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Neue Herausforderungen der pädagogischen Fachkraft im Epochenumbruch - Ferdinand Klein

Neue Herausforderungen der pädagogischen Fachkraft im Epochenumbruch (eBook)

Aus der Idee des Guten die Praxis in Kindertageseinrichtungen gestalten

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
202 Seiten
Walhalla Digital (Verlag)
978-3-8029-5773-4 (ISBN)
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Inklusive Erziehungspraxis im Epochenumbruch

Die aktuellen Herausforderungen für pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen sind vielfältig: Neben Personalmangel und unbesetzten Stellen sehen sie sich mit steigenden Krankenzahlen konfrontiert.

Hinzu kommen gestiegene Ansprüche an die Qualifikation angesichts zunehmender Anforderungen in der Betreuung und Erziehung von Kindern mit Migrationshintergrund oder erhöhtem Betreuungsbedarf. Globale gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Umbrüche beeinflussen diese Situation zusätzlich.

Neue Aufgabe der pädagogischen Fachkraft ist es, sich für die sinnzentrierte Beziehung zu den Kindern bewusst mit der Idee des Guten auseinanderzusetzen und feinfühlig zu handeln.

  • Welche Tendenzen der Zeit gefährden die Erziehung in Kindertageseinrichtungen?
  • Welche entwicklungsförderlichen Bedingungen brauchen Kinder und ihre Familien, um vorhandene Ressourcen auszuschöpfen?
  • Wie unterstützt der Situationsorientierte Ansatz, die Selbst-, Sach- und Sozialkompetenz von Kindern auf- und auszubauen?
  • Welche Hilfen eignen sich für kommunikationsbeeinträchtigte Kinder in der Kindertageseinrichtung?
  • Wie gelingt die therapeutische Erziehung für Kinder mit schwerer Behinderung und in der Kinderhospizarbeit?

Der Autor knüpft in diesem Buch Neue Herausforderungen der pädagogischen Fachkraft erneut an das bewährte Wirken des Arztes und Reformpädagogen Janusz Korczak an und bietet Orientierung, Stabilität und Kontinuität in diesen herausfordernden Zeiten.



Ferdinand Klein, Prof. Dr. phil. Dr. paed. et Prof. h. c., Erziehungswissenschaftler im Fachgebiet Heilpädagogik, arbeitete 20 Jahre als Erzieher, Heilpädagoge und Logotherapeut, lehrte und forschte an sechs Universitäten in Deutschland, Ungarn und der Slowakei im Geiste des polnischen Arztes und Reformpädagogen Janusz Korczak.

Das individuelle Kind begleiten


Gestützte Kommunikation (engl.: Facilitated Communication, abgekürzt FC) ist der australischen Pädagogin Rosemary Crossley zu verdanken, die sie für spastisch gelähmte Menschen entwickelt hatte, um mit ihnen zu kommunizieren. FC ermöglicht es dem Kind mit beeinträchtigter Kommunikation und mit gestörten hand- und fingermotorischen Bewegungen, dass es sich durch Zeigen auf Gegenstände, Fotos, Symbole, Wörter oder Buchstaben mitteilen kann. Ein Elternteil oder eine andere vertraute Person stützt seinen Unterarm z. B. beim Zeigen auf ein Symbol oder einen Buchstaben auf dem Computerbildschirm. Die geringe Hilfe genügt, um mit dem Zeigefinger die Tasten zu drücken und sich schriftlich zu äußern. Anfangs erfolgt die Unterstützung gezielt, teilweise wird auch die Schreibhand leicht geführt. Diese Beziehungsaktivitäten werden durch ermutigende Worte und Gesten begleitet. Sie geben dem Kind emotionale Sicherheit. Nach und nach wird die Stütze reduziert.

Die FC-Methode wird inzwischen weltweit angewandt. Kinder mit Autismus können das System der Schreibsprache oft schon vor dem Schulalter lernen. Diese Leistung zeigt, dass sie über ein reiches kognitives Innenleben verfügen, das im krassen Widerspruch zu ihrem Verhalten steht.

Der Name TEACCH leitet sich von den Anfangsbuchstaben der wichtigsten Komponenten des Ansatzes ab: Treatment and Education of Autistic and Related Communication handicapped CHildren (Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder). Der Ansatz verbindet Forschung und Praxis, umfasst alle Lebensalter und ist inzwischen weltweit verbreitet (Näheres in Klein 2019, S. 11 f.).

Die Methode geht davon aus, dass kommunikationsbeeinträchtigte Kinder sich im Raum und in der Zeit nicht so gut orientieren können wie andere Kinder. Sie benötigen klare Strukturen, die ihnen helfen, Zusammenhänge zu erkennen, Ereignisse vorhersehbar zu machen sowie Abläufe und Anforderungen zu durchschauen.

Die Methode ist an den Bedürfnissen und Fähigkeiten des Kindes orientiert und beachtet das Strukturieren und Visualisieren des Lernens in allen Bereichen der Entwicklung.

TEACCH gibt kein festes Behandlungs- und Erziehungskonzept vor, sondern einen strukturierten Handlungsrahmen. Dieser Rahmen ist eine gute Grundlage für die pädagogische Fachkraft, um zu mehr Handlungssicherheit zu kommen. Häußler/Tuckermann/Kiwitt gliedern bei Kindern mit herausforderndem Verhalten das praktische Vorgehen in fünf Phasen, die inhaltlich erläutert und anhand von Beispielen anschaulich beschrieben werden. Außerdem gibt es zu jeder Phase Arbeitsmaterialien, die den Prozess begleiten und als Download zur Verfügung stehen (Häußler/Tuckermann/Kiwitt 2022).

Strukturierung und Visualisierung des Raumes

Die Orientierung im Raum fällt dem Kind leichter, wenn ihm klar ist, was an welchem Ort erwartet wird und was es dort tun kann. Schon mit einfachen Hilfsmitteln wie Klebeband, Schildern, Bildern, Fotos, Piktogrammen oder Symbolen kann ihm bei seinen Bewegungen im Raum eine nützliche Orientierungshilfe gegeben werden. Auch vertraute Gegenstände, wie Spielsachen von zu Hause, können dem Kind helfen, sich in neuen oder fremden Räumen zurechtzufinden.

Strukturierung und Visualisierung der Zeit

Kinder fühlen sich in vorgegebenen Zeitstrukturen wohl. Sie wollen wissen, wann etwas beginnt, wann es aufhört und was danach kommt. Es gibt viele Möglichkeiten, mit einfachen Hilfsmitteln die Zeitverläufe im strukturierten Raum visuell darzustellen.

Im strukturierten Raum und in der strukturierten Zeit können Aufgaben in kleinere Handlungsschritte gegliedert werden.

Beispiel:

Kinder sitzen um einen Tisch und reichen eine Schachtel mit Spielgegenständen herum. Jedes Kind kann sich einen Gegenstand herausnehmen und ihn benennen. Diese Aufgabe mag einfach erscheinen, sie konfrontiert die Kinder aber mit einer Reihe von Anforderungen im Raum und in der Zeit: sich auf die Schachtel konzentrieren – die Schachtel von einem anderen Kind annehmen – sich aus der Schachtel den gewünschten Gegenstand auswählen – diesen Gegenstand benennen – den Gegenstand aus der Schachtel nehmen – die Schachtel dem nächsten Kind weitergeben.

Musik und Rhythmus rufen ein Gefühl der Sicherheit hervor

Musik und Rhythmus, eine Botschaft ohne Worte, haben unvermittelt einen Sinn. Musik und Rhythmus teilen dem Kind etwas ohne Worte mit – und machen darüber hinaus Spaß. Die Kontinuität einer Melodie, die wie ein Fluss fließt, und die Erwartung der rhythmischen Gestalt, rufen ein Gefühl der Sicherheit hervor. Fachkräfte und Kind können ein Gefühl dafür entwickeln, dass jeder für sich spürt: Ich bin im Rhythmus und der Rhythmus ist in mir.

Eine rhythmisch gestaltete Melodie kann Interesse wecken und ein zurückgezogenes Kind zum Mitmachen anregen; ein ruhiges Lied kann ein erregtes Kind beruhigen.

Mit Singen, Musik und Rhythmus können viele emotionale Zustände ausgedrückt werden, ohne den anderen zu bedrohen oder zu erschrecken. Das einfachste und natürlichste Instrument ist die menschliche Stimme, die in der kommunikativen Situation mit den Augen begleitet wird. Die Fachkraft braucht keine Musikerin oder kein Musiker zu sein, wenn es darum geht, etwas zu sagen und in eine ganz einfache und natürliche Melodie zu kleiden.

Mit einer erfundenen Melodie mit dem Kind in Kontakt kommen

Wenn es um das Aufräumen der Spielsachen geht, kann mit einer spontan erfundenen Melodie „Wir räumen jetzt auf, wir legen alles auf seinen Platz“ das Kind zum Mitmachen eingeladen werden. Die singende Person kann das Kind beobachten und sich ganz auf das Kind, das mit seinem Auto noch in sich versunken spielt, einstimmen. Sie kann schnell oder laut singen, den Rhythmus verlangsamen oder beschleunigen und versuchen, das Interesse des Kindes zu wecken.

Das Singen sollte für die Fachkraft kein Problem sein, denn irgendeine vertraute Melodie mit passenden Worten zur Situation lässt sich leicht finden. Und wenn das Kind z. B. das Lied „Backe, backe Kuchen“ gerne hört, kann dies natürlich als Einstieg genommen werden, um mit ihm in Kontakt zu kommen.

Wenn ein Lied dem Kind bereits vertraut ist, kann es ihm vorgesummt oder -gesungen und plötzlich abgebrochen werden, ehe es zu Ende ist. Das in sich versunkene Kind erwartet das Weitersingen und kann sich eingeladen fühlen, ganz spontan einen Ton von sich zu geben oder sogar die begonnene Melodie zu Ende zu singen.

Hier wird im Medium des Singspiels, der Musik und des Rhythmus das Kind aus seinem „autistischen Gefangensein“ herausgelockt. Das plötzliche Schweigen kann es überraschen und es fühlt sich innerlich gedrängt, zur Fachkraft zu schauen, um zu sehen, wo die Melodie geblieben ist. Es sucht nach Orientierung und schaut in die Richtung, aus der die Töne kommen: Das Kind schaut in ein einladendes und freundliches Gesicht. Das kann der Beginn eines Kommunikationsspiels sein.

Durch Singen das Kind in die gemeinsame Welt holen

Singt die Fachkraft dem Kind ein vertrautes Lied vor (z. B. „Häslein in der Grube“), das sie dann plötzlich abbricht, erzeugt sie eine Erwartungshaltung beim Kind. Sie wartet in aller Ruhe ab, ist aber auf das Kind konzentriert. Sie ermuntert mit ihrem empathischen Schauen und stillen Nicken (Bewegungsgeste) das aufschauende Kind – und setzt das Lied wie ein Gespräch fort. Hat nun das Kind einen Teil des Liedes übernommen, und sei er auch noch so klein, greift sie diesen Part auf und singt das ganze Lied noch einmal. Auf diese Weise kann das autistische Kind in die gemeinsame Welt hineinfinden.

Bei diesen Kommunikationsspielen, die für alle Kinder der Gruppe interessant sind, vor allem für jene, die Störungen in der Kommunikation und Emotion zeigen, wird eine Erwartungshaltung angeregt und aufgebaut: Was kommt jetzt und was kommt danach? Dem, was kommen kann oder kommen wird, gibt das Kind einen Sinn, auf den es sich hin orientiert. Es will bei seinen rhythmisch gestalteten Spielaktivitäten mit Lerngegenständen einen Sinn erfahren.

Das Kind in Bewegungslieder und Rhythmen einbinden

Singen macht nicht nur Freude. Singen ist auch ein bedeutsames Mittel, um dem autistischen Kind zu helfen, das nachzuholen, was es in seiner bisherigen Entwicklung versäumt hat. Lieder, die viel Fantasie brauchen, um Worte und Gedanken zu verstehen, sind weniger geeignet. Bei einfachen vertrauten Liedern dagegen kann man erleben, dass die Kinder erstmals Laute bilden oder Worte sagen. Das Lied ist dann geeignet, wenn die Fachkraft erlebt, dass sie die Aufmerksamkeit des...

Erscheint lt. Verlag 5.8.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Recht / Steuern Arbeits- / Sozialrecht
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Achtung • Bildungswissenschaft • Erzieher • Erzieherin • Frühkindliche Bildung • Inklusion • Interaktion • Kinderrechte • Kita • Kommunikation • Kultur des Spiels • Liebe • Pädagogik • Wertschätzung
ISBN-10 3-8029-5773-3 / 3802957733
ISBN-13 978-3-8029-5773-4 / 9783802957734
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