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Zukunft Demokratie -

Zukunft Demokratie (eBook)

Perspektiven und Herausforderungen im Schatten von Hass und Hetze. Sonderband 2024

Claudia Mandrysch (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
140 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8864-9 (ISBN)
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Demokratie lebt vom Engagement, von der Beteiligung möglichst aller Bürger*innen. Ebenso braucht es eine aufmerksame (Medien-)Öffentlichkeit, Organisationen und Akteure der Zivilgesellschaft, die immer wieder Diskussionen und Änderungen von politisch und ökonomisch Verantwortlichen einfordern. In diesem Band werden Ideen skizziert und Projekte vorgestellt, wie Rassismus, Hass und Hetze im Alltag bekämpft und demokratisches Engagement (wieder) belebt werden können.

Einleitung


Zukunft Demokratie. Perspektiven und Herausforderungen im Schatten von Hass und Hetze

Ragnar Hoenig und Peter Kuleßa

„Die Wertschätzung von Vielfalt bedeutet, ohne Angst verschieden sein zu können.“

Theodor W. Adorno

In vielen europäischen Ländern ist zu beobachten, dass rechtspopulistische, bisweilen rechtsextreme Parteien kontinuierlich Wahlergebnisse im zweistelligen Prozentbereich erzielen. Die Vertreter*innen dieser Gruppierungen treten immer offensiver und selbstbewusster in der Öffentlichkeit auf und grenzen zusehends Minderheiten verbal, mittels politischer Vorhaben oder durch Demonstrationen aus.1 Es sind regelmäßige Proteste – etwa vor Asylbewerber*inneneinrichtungen –, die kaum mehr in der medialen Öffentlichkeit wahrgenommen werden, aber zersetzend wirken für einen mitmenschlichen Alltag vor Ort. Demokratien sind also dann gefährdet, wenn demokratisch gewählte Politiker*innen nach ihrer Wahl beginnen, den Rechtsstaat zu untergraben, das Mindestmaß an politischen Übereinstimmungen (etwa die Verfassungsgrundsätze) ignorieren oder gar verachten; sie sind dann gefährdet, wenn die Freiheit der Medien infrage gestellt wird und die vitale Zivilgesellschaft durch juristische oder finanzielle Sanktionen ruhiggestellt werden soll. Kurzum: Demokratische Grundfesten erodieren.

Armut und soziale Ungleichheit, dies zeigen diverse Studien, haben oft direkte Auswirkungen auf das Interesse der Bürger*innen am politischen Geschehen oder an der Beteiligung an Wahlen.2 Lang- und mittelfristige Problemlagen, wie sozialer, ökonomischer oder kultureller Ausschluss, sind Grundlagen für politischen Protest und Entfremdung der Betroffenen in Stress- oder Krisensituationen. Hinzu kommt, dass sich offenkundig Teile der Wählerschaft von den beiden (vormaligen) Großparteien CDU und SPD nicht mehr repräsentiert fühlen. Das Aufkommen der AfD ist nicht mehr nur eine kurzfristige Trotz- und Protestreaktion auf einen in bestimmten Gruppen missliebigen Impuls wie den Zustrom von Flüchtlingen. Das muss endlich klar sein.

Für Demokratien ist es existenziell, wenn sich die Menschen untereinander vertrauen können, wenn sie einander zuhören und Kontroversen strittig, aber sachlich führen können; wenn Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder die Größe des Geldbeutels nicht zu Ausgrenzung führen; wenn Vielfalt geachtet und gelebt werden kann. Klar ist: Niemand wird als Demokrat*in geboren. Sozialisation und Bildung bestimmen maßgeblich über Interesse an und Engagement für Demokratie. Umso bedeutsamer ist es, wenn dafür die Rahmenbedingungen bestehen.3

Soziale und demokratische Politik


Demokratie ist Vielfalt. Autoritarismus ist Einfalt. Es muss daher ein beherztes Eintreten etablierter demokratischer Parteien, Verbände, Vereine und anderer für eine vitale Demokratie erkennbar werden; die sozialstaatliche Sicherung muss wieder spürbar werden; es dürfen zugleich die gesellschafts- und kulturpolitischen Freiheitsgewinne nicht verleugnet werden. Es macht keinen Sinn, gesellschaftspolitische und ökonomische Fragen gegeneinander auszuspielen.

Eine fortlaufende ökonomische Durchdringung des Lebensalltags vieler Menschen führt in die Irre.4 Es gibt Bereiche, die eben nicht privatisiert oder „dem“ freien Markt überlassen werden dürfen: seien es Fragen alltäglicher Versorgung wie Strom, Gas oder Wasser, der gesundheitlichen oder pflegerischen Versorgung, der Erziehung oder Bildung, des Umweltschutzes oder Klimafragen. In diesen Feldern werden unverzichtbare Dienstleistungen erbracht für ein funktionierendes Gemeinwesen. Der öffentliche Sektor ist vor allem im Bereich der Humandienstleistungen eine unverzichtbare soziale Größe im nachhaltigen Modernisierungsprozess. Dies gilt insbesondere in Fragen von sozialen Aufstiegsfunktionen bestimmter Gruppen. Aber auch beim Klimawandel kommt es auf eine stabile, vom Markterfolg unabhängige Expertise im öffentlichen Sektor an, die das Thema bearbeitet. Der staatliche Bereich ist maßgeblich für eine soziales und demokratisches Gemeinwesen und zugleich Stabilisator für eine nicht unerhebliche soziale Gruppe mit Blick auf deren gesellschaftlichen und beruflichen Aufstieg.

Ein demokratisches Gemeinwesen ist dann robust gegen zersetzende Tendenzen, wenn engagierte Bürger*innen und ihre Interessen ernst genommen und akzeptiert werden. Die Menschen sind vor allem dann bereit, sich an Wahlen zu beteiligen oder freiwillig für soziale Belange der Gemeinschaft zu betätigen und Verantwortung zu übernehmen, wenn sie für sich einen Sinn erkennen können; wenn sie spüren, dass sie gebraucht und nicht ausgenutzt werden. Der soziale Frieden ist dann gesichert, wenn die Menschen – unabhängig von Herkunft, materiellen Möglichkeiten, religiösen Überzeugungen oder Geschlecht – als Freie und Gleiche selbstbestimmt leben können. Diese eigentlichen Selbstverständlichkeiten werden zusehends infrage gestellt. Pauschal werden verschiedene Lebensformen und Lebensentwürfe abgewertet; Leben in Vielfalt wird durch Hass und Hetzparolen der Lächerlichkeit preisgegeben. In den Analysen und Interviews des vorliegenden Bandes werden Ideen skizziert, wie Zusammenhalt entstehen kann; wie Rassismus, Hass und Hetze im Alltag bekämpft und demokratisches Engagement (wieder) belebt werden können. Es ist oft leichter gesagt als getan, aber wichtig sind couragierte Bürger*innen. Demokratie lebt vom Engagement, von der Beteiligung möglichst aller Bürger*innen. Ebenso braucht es eine aufmerksame (Medien-)Öffentlichkeit, Organisationen und Akteure der Zivilgesellschaft, die immer wieder Diskussionen und Änderungen von politisch und ökonomisch Verantwortlichen einfordern; die eine soziale Infrastruktur bereithalten, um Teilhabe und Engagement zu ermöglichen.

Unter dem Motto „DEMOKRATIE. MACHT. ZUKUNFT.“ kamen im Zuge des Neujahrsempfangs des AWO Bundesverbandes im Januar 2024 Delara Burkhardt MdEP (SPD), Bianca Klose von Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, Daniel Leisegang von netzpolitik.org und der Soziologe Linus Westheuser von der Humboldt-Universität zu Berlin zusammen. Sie diskutierten über theoretische und praktische Voraussetzungen von Demokratie, die immer größere Gefahr von rechter Hetze (vor allem vor Ort und gegen einzelne Personen) und die Verantwortung von Medienberichterstatter*innen, seriös über demokratische Politik zu berichten, Alarmismus zu meiden und rechten Themen keinen Platz über Gebühr in der Berichterstattung einzuräumen.

Modernisierung und gesellschaftlicher Fortschritt wurden lange als etwas verstanden, das demokratieförderlich ist. Demokratie wurde verstanden als die passende politische Regimeform für eine moderne Gesellschaft. War das irgendwo nicht der Fall, lief dort angeblich irgendetwas falsch. Im Interview widerspricht Veith Selk dieser Annahme. Er fragt danach, ob es nicht gesellschaftliche Entwicklungstendenzen gibt, die der Demokratie abträglich sind. Gibt es demnach einen Prozess, der sich ungünstig und schädlich auf die Demokratie auswirkt? Selk möchte damit keineswegs Idee und Projekt der Demokratie infrage stellen. Er kommt jedoch zu dem Schluss, dass es verschiedene Modernisierungseffekte gab, die überwiegend negative Auswirkungen auf die Entwicklung von Demokratien hatten.

Wie der Hass im Netz den politischen Diskurs vergiftet und was das für die Demokratie bedeutet, ist Thema des Beitrags von Lukas Bernhard, Lutz Ickstadt und Valentin Dander. Die Autoren zeigen zunächst auf, dass die Desinformation im Internet wächst und der Ton im Netz zunehmend rauer wird. Sie arbeiten unter anderem heraus, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen gegen Hass im Netz verbessert und die Rolle von Algorithmen stärker beleuchtet werden müssen. Auch der politischen Medienbildung kommt nach Auffassung der drei Autoren eine wichtige Rolle im Kampf gegen Hass im Netz zu.

Vertrauen ist für das demokratische Miteinander bedeutsam. Nicht minder relevant in einer Demokratie ist das Hinterfragen, das Streiten, das Diskutieren über...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8864-X / 377998864X
ISBN-13 978-3-7799-8864-9 / 9783779988649
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