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Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt (eBook)

Ein kleiner Versuch, das Theater zu retten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
192 Seiten
ecoWing (Verlag)
978-3-7110-5370-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Warum eine Pistole auf der Bühne nicht schießt -  Matthias Hartmann
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Von der Liebe zum Theater und einem handfesten Skandal Matthias Hartmann war der Shootingstar der deutschsprachigen Theaterwelt. Er war Intendant am Schauspielhaus Bochum, am Schauspielhaus Zürich und am Wiener Burgtheater. Sein Buch ist eine Liebeserklärung an das Theater und sein Publikum und es steckt voller Theatergeschichten. Es ist aber auch die Geschichte eines Skandals, der eines der legendärsten Theater, die 'Burg', in die Krise stürzte. - Matthias Hartmanns Weg auf die Bühne: eine Künstlerbiografie, die Lust auf Theater macht - Warum ist Theater wichtig? Seine politische und gesellschaftliche Bedeutung heute - Hintergründe zum aufsehenerregenden Bilanzskandal am Wiener Burgtheater mit Fakten und Belegen des Investigativ-Journalisten Rainer Fleckl - Lust auf Theater? Autobiografie und erzählendes Sachbuch für alle, die die Bühne lieben Die Fantasie trainieren: Wie sich Theater wiederbeleben lässt Immer weniger Menschen gehen ins Theater. Während Konzerte oder Sportveranstaltungen nach den Lockdowns wieder regen Zulauf haben, bleiben die Schauspielhäuser oft leerer als erhofft. Matthias Hartmann geht in seinem Buch der Faszination des Theaters und seiner Wirkung auf die Vorstellungskraft nach. Und er fragt nach dem Theater als Gegenmittel zu Populismus und Manipulation. Der Finanzskandal am Burgtheater Wien war für den damaligen künstlerischen Direktor eine Ernüchterung. Aus seiner Erfahrung liefert er nicht weniger als zehn Punkte zur Rettung des Theaters. 'Erst mit dem Theater die Fantasie retten und dann mit der Fantasie die Welt retten, das ist auch eine politische Dimension des Theaters.' Das Buch liest sich wie ein Krimi!

Matthias Hartmann wurde 1963 in Osnabrück geboren. Erst Shootingstar am deutschsprachigen Theaterhimmel, übernahm er Intendanzen in Bochum, Zürich und 2009 das Burgtheater. Nach Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung wurde er 2014 seines Amtes enthoben, 2018 wieder vollständig rehabilitiert. Heute entwickelt Matthias Hartmann als Creative Director des Red Bull Media House Konzepte unter anderem für TV-Serien. Als Regisseur inszeniert er vor allem in Italien Opern, an der Scala in Mailand, am Teatro della Pergola in Florenz und in Genua.

Matthias Hartmann wurde 1963 in Osnabrück geboren. Erst Shootingstar am deutschsprachigen Theaterhimmel, übernahm er Intendanzen in Bochum, Zürich und 2009 das Burgtheater. Nach Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung wurde er 2014 seines Amtes enthoben, 2018 wieder vollständig rehabilitiert. Heute entwickelt Matthias Hartmann als Creative Director des Red Bull Media House Konzepte unter anderem für TV-Serien. Als Regisseur inszeniert er vor allem in Italien Opern, an der Scala in Mailand, am Teatro della Pergola in Florenz und in Genua.

Aus Ich wird nix


Die meisten Eltern versuchen, ihre Kinder in bürgerliche Berufe zu leiten, bei mir war es umgekehrt. Meinen Eltern war immer klar, dass ich Künstler werde. Ich selbst wollte das nie. Höchstens Popstar, wenn man die noch zu Künstlern zählen kann. Wenn ich nach der Schule zu meiner Mutter in den 2CV kletterte, wo sie selbst Kunst unterrichtete, sie trug einen bolivianischen Poncho und Stirnband, dann wäre ich lieber zu der Dame mit Frisur in den Range Rover gestiegen und zu Fritz nach Hause gefahren, wo es einen Swimmingpool gab und Hauspersonal. Ich wollte mich immer an die Oberfläche retten. Kunst war gratis, nichts, worauf man stolz sein oder sich etwas einbilden konnte. Alles Künstlerische führte mich an seelische Abgründe und ungeahnte Schründe. Bei jedem Sonnenuntergang musste ich sofort heulen und Gedichte schreiben. Alles Künstlerische zog mich abwärts. Ich wollte da nicht hin. Wenn ich schrieb oder Musik machte, war der Preis ein Schmerz. Warum ich dennoch am Theater gelandet bin?

Ich war ein schlechter Schüler. Die Wirklichkeit, das echte Leben, spielte sich für mich in einer Parallelwelt ab. Ich hatte mich damit abgefunden, dass ich das »Draußen«, die Welt außerhalb meiner Vorstellungsräume, nie richtig verstehen würde. Wenn ich versuche, mich zu erinnern, ist alles in einem merkwürdigen Licht. Als wäre es ein Film. Unwirklich. Als hätte ich nicht mitgespielt und nur ab und zu vorbeigeschaut. Meistens habe ich irgendwas geträumt. Einmal habe ich eine gute Note bekommen. Das war ein Beschwerdebrief an unseren Deutschlehrer. Er war begeistert, dass ich endlich mal einen strukturierten Aufsatz geschrieben hatte. Meine Eltern wussten nicht, wohin mit mir. Weil ich mich unbeliebt gemacht, alle gegen mich aufgebracht hatte, musste ich die Schule wechseln. Ich wollte immer der Chef sein, konnte die Rolle aber nicht ausfüllen. Chef war der sehr vernünftige und fleißige Steffen Schaf, der Cello spielte und der von allen gemocht wurde und auch zu mir immer freundlich blieb und deswegen zu Recht Klassensprecher war. Ich konnte noch so viel angeben und behaupten, dass mein Vater das schnellste Auto fuhr, ich kam nicht an Steffen heran. Steffen stürzte mit 18 Jahren in den Dolomiten zu Tode. Irgendjemand aus dem anthroposophischen Umfeld meiner Eltern sagte damals, Steffen sei ein besonderer Mensch gewesen, der mit den Aufgaben dieser Welt schon fertig gewesen sei. Na, wenn das so ist, das war mir damals schon klar, dann hatte ich ja noch eine ganz lange, steinige Lebensstrecke vor mir.

Doppelt sein


Als er 13 war, flogen die Whiskygläser durch die Fenster, die Trennung drohte, und so schickten die Eltern ihn aus pädagogischer Verantwortung und zu seinem eigenen Schutz auf ein englisches Internat. Dieser Junge ist wie ein Fremder für mich. Jemand, den ich schon lange kenne, aber immer noch nicht verstehe. Natürlich wollte er nicht ins Internat. Wie der mir beim Schreiben schon wieder auf die Nerven geht, sein Jammern und sein Wehren, mit Händen und Füßen. Aber es half nichts, die Mutter beherrschte die Kunst der Manipulation und sagte: Na gut, du darfst dir eins aussuchen. Dass sie ihm die Wahl gab, ließ ihn glauben, es sei seine Entscheidung. Er entschied sich für ein Internat, wo man keine Schuluniformen tragen musste. Schlau war der Junge nicht, aber leutselig. Ein paar Tage schien es immerhin zu gehen. Er schrieb Briefe, in denen eine Sarah vorkam. Es tat ihm gut, der Große, Tolle und Neue zu sein. Aber bald schrieb er furchtbare Briefe. Er hatte es sich wieder bei allen vermasselt. Die Mutter identifizierte sich immer mit seinen Niederlagen. Sie selber war ungestüm, völlig egozentriert, vereinnahmend und vor allem rasant. Sie hatte sich für ihn gewünscht, dass das jetzt eine neue Chance sein würde. Sie wusste genau, wovon sie sprach. Ihr ganzes Leben hatte sie sich daran wund gestoßen, die Große, Tolle und Neue sein zu wollen.

Schnell wurden seine Briefe bedrohlich. Wenn ihr mich nicht holt, weiß ich nicht, was ich mache! Der Vater fuhr hin. In Der gute Mensch von Sezuan von Brecht spielte der Junge den dritten Gott. Er hatte die meisten Lacher. Na, geht doch, dachte der Vater, ist doch alles nicht so schlimm. Die Leute lachen doch. Der Junge verstand das nicht, warum war das jetzt plötzlich etwas Besonderes? Wollte man ihn trösten, weil alles sonst immer schiefging? Auf den Erfolg angesprochen, zuckte der Junge nur mit den Achseln. Er meinte, man müsse halt doppelt sein. Niemand verstand seinen Satz. Er selbst auch nicht.

Nach vier Jahren England kam der Junge zurück, ohne je einen Abschluss bestanden zu haben. Fragten seine Eltern, was er jetzt machen wollte, träumte er von großen Autos. Der Vater meinte: Wetten, der will immer noch Popstar werden. Aber nicht wegen dem Pop in der Musik, sondern wegen dem Star.

Nach einigen Monaten Maschinenschlosser-Ausbildung meldete sich die Vermieterin des Jungen bei den Eltern, er sei verschwunden. Sie hörten eine Zeit nichts mehr von ihm. Die Mutter hatte sich seine Schwester vorgeknöpft. Die wusste von einer Freundin aus Schottland, die er auf einem internationalen Schülertreffen kennengelernt hatte. Durch Edinburgh führt die Princess Street. Von ihr aus enden die Straßen immer oben im Himmel oder unten in irgendeinem Park. Die Straßen gleißen, wenn die Sonne unter dem schwarzen Himmel einschießt. Kurze Regenschauer, Kniestrümpfe, Marks & Spencer, unendlich viele Pubs, grüne, hünenhafte Berge, die sich am Ende der Straße aufbauen. Als der Junge eines Morgens über diese Straße streunte, stand plötzlich seine Mutter vor ihm. Stellst du mir deine nette Freundin vor? Was habt ihr denn für Pläne? Sie wollten nach Korsika, mit Maurice. Maurice wolle in Korsika auf einer Farm Kinofilme machen und Selbsterfahrung anbieten. Maurice war schon 23 und wusste viel über Filme. Die Mutter fand die Idee super, vielleicht könne sie Maurice und das Projekt ja auch finanziell unterstützen. Am Abend besuchten sie Maurice in seiner bunten Wohnung. Die Mutter fragte ihn über seine Filmografie aus und über Korsika und ob es schon etwas Spruchreifes gäbe. Maurice war hingerissen. Was für eine coole Mutter du hast! Bist du verrückt, wieso bist du denn abgehauen?

Nein, er hatte selber noch keinen Film gemacht, aber er hatte einen sehr guten Freund, der hatte bei einem Projekt als Locationscout gearbeitet. Ach ja, sagte die Mutter.

Der Junge beobachtete Maurice, wie er versuchte, seiner coolen Mutter zu imponieren. O weh. Maurice schrumpfte in seinen Augen zu einem blöden Angeber, und 24 Stunden später saß er mit seiner Mutter im Flieger zurück nach Osnabrück. Wieder einmal Osnabrück, dem einzigen Ort bisher.

Der Vater hatte sich mit dem geklauten Schmuck seiner bösen Tante als Teenager in den Nachkriegsjahren zwei Jahre lang im Rotlichtviertel von Marseille herumgetrieben. Sein Junge konnte nicht einmal vernünftig abhauen. Der braucht doch einen Schulabschluss, sagte die Mutter. Der weiß doch nicht, sagte der Vater, ob man während mit h schreibt und wie viele Bundesländer die BRD hat, der kann weder auf Französisch konjugieren noch Dezimalbrüche. Jetzt will er nicht Popstar, sondern Schallplattenproduzent werden. Hockt in den Studios kleiner Plattenlabels, himmelt coole Leute an, die Gras rauchen, an E-Gitarren und Bandmaschinen hantieren. Aber, sagte der Vater, auch Schallplattenproduzenten sind Kaufleute, die müssen auch ihr Geschäft kennen.

Er vermittelte den Sohn an einen Freund, der einen Öko-Laden am Bodensee besaß. Nach sechs Monaten brach der Junge die Lehre ab. Er durfte das Korn abwiegen. An die Käsetheke hätte er aus Gründen der Hygiene erst im dritten Lehrjahr gedurft. Die Eltern waren entsetzt, als er eine zweite kaufmännische Lehre anfing. Warum denn schon wieder? Das hat dich schon beim ersten Mal zu Tode gelangweilt. Aber der Junge wollte kein Sonderfall mehr sein. Er wollte endlich so werden, wie es andere Menschen sind. Dieses Mal versuchte er es bei einem Groß- und Außenhandelsbetrieb in seiner Heimatstadt. So ein echtes Routine-Gesicht wollte er haben, wie die Kollegen, die in der Morgendämmerung ihre Opels auf dem Parkplatz abstellten. Die Schultern hochgezogen, die fröstelnden Hände in den Ärmeln, wenn sie darauf warteten, dass der Betrieb aufgeschlossen wurde. Später könne man dann erzählen, dass man etwas von der Pike auf gelernt und durchgehalten hatte. Die stupide Arbeit in den Hallen unter den Neonlampen, Kartons auspacken, Pullover sortieren und umsortieren – das könne er auch. Wöchentliche Berufsschule, Bilanzen lesen, Zehnfinger-Schreibmaschine. Normal.

Der Seniorchef erwischte ihn mit den Händen in den Hosentaschen. Er antwortete, dass der Juniorchef gerade mit den Händen in den Hosentaschen vorbeigeschlendert sei. Der Seniorchef schrie. Der Junge brach die Lehre ab, so normal ging dann doch nicht.

Am nächsten Morgen fand der Vater eine kurze Notiz am Badezimmerspiegel:. Hallo Papa, ich habe mich entschlossen, meine Lehre nicht weiterzumachen. Bitte weck mich nicht. Der Vater war ein sehr konsequenter Mensch, man muss die...

Erscheint lt. Verlag 15.10.2024
Verlagsort Wals
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte bedeutung des theater • Boy Gobert • Buch Theater • Burgtheater • fantasie trainieren • Intendant • Krise • Künstlerbiografie • lust auf theater • Michael Maertens • Peter Zadek • Regietheater • Regisseur • Schauspiel • Schauspielhaus Bochum • Skandal • Theater • Theatergeschichten • theater krise • theater liebe • theater publikum • theaterwelt • Vorstellungskraft • warum ist theater wichtig
ISBN-10 3-7110-5370-X / 371105370X
ISBN-13 978-3-7110-5370-1 / 9783711053701
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