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Revolution der Verbundenheit (eBook)

Wie weibliche Solidarität die Gesellschaft verändert | Von der renommierten Soziologin und Autorin von »Die Erschöpfung der Frauen«
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46702-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Revolution der Verbundenheit -  Franziska Schutzbach
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Inmitten einer scheinbar tief zerrütteten und krisengeschüttelten Gesellschaft fragt Franziska Schutzbach nach Perspektiven der Verbundenheit. «Wir müssen noch miteinander eine große Freiheit erringen.» Das schrieb Bettina von Arnim an ihre Freundin Karoline von Günderode. Seither sind viele Jahre vergangen, die Emanzipation der Frauen ist vorangeschritten - vor allem dann, wenn sich Frauen aufeinander bezogen. Dieses Buch macht sich auf die Suche nachstarken und nährenden Frauenbeziehungen, nach Liebe und Freundschaft unter Frauen, nach politischer Schwesternschaft und Solidarität, nach emanzipatorischen Mutter-Tochter-Beziehungen und weiblichen Familiengenealogien. Die Soziologin und Sachbuchautorin Franziska Schutzbach zeigt anhand zahlreicher fesselnder Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, wie Frauen trotz Spaltung und Differenz durch ihre Beziehungen Revolutionen ermöglicht haben. Wie sie patriarchale Strukturen in Alltag und Politik lockerten, weil sie sich verbündeten und befreundeten. Sie beschreibt, was möglich ist, wenn Frauen sich an anderen Frauen orientieren. Wider die Spaltung der Frauen Sie zeigt aber auch, wie schwer das ist. Denn die Spaltung der Frauen ist eine der Grundlagen patriarchaler Macht. Frauen sollen sich an Männern orientieren, nicht aneinander. Sie sollen sich an sexistischen Maßstäben und an der männlichen Gunst ausrichten. Sie sollen mit unterdrückerischen Systemen kooperieren, anstatt sich gemeinsam dagegen aufzulehnen. Einigkeit und Harmonie sind keine Selbstverständlichkeit unter Frauen, es gibt Risse und Differenzen, wir finden Zerwürfnisse, Entsolidarisierung und Machtausübung. Und einen großen Mangel an Zeit. Auch diesen Herausforderungen geht das Buch auf den Grund. »Frauen können hier und heute damit beginnen, ihre Orientierung an der Männerwelt zu lösen und überkommenen Mustern wie Hierarchie und Konkurrenz ihre Sehnsucht nach Kooperation und Freundschaft entgegensetzen.« Franziska Schutzbach Anhand von Essays und Briefen lässt Franziska Schutzbach in diesem Buch eine Revolution der Verbundenheit als eine konkrete und persönliche Praxis spürbar werden. Ein leidenschaftliches Plädoyer für stärkende, ermutigende weibliche Beziehungen.

Franziska Schutzbach, geboren 1978, ist promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin, Publizistin, feministische Aktivistin und Mutter von zwei Kindern. Im Jahr 2017 initiierte sie den #SchweizerAufschrei, seither ist sie eine bekannte und gefragte feministische Stimme auch über die Schweiz hinaus. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterthemen wie Misogynie und Sexismus, darüber hinaus befasst sie sich mit den Kommunikationsstrategien von Rechtspopulisten. Franziska Schutzbach lebt in Basel.

Franziska Schutzbach, geboren 1978, ist promovierte Geschlechterforscherin und Soziologin, Publizistin, feministische Aktivistin und Mutter von zwei Kindern. Im Jahr 2017 initiierte sie den #SchweizerAufschrei, seither ist sie eine bekannte und gefragte feministische Stimme auch über die Schweiz hinaus. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschlechterthemen wie Misogynie und Sexismus, darüber hinaus befasst sie sich mit den Kommunikationsstrategien von Rechtspopulisten. Franziska Schutzbach lebt in Basel.

Einleitung


Ich habe diese Texte in einer Zeit geschrieben, die von zunehmender Spaltung geprägt ist, von Zerwürfnissen und Rissen. Wir erleben, dass Menschen sich radikalisieren und auseinanderdriften, sich in unversöhnliche Lager voneinander entfernen, sich überwerfen, einander unverzeihliche Verletzungen zufügen. Es tun sich Gräben auf. Auch progressive intersektionale Allianzen versagen. Nicht zuletzt ist das Erstarken rechter und rechtsextremer Kräfte ein Zeichen des Auseinanderdriftens.

Manche soziologischen Diagnosen bestätigen diese Spaltungstendenzen, andere hinterfragen sie. Wie auch immer die empirischen Befunde sind, für viele Menschen fühlt es sich so an, als würden sie in einer unversöhnbaren Welt und Gesellschaft leben – ohne Verbundenheit oder Zusammenhalt. Gegen diese Gefühle und die damit einhergehende Hoffnungslosigkeit und Traurigkeit habe ich versucht anzuschreiben. Immer wieder habe ich mich dabei allerdings gefragt: Was sollen Texte, was sollen Worte noch bewirken? Angesichts der Spaltungen, aber auch angesichts von Kriegen, schrecklicher Gewalt, Traumata und Hass schien mir das Schreiben ein zunehmend hilfloser Beitrag. Oft brachte ich kaum die Kraft auf, mich selbst davon zu überzeugen, dass Schreiben noch wichtig sein könnte, es noch angemessen wäre, überhaupt so etwas wie ein Buch zu veröffentlichen, darüber hinaus ein Buch, das sich mit Solidarität befasst. Wer bin ich, angesichts von Leid und Gewalt, angesichts von Radikalisierung und Hass, über Solidarität und Verbundenheit zu schreiben?

An besseren Tagen hoffte ich, dass Schreiben vielleicht doch sinnvoll ist, dass es zwar nicht Krieg und Gewalt stoppt und auch nicht die Zerwürfnisse und Spaltungen, dass es aber gleichwohl ein Gegenraum sein kann zu Polarisierung und Härte. Natürlich sind auch Worte manchmal gewaltvoll, verabsolutierend und spaltend, aber im besten Fall ist Schreiben ein Raum der Interaktion, ein in Kontakt treten mit Lesenden, mit anderen Schreibenden und Denkenden – Öffnung statt Grenzziehung. Auch Lesen bedeutet im besten Fall, sich zu öffnen für die Wahrnehmung und das Denken anderer. Lesen bedeutet, sich einzulassen. Wir sollten damit angesichts von Gewalt und Polarisierungen nicht aufhören.

An diesem Gedanken habe ich versucht, mich festzuhalten und so weiterzuarbeiten. Die vorliegenden Essays und Briefe erkunden Perspektiven der Verbindungen statt der Trennungen, der Freundschaft statt des Hasses, der Durchlässigkeit statt der Härte. Ich bin mit meinem letzten Buch zur »Erschöpfung der Frauen« häufig gereist und habe viele Gespräche geführt. Ich verspürte zunehmend den Wunsch, dass ich nach der Erschöpfungsdiagnose versuchen will, die Kritik und die Gesellschaftsanalyse auch vermehrt mit einem feministischen Denken in Möglichkeiten zu verbinden, mit Utopien – aber auch mit der Frage nach deren Misslingen.

Die Erfahrung der Fremdheit, der Trennung und Differenz lässt sich, so meine Wahrnehmung, unter Menschen nie gänzlich überwinden. Es ist eine Feststellung, über die wir verzweifeln können, oder wir können damit arbeiten. Aus meiner Sicht gilt es, das Einander-fremd-Bleiben, das Verschiedensein zu üben und zu akzeptieren, es ist eine wichtige Voraussetzung dafür, um auch in Verbindung treten zu können, tragende Beziehungen aufzubauen und solidarisch zu sein.

Die Texte, die entstanden sind, sind keine direkten Antworten auf konkrete tagespolitische Ereignisse und Debatten, sie enthalten keine Politprogramme oder Solidaritätsanleitungen. Vielmehr sind sie Ausdruck eines längerfristigen Prozesses in meinem Schreiben als feministische politische Denkerin, der ein langsamer und kein unmittelbar reagierender ist. Gleichwohl hoffe ich, dass Aspekte aus diesen Texten vielleicht Anregungen für die Bearbeitung konkreter (auch innerfeministischer) Zerwürfnisse und Konfliktlagen enthalten, dass Leser:innen für sich einen Bogen spannen können zu ihrer politischen Praxis und konkreten Problemstellungen.

»Wir müssen noch miteinander eine große Freiheit erringen.« Das schrieb Bettina von Arnim an ihre Freundin Karoline von Günderrode. Ich denke: ja. Wir müssen Freiheit und ein besseres Leben gemeinsam erringen, trotz Fremdheiten, Grenzen, Konflikten und Verletzungen. Es führt kein Weg daran vorbei, dass Menschen sich zusammenraufen, miteinander sprechen, sich verbinden und sich auf die Gemeinsamkeiten anstatt auf das Trennende verständigen.

Frauen haben dies, wie ich zeigen werde, immer wieder getan und damit nicht nur politische Emanzipationsbewegungen ermöglicht, sondern auch persönliche Erfüllung und Selbstverwirklichung in ihrem Alltag.

Mich interessiert das Thema der Beziehung in Emanzipationsprozessen: Welche Rolle spielten und spielen Beziehungen in der Emanzipation von Frauen beziehungsweise FLINTA*2- Personen? Welche Rolle spielten und spielen dabei auch Konflikte und Differenzen? In den vorliegenden Texten habe ich mich auf die Suche nach Verbundenheit gemacht, habe Handlungsräume erkundet, deren emanzipatorische Bedeutung für unsere Gesellschaft oft übersehen wird. Wie gestalten Frauen ihre Beziehungen zueinander? Und was bedeuten diese Beziehungen für ihre individuelle Entfaltung, aber auch für die politischen Wirkungs- und Lebensweisen?

Mein Schreiben beschäftigt sich mit Freundschaft und Liebe, mit politischer Schwesternschaft aber auch deren Infragestellung, mit autonomen Strukturen und Solidarität, mit emanzipatorischen genauso wie mit schwierigen Mutter-Tochter-Beziehungen und komplizierten weiblichen Familiengenealogien.

Weiblicher Eigensinn war oft dann möglich, wenn Frauen einander »die Seele ausfüllen«,3 wenn sie sich der patriarchalen Spaltungsmaschine entzogen, sich von der männerzentrierten Welt ab- und sich einander zuwandten; Frauenbeziehungen können eine Patriarchats-unterminierende Kraft haben, denn sie ermöglichen, dass Frauen ihre Orientierung an Männern, an einem heterosexistischen System und an einengenden Liebesmodellen lockern. Frauenfreundschaften können Selbstentfaltung auslösen, die Entwicklung eigenständiger Lebensvorstellungen befördern. Und sie können politische Aufstände bewirken.

Ich habe in meinem Schreiben versucht, die Frauenbeziehung vor Profanisierung und Banalisierung zu bewahren. Mein Anliegen ist es, sie aus der »Kalenderblattbetulichkeit« (Silvia Bovenschen)4 zu befreien und sie zu einem beunruhigenden und aufregenden, ja verheißungsvollen Thema zu machen. Ich halte jedes Gefühl, jedes noch so kleine, das eine Sehnsucht nach einer Frau, nach Frauenbeziehungen enthält, für wichtig. Ich glaube, wir müssen lernen, diese Gefühle aufzuspüren, ihnen nachzugehen und ihnen nachzugeben, sie überhaupt wahrzunehmen. Wenn Frauen beziehungsweise FLINTA*-Personen einander als Subjekte ernst nehmen und anerkennen, ist das eine Revolution.

Beziehungen zwischen Frauen wurden in der Philosophiegeschichte als unbedeutsam betrachtet, es waren die Beziehungen unter Männern, denen man nachsagte, dass aus ihnen wichtige Werke hervorgehen.5 Die Männerfreundschaft wurde als kulturschaffende Potenz gegenüber der als kulturfeindlich und körperlich eingestuften Verlockung der Frauen zelebriert, als eine Beziehung, in der Männer einander spiegeln und dadurch zu Gleichen machen. Die männlichen Freundschaftskonzepte bedienten narzisstische Vorstellungen, in denen Männer sich wechselseitig idealisieren und dadurch ihr eigenes Ich aufwerten. Männer, so war die Meinung, machen sich in Freundschaften gegenseitig größer, wichtiger, mächtiger. Dieses männliche Freundschaftsmodell ist, wie die Psychoanalytikerin Angelika Ebrecht es formuliert, Ausdruck einer »autoritär patriarchalen Moral«, die sich dadurch aufrechterhält, dass sie durch den Ausschluss der Frauen »die symbiotisch-narzisstischen Verschmelzungswünsche der Männer in Männerbünde umlenkt und damit eine in sich geschlossene männliche Kulturgemeinschaft etabliert«.6

Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, sehen wir eine radikale Separierung der Frauen voneinander. Frauen wurden in Familien vereinzelt, und sie wurden in den großen Mythen oft als Konkurrentinnen und Feindinnen dargestellt. Wenn sie mal als Kollektiv auftreten, etwa im Amazonen-Mythos oder in der Frauenbewegung, wurden sie in den männlichen Sichtweisen meist als gefährlich, als pathologisch, als übertrieben geschildert. Frauenverbündung galt und gilt als Bedrohung, sie musste degradiert werden, während Beziehungen unter Männern ein hoher Stellenwert attestiert wurde. Auf diese Weise entwickelte sich eine insgesamt männerbündlerische Gesellschaftsstruktur.

Frauen wurden daraus nicht nur ausgeschlossen, sondern auch als diejenigen imaginiert, die nichts sehnlicher wollen, als in den Männerbünden aufgenommen zu werden. Aus Sicht der männerbündlerischen Struktur würden Frauen alles dafür tun, um dazuzugehören – etwa sich »hochschlafen«, notfalls einander »die Augen auskratzen«, oder, in der anderen Variante, sich als Bewunderinnen und Kaffeekochende dieser Männerbünde aufopfern und selbstverständlich weitere Söhne für den Männerreigen gebären. In der männlichen Kulturgemeinschaft erhalten Frauen den Status von Konkurrentinnen und Rivalinnen, die um die Gunst der Männer buhlen sollen, anstatt einander zu stärken. Was zur Folge hat, dass diese ständig um den Platz der »besten Mutter«, der »leidenschaftlichsten Geliebten«, der »erfolgreichsten Unternehmerin«, der »Schönsten der Klasse« ringen; und sich dabei gegenseitig mit bewertendem Blick begegnen. Die männerbündlerische Logik...

Erscheint lt. Verlag 1.10.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Altersdiskriminierung • bücher für frauen • Chancengleichheit • diskriminierung buch • Emanzipation • Feminismus • Feminismus in Deutschland • feministische bücher • Frauenbeziehungen • Frauenbild • Frauen in Führungspositionen • Frauennetzwerk • Frauenpolitik • Frauenrechte • Frauen und Karriere • Frauen und Macht • frauen zusammenhalt • Geschlechterrollen • gesellschaft buch • Gesellschaftspolitik • gleichberechtigung erreichen • Konkurrenz unter Frauen • Mental Load • Misogynie • patriarchat buch • patriarchat überwinden • Rechtspopulismus • Rivalität unter Frauen • sachbücher für frauen • Soziale Ungleichheit • sozialkritische Bücher • strukturelle Benachteiligung von Frauen • Stutenbissigkeit • toxische männlichkeit • Ungleichheit Mann Frau • ungleichheit zwischen mann und frau heute • Unsichtbare Frauen • weibliche Solidarität • wichtige bücher fürs leben • zusammenarbeit frauen
ISBN-10 3-426-46702-X / 342646702X
ISBN-13 978-3-426-46702-2 / 9783426467022
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