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Angela Merkel -  Klaus-Rüdiger Mai

Angela Merkel (eBook)

Zwischen Legende und Wirklichkeit - Eine kritische Biografie
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
414 Seiten
Europa Verlag GmbH & Co. KG
978-3-95890-638-9 (ISBN)
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Die Liebe zur Macht: Das Erbe der Kanzlerin 'Frau Merkel führte Deutschland wie in einer Scheinwelt und ließ es ein ausgedehntes geopolitisches und wirtschaftliches Nickerchen genießen, aus dem es noch erwachen musss.' Economist, 24. Oktober 2024 Angela Merkel hat Deutschland entpolitisiert. Politik in diesen Zeiten ist die Wahrnehmung von Interessen, nicht von Werten. Verantwortliche Politiker und Wirtschaftslenker von Volkswirtschaften, die eng mit der deutschen verbunden sind, tritt der kalte Angstschweiß auf die Stirn, wenn sie auf die Daten der größten Volkswirtschaft Europas schauen. Sie fürchten, mit in den Abgrund gerissen zu werden. All die Missstände, mit denen wir heute zu kämpfen haben - die desaströse Energiewende, die Abhängigkeit von Russland, die verfehlte Migrationspolitik, den Abbau von Demokratie, Freiheit, die Einschränkung der Bürgerrechte, das Leben von der Substanz ohne Werterhaltung, den Zusammenbruch des Gesundheitswesens, der öffentlichen Sicherheit und der Infrastruktur -, ihre Ursache liegt in der viel zu langen Kanzlerschaft Frau Merkels. Sie hinterließ ein niedergehendes und tief gespaltenes Land. Nach Merkels Ausstieg aus der Politik wurden ihre Fehler unter großem Propagandaaufwand in Heldentaten umgemünzt - Klaus-Rüdiger Mai setzt in seiner kritischen Biografie der Ex-Kanzlerin Fakten gegen Legenden und widmet sich der Frage: Warum handelte Angela Merkel, wie sie handelte? Dabei geht es ihm nicht um die Dämonisierung eines Menschen, nicht um Verschwörungstheorie oder das Walten dunkler Mächte, sondern um eine kühle und glasklare historische Analyse. Vor allem aber geht es um die große Leidenschaft der Angela Merkel: ihre Liebe zur Macht und darum, diese zu durchschauen und zu entzaubern. Denn erst wenn Deutschland seine innere Merkel überwunden hat, wird es wieder gesunden und zu seiner einstigen Stärke und Zukunftsfähigkeit zurückkehren können.

Klaus-Rüdiger Mai, Dr. phil., geb. 1963 in Staßfurt, ist Germanist, Historiker und Philosoph. Sein Spezialgebiet sind die künstlerischen, philosophischen und wirtschaftlichen Kulturen Europas gestern und heute sowie die Geschichte und Gegenwart Ostdeutschlands und Osteuropas. Er ist erfolgreicher Roman- und Sachbuchautor, Essayist und Publizist. Zuletzt erschien seine kritische Biografie 'Die Kommunistin. Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen' im Europa Verlag. Er lebt mit seiner Familie bei Berlin.

Klaus-Rüdiger Mai, Dr. phil., geb. 1963 in Staßfurt, ist Germanist, Historiker und Philosoph. Sein Spezialgebiet sind die künstlerischen, philosophischen und wirtschaftlichen Kulturen Europas gestern und heute sowie die Geschichte und Gegenwart Ostdeutschlands und Osteuropas. Er ist erfolgreicher Roman- und Sachbuchautor, Essayist und Publizist. Zuletzt erschien seine kritische Biografie "Die Kommunistin. Sahra Wagenknecht: Eine Frau zwischen Interessen und Mythen" im Europa Verlag. Er lebt mit seiner Familie bei Berlin.

1. UNTER MASKEN – POLITIKER OHNE GESCHICHTE


Es dürfte nicht verfehlt sein, in Angela Merkel einen neuen Politikertyp zu sehen, der sich grundsätzlich von den vorigen, den Brandts, Schmidts, Kohls und Genschers unterscheidet. Diesen Politikertyp könnte man Politiker ohne Geschichte nennen – oder einfacher den postdemokratischen Politikertyp. Sein Einschätzungs- und Erkenntnishorizont endet an der Wölbung der Blase, in der er vollständig lebt, geradezu interniert ist, einer Blase aus Politik, Finanzindustrie, Klimakomplex, Medien und Kultur, deren Bewohner die Zugbrücken zum Volk, das sie beherrschen und belehren und von dem sie leben, hochgezogen haben, weil sie sich für die Elite, im Grunde im spätfeudalen Sinne für eine absolut herrschende Aristokratie halten. Wie für die Aristokratie des Ancien Regime Christentum und Glauben nur noch Leerformeln waren, die man ständig zur Selbstrechtfertigung benutzte, so sind es für die postdemokratischen Politiker die zur Phrase verflüchtigten Begriffe Demokratie und Freiheit. Die US-amerikanische Marxistin Nancy Fraser definierte die Herrschaft dieser spätwestlichen Eliten mit Blick auf die USA so: »Die US-amerikanische Form des progressiven Neoliberalismus beruht auf dem Bündnis ›neuer sozialer Bewegungen‹ (Feminismus, Antirassismus, LGBTQ) mit Vertretern hoch technisierter, ›symbolischer‹ und dienstleistungsbasierter Wirtschaftssektoren (Wall Street, Silicon Valley, Medien- und Kulturindustrie etc.).« Aus ihrer Sicht führte die neoliberale Politik Clintons und Obamas »zu einer Verschlechterung der Lebensverhältnisse aller Arbeitnehmer, besonders aber der Beschäftigten in der industriellen Produktion.« Zur gesellschaftsauflösenden Ausweitung der Minderheitenrechte stellte sie fest, dass dieses neue Establishment die Emanzipation gleichsetzt »mit dem gesellschaftlichen Aufstieg der ›Begabten‹ unter den Frauen, Minderheiten und Homosexuellen« und dass es »die The-winner-takes-it-all-Hierarchie nicht mehr abschaffen« will.1 Diese Blase bewirkt nicht die Erweiterung des Wissens und der Erkenntnisse, sondern die Verstärkung eigener Urteile, vor allem Vorurteile. Der Wirklichkeitsverlust wird durch Propaganda, Delegitimierung, Marginalisierung und Repression ersetzt. Unter dem Deckmantel, die Demokratie verteidigen zu wollen, wird die Demokratie eingeschränkt, weil für die Eliten Demokratie nicht Herrschaft des Volkes, sondern absolute Herrschaft der Eliten, also Oligarchie, bedeutet. Die »wehrhafte Demokratie« ist in Wahrheit nur die verwehrte Demokratie. Was das konkret bedeutet, wird am Beispiel Angela Merkels einsichtig, die sich im Laufe ihrer Karriere im Allgemeinen, aber im Besonderen in der Ära ihrer Kanzlerschaften zur postdemokratischen Politikerin entwickelte und damit dem Zeitgeist Rechnung trug. Man darf nicht vergessen, dass mit dem Historikerstreit Mitte der Achtzigerjahre linke, linksliberale und immer stärker postmodernistische Intellektuelle, Journalisten und Künstler die Meinungshoheit und die Diskursherrschaft in der Öffentlichkeit errungen hatten. Der postdemokratische Politikertyp gehört nicht den produktiven, sondern den destruktiven Zeiten an; es ist der Politikertyp, der, weil er aus dem Vollen schöpfen kann, das Volle ausschöpft.

Einmal mehr, aber an unvermuteter Stelle in geradezu gespenstischer Atmosphäre wurde für alle, die es sehen wollten, Deutschlands Spaltung deutlich: am 2. Dezember 2021 im Scheinwerferlicht des Großen Zapfenstreichs im Bendlerblock, als die deutsche Bundeskanzlerin Dr. Angela Dorothea Merkel verabschiedet wurde. Zwar empfanden beim Großen Zapfenstreich für die scheidende Bundeskanzlerin die Deutschen noch gemeinsam eine große Freude, doch die einen, weil Angela Merkel zum Abschied geehrt, und die anderen, weil Angela Merkel endlich verabschiedet wurde, darüber, dass nun diese Kanzlerschaft – für manche zwölf Jahre zu spät – endete, die jene deutsche Konsensdemokratie zur Oligarchie der Alternativlosigkeit umformte.

Die Bundeskanzlerin aus der CDU hatte die erstaunliche Leistung vollbracht, die beste Politikerin zu werden, die die Grünen jemals besaßen. Mit diesem Verdienst wird sie in die Geschichte eingehen, dass sie die einzige Bundeskanzlerin für die Grünen war. Wie es dazu kam, was das mit Deutschland macht, vor allem aber weshalb das in Deutschland möglich war, erzählen die folgenden Seiten. Weil Angela Merkel die Legende über sich verbreiten ließ, dass sie die Dinge vom Ende her bedenkt – womit sie sich zielsicher mit Gott verwechselte, denn nur der kennt im Voraus das Ende und kann es folglich von dort aus bedenken –, soll auch die Geschichte der Angela Merkel vom Ende her berichtet werden.

An diesem kalten Dezemberabend stand die scheidende Bundeskanzlerin gegen 19.30 Uhr jedenfalls vor dem Rednerpult, hinter ihr die erleuchtete Kulisse des dräuenden Bendlerblocks, vor ihr das Publikum in weiter Corona-Entfernung. Sucht man nach Adjektiven, um die Atmosphäre zu beschreiben, so lauten sie alt, frostig, düster, verloren, gespenstisch. Es sind Bilder großer Einsamkeit. Der Nachwelt werden die Bilddokumente von diesem Großen Zapfenstreich erhalten bleiben, doch er wird sich von seinen Vorgängern unterscheiden und spätere Generationen in seinem dunklen und etwas unheimlichen Atavismus befremden. Was Angela Merkel vor sich sah, könnte man mit dem von der modernen französischen Philosophie aus der chinesischen Geschichte gekaperten Begriff der Mandarine beschreiben. Die Politikprominenz, die 200 Gäste, unter ihnen der Bundespräsident, dem sie zum Amt verholfen hat, ihr designierter Nachfolger, der Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die 52 Bundesminister ihrer Amtszeiten, Bundestagsabgeordnete, Vertreter ausländischer Regierungen, die Einwohner der Berliner Politik-Blase – alle saßen gehorsam unter Masken wie in einem drittklassigen Splattermovie auf ihren Bänken.

In der Pandemie-Diktatur fand Merkels Herrschaft ihre reinste Form. Noch galten Merkels Pandemie-Vorschriften, deshalb fand die Zeremonie »unter schärfster Beachtung der geltenden Regularien« statt.2 Man gewinnt den Eindruck, dass Angela Merkel das Corona-Regelwerk als Gesamtkunstwerk empfand.

Merkel mochte keinen Widerspruch; sie wusste zwar, dass er zum politischen Geschäft gehört, doch wo sie ihn verhindern konnte, da tat sie es. Das Kreative, das das Chaotische, das Offene voraussetzt, lag ihr nun mal nicht. Ihr Verständnis von Demokratie und Pluralität drückte das Wort Alternativlosigkeit aus. Ob Angela Merkel an Gott glaubt, weiß man nicht, aber dass sie der Göttin TINA (There Is No Alternative) als Hohepriesterin diente, darf als gewiss gelten. Wenn Angela Merkel für die Ironie der Geschichte empfänglich wäre, würde sie den Doppelsinn empfinden, der darin liegt, dass ihre Amtszeit unter Masken endete, wo doch ihr Leben unter dem Zeichen der Maske und unter Maskierungen verlief. Nichts wäre verfehlter, als in ihrem Umgang mit Masken eine Lust, ein Spiel, eine Selbstmystifikation zu sehen, sondern die Maskerade besaß eindeutig Schutzfunktion: Sie sollte die Wahrheit verstecken, die sie vermutlich selbst nicht einmal kennt. Deshalb dürfte der Slogan, unter den Angela Merkel ihren Wahlkampf 2017 stellte: »Sie kennen mich«, weiter von der Wahrheit entfernt sein als der Stern mit der Bezeichnung ULAS J0015+01, der sich 900000 Lichtjahre von der Erde jenseits der Magellanschen Wolken befindet und im Jahr 2014 entdeckt wurde, ein halbes Jahr nachdem Merkel ihre dritte Kanzlerschaft angetreten hatte. Wie auf einem anderen Stern hätte sie sich damals gefühlt, völlig losgelöst von der Erde, wenn ihr sehnlicher Wunsch, mit Trittins Grünen zu regieren, im Jahr 2013 in Erfüllung gegangen wäre. Vielleicht wären dann die Grünen früher entzaubert worden, vielleicht wäre auch Merkels letzte Maske wenn schon nicht vom Gesicht gefallen, so doch zumindest verrutscht – und den Deutschen vieles erspart geblieben. Doch das bleibt müßige Spekulation. Angela Merkel bemühte sich redlich, auch ohne die Grünen dennoch grün zu regieren. Warum sie das tat, wird zu ergründen sein.

Niemand mit Ausnahme ihres Mannes, Joachim Sauer, und ihrer Büroleiterin Beate Baumann kennt Angela Merkel, die eine Meisterschaft im Verstecken und Verbergen besitzt. Verstecken und Verbergen gehört zu ihrem Naturell, und man kann das nur zum Teil mit ihrer Kindheit und Jugend in der DDR erklären, vielleicht sogar zum kleinsten Teil. Dem Geheimnis Angela Merkels kommt man jedenfalls nicht auf die Schliche, wenn man allzu sehr nach der DDR in ihrem Leben fragt, denn dort beginnt das Reich der hübschen Geschichtchen, die nur deshalb so erfolgreich sind, weil sie die gängigen Klischees erfüllen. So behauptete der westdeutsche Journalist Ralph Bollmann von der Frankfurter Allgemeinen nach der Bundestagswahl 2017, dass die Bundeskanzlerin Angela Merkel »im Osten auch deshalb so viel Hass auf sich zieht, weil sie ihren Landsleuten den Spiegel vorhält: Seht her, wer sich anstrengt, der schafft es auch.«3 Nur im Osten sieht kaum einer Angela Merkel als Ostdeutsche, jedenfalls viele Ostdeutsche nicht. Und zu fragen ist, was sie denn nun eigentlich »geschafft« hat?

Vielleicht würde Angela Merkel die Ironie der Geschichte verstehen, den Witz, dass sie ihre politische Karriere mit einer für alle sichtbaren Maske beendet, wo doch die Maskierung erst ihre politische Karriere ermöglichte, wenn sie nicht selbst Teil dieser Ironie wäre. Selbst in den letzten ihr noch verbleibenden Amtstagen im Herbst 2021 kämpft die Pastorentochter für nichts...

Erscheint lt. Verlag 26.11.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Angela Merkel • Demokratie • Deutschland • die Einschränkung der Bürgerrechte • Energiewende • Erbe der Kanzlerin • Europa • Exkanzlerin • Freiheit • kritische Biografie • Macht • Migrationspolitik • Politik • Russland
ISBN-10 3-95890-638-9 / 3958906389
ISBN-13 978-3-95890-638-9 / 9783958906389
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