Hat das Zukunft oder kann das weg? (eBook)
262 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45818-2 (ISBN)
Petra Pinzler arbeitet als Hauptstadtkorrespondentin der Wochenzeitung DIE ZEIT. Sie schreibt zudem Bücher über Wirtschaft, Umwelt und Klimaschutz und die Frage, was die Gesellschaft gut und Menschen zufrieden macht. Nach einem Studium der Wirtschafts- und Politikwissenschaften besuchte sie die Kölner Journalistenschule. 1994 begann sie bei der ZEIT, für die sie von 1998 bis 2001 als Korrespondentin aus Washington berichtete, bis 2007 aus Brüssel und seither aus Berlin.
Petra Pinzler arbeitet als Hauptstadtkorrespondentin der Wochenzeitung DIE ZEIT. Sie schreibt zudem Bücher über Wirtschaft, Umwelt und Klimaschutz und die Frage, was die Gesellschaft gut und Menschen zufrieden macht. Nach einem Studium der Wirtschafts- und Politikwissenschaften besuchte sie die Kölner Journalistenschule. 1994 begann sie bei der ZEIT, für die sie von 1998 bis 2001 als Korrespondentin aus Washington berichtete, bis 2007 aus Brüssel und seither aus Berlin.
Anfang
Über uns
Wieder einer dieser Tage. Morgens das Radio gleich wieder ausgestellt. Nichts als Krisen, Kriege und Katastrophen. Kurz das Fenster geöffnet. Draußen ist es viel zu warm für die Jahreszeit, das Wetter spielt schon seit Tagen verrückt. Mal zu viel Regen, dann zu viel Sonne. Auf dem Weg zur Arbeit mit dem Handy gesurft, kurz vom neuesten Krach in der Regierung gelesen. Unerfreulich, wie fast immer. Hochgeschaut. Und da steht er plötzlich, der Spruch, jemand hat ihn an eine Wand gesprüht: Alles wird gut!
Alles wird gut? Den Satz kennt jeder. Und hin und wieder flackert sie ja auch auf, diese Hoffnung: Irgendwann werden gute Nachrichten aus dem Radio kommen oder den Social-Media-Feed füllen. Es werden Menschen regieren, die große Probleme lösen. Das Klima wird geschützt, das Artensterben gestoppt und der Frieden ist zurück. Der Fortschritt wird die Welt zu einem besseren Ort gemacht haben. Und warum auch nicht? Schließlich hat die Menschheit das Feuer bezähmt, die Demokratie erfunden und die Waschmaschine. Um nur drei Errungenschaften zu erwähnen.
Sie finden die Aufzählung verwunderlich und die Hoffnung naiv? Damit sind wir dann mittendrin im Thema dieses Buches. Ich möchte Sie mit auf die Suche nehmen, und zwar nach der Antwort auf die eine wichtige Frage in unser aller Leben: Was macht die Zukunft zu einem guten Ort? Die Frage ist nicht neu, doch kommt gerade etwas sehr Neues dazu. Anders als in der jüngeren Vergangenheit blicken wir heute immer häufiger mit Sorge auf die kommenden Jahre. Immer leichter fällt es uns, Dystopien auszumalen. Wir misstrauen dem Techno-Optimismus, und das oft genug zu Recht. Wir erinnern uns an all die gesellschaftlichen Utopien, die sich in Albträume verwandelt haben und sind deswegen skeptisch, wenn jemand von einer besseren Gesellschaft schwärmt. Dass der Fortschritt es schon irgendwie richten wird, glauben wir jedenfalls immer seltener. Und diejenigen, die ernsthaft behaupten, es werde schon alles gut, die schauen wir befremdet an. Deutschland, so könnte man auch sagen, hat ein Problem mit der Zukunft.
Dabei geht es den meisten Menschen heute besser denn je. Könnten wir unsere Vorfahren aus der Vergangenheit ins heutige Deutschland beamen, sie würden uns für verrückt halten. Jedenfalls, wenn wir sorgenvoll von unserem Leben erzählen. So viel Freiheit wie heute hatten wir hier nie. Frauen können mehr als jemals zuvor leben, wie sie wollen. Jugendliche werden ernster genommen. Menschen haben Rechte. Es gibt genug zu essen, die Wohnungen sind warm und langweilig ist es selten, denn jeden Tag kommt etwas Neues in die Welt. Und was vor einem Jahrhundert noch als verrückte Fantasie galt, ist heute völlig normal: Wissen auf Knopfdruck, Reisen um die Welt, maßgeschneiderte Medizin. Und Jahr für Jahr wächst die Lebenserwartung weiter.
Zugleich aber spüren wir die Widersprüchlichkeit der Gegenwart. Da ist der Krieg mit großer Grausamkeit in unsere Nachbarschaften zurückgekehrt, und mit ihm die Angst. Flüchtlinge aus aller Welt drängen verzweifelt ins Land. Die wilden Tiere sterben aus, die Wälder sind krank, die Ozeane kippen. Das, was gestern noch Sicherheit versprach, könnte vielleicht morgen schon nicht mehr da sein. Es schwindet die Hoffnung, dass die Vereinten Nationen eine Weltordnung etablieren, in der die Menschheit ihre Probleme kooperativ löst. Stattdessen erlebt die Geopolitik eine Renaissance und sie zwingt uns, erneut viel zu viel Geld für Rüstung auszugeben. Auf die amerikanische Schutzmacht ist nicht mehr unbedingt Verlass, Russland ist vom Nachbarn zur Bedrohung geworden und China hat sich zum ökonomischen Rivalen gewandelt. Immer häufiger wird die Wirtschaft als strategische Waffe eingesetzt. Und ob die neuen Technologien zum Fluch oder Segen werden, ist längst nicht ausgemacht. Sicher ist nur, dass Google, Amazon, Tiktok, ChatGPT und viele andere Tech-Unternehmen, nicht in Deutschland ansässig sind, sondern dort, wo andere entscheiden.
Als ob das nicht schon reicht, ist auch noch unser Staat eher schlecht als recht im 21. Jahrhundert angekommen. Ausgerechnet dort, wo wir ihn täglich erleben, wird er immer unzuverlässiger. Die Digitalisierung der Verwaltung gibt es zwar seit Jahren schon – in Estland und Österreich. Die Schulen sind mitnichten die Leuchttürme eines Landes, das Bildung so dringend nötig braucht, obwohl bei jeder Wahl das Gegenteil versprochen wird. Auf dem Land schließen Arztpraxen und Kindergärten. Und ja, früher war nicht nur mehr Lametta. Früher war es tatsächlich kein Witz, wenn jemand sagte: Pünktlich wie die Bahn.
Wann genau ist die Vergangenheit zum Sehnsuchtsort geworden? Wann die Zukunft zu etwas Bedrohlichem? Seit wann sorgen wir uns um unsere künftige Sicherheit, seit wann ist Freiheit nichts Selbstverständliches mehr? Seit die »Polykrise« ins Bewusstsein drängt, sagt der britische Historiker Adam Tooze und er beschreibt die Lage der Welt als etwas Einzigartiges, als eine bis dato unbekannte Zusammenballung von potenziellen Gefahren.1 Denn Krisen gab es zwar immer schon, so viel Krise gleichzeitig aber war noch nie. Heute könnten wir den gesamten Planeten vernichten, jedenfalls den Teil, den wir zum Überleben brauchen. Weil die Waffen tödlicher denn je sind und lokale Kriege die Gefahr in sich tragen, zu Weltenbränden zu werden. Und weil die Umweltkrise all diese Konflikte massiv verschärft.
Dabei ist die Wirkungskette einfach zu verstehen, aber schwer zu bekämpfen, es geht um komplexe Systeme. Nur ein Beispiel: Hitze macht unseren Nachbarkontinent Afrika zunehmend unbewohnbar, das führt zu lokalen Konflikten um Land und Wasser, also flüchten immer mehr Menschen, auch nach Europa. Ihre Zahl heizt hier die innenpolitische Lage auf, das treibt den Populisten die Leute zu, und damit sinken wiederum die Chancen für eine ehrgeizige Klimapolitik – mit deren Hilfe die Ursachen bekämpft werden könnten. Und schon hat er sich geschlossen, der Krisen-Teufelskreislauf.
Noch können wir die Wohnungstür schließen, die Nachrichten abschalten und Katzenfilmchen gucken. Doch immer häufiger schleicht sich die Wirklichkeit dann aus dem Unterbewusstsein ins Denken, und schon sind die Fragen da: Wie wird es weitergehen? War da nicht gerade erst die Dürre in Spanien, die Überschwemmung an der Ahr, der Starkregen im Saarland, die Sturmflut an der Ostsee? Erleben wir nicht mehr nur ein Jahrhunderthochwasser, sondern das Jahrhundert der Hochwasser? Kommt das Unheil immer näher? Und vielleicht kommt es gar nicht einfach so daher. Wir beschleunigen es doch durch die Art, wie wir essen, wohnen und durch die Welt jetten. Geht es jetzt ans Bezahlen, beginnt jetzt das Ende der Ausnahmejahrzehnte – jene Zeit der Behaglichkeit, in der immer mehr Wachstum und immer mehr Wohlstand zur trügerischen Selbstverständlichkeit wurden? Erleben wir das Ende eines goldenen Zeitalters und den Beginn einer neuen, unheilvollen Epoche?
Zwei Drittel der Deutschen blicken besorgt auf das Land: »Das Vertrauen in eine bessere Zukunft ist fundamental erschüttert: Die Mehrheit der Deutschen befindet sich in einem ›No Future‹-Modus.« Die Menschen »erkennen die großen Zukunftsprobleme, haben aber keine Idee, wie sich diese Jahrhundert-Herausforderungen bewältigen lassen.«2 Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Rheingold Instituts aus dem Jahr 2021. Man könnte annehmen, dass Corona bei den Antworten eine große Rolle gespielt hat. Doch auch Ende 2023 geben bei einer Erhebung der Stiftung für Zukunftsfragen sechs von zehn Befragten an, dass sie angstvoll auf das kommende Jahr blicken – je älter und je ärmer, desto mehr.3 Bei einer Umfrage der Schufa blicken im Frühjahr 2024 sogar drei Viertel der Deutschen ängstlich in die Zukunft.4 Und besonders bedrückend sind die Aussagen von Jugendlichen, also denjenigen, die sich voller Hoffnung auf ihr Leben freuen sollten. Nach einer Studie, die die Barmer Ersatzkasse beim Meinungsforschungsinstitut Sinus in Auftrag gegeben hatte, haben zwei Drittel von ihnen Angst vor dem Klimawandel.5
Kollektive Weltuntergangsgefühle verändern eine Gesellschaft. Der Soziologe Andreas Reckwitz, der sich Gedanken über die Folgen gemacht hat, war noch in jüngerer Vergangenheit der Meinung: »Ohne die Vorstellung, dass die Zukunft besser sein wird als die Gegenwart, so wie auch die Gegenwart bereits besser ist als die Vergangenheit, kann...
Erscheint lt. Verlag | 4.9.2024 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | CDU • Die Grünen • FDP • Fortschritt • Gemeinwohl • Gerechtigkeit • Innovation • Nachhaltigkeit • Parteien • Produktivität • Rechtspopulismus • SPD • Umverteilung • Wachstum • Wohlstand |
ISBN-10 | 3-593-45818-7 / 3593458187 |
ISBN-13 | 978-3-593-45818-2 / 9783593458182 |
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