Woman of Power (eBook)
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-33180-1 (ISBN)
Erstmals spricht Nancy Pelosi ganz offen über die prägenden Momente ihrer Karriere und gewährt einen spannenden Blick hinter die Kulissen US-amerikanischer Macht. 2007 wurde die fünffache Mutter als erste Frau in der Geschichte an die Spitze des Repräsentantenhauses gewählt. Sie war mit Unterbrechungen acht Jahre lang als Madam Speaker tätig, arbeitete in dieser Funktion mit den Präsidenten George W. Bush, Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden zusammen.
In Woman of Power erzählt sie vom zähen Ringen um menschliche Politik in einem zunehmend radikalisierten Land, von skurrilen Begegnungen mit Donald Trump - und von ihrer Vision eines freien und sicheren Amerika nach Joe Biden.
»Ein Hochgenuss für Politikliebhaber.« - The Washington Post
Nancy Pelosi wurde 2007 zur ersten weiblichen Sprecherin des Repräsentantenhauses gewählt und war mit Unterbrechungen acht Jahre lang in diesem Amt tätig. Zu Beginn ihrer politischen Karriere setzte sie sich vor allem für Kinder und den Kampf gegen HIV/AIDS ein. Unter ihrer Führung verabschiedete der Kongress später bahnbrechende Gesetze, insbesondere im Bereich der Gesundheitsversorgung. Als Verfechterin der Demokratie leitete sie die Bemühungen des Repräsentantenhauses, den Aufstand vom 6. Januar zu untersuchen, und setzte sich weltweit mit Nachdruck für die Menschenrechte ein. Pelosi und ihr Mann Paul haben fünf Kinder und zehn Enkelkinder. Sie leben in San Francisco.
VORWORT
DAS »WARUM« IST WICHTIG
Im November 2006 gewannen die Demokraten die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus, und meine Kolleginnen und Kollegen nominierten mich als Sprecherin. Ich ging zum Podium, um die Wahl anzunehmen, und unterwegs flüsterte mir unser neuer Fraktionsvorsitzender Rahm Emanuel etwas ins Ohr: »Deine Eltern wären sehr stolz.«
Bei diesem Kommentar stutzte ich. Warum sollten meine Eltern stolz sein? Sie hatten mich nicht zur Sprecherin erzogen. Sie hatten mich zur Heiligen erzogen. Nachdem sie sechs Söhne zur Welt gebracht hatte, wollte meine Mutter, dass ich Nonne werde. Das hätte sie stolz gemacht!
Ich wurde oft gefragt, welche Rolle mein Glaube bei meiner politischen Tätigkeit spiele. Natürlich glaube ich an die Trennung von Staat und Kirche, dennoch haben die Werte meines Glaubens meine Prioritäten geprägt. Zum Beispiel bin ich den Menschenwerten verpflichtet, weil ich glaube, wie der Bürgerrechtler John Lewis immer sagte, dass in jedem Menschen ein Funken Göttlichkeit steckt, der respektiert werden sollte.
Wenn mich in meiner Jugend jemand nach meinem Lieblingswort fragte, antwortete ich stets: »Das Wort.« So wird Christus oft genannt: »Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt« (Johannes 1,14). Weil Christus an unserer Menschlichkeit teilhatte, können wir an seiner Göttlichkeit teilhaben – daher der göttliche Funke. Ein jüdischer Gelehrter schrieb im 3. Jahrhundert, wegen dieses Funkens Göttlichkeit, den wir alle in uns hätten, schritten uns hundert Engel voraus, wenn wir gingen. Ich fühle mich dem Respekt vor diesem Funken Göttlichkeit in jedem Menschen zutiefst verpflichtet und strebte deswegen ein öffentliches Amt an.
Deswegen fällt es mir auch so schwer, mir vorzustellen, wie Menschen diesen Funken ignorieren und abscheuliche Gräueltaten begehen konnten, vor allem im Holocaust. In heutiger Zeit erleben wir das Leiden von Hunderttausenden Menschen, die ich in Flüchtlingslagern in Darfur sah, die Brutalität der Taliban in Afghanistan, den Völkermord an den Uiguren und andere Repressionen in China, den Hunger im Sudan, das Leiden in Gaza und die unfassbare Armut weltweit, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wie könnten wir all das ignorieren?
Besonders deutlich wurde mir dieser Widerspruch zwischen Werten und Handeln im Jahr 2009 bei einem Besuch mit dem Zusammenschluss afroamerikanischer Kongressabgeordneter in Ghana bewusst. Wir waren dort anlässlich der 400 Jahre, die seit der Ankunft der ersten Sklavenschiffe in Amerika vergangen waren, und besuchten auch den Ort, an dem verschleppte Afrikaner, die in die Sklaverei verkauft werden sollten, gefangen gehalten worden waren: ein düsteres, niedriges Verlies, in dem diese Menschen unter den brutalsten und unmenschlichsten Bedingungen misshandelt und gefoltert wurden. Wer nicht gleich vor Ort starb, musste sich durch die Tür ohne Wiederkehr an Bord der Todesschiffe schleppen, die die Versklavten nach Amerika oder in die Karibik brachten – eine Reise, die viele nicht überlebten. Das Erschreckendste war jedoch, dass über jenem Verlies eine Kirche stand, in der ihre Unterdrücker beteten. Wie konnten diese Menschen dort beten und gleichzeitig den Funken Göttlichkeit unter ihren Füßen so herzlos missachten? In den Vereinigten Staaten zeigte sich dieselbe Scheinheiligkeit bei den Sklavenhaltern und bei der Unterdrückung der amerikanischen Ureinwohner, allesamt abscheuliche Taten, die häufig von Menschen begangen wurden, die von sich selbst behaupteten, wahre Gläubige zu sein.
MEIN »WARUM«
Der Funken Göttlichkeit hat mich inspiriert, aber auf meine Kernwerte hatte ein anderer Text aus der Bibel mehr Einfluss, Vers 25,35 f. aus dem Matthäus-Evangelium: »Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.«
Diese wunderschöne Passage ist die Grundlage für mein »Warum«. Wenn ich gefragt werde: »Was sind die drei wichtigsten Themen im Kongress?«, antworte ich immer: unsere Kinder, unsere Kinder, unsere Kinder.
Die Kinder waren immer mein »Warum« im öffentlichen Dienst und wenn ich mich für ein Amt bewarb. Ich selbst habe fünf Kinder, und mein »Warum« sind die Kinder, die in den USA jede Nacht hungrig schlafen gehen, jedes fünfte Kind. Wie kann es sein, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika, diesem wunderbaren Land, jedes fünfte Kind in Armut lebt? Die Gesundheit und Schulbildung der Kinder, die wirtschaftliche Sicherheit ihrer Familien, eine sichere Umgebung, in der sie sich entfalten können, auch der Schutz vor Waffengewalt, und eine friedliche Welt, in der sie sich verwirklichen können – das sind meine Prioritäten. Darum erinnerte ich, nachdem ich meinen Amtseid als Sprecherin des Repräsentantenhauses abgelegt hatte, an die Kinder und Enkel meiner Kolleginnen und Kollegen beider Parteien und rief sie zur Ordnung – für die Kinder.
Die Überzeugung und die Stärke, die ich aus diesen Werten ziehe, sind auch das »Warum«, dank dessen ich vielen Fallstricken und Spitzen standgehalten habe, die mir gelegt und gegen mich gerichtet werden, seit ich ein öffentliches Amt bekleide.
Im Gespräch mit Frauen oder anderen, die erwägen, sich für ein Amt zu bewerben, sage ich immer, dass man dafür ein dickes Fell haben muss. Wer sich um ein Amt bewirbt, sollte sein »Warum« kennen. Warum bewirbt man sich für das Amt? Welche Vision, welches Wissen und welche Haltung bringt man mit? Womit hofft man, erfolgreich zu sein? Wer sich um ein Amt bewirbt, wird zur Zielscheibe. Wenn man von seinem »Warum« überzeugt ist, macht es das die Sache wert.
Um dieses »Warum« zu finden, sind drei Ratschläge nützlich. Der beste Rat, den ich bei meinem ersten Wahlkampf für den Kongress erhielt, lautete: »Sei du selbst.« Sei dir selbst, deinen Werten und dem Menschen, der du bist, treu.
Der zweite Rat lautete: »Sei bereit.« Man weiß nie, wann sich eine gute Gelegenheit bietet, daher sollte man stets darauf vorbereitet sein, sie zu ergreifen.
Den dritten Ratschlag erhielt ich, einige Jahre bevor ich einen Wahlkampf führte. Er lautete: »Kenne deine Stärke.«
Ich hatte eigentlich nie vor, mich um ein öffentliches Amt zu bewerben. Stattdessen leistete ich ehrenamtliche Arbeit für die Demokratische Partei Kaliforniens. Ich arbeitete gerne hinter den Kulissen und unterstützte so unsere Kandidaten und unser Programm und mobilisierte andere Ehrenamtliche in der Politik. Im Jahr 1981 wurde ich zur Vorsitzenden der Demokraten in Kalifornien gewählt. Im Jahr 1984 fanden Präsidentschaftswahlen statt, und ich übernahm bei den Vorbereitungen zwei zusätzliche Aufgaben: Ich wurde Vorsitzende des Ausschusses zur Überwachung der Richtlinien des Parteitags der Demokratischen Partei, der die Auswahl der Delegierten beaufsichtigte, und ich wurde zur Vorsitzenden des Gastgeberkomitees in San Francisco ernannt und hatte damit die Leitung bei der Bewerbung von San Francisco als Gastgeber des Parteitags der Demokraten – die erfolgreich war.
Der legendären Kongressabgeordneten für Louisiana Lindy Boggs vertraute ich im Gespräch an, ich hätte das Gefühl, zu viele Parteiämter innezuhaben – nämlich drei –, und sollte wahrscheinlich eines davon aufgeben. Lindy antwortete mit ihrem wunderbaren Südstaatenakzent: »Süße, kein Mann würde so was jemals sagen.«
»Kenne deine Stärke«, sagte sie, »und nutze sie.« Diesen wichtigen Ratschlag habe ich nie vergessen.
Im Jahr 1987 stellte sich unsere außergewöhnliche und freundliche Kongressabgeordnete Sala Burton aus San Francisco aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Wiederwahl und forderte mich auf, mich für ihren Sitz zu bewerben. »Du bist bereit, dein volles Potenzial zu entfalten«, sagte sie zu mir. Wegen ihres vorzeitigen Todes wurde eine Nachwahl notwendig, und der Wahlkampf begann unmittelbar. Nach einem harten, mühevollen Kampf gewann ich die Wahl und merkte dabei, dass ich tatsächlich bereit war und meine Stärke kannte. Lindy Boggs, die immer noch im Repräsentantenhaus sitzt, wurde mir und vielen anderen Frauen im Kongress zur Mentorin. Sie war ein Vorbild an Würde und politischem Scharfsinn, und heute trägt der Lesesaal der Frauen im Kapitol ihren Namen.
Sala Burton sagte mir, ich sei bereit. Lindy Boggs gab mir den Rat, mir meine Stärke bewusst zu machen. Und meine eigene Botschaft an die Frauen heute lautet: Die Welt braucht eure Kraft in der Arena für Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit. Aber seid euch eurer individuellen Stärke bewusst. In der Geschichte der Menschheit hat es noch nie jemanden wie euch gegeben. Eure Individualität wird gebraucht. Seid ihr selbst. Seid bereit. Seid euch eurer Stärke bewusst.
ENDLICH EIN PLATZ AM TISCH
Im Jahr 1987, als ich in den Kongress gewählt wurde, waren weibliche Abgeordnete nicht nur eine Minderheit, wir waren eine Rarität. Bei den Demokraten gab es nur zwölf von uns (darunter Barbara Boxer, die ebenfalls aus Kalifornien kam), bei den Republikanern waren es elf Frauen. Ich bin Barbara unendlich dankbar für ihre Unterstützung, die ich als neue Abgeordnete von ihr erhielt, und für ihre Freundschaft. Ich war entschlossen, die Anzahl weiblicher Abgeordneter zu erhöhen. Nach der Wahl 1992 – dem sogenannten »Jahr der Frau« – kamen sechzehn weibliche Abgeordnete für die Demokraten dazu, was zum Großteil Ellen Malcolms wegweisendem politischem Aktionskomitee...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2024 |
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Übersetzer | Martin Bayer, Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz, Sigrid Schmid |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Art of Power |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2024 • barack obama • Becoming • Biografie • Biographien • Demokraten • der wahrheit verpflichtet • Donald Trump • eBooks • Ein verheißenes Land • Entscheidungen • Hillary Clinton • Kamala Harris • Kapitol • Kongress • Memoiren • Michelle Obama • Neuerscheinung • November • Repräsentantenhaus • Republikaner • Senat • Speaker of the House • sprecherin • USA • US-Wahl • Washington • Weißes Haus |
ISBN-10 | 3-641-33180-3 / 3641331803 |
ISBN-13 | 978-3-641-33180-1 / 9783641331801 |
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