Im Rausch der Dekadenz (eBook)
240 Seiten
LangenMüller (Verlag)
978-3-7844-8495-2 (ISBN)
Vorwort: Denken Sie selbst!
Ist ein Buch über Dekadenz nicht selbst ein Dekadenzsymptom? Manchen gilt ja allein schon die Verwendung des Begriffs »Dekadenz« als ewiggestrig und dekadent. Der Globus drehe sich schließlich weiter. Ja, er dreht sich weiter. Aber es fragt sich, welche Rolle dann der Westen, Europa und Deutschland noch spielen werden und wohin die Reise geht, wenn Errungenes und Bewährtes verfällt – lateinisch: »decadit«. Um dies zu erkennen, muss man auch als kleiner, schier ephemerer Zeitgenosse verinnerlicht haben, was das Errungene, das Bewährte ist. So wie es Bernhard von Chartres um das Jahr 1120 schrieb: Aus der Perspektive der Ewigkeit betrachtet, sei der Mensch ein Zwerg, aber auf den Schultern von Riesen könne er weit sehen.
Wohin aber steuern der Westen, Europa, Deutschland? Spielt es eine Rolle, ob die Fahrt auf einem Narrenschiff oder auf der Titanic erfolgt? »Titanic« ist klar: Der Riesendampfer galt als Wunderwerk des Westens, und er galt als unsinkbar. Der Kapitän aber hatte Warnungen vor Eisbergen in den Wind geschlagen. Bis in der Nacht vom 14./15. April 1912 ein riesiger Eisberg dazwischenkam. Die Bordkapelle spielte derweil kräftig weiter und die noblen Passagiere amüsierten sich köstlich. Zwei Stunden und 40 Minuten später gingen die Lichter aus, die »Titanic« versank in den Fluten des Atlantiks und riss 1500 Menschen in den Tod.
Oder segeln der Westen, Europa und Deutschland auf einem Narrenschiff dahin? Wohin auch immer? Sebastian Brandt hat 1494 ein solches Narrenschiff anhand von 112 Narreteien beschrieben. In Kapitel 34 heißt es dort: »Denn eines plagt den Narren sehr: Was neu ist, das ist sein Begehr’; doch ist die Lust dran bald verloren und etwas andres wird erkoren.« Ähnlichkeiten mit der Transformitis einer real existierenden Politik, die keinen Stein mehr auf dem anderen lässt und das für Konstruktivismus hält, sind wohl rein zufällig.
Damit die Reise keine Reise ins Nichts wird, muss sie durchdacht geplant sein, und es muss nachgedacht werden, was man als Navigationshilfe mitnimmt. Vor allem an kultureller, mentaler, intellektueller Ausstattung. Kurz: an Tradition. Ja, das ist konservativ gedacht. Aber es ist nun einmal die Stärke des Konservatismus, dass Traditionen und Werte Orientierung geben. Es sind schließlich Traditionen und Werte, die Freiheiten sowie Bürger- und Menschenrechte geschaffen und in großen Teilen der Welt ein menschenwürdiges Leben ermöglicht haben.
Um im Bild des Schiffes zu bleiben: Wenn der Westen aber seine in Freiheit, Aufklärung und Vernunft begründeten Werte über Bord wirft, sie gar »de(kon)struiert«, wenn Anstrengungen nachlassen und ein saturierter Schlendrian um sich greift, dann obsiegen das Chaos und das Recht des Stärkeren.
Fragen über Fragen, Sorgen über Sorgen
Sind die Tage des Westens gezählt? Ist er ermüdet? Werden antiwestliche Gegenkulturen zur Hauptkultur? Wird es einsam um den Westen? Jedenfalls schwankt der Westen. Nach Jahrhunderten der Europäisierung und Verwestlichung der Welt sehen sich Europa und der Westen massiven Bedrohungen von außen ausgesetzt: wirtschaftlich, demografisch, kulturell, religionspolitisch, militärisch. Siehe die Bedrohungen durch den Islamismus, siehe Chinas expansiven Darwinismus und siehe Russlands Nationalismus.
Die wohl größte Bedrohung des Westens kommt aber von innen: Geburtenschwund, Wohlstandsverwahrlosung, Übersättigung, Nachlassen der Verteidigungsbereitschaft, Selbstzweifel bis hin zu Schuldneurosen, Deindustrialisierung, nihilistische »Moral«, Toleranzdelirium, moralisierende Totalitarismen, suizidale Sehnsucht nach dem Verschwinden aus der Geschichte. Es ist ein totalitär-wokes Gebräu aus Ideologien und Ersatzreligionen, das in schier rauschhafte Dekadenzphasen führt.
Gewiss hat Dekadenz real oder fiktiv mit Niedergang zu tun. Ich bin deswegen kein defätistischer, pessimistischer, nihilistischer Mensch geworden. Aber die Selbstvergessenheit, ja der Selbsthass des Westens sowie die wiederkehrenden, emsig gepflegten Prognosen von Klima-, Pandemie- sowie von sozialen und kosmischen Apokalypsen nerven mich, sie sind selbst ein Dekadenzphänomen.
Gerade Deutschland inszeniert gerne seine eigene Tribunalisierung, das heißt, es zerrt sich vor das Weltgericht, denn wir Deutsche sind ja mit Lust die Ungerechtesten auf der Welt. Diese Selbstverleugnung lässt Deutschland zu einem Land ohne Grenzen werden, das offenbar der ganzen Welt gehören soll. Lässt uns ein weltweit renommiertes Diplom wegwerfen und unsere Sprache denglifizieren. Die Beispiele sind Legion. Jeder persönliche oder kulturelle Abstieg beginnt indes mit Selbstverleugnung und Überangepasstheit. Oder noch härter: Der Verlust der Selbstachtung ist der Beginn des Verfalls. Das gilt für jeden Einzelnen, jede Gruppe, jede Nation, jede Kultur.
Der Westen berauscht sich am Niedergang, statt der Kreativität der Menschen und der Evolution zu vertrauen. Apokalypsen vermiesen das Leben, auch wenn man vor dem Verfall noch schnell die Segnungen der Errungenschaften verkonsumieren will. Apokalypsen verleihen falschen Propheten Macht, deshalb werden sie von ihnen gezielt inszeniert. Apokalypsen fördern einen totalitären Staatsapparat, der vorgibt, alle Gefahren im Ansatz zu ersticken – mittels gesetzlicher Korsette und mittels Bespitzelung, als Erziehungs-, Klima- und Ökodiktatur.
Es ist absurd, dass gerade der Westen solchen Apokalypsen frönt, sie mental befördert, sich ihnen unterwirft. Glaubt er nicht mehr an seine eigene Vitalität? Verteidigt er nicht mehr seine großen Errungenschaften: die Bürger- und Menschenrechte, die Prinzipien Freiheit und Subsidiarität, die Wissenschaftlichkeit des Denkens, die weltanschauliche Neutralität des Staates? Oder ist er dabei, diese Errungenschaften zu pervertieren oder zumindest zu relativieren: als »weiße« Erbsünde? Ist der Westen – masochistisch besessen von Schuldkomplexen – berauscht von seinem Niedergang, befördert er ihn willentlich oder unwillkürlich? Wird auf diesen Rausch eine Ernüchterung folgen? Kann eine Krise, wenn man sie denn erkennt, auch reinigen?
Warum »Rausch«?
Ein Rausch verläuft – sehr individuell – in drei Phasen, wenn man denn die vierte, komatöse Phase weglässt: Erst ist man in der exzitativen/euphorischen, sich selbst überschätzenden Phase. Daraus wird oft eine aggressive Phase – als Aggression nach außen. Schließlich kann eine depressive Phase folgen: Weltschmerz ist angesagt, Depression als Aggression nach innen. Es können je nach Persönlichkeit und Rauscherfahrung bestimmte Phasen endlos verlängert oder auch übersprungen werden. Ob eine Ernüchterung folgt, hängt vom Phasenverlauf und vom Typ der Abhängigkeit ab. Beispiel Alkoholiker: Es gibt die Problemtrinker, die Gelegenheitstrinker, die Suchttrinker, die Spiegeltrinker und die Quartalstrinker. Sie sind unterschiedlich therapiefähig und therapiewillig.
Ob westliche Gesellschaften sich aus ihrem Rausch der Dekadenz befreien wollen und können, ob sie an einen Scheideweg kommen, diesen erkennen und dort den richtigen Weg einschlagen, hängt von einem Leidensdruck und von der Einsicht ab, dass etwas geschehen muss. Wie der Süchtige kann der Westen nur dann sich wieder selbst gewinnen, wenn er unbefangen über sich reflektiert. Selbsterkenntnis ist auch für ihn der Weg nach vorne. Dann kann er verhindern, zu einem abgeschlossenen Kapitel der Geschichte zu werden.
Meinen Beitrag sehe ich darin, Patrioten deutscher, europäischer, westlicher Prägung zu sensibilisieren für, ja zu konfrontieren mit Verirrungen, die eingeschlagen wurden. Auf dass eine Einsicht und ein Leidensdruck entstehen. Noch mehr rauschhaft-politisch-ideologische Verirrung darf es nicht geben. Oder aber ist all dies nur mit der Legalisierung von Cannabis erträglich? Nein, wir sind es unseren Kindern, Enkeln und Urenkeln schuldig aufzuwachen, damit unsere Nachkommen wie wir Älteren ein Deutschland, ein Europa, einen Westen erleben können, der uns Wohlstand, Sicherheit und Freiheiten beschert hat.
An die Leser
Dieses Buch ist keine Fortsetzung meines Buches »Der deutsche Untertan«1. Es ist über drei Jahre des Lesens, Recherchierens, Beobachtens, Sammelns entstanden. Es hätte zwei- oder dreimal so voluminös werden können, weil das Thema »Dekadenz« ein unerschöpflich variantenreiches Thema ist. 800 oder 1000 Seiten waren den Lesern und dem Verlag nicht zumutbar. Dennoch habe ich versucht, sehr viel hineinzupacken. Ein Lehrbuch sollte daraus nicht werden, auch wenn es meine Absicht war, Leser nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zum eigenen Recherchieren und Vertiefen anzuregen. Deshalb die über 300 Querverweise und Literaturempfehlungen, die ich in Endnoten eingefügt habe, um den Lesefluss nicht zu bremsen. Man kann das Buch auch lesen, ohne dort ständig nachzuschlagen. Und man muss es nicht Kapitel für Kapitel lesen, sondern kann dieses oder jenes punktuell einzeln herausgreifen.
Vor allem möchte ich dafür sensibilisieren, was jeden Tag im Westen der Welt, im Besonderen in Deutschland, geschieht. Möchte auch dazu motivieren, ein politisches Tagebuch zu führen, das Freunden oder politischen Gegnern als aktualisierte Auflage die Lektüre dystopischer Romane wie »Brave New World« oder »1984« ersetzt.
Es geht um den Westen der Welt. Nicht alle Länder und Gesellschaften, die man zum Westen rechnet, können in diesem Buch berücksichtigt werden. Der Schwerpunkt liegt auf Deutschland, als maßgebliche Vertreter des Westens werden die USA einbezogen, teilweise Großbritannien und Frankreich....
Erscheint lt. Verlag | 21.10.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Demokratie • Deutschland • Europa • Gesellschaft • Großbritannien • Ideologien • Kutluren • Noramerika • Politik • Prinzipien • Religion • USA • Werte • woke |
ISBN-10 | 3-7844-8495-6 / 3784484956 |
ISBN-13 | 978-3-7844-8495-2 / 9783784484952 |
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