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Amerikas Albtraum (eBook)

Warum Donald Trump nicht zu stoppen ist - Psychogramm einer gespaltenen Nation - Erweiterte und aktualisierte Neuausgabe

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024
304 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-33096-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Amerikas Albtraum - Mary L. Trump
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Wie ist es möglich, dass Donald Trump wieder Präsident werden kann? - Die Autorin des Nr.-1-Bestsellers »Zu viel und nie genug« stellt die Diagnose für ihr zerrüttetes Land

Das Trauma der USA, tief verwurzelt in der amerikanischen Geschichte - Sklaverei, Bürgerkrieg und Rassentrennung - gärt seit Jahrzehnten unter der Oberfläche der einstigen Vorbild-Demokratie. Trumps korruptes und unmoralisches Regime versetzte der Gesellschaft einen vernichtenden Stoß und hinterließ ein zutiefst gespaltenes, geschwächtes Land. Wie ein Krebsgeschwür wuchs das Trauma. Ausbrüche von Wut und Hass, aber auch Hoffnungslosigkeit und Apathie sind die Folge. Mary Trump, als Nichte des früheren US-Präsidenten wie als Psychologin, liefert eine bestechende Analyse - ungemein erhellend für alle, die gerade an den Nachrichten aus den USA verzweifeln.

Erweiterte und aktualisierte Taschenbuchausgabe von »Das amerikanische Trauma«.

Mary L. Trump promovierte am Derner Institute of Advanced Psychological Studies in New York und lehrte in den Fachbereichen Traumatherapie, Psychopathologie und Entwicklungspsychologie. Sie lebt zusammen mit ihrer Tochter in New York. Ihr erstes Buch »Zu viel und nie genug; Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf« war ein Nr. 1 Spiegel-Bestseller.

Einleitung

Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 kam nicht überraschend – mein Onkel Donald hatte zwei Monate lang Unzufriedenheit gesät und vier Jahre lang Spaltung betrieben und Groll genährt. Es war ein Wendepunkt – mutwillig, geplant, angestachelt. Es war ein weiterer Angriff, der direkt auf alles zielte, von dem ich immer angenommen hatte, es mache dieses Land aus. Amerika ist ein zutiefst unvollkommenes Land – ein Land, das nie eine Demokratie für alle Menschen gewesen ist, sondern nur für eine privilegierte Mehrheit. Aber es hatte immer das Potenzial, diese erhoffte vollkommenere Union zu werden. Haben uns die letzten vier Jahre weiter von diesem Ziel entfernt, oder haben sie einfach nur ans Licht gebracht, dass wir diesem Ziel nie so nahe waren, wie wir dachten? (Wenn ich »wir« sage, beziehe ich mich damit im Allgemeinen auf Weiße Amerikanerinnen und Amerikaner. Ich empfinde keinerlei Sympathie oder Verbundenheit mit der Rolle der Weißen Mehrheit in unserer Geschichte oder mit der Ideologie der Überlegenheit der Weißen, doch es wäre unredlich zu behaupten, ich hätte nicht außerordentlich profitiert von einem System, das uns Weiße auf die oberste Stufe einer von uns erfundenen rassistischen Hierarchie gesetzt hat.)

Dieses Land wurde aus Traumata geboren: einem Trauma, das den Ureinwohnern des Landes zugefügt wurde, aus dem sie vertrieben wurden, einem Trauma, das die Generationen erlitten, die auf die gewaltsam versklavten, auf einen fremden und feindlichen Kontinent verschleppten Afrikaner folgten, dem Trauma jener, die zuschauten, aber nicht eingriffen, obwohl sie es gekonnt hätten, jener, die nicht eingreifen konnten, und sogar jener, die die Gräueltaten begingen und ein System aufrechterhielten, in dem sie andere einen entsetzlichen Preis für ihr eigenes Wohlergehen zahlen ließen.

Um unsere heutige Situation zu verstehen, müssen wir uns nicht nur die Auswirkungen dieser frühen Traumata vergegenwärtigen, sondern auch die Folgeschäden, die sich daraus ergeben, dass wir diese Traumata nicht nur ignoriert haben, sondern uns eingebildet haben, wir hätten sie irgendwie überwunden. Das ist mit Sicherheit nicht der Fall. Das Jahr 2020, die drei vorhergegangenen Jahre und die vergangenen Jahrzehnte belegen das.

Unter einem Trauma stellen wir uns üblicherweise ein dramatisches, einmaliges und gewaltsames Ereignis vor – eine Vergewaltigung, einen Autounfall, die Bombenexplosion. Doch es kann auch langsam und leise erlitten werden, wenn es sich in einem angespannten Drama aus immer gleicher Hoffnungslosigkeit, unerträglicher Isolation und hilfloser Einsamkeit abspielt. Oft vermögen wir nicht zu erkennen, dass wir traumatisiert werden, während wir traumatisiert werden.

Als ich im Oktober 2020 mit diesem Buch begann, konzentrierte ich mich zunächst auf die historischen Entwicklungen, deren Zusammenwirken uns im Gefolge von Corona verletzlich gemacht hat: die Wirtschaftskrise und die sich abzeichnende Krise der psychischen Gesundheit. In New York, wo ich lebe, gab es bereits seit März einen relativ harten Lockdown. Während sich die Situation in der Stadt zum Herbst hin verbesserte, schossen die Zahlen landesweit in die Höhe, weil die New Yorker Erfahrungen als Warnung nicht ernst genommen wurden.

Ich fragte mich, wie es wohl sein würde, wieder hinauszugehen in eine durch die Monate der Trennung, Isolation und Teilung veränderte Welt. Wie würden sich die langfristigen Auswirkungen von Vereinzelung, Untätigkeit, wirtschaftlicher Unsicherheit, Langeweile, Angst vor dem Tod und der aus alldem resultierende Stress manifestieren? Welche Form würde das Trauma annehmen? Schließlich waren die letzten Monate davon geprägt, dass man nicht wusste, ob man ein Virus in sich trug, das einen selbst oder diejenigen, die man liebte, töten konnte, dass man jedes Mal, wenn man hinausging, das Gefühl hatte, sein Leben aufs Spiel zu setzen, dass man nicht wusste, wann der Schrecken enden würde, dass die einfachsten Aufgaben durch Angst erschwert wurden, dass man sich ständig um die Kinder sorgte. Wie würde sich das Trauma auswirken, wenn man ein unentbehrlicher Mitarbeiter an vorderster Front war – Regale einräumte, Lieferungen ausfuhr, auf einer Covid-Intensivstation arbeitete – und nur sehr wenig tun konnte, um Risiken aus dem Weg zu gehen? Als wäre das nicht mehr als genug, kam der Verrat der Regierung hinzu, die absolut nicht bereit war, uns durch diese zu unseren Lebzeiten beispiellos grauenvolle Zeit hindurchzuhelfen. Die dem Schrecken vielmehr erlaubte, sich auszubreiten und sich zu verschlimmern.

Durch die Wahl im November wurde alles noch viel komplizierter. Corona hatte verheerenden Schaden angerichtet, aber die Wahl war irgendwie noch schlimmer. Es ist eine Sache, nicht zu wissen, wann etwas enden wird, aber es ist eine ganz andere zu wissen, dass etwas enden wird, aber nicht, wie. Die Wahl am 3. November türmte sich vor mir wie eine Mauer auf, pechschwarz und undurchdringlich. Sie ließ kein Licht durch. Was dahinter lag, vermochte ich mir nicht vorzustellen. Als der Wahltag vorbei war, folgten diese vier bangen Tage, in denen das Ergebnis noch nicht feststand. Donald nahm die Gelegenheit wahr, den Sieg für sich zu beanspruchen und sich weiter dem Projekt zu widmen, das er Monate zuvor begonnen hatte: das Vertrauen der Menschen in den Ausgang der Wahl zu unterminieren, falls Joe Biden gewann. Nach dem 7. November, als es schien, das Land wäre schließlich doch der tödlichen Kugel ausgewichen, wurde die Situation noch gefährlicher. Das lag noch nicht einmal daran, dass Donald seine »Große Lüge« weiterspann, sondern dass die Mitglieder der Republikanischen Partei schwiegen oder fadenscheinige Entschuldigungen vorschoben, statt den Biden-Harris-Sieg anzuerkennen. Am schlimmsten waren die Republikaner, die die »Große Lüge« wiederholten und Donalds Bemühungen unterstützten, dem zukünftigen Regierungspersonal Steine in den Weg zu legen, etwa durch die über sechzig Gerichtsverfahren, von denen Donald allerdings nur ein einziges gewann.

Donald ließ weitere Massenveranstaltungen organisieren, auf denen Corona mit derselben Fahrlässigkeit verbreitet wurde wie seine Lügen.

Er verbreitete weiterhin Desinformationen auf Twitter mit dem doppelten Zweck, die Aufmerksamkeit von seiner eindeutigen Niederlage abzulenken (es stimmt zwar, dass er mehr Stimmen erhielt als jeder andere Oval-Office-Inhaber in der Geschichte, aber Joe Biden erhielt mindestens sieben Millionen Stimmen mehr) und seine gekränkten Anhänger in einer Stimmung aufgeheizter Wut und dem Gefühl, betrogen worden zu sein, zu halten.

Zu viele Menschen wollten Donald Glauben schenken. Zu viele Menschen waren empfänglich für seine Fähigkeit, in ihrem Namen gekränkt zu erscheinen. Zu viele Menschen hatten sich seinen Wahlsieg gewünscht. Vierundsiebzig Millionen Menschen, in der Tat – trotz oder wegen der vier Jahre Inkompetenz, Grausamkeit, Kriminalität, Heimtücke, verfassungswidrigen Verhaltens und Verrats. Doch am atemberaubendsten ist die Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Wahl fast dreihunderttausend Amerikaner als direkte Folge seiner vorsätzlichen, böswilligen Untätigkeit gestorben sind. Ohne ihn wäre unsere Nation nicht so gespalten. Ohne ihn wäre eine einfache lebensrettende Maßnahme wie das Tragen einer Maske kein Politikum. Ohne ihn hätten wir nicht jeden Tag ein Massensterben in unserem Land zu betrauern gehabt, tagtäglich, monatelang.

Unbewältigte Traumata können verheerende Folgen haben. Wenn wir alle zugleich und doch jeder für sich an Varianten desselben Traumas leiden, was kann dann geteilt werden? Verrat durch die Regierung und durch Menschen aus unserem Umfeld zerstört unser Gefühl von Sicherheit. Traumatisierte sind in eine Welt ohne Vertrauen gestoßen worden. Die Dunkelheit der Welt lastet auf ihnen, während ihnen ihr nicht unbeträchtliches Licht vorenthalten wird.

Traumata, die sich im gleichen Zeitraum ereignen, können sich zu Mehrfach-Traumatisierungen zusammenballen. Denken wir zum Beispiel an eine Krankenschwester auf einer Covid-Station, dann nehmen wir vielleicht an, dass diese Pflegekraft sich nur mit dem Trauma durch ihre Arbeit auf der Covid-Station auseinandersetzen muss. Wenn nun aber der vorgebliche Anführer der freien Welt die Pflegekräfte, die an vorderster Front arbeiten, beschuldigt, Schutzausstattung zu stehlen, und sie sogar für den Mangel an Ausrüstung verantwortlich macht, dann kommt ein weiteres Element hinzu. Und das Trauma wird nochmals vielschichtiger, wenn gar, wie eine Krankenpflegerin berichtete, die Patienten, die vor ihren Augen an Covid-19 sterben, noch in ihren letzten Atemzügen davon überzeugt sind, dass die Pandemie eine Erfindung sei. Schließlich wird das Trauma ihre gesamte berufliche Identität zersetzen, wenn ihre Kollegen zögern, sich impfen zu lassen, obwohl sie mit eigenen Augen gesehen haben, welches Leid Covid dem menschlichen Körper zufügen kann.

Wegen des kollektiven, jeden Einzelnen betreffenden Traumas, dass unser Land durch die in meinen Augen denkbar unwürdigste Person in die Knie gezwungen wurde, sowie aufgrund eines außergewöhnlich klaren Gefühls, dass wir beinah alles – allem voran unsere Demokratie – verloren hätten, konnte dieses Buch nicht nur von dem Trauma handeln, das durch die so vielfältigen Coronakrisen verursacht wurde. Vielmehr musste auch das Trauma angesprochen werden, das von der politischen Krise ausgelöst wurde, die die anhaltende Zerbrechlichkeit unserer Demokratie offenbarte.

Ich habe Leute sagen hören: »So sind wir doch nicht!«, aber haargenau so sind wir gerade. Zu verdanken haben wir das einer rückständigen...

Erscheint lt. Verlag 2.10.2024
Übersetzer Astrid Becker, Christiane Bernhardt, Pieke Biermann, Gisela Fichtl, Monika Köpfer, Eva Schestag
Sprache deutsch
Original-Titel The Reckoning
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • Amerikanische Geschichte • Amerikanischer Bürgerkrieg • Armut • Black lives matter • Corona • Demokratie • Diskriminierung • Donald Trump • eBooks • Gerechtigkeit • Geschichte der USA • Joe Biden • Kamala Harris • Kapitol • Nationalismus • Neuerscheinung • Psychologie • Qanon • Rassismus • Republikaner • Sklaverei • Spaltungt in Arm und Reich • Sturm auf das Kapitol • Sumpf • US-Wahlen • Vereinigte Staaten • Washington, D.C. • Zu viel und nie genug
ISBN-10 3-641-33096-3 / 3641330963
ISBN-13 978-3-641-33096-5 / 9783641330965
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