KlimaKulturen (eBook)
304 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-40954-2 (ISBN)
Harald Welzer ist Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und lehrt Sozialpsychologie an der Universität Witten/Herdecke und an der Emory University Atlanta. Hans-Georg Soeffner ist Prof. em. für Allgemeine Soziologie, Fellow und Vorstandsmitglied am KWI und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Dana Giesecke, Soziologin, leitet die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am KWI.
Harald Welzer ist Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) und lehrt Sozialpsychologie an der Universität Witten/Herdecke und an der Emory University Atlanta. Hans-Georg Soeffner ist Prof. em. für Allgemeine Soziologie, Fellow und Vorstandsmitglied am KWI und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Dana Giesecke, Soziologin, leitet die Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am KWI.
Inhalt 6
KlimaKulturen – Harald Welzer, Hans-Georg Soeffner und Dana Giesecke 8
Haben die Geisteswissenschaften die Zukunft vergessen? – Michael Hagner 21
Klima des Wandels oder Wie wird die grüne Moderne möglich? – Ulrich Beck 34
Kultureller Wandel: Zur kulturellen Bewältigung des Klimawandels – Ludger Heidbrink 50
Globale Strukturanpassung: Weltwirtschaft und Weltpolitik in den Grenzen des Erdsystems – Dirk Messner 66
Klimawandel: Das Ende der geotopologischen Identität – Birger P. Priddat 82
Wohin mit den Klimakatastrophen? – Lars Clausen 98
Klimaverantwortung als Verteilungsproblem – Dieter Birnbacher 112
Individuelles Umweltverhalten – Probleme, Chancen, Vielfalt – Andreas Ernst 129
Nicht hier, nicht jetzt, nicht ich – Über die symbolische Bearbeitung eines ernsten Problems – Udo Kuckartz 145
Architektur und Städtebau im Spannungsfeld von klimakultureller Prägung und sozialökonomischer Entwicklung – Bernd Hunger und Werner Wilkens 162
Klimaschutz durch Urban Governance – Ulrich Battis 181
»Die Politik ist das Schicksal« – Philosophische Bibliotheksgespräche über das Global Warming im Jahre 50 v. Chr. – Thomas Schirren 191
Der Pfirsich von Paris – Ein Essay über die Klimakultur des französischen Südwestens – Nils Minkmar 213
Das Wort für die Sache halten – Über den Begriff »Verlierer« – Ingo Schulze 223
Vom Klima zur Gesellschaft: Klimageschichte im 21. Jahrhundert – Franz Mauelshagen und Christian Pfister 242
Das Klima der Geschichte: Vier Thesen – Dipesh Chakrabarty 271
Autorinnen und Autoren 303
Schon diese wenigen Hinweise genügen, um deutlich zu machen, dass der anthropogene Klimawandel ein Phänomen darstellt, das der Expertise der geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen dringend bedarf: beginnend mit der Frage, innerhalb welcher historischer und kultureller Referenzrahmen ein solches Phänomen überhaupt gedeutet wird. Die Expertise betrifft den historischen Erfahrungshaushalt in Bezug auf antizipierte, gefühlte oder erlebte Katastrophen genauso wie die dazugehörigen Deutungsrahmen. Sie bezieht sich ebenso auf die kulturellen Praktiken und Sinnkontexte, die zur Verursachung anthropogenen Klimawandels geführt haben, wie auch auf das weite Feld seiner gesellschaftlichen, politischen, psychologischen und juristischen Bearbeitung. Nicht zuletzt fordert sie das menschliche Deutungs- und Sinngebungspotential heraus: die philosophische Bearbeitung von Aspekten der Gerechtigkeit und Verantwortung sowie die philologische beziehungsweise literarische Sprachkritik und die wissenssoziologische Analyse kollektiver Deutungsfiguren. Vor diesem Hintergrund erschließt sich, wie eklatant das Versäumnis der Geistes- und Kulturwissenschaften ist, die das Feld der KlimaKulturen bislang weitestgehend unbestellt gelassen haben - und es ist selbst erklärungsbedürftig, warum dies so ist. Der wichtigste Grund für den auch in anderen Hinsichten zu verzeichnenden Rückzug der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften aus der gegenstandsbezogenen Theoriebildung und vor allem aus dem öffentlichen und politischen Diskurs ist aus unserer Sicht begründet durch den Systemzusammenbruch des Ostblocks im Jahr 1989. Nicht nur wurde diese tiefgreifende Veränderung der weltpolitischen Figuration von niemandem, eben auch nicht von den dafür eigentlich zuständigen Deutungswissenschaften, vorhergesehen; für viele Kolleginnen und Kollegen wurden mit diesem Ereignis auch die bis dahin gültigen Bezugstheorien ihrer jeweiligen disziplinären Arbeit fragwürdig - seien sie marxistischer oder systemtheoretischer Art gewesen. In nicht wenigen soziologischen oder politikwissenschaftlichen Seminaren las man ab dem Sommersemester 1990 nicht mehr Marx, sondern Weber, und das war, wie wir im Rückblick auf die vergangenen zwei Jahrzehnte Fachgeschichten wissen, nicht der einzige turn, der die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer in der Folgezeit beschäftigen sollte. 'Discoursive', 'iconic', 'visual', 'narrative' etc. hießen die unablässig aufeinander folgenden weiteren turns, die neben einer gewissen theoretischen Sterilität und weitgehender Empirieferne vor allem eines leisteten: die Gegenstandsbereiche der Geistes- und Kulturwissenschaften immer weiter aus dem Bereich der gesellschaftlichen Problemlagen heraus- und in die esoterische Welt der Diskurse hineinzumanövrieren. Eben diese Selbstgenügsamkeit des Existierens in den weltfreien Räumen des schieren und selbstzufriedenen Intellektualismus hat dazu geführt, dass mit dem kritischen Potential der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften auch ihre Fähigkeit entfiel, Gegebenes zu transzendieren - was sich unter anderem darin spiegelt, wie Michael Hagner in diesem Band darlegt, dass ihnen die Zukunft abhanden kam und damit notwendigerweise auch die fundamentale Sorge um die eigene und die gemeinsame Existenz. Mit dieser Zukunftsvergessenheit haben die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften erheblich zur Entpolitisierung des öffentlichen Raumes beigetragen. Wenn die Deutungseliten auf ihr kritisches Potential verzichten, wird die Demokratie eines machtvollen Korrektivs beraubt und die Zivilgesellschaft einer analytischen und damit politischen Kraft: Die politische Entleerung des öffentlichen Raumes wird durch die postdemokratische Simulation politischer Debatten vom Typ 'Anne Will' und 'Hart aber fair' nicht ersetzt, sondern exemplarisch verdeutlicht. Das Phänomen 'Klimawandel' ist in seinen gesellschaftlichen und kulturellen Implikationen eben deshalb so dramatisch ungedeutet geblieben, weil es dem Austausch von Sprachhülsen in Talkshows und sich daran orientierenden Parlamentsdebatten ausgeliefert wurde.
Erscheint lt. Verlag | 12.4.2010 |
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Co-Autor | Ulrich Battis, Ulrich Beck, Dieter Birnbacher, Dipesh Chakrabarty, Lars Clausen, Andreas Ernst, Michael Hagner, Ludger Heidbrink, Bernd Hunger, Udo Kuckartz, Franz Mauelshagen, Dirk Messner, Nils Minkmar, Christian Pfister, Birger Priddat, Thomas Carl Schirren, Ingo Schulze, Werner Wilkens |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung |
Sozialwissenschaften ► Soziologie | |
Technik | |
Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management | |
Schlagworte | Klima • Klimaforschung • Klimawandel • Ökologie • Umweltverschmutzung |
ISBN-10 | 3-593-40954-2 / 3593409542 |
ISBN-13 | 978-3-593-40954-2 / 9783593409542 |
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