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Lärmende Geschenke

Die drohenden Versprechen der Korruption Mit einem Geleitwort von Peter Fuchs. Enthält ein Interview mit dem ehemaligen Siemens-Manager Rudolf G. Vogel

(Autor)

Buch
520 Seiten
2009 | 1. Auflage 2009
Velbrück (Verlag)
978-3-938808-60-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lärmende Geschenke - Uli Reiter
CHF 69,85 inkl. MwSt
'Dem Buch gelingt jedenfalls eine ungemein spannende
Inszenierung der Deutbarkeit von Korruption
(und ihrer Äquivalente). Es ist selbst: bestechend'.
(Peter Fuchs)
Im Rahmen der modernen Gesellschaft sind diejenigen Teilnahmemöglichkeiten,
welche für die Reproduktion von Individuen
und Organisationen ausschlaggebend sind, durch gesetzliche
Vorgaben und rechtlich normierte Verfahrensweisen begrenzt
und geregelt, denn sowohl die Zugriffsmöglichkeiten auf Leistungen,
als auch das Erbringen von Leistungen erscheinen
knapp. Die Arbeit, so wird gesagt, reiche nicht für alle, und
nicht alle Arbeit, die geleistet werde, sei bezahlbar. Jedes dieser
Verfahren, das darüber entscheidet, wer, wann und wofür in
Betracht kommt, erzeugt einerseits Aussagen über die zukünftige
Ansprechbarkeit und Verwendbarkeit für die Gesellschaft
– aber gleichzeitig wird dadurch auch negierend festgelegt, wofür
Individuen und Organisationen nicht in Frage kommen.
Für beide, für Organisationen und Individuen, hängt jedoch
ihre Zukunft davon ab, wie sie sich positionieren können, wie
sie an den Leistungen der Gesellschaft teilhaben oder welche
Leistungen sie für die Gesellschaft erbringen können. Und für
beide, Individuen wie Organisationen, ist es genauso ausschlaggebend,
wie sie sich nicht positionieren können und welche
Formen der Teilnahme an der Gesellschaft damit ausgeschlossen
sind – was nicht heißt, dass es nicht in anderer Form möglich
ist. Denn das Ausgeschlossene meldet sich, oft vertraulich
oder heimlich, wieder zu Wort – und immer anders als vermutet
und erwartet.
Von diesen Formen des Wiedereinschlusses des ausgeschlossenen
Dritten handelt dieses Buch, indem es an Hand der evolutionären
Spuren von Bestechung und Korruption die jeweils
unterschiedlichen Beobachtungsgewinne und Beobachtungsverluste,
aber genauso die daraus resultierenden Opfer und
deren Wiedereinschluss durch die Geschichte verfolgt.

Bestechung und Korruption genießen eine hohe und
sich immer noch steigernde Prominenz. Im Rahmen der
massenmedialen Berichterstattung und Dokumentation
überwiegen dabei stark wertende und moralisierende
Beschreibungen und selbst ein Großteil der wissenschaftlichen
Arbeiten kann sich, wie sonst bei keinem
anderen Thema, dem Bekenntnis zur Gegnerschaft und
der Artikulation von Kampfbereitschaft nicht entziehen.
Aber warum ist das so? Verbirgt die verbale Hochrüstung
möglicherweise weitreichende, aber unangenehme
Erkenntnispotenziale?
Dieses Buch lädt zu einem spannenden Gang durch die
Geschichte ein. An Hand aussagekräftiger Beispiele von
den kultischen Stadtgesellschaften Mesopotamiens über
das Mittelalter bis hin zur Moderne, beschreibt Uli Reiter
Vorformen, Funktion und Evolution von Bestechung
und Korruption – und ermöglicht eine überraschend
neue Sichtweise auf das in der Moderne hoch moralisierte
Thema. Zugleich liefert er schlüssige Erklärungen und
Begründungen dafür, warum diese Problematik so heftig
mit Moral überzogen wird, indem er die gewöhnungsbedürftige
Frage stellt, ob Bestechung und Korruption
nur Probleme erzeugen oder ob sie nicht vielmehr selbst
als eigenes, aber subversives Sinnangebot zur Lösung
anderer gesellschaftlicher Probleme verstanden werden
sollten. Skandalisierung und Moralisierung hätten dann
die Funktion, die Sicht auf diese Probleme und ihre Lösungen
zu versperren.
Ausgehend von persönlichen Erlebnissen, von selbst
recherchierten Schilderungen aus dem Alltag von Bestechung
und Korruption in Osteruropa, aber genauso
unter Einbeziehung literarischer und wissenschaftlicher
Texte nähert sich der Autor Schritt für Schritt der Thematik.
Sein eigener Verstehensprozess, an dem sich das
Buch wie an einem roten Faden entfaltet, orientiert sich
an der kontinuierlich mitgeführten Frage, was beobachtbar
wird, wenn das Thema von seiner moralischen
Verhaftung entbunden wird. Eine Vielzahl von Beispielen
und Textanalysen begleitet und unterstützt die Leser bei
der Aufspürung und Mitverfolgung der evolutionären
Entstehungsspuren und bei der Identifizierung von Vorformen
und funktionalen Äquivalenten von Bestechung
und Korruption.
Die beiden Begriffe erfahren eine klare Konturierung
und eine Einbettung in den Bedeutungskontext von Kriminalität
und Illegalität. Bestechung wird als ein Medium
zur vertraulichen Übertragung von Knappheiten und
Korruption identifiziert, als eine eigene Verfahrensweise,
die bestehende Verfahrensweisen heimlich der Verhandlung
aussetzt. Solange Bestechung nicht verboten ist,
können mit ihrer Hilfe in den moralisch negativ belegten
Grauzonen der Gesellschaft neue Strukturen und Medien,
wie beispielsweise das Geld oder auch die uns wohl
vertraute ›Miete‹ oder ›Miet- und Lohnarbeit‹, evolutionär
erprobt und verworfen werden, oder sie können sich
als neue Potenziale konsolidieren – bis sie schließlich als
Innovationen rechtlich und politisch legitimiert werden.
Sobald jedoch Bestechung verboten wird und gleichzeitig
die Probleme bestehen bleiben, an denen sie sich
entzündet hatte, kommt es zur Verschränkung von
Bestechung und Erpressung und in Folge davon zur Erzeugung
und Selbststabilisierung korrupter Strukturen.
Während Bestechung Knappheitsprobleme durch die
Prüfung und den Vollzug der Übertragung von Knappheiten
löst, also der Gesellschaft neue Formen der Übertragbarkeit
von Knappheiten zur Verfügung stellt, muss
Korruption, sobald Bestechung verboten wird, die Frage
der Rechtmäßigkeit berücksichtigen: die Vertraulichkeit
der Bestechung weicht der Heimlichkeit der Korruption,
deren Problemlösung dann darin besteht, dass sie durch
die 'Verhandlung des Verfahrens' rechtmäßige Entscheidungen
und unrechtmäßige Ergebnisse verschränkt und
auf diese Weise der Gesellschaft Vereinbarkeiten von
ansonsten Unvereinbarem zur Verfügung stellt.
Das Buch bearbeitet mit systemtheoretischen Mitteln
ein Thema, das bislang auch von der Systemtheorie
vernachlässigt wurde. Und das auf spannende und gut
nachvollziehbare Art und Weise, so dass die 'Lärmenden
Geschenke' sich nicht nur an ein Fachpublikum, sondern
auch an eine allgemeine Leserschaft wenden.

Uli Reiter, geb. 1954, lebt als Künstler, Marketingdienstleister, Kommunikationsberater, Coach und Autor in Lienzing am Chiemsee. Andere Veröffentlichungen: Widerbelebung (Kunstkatalog); Wahrnehmungsvoraussetzungen bei geistig behinderten Menschen (Studie im Rahmen des EU-Projekts 'Wanted'); SUUM (Lernsoftware für behinderte, junge Erwachsene); Normatif und Kundenkönig (Simulationsspiele für Unternehmen); Irrlicht – in Memoriam Rio Reiser (computeranimierter Musikclip); Eine Form geht noch (Kunstkatalog).

0. Geleitwort von Prof. Peter Fuchs
1. Verhandlungsbedarf
Individuum und Person, Organisation und Netzwerk,
Moral, versprechen und drohen – vertrauen und misstrauen,
Macht, Kriminalität/Illegalität/Korruption, Imitation
und Rivalität.
2. 'Frühgeburt' – Geschichte der Korruption
Mesopotamien, Schicksal und Schuld, Zeugnis und Verrat,
Gabe und Rache, vertraut und unvertraut, beseelt und unbeseelt,
Schöpfung und Zerstörung, Schicksal und Frevel,
Opfergabe und Zeichendeutung, Ritual, unschuldig schuldig,
Verhandlung der Schuld, Magie und Trance, Zauberei
und Hexerei, Frevel und Recht, Schlachthof, Audienz,
Verfahren und Verhandlung, göttlicher Ratschlag, der arme
Mann von Nippur, tönerne Steine, Keilschrift, Fälschung,
die Karawane.
3. Das Mittelalter und die frühe Neuzeit der Korruption
Haushalte, Patrone, Klienten und Netzwerke, Perfektion/
Korruption, Schenck/Miet/Pracktik, Gemeinnutz und
Eigennutz, Rache und Wergeld, Heil und Verdammnis,
Ablass, Tausch/Bestechung/Geldwirtschaft, Gerücht,
Inquisition, Miete, Buchdruck, Technik und Kunst
4. Die Moderne der Korruption
Funktionalisierung, Gier, Leistung, Verführung, Form/
Medium/Symbol, Knappheit/Bestechung/Erpressung,
Grauzonen, Verfahren, Verhandlung, Konflikt, Korruption,
Verschränkung, Vereinbarkeit des Unvereinbaren,
Codesabotage, Netzwerke, Rivalitätspartnerschaft, Interview
R.G. Vogel, Evolution, selbstsubversive Gesellschaft.

Erscheint lt. Verlag 30.6.2009
Reihe/Serie Velbrück Wissenschaft
Sprache deutsch
Maße 140 x 220 mm
Gewicht 828 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Sozialwissenschaften Soziologie Allgemeine Soziologie
Sozialwissenschaften Soziologie Spezielle Soziologien
Schlagworte Geschichte der Korruption • Hardcover, Softcover / Soziologie/Politische Soziologie • Korruption • Soziologie
ISBN-10 3-938808-60-8 / 3938808608
ISBN-13 978-3-938808-60-3 / 9783938808603
Zustand Neuware
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