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Transdisziplinäre Theorieentwicklung Sozialer Arbeit -

Transdisziplinäre Theorieentwicklung Sozialer Arbeit (eBook)

Beiträge mit struktureller Perspektive in Zeiten gesellschaftlicher Krisen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
211 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8659-1 (ISBN)
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Theorien der Sozialen Arbeit beruhen auf vielfältigen interdisziplinären Anschlüssen und Austauschprozessen. Wenn gegenwärtig zahlreiche Krisen eine theoriebezogene Weiterentwicklung der Sozialen Arbeit erforderlich machen, um gesellschaftliche Entwicklungen strukturell mitzugestalten, dann kann das nur im transdisziplinären Austausch geschehen. Das vorliegende Buch bietet vielfältige sozialwissenschaftliche Perspektiven - aus der Sozialen Arbeit, aber auch aus der Erziehungswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaft, Sozialpsychologie und Sozialgeschichte. Allen gemein ist, dass es ihnen um eine Weiterführung von Theorien der Sozialen Arbeit in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche geht.

Werner Schönig, Dr. rer. pol., ist Professor im Fachbereich Sozialwesen an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen in Köln. Seine Schwerpunktthemen sind Soziale Dienste, Armut, Sozialraum und sozialökonomische Fragestellungen. Marc Breuer, Prof. Dr., Katholische Hochschule NRW (Abt. Paderborn), Professor für Soziologie. Forschungsschwerpunkte: Soziologie der Sozialpolitik, der Migration und der Religion. Dr. phil. Marion Gerards ist Professorin für Musik und Soziale Arbeit sowie Leiterin des Instituts für angewandte Bildungs- und Diversitätsforschung an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Aachen. Heiko Löwenstein (geb. Hoffmann), Dr. phil., ist Professor für Theorien, Konzepte und Methoden der Sozialen Arbeit mit Schwerpunkt Inklusion an der katho NRW, Abt. Köln.

‚Handlungswissenschaft‘: Kritische Reflexion einer Chiffre


Ein exemplarischer Versuch, Soziale Arbeit als Ordnungsbildungen zu denken

Dominik Farrenberg

1.Soziale Arbeit als Ordnungsbildungen denken


Die rasche Folge von als problematisch markierten Ereignissen und Prozessen – u.a. Kollaps der Finanzmärkte, expansive Fluchtmigration, Klimawandel, Covid19-Pandemie, Ukraine-Krieg, Eskalation des Nahostkonfliktes – leitet gegenwärtig über in die gesellschaftliche Zeitgestalt einer Krisenzeit. Grundlegender noch lässt sich die Moderne schlechthin als „eine Gesellschaft in der Dauerrevision und daher auch in der Dauerkrise“ (Reckwitz 2021, S. 119) fassen. Der derzeitig beobachtbare „Prozess des immer wieder neuen An- und Abschwellens diverser Krisenmomente“ (ebd.) kann in einem analytischen Blick auf die Moderne insofern als ordnungsbildender „Bestandteil ihres Existenzmodus“ (ebd.) verstanden werden. Augenfällig weisen die soziale Frage der industriellen Gesellschaft sowie Institutionalisierung, Professionalisierung und Verwissenschaftlichung Sozialer Arbeit im Verständnis einer Reaktion hierauf (vgl. exemplarisch Mollenhauer 1959) darauf hin, wie sowohl Krisen als auch Mechanismen und Instanzen zur Krisenbearbeitung als Erzeugnisse der Moderne hervorgebracht werden. Der Wandel ersterer führt hierbei zu Legitimations- und Veränderungsbedarfen letzterer (vgl. exemplarisch Rauschenbach 1999). Indes bringen die spürbar näher rückenden Grenzen des Fortschritts die Moderne zunehmend selbst in die Krise (vgl. Reckwitz 2021, S. 126). Womöglich läuft das Zusammenspiel aus Krise und Krisenbearbeitung somit auf einen Endpunkt (der Moderne) zu.

Eingedenk dessen, dass Soziale Arbeit selbst als deren Erzeugnis mit der Dauerkrise der Moderne verwoben ist, scheint – jenseits von Schockstarre und reflexhaftem Aktionismus – eine reflexive Rückversicherung und „kritische Analytik“ (ebd., S. 130) angezeigt, um eine Auseinandersetzung mit der hier skizzierten gesellschaftstheoretischen Folie auch auf der Ebene (trans-)disziplinärer Theorieentwicklung Sozialer Arbeit anzubahnen. Dies lenkt den Blick zunächst weg von der Frage nach den Bearbeitungsmöglichkeiten der Krise und hin zu Fragen zum historischen Geworden-Sein Sozialer Arbeit, ihrer gesellschaftlichen Funktion, ihrem Selbstverständnis sowie zu dem für sie gegenwärtig charakteristischen Profil. So wie diese Fragen im Sinne von Positionierungen innerhalb eines (trans-)disziplinären ‚Denk- und Sprechzusammenhangs‘ (vgl. Winkler 2021, S. 28) ostentativ aufgerufen und bearbeitet werden, weisen sie auf ideengeschichtliche und diskursive Gehalte jenseits einer Realität Sozialer Arbeit hin – und damit auf deren Aushandelbarkeit und entsprechende sozial- wie erkenntnistheoretische Prämissen. Noch einen Schritt weiter gehen Erkenntniseinstellungen, die diesen Denk- und Sprechzusammenhang, u.a. ethnomethodologisch, praxeologisch oder diskurstheoretisch informiert, nicht nur als sozialen Ort eines wissenschaftlich fundierten Sprechens über Soziale Arbeit mit einer entsprechenden Definitionsmacht über eine vorgefundene ontologische Realität verstehen, sondern vielmehr postontologisch als ordnungsbildenden und insofern epistemisch machtvollen Erzeugungsmodus dessen identifizieren, was (alles) Soziale Arbeit ist, was sie leistet bzw. leisten soll und wofür sie zuständig ist (vgl. ebd., S. 42). Soziale Arbeit gerät somit als Ordnungsmoment des Sozialen, als gesellschaftliche Reaktion auf (soziale) Krisen und somit als Effekt moderner Gesellschaften in den Blick (vgl. Kessl 2005, S. 15 ff.). Binnenrelationale Ausdifferenzierungen wie etwa einzelne thematisch zusammenhängende Handlungsfelder sowie eine Unterteilung in- und das Zusammenwirken von Disziplin, Profession und Praxiszusammenhang lassen sich derart perspektiviert als Ordnungsbildungen lesen (vgl. exemplarisch Farrenberg/Schulz 2020; Kessl 2020). Sowohl theoretische Aussagen über Soziale Arbeit als auch diese Theoretisierungsversuche selbst lassen sich sodann einer erkenntniskritischen Analyse unterziehen (vgl. Neumann/Sandermann 2019, S. 246). In ein systemtheoretisches Vokabular übersetzt sind mit der Analyseperspektive, Soziale Arbeit als Ordnungsbildungen zu denken, somit gleichermaßen Beobachtungen der zweiten und der dritten Ordnung angesprochen (vgl. Luhmann 1998, S. 1117 ff.).

Die womöglich provokant anmutende Aussage, dass es (die) Soziale Arbeit als solche gar nicht gibt, bezieht sich dann nicht länger allein auf die vielgestaltige Heterogenität Sozialer Arbeit (vgl. Rauschenbach 1999, S. 259 ff.; Farrenberg/Schulz 2020, S. 18 ff.), sondern darauf, dass der abstrakte Begriff Soziale Arbeit – disziplin- und professionspolitisch bedeutsam – zuvorderst als Ordnungsversuch eines Feldes und Diskursraumes zu verstehen ist und somit Deutungshoheit über ein spezifisches Segment sozialer Praxis verspricht, um das sowohl innerhalb des Denk- und Sprechzusammenhangs einer Wissenschaft Sozialer Arbeit als auch in Aushandlung mit Nachbarprofessionen und -disziplinen beständig gerungen wird. Die aktuell beobachtbare Zunahme ebensolcher Theorieprogramme, die die Theoriebildung Sozialer Arbeit erkenntniskritisch-reflexiv vorantreiben (vgl. Dollinger 2019; Neumann/Sandermann 2019; Humme 2023), reagiert genau hierauf. Sie lässt sich dabei nicht nur allgemein als Methodologisierung postmoderner Strömungen verstehen, sondern implizit auch als Gegenreaktion auf den gängige Theoriearchitekturen Sozialer Arbeit kennzeichnenden Doppelanspruch, gleichermaßen analytisch-deskriptive wie programmatisch-normative Aussagen treffen zu wollen (vgl. Neumann/Sandermann 2007; Sandermann/Neumann 2018). Bereits theoriesystematisch trägt jener dazu bei, dass potenzielle Spannungsverhältnisse, wie das von Theorie vs. Praxis, Disziplin vs. Profession und Normativität vs. Analyse, stillgelegt werden. Besonders markant, sozusagen Expressis verbis, zeigt sich dies in der weitverbreiteten Chiffre von Sozialer Arbeit als ‚Handlungswissenschaft‘ (vgl. exemplarisch Staub-Bernasconi 2018; Birgmeier 2014).

Im Lichte der hier eingeführten Perspektive, Soziale Arbeit als Ordnungsbildungen zu denken (1.), unternimmt der vorliegende Beitrag den exemplarischen Versuch, die ordnungsbildenden Effekte herauszuarbeiten, die mit der Chiffre ‚Handlungswissenschaft‘ aufgerufen werden (2.): Was wird durch diese Chiffre ermöglicht; was begrenzt? Welche Verkürzungen, Anschlüsse und Zusammenhänge werden durch sie hervorgebracht? Ausgehend von diesen Fragen gerät die Indexikalität der Chiffre ‚Handlungswissenschaft‘ in den Blick (vgl. Winkler 2021, S. 44) und ihre ordnungsbildenden Effekte werden einer kritischen Analyse unterzogen. Materialer Ausgangspunkt hierfür ist der Einführungsband „Wissenschaftliche Grundlagen der Sozialen Arbeit“ (Birgmeier/Mührel 2017), in dem sich bereits eine Vielzahl von Debattenbeiträgen aufgenommen findet. Den Beitrag beschließend werden die Ergebnisse der Analyse in Schlussgedanken überführt, welche die Chiffre mit praxeologischen, wissenssoziologischen und sozialpädagogischen Perspektiven relationieren sowie zum Ende hin wieder anschließen an die Krisenfigur der Moderne (3.).

2.Die Chiffre ‚Handlungswissenschaft‘ – Ordnungsbildungen einer Wissenschaft Sozialer Arbeit…


2.1…im Verhältnis zu den Nachbardisziplinen

„Trotz vieler, noch ungeklärter Fragen zum Stand und zum Status einer Wissenschaft Sozialer Arbeit scheinen sich viele Wissenschaftsexperten in einem Punkt einig zu sein: Die Wissenschaft Sozialer Arbeit ist – wenn überhaupt – zentral und vor allem als [..] Handlungswissenschaft zu entwickeln und zu begründen [..]....

Erscheint lt. Verlag 4.9.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8659-0 / 3779986590
ISBN-13 978-3-7799-8659-1 / 9783779986591
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