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Affengesellschaft (eBook)

eBook Download: EPUB
2012 | 1. Auflage
288 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-77780-0 (ISBN)

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Affengesellschaft -  Julia Fischer
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Kämpfende Berberaffen, schreiende Bärenpaviane, kuschelnde Guineapaviane: Das sind nur einige der Protagonisten dieses spannenden Buches. Die Primatenforscherin Julia Fischer geht in ihm den Fragen nach, welche Informationen Affen mittels ihrer Laute, Gesten und Grimassen austauschen und ob sie so etwas wie eine Sprache besitzen. Durch die Verbindung von Labor- und Feldforschung gelingt es ihr, erstaunliche Gemeinsamkeiten im Sozialverhalten von Mensch und Affe aufzuzeigen, aber auch die Unterschiede, die uns von unseren nächsten Verwandten trennen, darzustellen.
Ob im Senegal, in Botswana oder in einem Freilandgehege in Frankreich: Fischer beschreibt Sozialverhalten, Intelligenz und Kommunikation der Affen auf ebenso anspruchsvolle wie unterhaltsame Art und Weise. Angereichert um viele Episoden aus dem Forschungsalltag, in dem nicht nur Gefahr durch Leoparden droht oder bürokratische Hürden zu bewältigen sind, ist dies ein Buch, das auf der Höhe des Forschungsstandes sein Thema allgemeinverständlich beschreibt: die Affengesellschaft.



<p>Julia Fischer, geboren 1966 in München, ist Professorin für Kognitive Ethologie an der Universität Göttingen. Sie leitet dort die Abteilung »Kognitive Ethologie« am Deutschen Primatenzentrum.</p>

Prolog 9
TEIL 1: SOZIALVERHALTEN 13
Diversität der Primaten 15
Berberaffen als Modell 17
Die Sozialsysteme von Primaten 28
Soziale Organisation 29
Paarungssysteme 31
Soziale Beziehungen 35
Bärenpaviane 47
Baboon Camp 51
Leben und Sterben 55
Aggression 61
Guineapaviane 65
Expedition in den Senegal 67
Simenti 70
Erste Ergebnisse 73
Evolution der Paviane 78
Herausforderungen der dritten Art 81
TEIL 2 87
Was denken Tiere ? 89
Trophäensammler und Spielverderber 90
Das soziale Gehirn 94
Soziales Wissen 136
Soziale Intelligenz 121
Kultur bei Tieren? 121
Formen des Sozialen Lernens 126
Blickfolgeverhalten 133
Physikalische Kognition 98
Grundlagen 98
Mengen 104
Raum 107
Zeit 115
Theorie des Geistes 146
Intentionen 146
Sehen und Wissen 149
Glauben 153
Metakognition 156
Evolution der Intelligenz 161
TEIL 3 : KOMMUNIKATION 165
Was ist Kommunikation ? 167
Sender und Empfänger 168
Signale und Anzeichen 169
Information 170
Funktion von Lauten 171
Kommunikation in Konflikten 173
Paarungslaute 176
Gruppenkoordination 177
Evolution der Sprache – die Anfänge 181
Frühe Theorien 181
Ein Pionier 184
Elemente der Sprachfähigkeit 186
Die Ape Language-Projekte 187
Sprechtraining für Affen 187
Symbolsprachen 189
Natürliche Kommunikation bei Affen 194
Alarmrufe 196
Entwicklung der Lautgebung 199
Dialekte 202
Entwicklung der Reaktionen 212
Wahrnehmung gradueller Unterschiede 213
Wortlernen beim Haushund 219
Evolution der Sprache – heute 227
Syntaktische Fähigkeiten 227
Ein Gen für Sprachfähigkeit? 232
Gestische Kommunikation 233
Intentionale Kommunikation 238
Der Spaß an der Freude 243
Evolution der Kommunikation 245
Fazit und Ausblick 247
Danksagung 253
Anmerkungen 257
Abbildungsnachweis 281

TEIL 1
SOZIALVERHALTEN


Diversität der Primaten


Die Protagonisten dieses Buches sind Berberaffen, Bärenpaviane und Guineapaviane. Bevor ich sie genauer vorstelle, sind zunächst ein paar Sätze zur Vielfalt der Erscheinungs- und Lebensformen von Affen angebracht, weil es »den Affen« nicht gibt; es gibt noch nicht einmal »den Pavian«. Die Ordnung der Primaten ist durch eine außergewöhnliche Vielfalt gekennzeichnet, sowohl was ihr Aussehen und ihre Lebensweise angeht wie auch ihre soziale Organisation. Das Spektrum reicht von den einzelgängerischen Fingertieren Madagaskars, die nachts mit ihrem dürren verlängerten Mittelfinger Äste abklopfen und horchen, ob sich unter der Rinde Insekten verbergen, über die in großen Gruppen lebenden Totenkopfaffen Südamerikas bis zu den in Harems organisierten Gorillas, bei denen die ausgewachsenen Männchen bis zu vier Zentner auf die Waage bringen.

Abb. 1: Stammbaum der Primaten.

Die Primaten sind vor etwa 80 Millionen Jahren entstanden. Die nächsten lebenden Verwandten sind die in Südostasien vorkommenden Gleitflieger sowie die baumlebenden Spitzhörnchen, die einem eine Vorstellung davon geben, wie der ursprüngliche Vorfahre aller Primaten beschaffen gewesen sein mag. Die heutigen Primaten umfassen drei Hauptlinien: erstens die Feuchtnasenaffen mit den Galagos, Pottos und Loris sowie den Madagassischen Lemuren, von denen wohl die Kattas mit ihren schwarz-weiß geringelten Schwänzen die berühmtesten Vertreter sind. Die zweite systematische Gruppe sind die Tarsier, nachtaktive Primaten, die in den Regenwäldern Südostasiens leben. Als dritte Gruppe tauchten dann vor 50 bis 36 Millionen Jahren schließlich die »echten Affen« auf, die die Neuwelt- und Altweltaffen umfassen. Zu letzteren gehören die geschwänzten Altweltaffen sowie die menschenartigen Affen mit den Gibbons und den großen Menschenaffen – also Orang-Utan, Gorilla, Schimpanse, Bonobo und Mensch.

Die geschwänzten Altweltaffen umfassen die allseits bekannten Paviane, die ich später noch genauer beschreiben werde, sowie die Makaken, zu deren bekanntesten Vertretern die Rhesusaffen, die Berberaffen und die Japanmakaken gehören. Letztere haben durch ihre Sitzbäder in heißen Quellen einige Berühmtheit erlangt. Außerdem werden noch die meist in Baumkronen lebenden verschiedenen Meerkatzenarten zu dieser systematischen Gruppe gezählt. Die zu diesem Stamm gehörende Grüne Meerkatze spielt bei der Erforschung der Kommunikation von nichtmenschlichen Primaten eine große Rolle. Weitere Vertreter der geschwänzten Altweltaffen sind schließlich die Schlank- und Stummelaffen, zu denen die Languren Asiens gehören, ebenso wie die schwarz-weißen Mantelaffen Afrikas mit ihrer beeindruckenden Haarpracht.

Abb. 2: Stammbaum der Altweltaffen.

Berberaffen als Modell


Ich habe selbst viele Jahre an Berberaffen geforscht. Dabei standen Affen ursprünglich gar nicht auf meinem Plan – ich wollte Meeresbiologin werden. Nach dem Studium an der Freien Universität Berlin und der Universität Glasgow hatte ich sogar schon einen Platz für eine Diplomarbeit an der Sea Mammal Research Unit an der Universität Cambridge ergattert. Mir fehlte nur noch ein Kurs in Verhaltensbiologie – und der führte mich nach Südwestfrankreich, wo wir unter Anleitung von Kurt Hammerschmidt, Henrike Hultsch und meinem späteren Doktorvater Dietmar Todt im Affenfreigehege La Forêt des Singes in Rocamadour das Sozialverhalten von Berberaffen untersuchen sollten. Die Affen, die in diesem Park herumsprangen, erschienen mir doch sehr viel spannender als Robben, die meist träge auf einer Sandbank herumliegen. Seit dieser Zeit arbeite ich mit Kurt zusammen. Er ist mein bester Freund und Kompagnon und wir gehen nach wie vor gemeinsam der Frage nach, was es mit der Evolution von Kommunikation auf sich hat.

La Forêt des Singes ist ähnlich wie der »Affenberg« in Salem am Bodensee oder La Montagne des Singes in Kintzheim im Elsass vornehmlich eine Touristenattraktion. Die Besucher können auf festgelegten Wegen durch das Gehege spazieren und die Affen aus nächster Nähe beobachten. Aber auch für wissenschaftliche Forschung und Ausbildung sind die Parks sehr gut geeignet. Im Park in Rocamadour leben etwa 150 Tiere in drei Gruppen auf über 20 Hektar im Freien. Sie werden lediglich zusätzlich gefüttert und einmal jährlich einer medizinischen Untersuchung unterzogen.1 Natürlich gibt es dort keine Raubfeinde – für die Affen also ziemlich paradiesische Zustände. Oder wie Kurt bemerkte: »Die Affen würden sich schon gerne mal im Freiland umschauen. Sie wären aber auch alle wieder pünktlich am Flugzeug, wenn es zurückgeht.« Um das Populationswachstum zu beschränken, wird mittels hormoneller Verhütungsmittel die Anzahl der Geburten kontrolliert. Aufgrund der Haltungsbedingungen lässt sich eine ganze Reihe von Fragen nicht sinnvoll stellen; etwa, welches Männchen den größten Paarungserfolg hat, oder wie viel Zeit die Tiere täglich mit der Nahrungsaufnahme verbringen. Andererseits eignen sich diese Tiere hervorragend für Untersuchungen ihrer Intelligenz und Kommunikation, da sie vollkommen an Menschen gewöhnt sind und sich auch auf kleine Experimente einlassen.

Abb. 3: Berberaffen in Rocamadour.

Berberaffen sind die einzigen Makaken, die in Afrika vorkommen, und zwar in den Wäldern und Bergen des mittleren und hohen Atlas sowie im Rif-Gebirge in Marokko und der algerischen Kabylei. Außerdem gibt es eine kleine Population in Gibraltar. Alle anderen Makaken sind im asiatischen Raum zu finden. Als Folge ihres Lebens unter klimatisch harschen Bedingungen haben die Berberaffen ihren Schwanz im Laufe der Evolution verloren, weshalb sie eine Weile als Menschenaffen klassifiziert wurden. Tatsächlich aber ist der Schwanz einfach reduziert, und ein kleines Stummelchen am Hinterteil deutet das ursprüngliche Merkmal noch an. Als Schutz vor der Kälte entwickeln sie in den Wintermonaten ein dichtes Fell. Die Paarungszeit ist im Herbst; nach einem knappen halben Jahr Tragzeit erblicken die Kinder im Frühjahr das Licht der Welt. Meistens werden sie in den Abend- oder Nachtstunden geboren, wenn die Gefahr durch Raubtiere am geringsten ist. Anders als die braungelb gefärbten Erwachsenen haben die Neugeborenen ein pechschwarzes Fell und pinke Gesichter und Hände.2 Ein besonderes Babyfell ist bei vielen Affenarten zu finden. Bei Pavianen sind die Neugeborenen ebenfalls schwarz – außer bei einer Art, den noch kaum erforschten Kindapavianen. Hier sind die Babys weiß.

Die ersten Lebenswochen verbringt ein Affenkind in der Regel als »Tragling«3 am Bauch der Mutter. Mit Händen und Füßen krallt es sich in ihrem Fell fest. Wenn es noch nicht die nötige Kraft hat, hält die Mutter manchmal unterstützend eine Hand unter ihr Kind. Später dann werden die Kinder auf dem Rücken transportiert. Bei den schwanzlosen Berberaffen schmiegen sich die Kinder an die Schultern des Trägers. Dagegen können es sich Paviankinder aufrecht sitzend bequem machen und sich an den aufgestellten Schwanz der Mutter anlehnen. Bei den Berberaffen ist allerdings nicht nur die Mutter für den Transport und die Betreuung der Kinder zuständig. Auch die männlichen Tiere haben anders als bei den meisten anderen Affenarten ein enormes Interesse an den Kleinen. Oft nehmen sie der Mutter das Kind schon wenige Tage nach der Geburt weg und tragen es herum. Zuerst vermuteten die Forscher, dass es vornehmlich die Väter seien, die sich um ihren Nachwuchs kümmerten. Allerdings musste diese Hypothese nach genetischen Untersuchungen wieder verworfen werden. Eine zweite Überlegung war, dass sich die Männchen bei den Müttern beliebt machen wollen, um in der kommenden Paarungssaison einen erhöhten Paarungserfolg bei den betreffenden Weibchen zu erzielen. Aber auch diese Vermutung konnte nicht bestätigt werden. So blieb als dritte Hypothese, dass die Kinder für die Männchen eine Art Statussymbol darstellen.4 In der Tat spielen die Neugeborenen bei der Regulation der Sozialbeziehungen unter den Männchen eine große Rolle. Wenn ein Männchen ein Jungtier mit sich herumträgt, kann es sich viel einfacher einem anderen Geschlechtsgenossen annähern und mit ihm Fell- und Beziehungspflege betreiben als ohne Kind im Schlepptau. Wenn zwei männlichen Berberaffen mit einem Kind zusammensitzen, dann ergehen sie sich in einem bizarr anmutenden Ritual, bei dem sie das Kind vor sich in die Höhe halten, es beschmatzen und inspizieren und dabei mit den Zähnen klappern. Dabei geben sie tiefe Grummellaute von sich. Manchmal bleiben sie danach einfach entspannt nebeneinander sitzen, ein anderes Mal greift sich einer der Partner hektisch das Kind und läuft damit zu einem anderen Männchen, um mit ihm das gleiche Ritual zu vollziehen. Je mehr Zeit die Männchen mit einem Jungtier verbringen, desto größer sind ihre Chancen auf solche »Triadischen Interaktionen«. Die Betreuung der Kinder – also das Halten und Herumtragen – ist für sie aber eine teure Angelegenheit. Wie wir in einer Studie zeigen konnten, war ihr Stresshormonspiegel umso höher, je häufiger und länger sie ein Kind betreuten. Andererseits nahmen Männchen, die sich viel um Kinder kümmerten, eine zentrale Stellung im Beziehungsgeflecht der Männchen ein.5 Und diejenigen, die im Frühjahr enge Beziehungen zu anderen Geschlechtsgenossen aufbauten, erfuhren später auch häufiger Unterstützung durch ihre ehemaligen Partner.6 Allerdings...

Erscheint lt. Verlag 20.5.2012
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Affen • Einführung • Grüter-Preis 2013 • Kognitives Verhalten
ISBN-10 3-518-77780-7 / 3518777807
ISBN-13 978-3-518-77780-0 / 9783518777800
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