aus Feldzügen und Reisen enthielten und die damals sogar vom Hofbuchdrucker Cotta verlegt worden waren.

Neben ihm sieht der Sohn die Mutter, eine fromme Frau mit stark pietistischer Neigung, die den Kindern mit Liebe und Güte die Härten des Vaters erträglich zu machen sucht. Zunächst ist da ja nur seine zwei Jahre ältere Schwester Christophine. Sieben wird er, als die Mutter Luise zur Welt bringt, und, während er, achtzehnjährig, noch hinter den Mauern der Karl Eugenschen Hohen Karlsschule schmachtet, erfährt er von der Geburt Karoline Christianes, die man später Nanette nennt.

Schillers Vater, Johann Kaspar Schiller, als Leutnant

An die Zeit in der Lorcher Dorfschule, die er mit fünf Jahren besucht, erinnert er sich nur schwach. Aber der Pfarrer Moser, bei dem er schon bald Latein lernt, beeindruckt ihn, und zwar so nachhaltig, daß er ihm später in seinen »Räubern« den Part des unerschrockenen Pfarrers gibt. Gewiß ist seine stark aufkommende Neigung zur Theologie auf den Einfluß dieses Mannes zurückzuführen.

Mit dem nach Ludwigsburg versetzten Vater geht die Familie vom Land in die Stadt, und die nun folgenden sieben Jahre Lateinschule werden ihm zu einer Zeit harten Lernens. Ganz abgesehen von den jährlich in Stuttgart zu absolvierenden Examina, die der Strebsame jedoch meist mit Bestnote besteht.

Als begabter Schüler gemeldet, wird er zur neugegründeten, sogenannten Militärischen Pflanzschule des Herzogs, auf der Solitude bei Stuttgart gelegen, eingezogen. Gegen den eigenen Wunsch und den der Eltern, die ihn viel lieber, seinen Neigungen entsprechend, zum Theologiestudium geführt hätten. Karl Eugen, der Herzog, befiehlt’s, dagegen ist nichts zu machen. Zumal bei Weigerung der Vater sofort seine Stelle hätte verlieren können. Der dreizehnjährige Fritz fügt sich also, auch um die Existenz der Familie keiner Gefahr auszusetzen.

Schillers Mutter, Elisabeth Dorothea, geborene Kodweiß

Und nun beginnt für den Jungen, genau ab 16. Januar 1773, die schwere Zeit der Einordnung in die Regularien der Hohen Karlsschule, wie sie später heißt. Dort geht es streng militärisch zu. Ausgang, zum Beispiel, gibt es nur unter Bewachung. Normalerweise sind weder Ferien noch Urlaub möglich. Betrachtet man die Bedingungen, die damals in der Hohen Karlsschule herrschten, aus unserer heutigen Sicht, so könnte man auf die Bezeichnung »Militärisch organisiertes Lerngefängnis« kommen.

Karl Eugen, der sich selbst um alles in der Anstalt kümmerte, hatte sich auch zum Rektor der Schule gemacht. Die Leitung dieser »Militärischen Pflanzschule« wurde zu seinem Lieblingsspielzeug. Er herrschte, wachte und urteilte. Ja, er war allgegenwärtig, und sofern ihn nicht seine einflußreiche Mätresse Franziska von Leutrum, die spätere Gräfin von Hohenheim, beschäftigte, mischte er sich sogar verkleidet unter das Aufsichtspersonal und machte heimliche Beobachtungen. Er allein, zum Beispiel, bestimmte bei Vergehen das Strafmaß. Jede kleinste Mißachtung eines Gebots, einer Vorschrift, wurde geahndet. Bei guter Laune konnte ihm ein Witz oder eine dröhnende Lachsalve genügen; meist jedoch gab es Stockschläge oder Halbierung der Verpflegungsration. Manchmal griff er sogar selbst zu und verabreichte die verordneten Schläge.

Er betrachtete sich als Vater seiner Eleven und diese damit als sein Eigentum. Nicht nur für die Zeit der Ausbildung an der Schule, nein, eigentlich vom Eintritt an fürs ganze Leben. Denn diese »Pflanzschule«, die den Absolventen eine völlig kostenlose Ausbildung gab, sollte den dem Fürsten genehmen Nachwuchs an Beamten und Offizieren liefern.

Und das war der Tagesablauf an der Akademie, mit dessen minütlicher Gängelei vermutlich nicht einmal der Drill in den preußischen Kadettenanstalten konkurrieren konnte: Nach dem, selbstverständlich beaufsichtigten, Wecken – fünf Uhr, im Winter um sechs, wurden auch alle weiteren Abläufe von Unteroffizieren kommandiert und überwacht. So das Bettenmachen, das Waschen, das Anziehen, der Marsch zum Frühappell, von dort zum Frühstück in den Speisesaal. Der Unterricht begann um sieben Uhr, dauerte bis elf. Es folgte die sogenannte Propreté, die Reinigung der persönlichen Sachen, der Uniform etc. Danach hieß es Fertigmachen zum Mittagsappell im Speisesaal, wozu die Paradeuniform getragen wurde. Übrigens mußte Schiller sein rotes Haar stets mit Puder bestäuben, weil der Herzog diese Haarfarbe nicht leiden konnte. Am frühen Nachmittag dann Exerzieren und öfter auch Spaziergang – bewacht, versteht sich. Von zwei bis sechs Uhr abends Unterricht mit darauffolgender Propreté. Was an Zeit bis zum Abendessen übrigblieb, mußte zum Lernen und Aufarbeiten behandelter Stoffe verwendet werden. Auch diese Zeit des »Nachstudierens« wurde selbstverständlich kontrolliert.

Sofort nach dem Abendbrot führte man die Eleven in die Schlafsäle, wo sie in ihren Betten quasi auf Befehl einzuschlafen hatten.

Man sieht, die äußeren Bedingungen waren hart; denn auch Besuche von draußen, selbst solche nächster Verwandter, wurden nur auf besonderen Antrag, mit stichhaltiger Begründung – und auch dann erst nach persönlicher Entscheidung des Herzogs – genehmigt oder abgelehnt. Seine jüngere Schwester Nanette sah Schiller zum ersten Mal, als sie schon drei Jahre alt war.

Der Unterricht an der Schule umfaßte die Fächer Geschichte, Naturkunde, Mathematik, Griechisch, Französisch, Englisch, Italienisch. Schließlich Sport mit Fechten, Reiten und Tanzen.

Und natürlich die Jurisprudenz, die für die späteren Beamten des Landes von besonderer Wichtigkeit war. Nach dem juristischen Fachstudium, zu dem sich Schiller zunächst durchgerungen hatte, legte man größten Wert auf eine gute philosophische Ausbildung.

Die Unterrichtssprache war Latein.

Im ersten Jahr klappte es noch einigermaßen. Dann ließen seine Leistungen mehr und mehr nach. Die...

Erscheint lt. Verlag 15.10.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Biographie • Charlotte von Stein • Friedrich Schiller • Jena • Johann Kaspar Schiller • Karoline von Beulwitz • Karoline von Dacheröden • Leipzig • Lotte Schiller • Rudolstadt • Sachbuch • Stuttgart • Weimar
ISBN-10 3-10-560586-X / 310560586X
ISBN-13 978-3-10-560586-8 / 9783105605868
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