Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Empathie und Widerstand (eBook)

Wie wir unsere Haltung finden, Menschlichkeit zeigen und Wandel gestalten
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
160 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3266-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Empathie und Widerstand -  Kristina Lunz
Systemvoraussetzungen
17,99 inkl. MwSt
(CHF 17,55)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Gerade in krisenhaften Zeiten ist es wichtig, einen klaren moralischen Kompass zu haben, seine Werte zu kennen und auch zu ihnen zu stehen. Die feministische Aktivistin und politische Influencerin Kristina Lunz ist überzeugt: Empathie und Widerstand sind hilfreiche Hebel, um seine Haltung zu finden, Menschlichkeit zu zeigen und Wandel zu gestalten. Was zunächst nach einem Gegensatzpaar klingt, passt perfekt in die schwierige Zeit und ist der Schlüssel für sozialen, kulturellen, politischen Fortschritt.  Basierend auf persönlichen Eindrücken, Erfahrungen und Gedanken zeigt Kristina, wie wir auf eine gerechtere Welt hinwirken und was jede:r einzelne dafür tun kann. Sie erklärt, wie man für sich selbst eine politische Haltung entwickelt und dieser auch bei Gegenwind treu bleibt - gleichzeitig aber offen ist, bei überzeugenden Argumenten seine Haltung anzupassen. Denn alles andere wäre nicht wertebasiert, sondern reine Ideologie.

Kristina Lunz, geboren 1989, ist Unternehmerin, Autorin und Aktivistin. Sie wurde nach einem Bachelor in Psychologie und einem ersten Masterabschluss in London Stipendiatin an der Universität Oxford, wo sie MSc Global Governance and Diplomacy studierte.Nach ihrem Abschluss arbeitete sie unter anderem für die Vereinten Nationen in Myanmar und für eine NGO in Kolumbien. Seit 2018 ist sie Mitgründerin und CEO des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP) in Berlin, von 2019 bis 2020 war sie zusätzlich als Beraterin im Auswärtigen Amt tätig. Kristina hat etliche aktivistische Kampagnen wie 'Nein heißt Nein' oder gegen den Sexismus in der Bild-Zeitung (mit-)initiiert und hat zahlreiche Auszeichnungen sowie Fellowships renommierter Institutionen erhalten. Sie wurde 2019 von Forbes als eine der '30 unter 30' in Europa ausgezeichnet und ist Young Leader der Atlantik-Brücke, Ashoka Fellow, BMW Foundation Responsible Leader, eine der 'Vordenker*innen 2020' von Handelsblatt und wurde vom Focus zu einer der '100 Frauen des Jahres 2020' erklärt. Von 2022 bis 2024 war sie Mitglied der Advisory Group der Goalkeepers-Initiative der Bill and Melinda Gates Foundation zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Ihr wurde außerdem der German Start-Up Award als 'Impact Entrepreneurin 2024' verliehen. Kristinas erstes Buch Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch (Econ 2022) avancierte zum Bestseller und wurde ins Englische übersetzt. Sie trug ein Kapitel zu den Sammelbänden Unlearn Patriarchy sowie Unlearn CO2 bei (Ullstein 2022 und 2024).  www.kristinalunz.com  

Kristina Lunz, geboren 1989, absolvierte zwei Masterstudiengänge am University College London (mit Auszeichnung) und an der Universität Oxford, wo sie Global Governance and Diplomacy studierte. Sie ist eine deutsche Feministin, Aktivistin und Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP). Bekanntheit erlangte sie durch die Kampagnen     »Nein heißt Nein«, die sich erfolgreich für eine Änderung des Sexualstrafrechts in Deutschland aussprach und "Stop Bild Sexism" sowie ihren Einsatz für feministische Außenpolitik. Außerdem arbeitete sie für die Vereinten Nationen im Bereich der Extremismusprävention.

Empathie


Empathie bezeichnet die prinzipielle Fähigkeit, Emotionen und Motive anderer zu erkennen und sie nachzuempfinden. Dazu gehört die Bereitschaft, sich in die Lage einer anderen Person zu versetzen und ihre Gefühlslage zu erfassen, ohne diese unbedingt zu teilen. Empathie ermöglicht es, Mitgefühl und Verständnis für die Situation anderer zu entwickeln und angemessen zu reagieren. Dabei wird zwischen drei Formen von Empathie unterschieden: kognitive, emotionale und verhaltensbezogene Empathie. 14

Die kognitive Empathie meint die Fähigkeit, die Perspektive einer anderen Person intellektuell zu verstehen. Es geht also darum, sich der Denkweise einer anderen Person zu öffnen und zu versuchen, diese zu erfassen. Diese Kompetenz hat keinerlei moralischen Wert – sie ist eine Stärke, von der Ärzt:innen genauso profitieren wie Schwerverbrecher:innen. Bei der emotionalen Empathie handelt es sich um die Fähigkeit, den Emotionen einer anderen Person nachzuspüren und gut darauf zu reagieren. Das beinhaltet das Mitfühlen von Freude, Trauer, Wut oder anderen Emotionen, die Menschen haben können. Die verhaltensbezogene Empathie ist die Fähigkeit, angemessen auf die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu reagieren. Es geht ums einfühlsame Handeln und Unterstützen, um anderen in schwierigen Situationen zu helfen oder sie zu trösten.

Für die Psychiaterin Heidi Kastner ist emotionale Empathie ausschlaggebend für wirkliche Lösungen bei komplexen Herausforderungen. In ihrem Buch Dummheit schreibt sie, es sei nicht dumm, eine wesentliche Veränderung bestehender Verhältnisse zu fordern. Dumm sei es hingegen, an schnelle und einfache Lösungen zu glauben: »Für wirkliche Lösungen bräuchte es ein Mehr an emotionaler Empathie, also der Fähigkeit, mit anderen mitzuempfinden, Mitgefühl zu entwickeln, in deren Interesse zu handeln und Beziehungen gleichberechtigt zu gestalten, also keinem das anzutun, was man selbst auch nicht erleiden möchte.«15

Der Physiker Stephen Hawking sagte 2015, wenige Jahre vor seinem Tod, dass er von den menschlichen Schwächen am liebsten die Aggression korrigieren würde. Möglicherweise habe sie in der Steinzeit Vorteile für das Überleben bedeutet, um an mehr Nahrung, Territorium oder eine:n Partner:in zur Fortpflanzung zu kommen. Jetzt aber, so Hawking, bedrohe sie uns alle. Ein Atomkrieg würde das Ende der Zivilisation bedeuten, und vielleicht auch das Ende der Menschheit. Die Eigenschaft, die er am liebsten verstärken würde, sei die Empathie. Sie vereine uns in einem friedlichen, liebevollen Zustand.16

Empathie ist kein Allheilmittel


An dieser Stelle möchte ich Stephen Hawking in Teilen widersprechen. Denn ein Mehr an Empathie alleine ist kein Selbstzweck – dieses Mehr ist nicht automatisch gleichbedeutend mit einem Mehr an »gutem«, moralischem Verhalten. Empathie – insbesondere mehr emotionale Empathie, also die Fähigkeit, das zu fühlen, was andere fühlen – hat nämlich auch negative Seiten. Dem Wandel hin zu mehr Gerechtigkeit und Fairness kann sie mitunter sogar im Wege stehen, zum Beispiel, wenn wir einer Personengruppe mehr Empathie zeigen als einer anderen und dadurch ungerechterweise der letzteren Gruppe Gerechtigkeit verwehren. Als Menschen verspüren wir mehr Empathie gegenüber den Menschen, die uns näher und ähnlicher sind – deren Unglück uns mehr belastet, deren Krieg uns geografisch näher ist – oder scheinen, und mit denen wir enger emotional verbunden sind. Mit Blick auf die Evolution liegt es auf der Hand, dass etwa Eltern den Schutz und die Sicherheit der eigenen Kinder priorisieren.

Ob bewusst oder unbewusst, wir müssen unablässig Abwägungen treffen zu unserem Blick auf die Welt mit all ihrem Leid, auch dazu, ob und wie wir eingreifen. Ohne diese Filter wären wir jeden Tag unseres Lebens schier überwältigt, ab einem bestimmten Punkt sogar handlungsunfähig. Man denke nur ausschnitthaft an den Schmerz aller in Armut lebenden Kinder, aller misshandelten Frauen, aller von Polizeigewalt betroffenen Männer, aller Opfer von Kriegen, aller Menschen auf der Flucht und all diejenigen, deren geliebte Menschen im Sterben liegen. Das unbegreifliche Leid aller Menschen auf der Welt genauso mitzuspüren, wie den Schmerz unserer Eltern, Kinder, besten Freund:innen oder Partner:innen, übersteigt jedes verkraftbare Maß.

Nach der »Scheinwerferlicht«-Funktion der Empathie, die der Psychologie-Professor Paul Bloom in seinem Buch Against Empathy – The Case for Rational Compassion17 darstellt, empfinden wir (emotionale) Empathie für diejenigen, auf deren Leid und Anliegen wir unsere Aufmerksamkeit richten können. Dabei kann Empathie zwar zu Mitgefühl und Schutz in persönlichen Beziehungen inspirieren, jedoch im größeren Kontext der Welt oft dazu führen, dass bestimmte Menschen außen vor gelassen werden. Denn das Bekämpfen von Ungerechtigkeiten verlangt Aufmerksamkeit, die sich aus Empathie für eine gewisse Personengruppe speist. Weil Empathie am stärksten für Personen empfunden wird, die uns ähnlich sind und die wir attraktiv finden, während sie für jene, die anders, fern oder anonym sind, oft fehlt, kann es passieren, dass wir das Leiden vieler Menschen nicht sehen (wollen) oder dafür abstumpfen.

Denn außerhalb des Lichtkegels herrscht eine Dunkelheit, die das Leid unzähliger anderer Menschen ausblendet. Diese endlosen Schattenflächen zementieren Unterdrückungsformen wie Sexismus, beispielsweise wenn Männer in Machtpositionen eher bereit sind, Gelder für die Interessen und Probleme von Männern zur Verfügung zu stellen. Oder sie markieren Rassismus, wenn zum Beispiel beim Mitgefühl gegenüber Flüchtenden unterschieden wird, woher sie kommen und wie ähnlich sie uns sind. Das führt dazu, dass europäische Flüchtlinge willkommen geheißen werden, während wir es zulassen, dass Menschen aus Afrika und Asien zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken. Findet die psychologische Kategorisierung sogenannter In-Groups (»wir«, die Meinen) und Out-Groups (»ihr«, die Anderen) auf realpolitischer Ebene statt, beispielsweise durch unmenschlichen Umgang mit Geflüchteten, können die Folgen tödlich sein.

Die »Scheinwerferlicht«-Funktion liefert uns einen Erklärungsansatz und kann dazu beitragen, Diskriminierungsformen wie Sexismus oder Rassismus aktiv entgegenzuwirken. Auf keinen Fall darf diese Theorie Nichthandeln entschuldigen oder legitimieren. Sie läuft für mich auf folgende normative Forderung hinaus: Wir müssen trotz aller psychologischen Erklärungsansätze zumindest versuchen, immer allen Menschen und Schicksalen gegenüber empathisch zu sein.

Mit Blooms Theorie lässt sich übrigens auch die weit verbreitete Annahme entkräften, konservative Politiker:innen seien weniger empathisch als linksliberale. Empathie, so seine Erklärung, ist erst mal nur eine Funktion, die nichts darüber aussagt, wie groß der Lichtkegel ist und welche Gruppen oder Kategorien er beleuchtet oder welche er im Schatten lässt. Der Unterschied besteht im Umfang der In-Group: Der ist bei Konservativen eher kleiner, das linksliberale universalistische Ideal hingegen wünscht die Ausweitung des Lichtkegels bis zu einem Zustand, bei dem es keine Out-Group mehr gibt.18

Auch der Professor für Kognitionswissenschaften Fritz Breithaupt hat ein Buch mit der Absicht geschrieben, »uns von einem zu einfachen Bild von Empathie [zu] befreien«, da Menschen, wie es weiter heißt, »Schreckliches mit und aus Empathie tun«.19 In Die dunklen Seiten der Empathie beschreibt der Autor die »scheinbar unmenschliche[n] Dinge, die wir tun oder empfinden, nicht obwohl, sondern gerade weil wir Empathie haben«20 und diskutiert die ambivalente Natur von Empathie, die keineswegs als alleinige Grundlage für moralisches Handeln angesehen werden sollte. Stattdessen, so Breithaupt, spiele Empathie eine zentrale Rolle in einer Reihe hochproblematischer Verhaltenskonstellationen, wie im Terrorismus, wenn einseitige Empathie für eine Gruppe Gewalt gegenüber einer anderen legitimiert, oder ähnlich bei Ausbeutung, Schikanierungen oder fortdauernder Unterdrückung. Solche Verhaltenskonstellationen können unter anderem durch Parteinahme erklärt werden: Empathie für die Situation der einen Gruppe führt zur Verdichtung der Empathie der anderen Gruppe, was wiederum schnelle Urteile und schließlich eine unreflektierte Parteinahme festigen kann, was wiederum in Schwarz-Weiß-Denken resultiert. Breithaupt schreibt, dass diese Dynamik von Parteinahme und Empathie es uns erlaube, schnelle und feste Entscheidungen zu treffen, bei Konflikten einzugreifen und klar Position zu beziehen. »Je mehr ich den Schmerz der einen Seite fühle, desto stärker werde ich mich für sie einsetzen. Empathie legitimiert mich also zu positivem und negativem Verhalten gegenüber anderen«, so der Autor.21 Polarisierung und Radikalisierung von Konflikten nehmen zu. Von hier aus tun sich die unter anderem zuvor genannten sehr dunklen Seiten der Empathie auf, wobei der Terrorismus einen besonders drastischen Fall der...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2024
Reihe/Serie Reihe: Wie wir leben wollen
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Aktivismus • aktivistin • Buch • Demokratie • Diskurs • Engagement • Essay • Feminismus • Feministin • Feministisch • Gesellschaft • Haltung • influencerin • Menschlichkeit • Politik • Verantwortung • Wandel • Werte
ISBN-10 3-8437-3266-3 / 3843732663
ISBN-13 978-3-8437-3266-6 / 9783843732666
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,5 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann (Verlag)
CHF 14,65
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60