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Schurken, Helden, Heilige -  Margareta Fuchs

Schurken, Helden, Heilige (eBook)

Das Männerbild in der alpinen Sagenwelt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
264 Seiten
Edition Raetia (Verlag)
978-88-7283-963-8 (ISBN)
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Kaiser Maximilian, Wunderheiler Paracelsus, Wettermacher Urban: Wie werden und wurden Männer in den alpinen Sagen dargestellt? Über zehntausend Texte aus dem gesamten Alpenbogen hat Geschichtenerzählerin Margareta Fuchs für ihren Leseband durchkämmt, um dem männlichen Leben in der alpinen Sagenwelt nachzuspüren. Das Ergebnis enthüllt eine mannigfaltige Geschichtenwelt und ein Männerbild, das wenig mit den mythischen Helden aus den griechischen, römischen oder nordischen Sagen zu tun hat. In vierzehn unterhaltsamen Kapiteln stellt Fuchs eine große Anzahl von Geschichten vor, in denen das vielseitige Seelenleben des Mannes - in all seiner Schwäche und Stärke - gezeigt wird. Die Themen der alpinen Sagen sind für Männer (und nicht nur für sie) noch heute relevant: Sie erzählen von Liebe und Hass, Kraft und Macht, Gewalt und Verletzlichkeit, Leben und Sterben, Mut, Angst sowie Ohnmacht. Damit sind sie nahe am echten Leben.

Margareta Fuchs ist Geschichtenerzählerin und Wanderleiterin aus Brixen. Von ihren Eltern hat sie die Liebe zu Märchen, Sagen und Mythen geerbt. Schon seit vielen Jahren erzählt sie - auch als Gegenstück zu ihrer langjährigen Tätigkeit in der professionellen Sozialarbeit - mit Temperament und Feingefühl Geschichten jeglicher Art für Alt und Jung. Darüber hinaus gilt ihr besonderes Interesse dem vielschichtigen Hintergrund der Sagenwelt und dem Aufspüren von sagenhaften, oftmals mystischen oder auch unheimlichen Plätzen. Ausgewählte Werke: 'Von wilden und weisen Frauen' (gemeinsam mit Veronika Krapf, Löwenzahn 2009), 'Was Blumen erzählen' (Edition Raetia 2018), 'Was Bäume erzählen' (Edition Raetia 2020) und 'Schurken, Helden, Heilige' (Edition Raetia 2024).

Margareta Fuchs ist Geschichtenerzählerin und Wanderleiterin aus Brixen. Von ihren Eltern hat sie die Liebe zu Märchen, Sagen und Mythen geerbt. Schon seit vielen Jahren erzählt sie – auch als Gegenstück zu ihrer langjährigen Tätigkeit in der professionellen Sozialarbeit – mit Temperament und Feingefühl Geschichten jeglicher Art für Alt und Jung. Darüber hinaus gilt ihr besonderes Interesse dem vielschichtigen Hintergrund der Sagenwelt und dem Aufspüren von sagenhaften, oftmals mystischen oder auch unheimlichen Plätzen. Ausgewählte Werke: "Von wilden und weisen Frauen" (gemeinsam mit Veronika Krapf, Löwenzahn 2009), "Was Blumen erzählen" (Edition Raetia 2018), "Was Bäume erzählen" (Edition Raetia 2020) und "Schurken, Helden, Heilige" (Edition Raetia 2024).

Einleitung


„Es gab eine Zeit, wo alle jene starren Felsen, Gletscher und Eismeere sonnige Triften waren, auf denen das fetteste Gras und der saftigste Klee wucherte. Keine Giftblumen waren damals vorhanden, jede Blume war dem Vieh gedeihlich, sodass die Kühe und Ziegen dreimal des Tages gemolken werden mussten. Diese Zeit war das goldene Zeitalter der Alpen. Von ihm erzählen die Sennen und Hirten: Damals waren die Kühe von ungeheurer Größe; sie hatten einen solchen Überfluss an Milch, dass man sie in weite Gräben melken musste, welche sehr bald gefüllt waren. In Nachen fuhr man aus, um den Rahm von diesen Bassins abzuschöpfen. Eines Morgens verrichtete ein junger, schöner Hirte diese Arbeit, da …“1

Das Denken in Symbolen und Bildern ist in unserer modernen Gesellschaft weitgehend verschwunden oder wird als nicht mehr zeitgemäß angesehen. „Das demokratische Ideal des sich selbst bestimmenden Individuums“, so der Mythenforscher Joseph Campbell, „die Erfindung der Dampfmaschine und des Motors, die Ausbildung der naturwissenschaftlichen Forschungsmethode haben das Leben so einschneidend verändert, dass der uralte, zeitlose Kosmos der Symbole einstürzen musste …“2

Zwar haben wir gelernt, uns über unseren Intellekt und unsere Sprache mitzuteilen, aber in unserer Seele, in unserem Unbewussten leben und wirken nach wie vor in erster Linie bildhafte Vorstellungen, die zu deuten uns niemand mehr beibringt.

Diese Art des Denkens und Wahrnehmens wird auch in den Schulen nicht gelehrt. Ebenso werden in den schulischen Alltag kaum noch Mythen, Märchen und Sagen eingebaut. Dabei enthalten diese Erzählungen bis auf den heutigen Tag eine tiefwirkende, heilsame Kraft, auch wenn sie oft keine faktische Wahrheit wiedergeben.

Reich an Bildern und Sinnbildern sind auch die Sagen aus den alpinen Ländern, was der eingangs zitierte Ausschnitt einer alten Geschichte aus der Schweiz mit dem Titel „Das goldene Zeitalter der Alpen“ repräsentativ zum Ausdruck bringen soll. Besonders oft stehen Männer im Mittelpunkt der alpinen Erzählungen. Diesem Männerbild wollte ich nachspüren und dem früheren männlichen Leben von der Kindheit bis ins Alter, wie es sich in der Sagenwelt niedergeschlagen hat, auf den Grund gehen.

Es war eine Zeit intensiver Lektüre und Recherche, in der ich auch viele der in den Geschichten erwähnten Orte aufgesucht und wohl an die zehntausend Sagen aus dem gesamten Alpenbogen durchkämmt und gelesen habe. Daraus entstanden ist dieses Buch, mit dem ich Ihnen nun eine kleine, repräsentative Auswahl aus dieser mannigfaltigen männlichen Geschichtenwelt vorlegen möchte.

In den alpinen Männersagen hat sich der ewige Dualismus zwischen Gut und Böse, zwischen Gott und Teufel ausdrucksstark niedergeschlagen. Sie sind geprägt von gesellschaftlichen, politischen und religiösen Vorgaben, die nicht nur Frauen, sondern auch zahlreichen Männern eine freie Entwicklung und Entfaltung versagten. Viele Sagen stimmen deshalb traurig und sind bedrückend, andere wiederum erzählen von männlicher Zivilcourage und Authentizität, von mutiger Entschlossenheit und Schlauheit.

Sie lassen auch die Gefühle und Traumata erahnen, die Buben in Situationen der Überforderung, Vernachlässigung, Vereinsamung und Gewalt durchleben mussten, sowie die Machtlosigkeit, mit der Männer, Familienväter, Geliebte, schwer Arbeitende und Greise den Ungerechtigkeiten des rigiden Gesellschaftssystems begegneten. Und immer wieder stößt man in der Erzählwelt unserer Vorfahren auf das zementierte System der Bevormundung und Unterdrückung durch die Kirche bzw. deren Vertreter. Auf den christlich-religiösen Grundsätzen, den Zehn Geboten, den sieben Hauptsünden und den sieben Tugenden fußt eine außerordentlich große Anzahl von Sagen des gesamten Alpenraums – auf eine streng moralisierende, fast erpresserische Art und Weise. Dieser religiöse Druck hat unseren Vorfahren die Suche nach der Wahrheit und dem Sinn des Lebens und den Vorstellungen von Sterben und Tod sicher nicht leichter gemacht.

In den Sagen kommen neben den christlich-moralischen auch die gesellschaftspolitischen Weisungen der vergangenen Jahrhunderte zutage. Bemerkenswert ist dabei, dass in den meisten Geschichten das herrschende System, sei es das gesellschaftliche oder das kirchliche, in seiner Ungerechtigkeit und Doppelmoral weniger kritisiert wird als vielmehr einzelne Vertreter desselben, zum Beispiel ein grausamer Graf oder ein lasterhafter Priester.

Nach meinem langen Studium der alten Erzählungen behaupte ich – vielleicht etwas provokativ –, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer Opfer des größtenteils von Männern geprägten Patriarchats und dessen Auswirkungen sind – so kontrovers dies auch klingen mag.

Doch welche Rolle spielt die Tatsache, dass die Sagen größtenteils von Männern, zumeist im 19. Jahrhundert, schriftlich festgehalten wurden? Würden sie anders lauten, wenn sie von Frauen oder in einer anderen Zeit formuliert worden wären? Was fanden unsere Vorfahren erzählenswert und warum? Gab oder gibt es einen wahren Kern in den Erzählungen?

Eine erschöpfende Antwort auf diese Fragen werden Sie in diesem Buch nicht finden. Trotzdem können diese alten Geschichten uns auch in der heutigen modernen Zeit noch manchen Denkanstoß geben oder vielleicht eine versteckte Botschaft vermitteln und uns auf sagenhafte Weise lehren, wie wir – Frauen wie Männer – unser menschliches Leben gestalten können oder nicht gestalten sollten.

Das Männerbild, das sich für mich bei der Lektüre der vielen Sagen herauskristallisiert hat, hat wenig mit den mythischen Helden aus den griechischen, römischen oder nordischen Sagen zu tun, die teilweise halbgöttliche Züge und Fähigkeiten haben oder gar in den Götterhimmel aufgenommen werden. Nein, das Männerbild in den alpinen Sagen ist bodenständig und wirklichkeitsnah. Diese Geschichten spiegeln die vielschichtigen Seelenanteile und das Wesen des Mannes wider, in all seiner Schwäche und all seiner Größe. Sie enthalten sämtliche Themen, die im Leben für den Mann nach wie vor wichtig sind (und nicht nur für ihn), wie Liebe und Hass, Kraft und Macht, Gewalt und Verletzlichkeit, Leben und Sterben, Mut, Angst und Ohnmacht …

Je nach Herkunft und Zeitraum haben die Sagenbuchautoren bei der Schilderung dieser Themen unterschiedliche Erzählstile, was sich auch in den Sagen dieses Buches zeigt: So werden manchmal Gefühle oder Landschaften ausführlich und bilderreich beschrieben, wodurch sich die Erzählung wesentlich in die Länge zieht, andere Autoren hingegen halten sich kurz und bündig an das ihnen Erzählte, ohne näher auf Gefühle einzugehen.

Sagen sind aber nicht nur aufgrund ihres Ablaufs spannend, sondern haben vielfach eine tiefere Bedeutung. Zwar werden äußere Geschehnisse erzählt, aber bei genauerem Hinschauen oder mehrmaligem Lesen eröffnen sich auch die darin enthaltenen symbolischen Bilder. Die Geschichten erzählen unter anderem von sogenannten Archetypen und von unserem individuellen und kollektiven Unbewussten. Nach dem Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie Carl Gustav Jung wirkt und leitet uns dieses auch in unserem Leben, oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind.

Einer dieser Archetypen ist der wilde Mann, dem im Buch ein eigenes Kapitel gewidmet und der auch tiefenpsychologisch von Bedeutung ist. Viele Männer in der heutigen Zeit tun sich immer schwerer, ihr Leben in Freiheit und ‚Wildheit‘ zu gestalten und ihren Intuitionen und Instinkten zu trauen, was für den wilden Mann hingegen selbstverständlich war. Gleichzeitig haben sie durch ihr Handeln maßgeblich dazu beigetragen (und tun es immer noch), dass auf unserem Planeten immer mehr ursprüngliche Naturgebiete für ihre Bewohner für immer verschwinden, auch dies in völligem Gegensatz zum wilden Mann, dem laut Sagen aller alpinen Regionen die Natur mit all ihren Wesen als absolut schützenswert galt.

Es war früher allgemeiner Glaube der Alpenbewohner – und dieser hat sich auch in der Sagenwelt vielfach niedergeschlagen –, dass nach dem Almabtrieb die Almen und die Berge den Geistern der Natur und den ‚Jenseitigen‘ gehören. Davon ist heute keine Rede mehr. Der Mensch geht jederzeit überallhin, er hat nicht nur den Respekt vor diesen unsichtbaren Wesen verloren und entheiligt die Natur immer wieder aufs Neue, sondern er macht sich nicht einmal Gedanken über das Schutz- und Ruhebedürfnis der Wildtiere, die sich abseits von Dörfern und Städten in den Wintermonaten zurückziehen müssen, um zu überleben.

Achtsam mit sich selbst und mit Natur und Schöpfung zu sein, sich für ihren Erhalt einzusetzen, sollte für den modernen Mann, so wie für seinen mythischen Vorgänger, eine unabdingbare ethisch-existenzielle Aufgabe sein – entsprechend sollte er sich...

Erscheint lt. Verlag 29.11.2024
Verlagsort Bozen
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Ethnologie Volkskunde
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aberglaube • Alpen • alpine Sagen • Brauchtum • Geschichtenerzählerin • Männerbild • Patriarchat • Religion • Sagen • Sagenbuch • Volksglaube • Wilde Männer • Zauberer
ISBN-10 88-7283-963-7 / 8872839637
ISBN-13 978-88-7283-963-8 / 9788872839638
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