Das kann doch jemand anderes machen! (eBook)
224 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31289-8 (ISBN)
Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u. a. Zeit undSüddeutsche Zeitung arbeitete sie fünf Jahre bei LinkedIn. Sie schreibt die Spiegel-Kolumne »ÜberArbeiten«. Ihr erstes Buch Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten? war 2023 ein Bestseller.
Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u. a. Zeit undSüddeutsche Zeitung arbeitete sie fünf Jahre bei LinkedIn. Sie schreibt die Spiegel-Kolumne »ÜberArbeiten«. Ihr erstes Buch Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten? war 2023 ein Bestseller.
Einleitung
Wie schön wäre es, wenn jemand anderes unsere Arbeit machen könnte? All das, was uns nervt und uns nachts wach liegen lässt? Wenn wir uns zurücklehnen könnten, statt uns kaputtzuarbeiten – und uns auf andere Dinge konzentrieren könnten, die uns wichtig sind?
Auch wenn der Titel dieses Buchs verspricht, dass unsere Arbeit vielleicht künftig von jemand anderem gemacht werden könnte: Damit habe ich ein wenig übertrieben. Denn es ist viel wahrscheinlicher, dass nicht ein Jemand übernimmt, sondern ein Etwas: KI, künstliche Intelligenz.
Wir haben eine Technologie in unseren Händen, die grundlegend verändern kann, wie wir arbeiten. Die uns in einer perfekten Welt von all den Aufgaben befreien kann, die uns stressen, erschöpfen und anstrengen oder einfach nur langweilen. Die uns so Zeit freischaufeln kann für anderes: für Gemeinschaft und Fürsorge, für Nachdenken und Kreativität.
KI an sich ist nicht neu, aber die Technologie ist auf einmal so zugänglich und weit verbreitet wie nie zuvor. Man kann mit KI reden, schreiben, interagieren, ohne programmieren zu können oder sich besonders gut mit Technik auszukennen. Es hat sich etwas verschoben. Und daran ist vor allem ein Programm schuld: ChatGPT.
Am 30. November 2022 ging der Chatbot des US-Unternehmens OpenAI live. Im Januar 2023 hatte GPT-3.5 bereits 100 Millionen Nutzer*innen – so schnell hatte zu diesem Zeitpunkt keine andere Verbrauchersoftware diese Zahl erreicht. Wenige Monate später folgte dann das bessere, schnellere, stärkere Modell GPT-4.
Auch ich gehöre zu den Menschen, deren Arbeitsabläufe sich in den vergangenen Monaten verändert haben. Bis vor Kurzem hat KI meine Arbeit nur am Rande berührt. Dann kam ChatGPT, und ich war im ersten Moment überfordert und sogar verängstigt davon, wie gut die Ergebnisse waren, die ich selbst auf eine einfache Frage erhielt. Und jetzt? Übersetze ich Texte mit DeepL und lasse meine Interviews mit der Spracherkennungs-AI Whisper transkribieren. Wie ich diese installieren kann, obwohl ich die Programmiersprache Python nicht beherrsche, habe ich mir Schritt für Schritt von ChatGPT erklären lassen. Ich bitte ChatGPT auch regelmäßig, mir komplexe Konzepte oder Zusammenhänge so zu erklären, als wäre ich zwölf, oder mir wissenschaftliche Aufsätze zusammenzufassen. Ich stelle Perplexity.ai Fragen, auf die Google keine Antwort hat, und lasse mir bei Dall-E Bilder erstellen, die meine Wunschutopie zeigen. Mit all diesen KI-Programmen habe ich mir quasi einen digitalen Praktikanten gebaut, der mir Arbeit abnimmt, mit dem ich Ideen durchspielen kann und der mir hilft, eine bessere Formulierung oder ein klareres Beispiel zu finden. Keine Angst: Ich habe in diesem Buch nicht den super lustigen Trick angewandt, einen Absatz oder ein Kapitel von ChatGPT schreiben zu lassen, auch wenn das möglich gewesen wäre und ich es beim dritten Lesen vielleicht schon selbst nicht mehr gemerkt hätte. Dafür spielte KI hinter den Kulissen eine Rolle.
Das ist die Veränderung, die ich im Kleinen sehe, in meinem persönlichen Berufsalltag. Damit bin ich nicht alleine: Ende 2023 hat ein Drittel der Deutschen ChatGPT bereits genutzt, ein weiteres Drittel konnte sich vorstellen, dies künftig zu tun, wie eine Befragung des IT-Branchenverbands Bitkom zeigt. Zwei Drittel glauben, dass ChatGPT und Co unser Leben grundlegend verändern werden, auch im Job. Rund die Hälfte der ChatGPT-Nutzer*innen setzt das Tool bereits für berufliche Zwecke ein. Regeln dafür, wie solche generative KI am Arbeitsplatz eingesetzt werden darf, kennt jedoch nur ein Viertel der Erwerbstätigen aus dem eigenen Betrieb.[1]
Künstliche Intelligenz verändert schon jetzt, wie wir leben. KI sagt mir, wann ich aus dem Haus gehen muss, damit ich trotz Stau pünktlich zum Kaffee bei meiner besten Freundin bin. Sie schlägt mir die Serie vor, die ich unbedingt als Nächstes anschauen sollte, weil sie genau meinen Geschmack treffen könnte. KI ist ein ganz normaler Bestandteil unseres Lebens geworden, den wir oft gar nicht mehr bemerken. Natürlich ist KI viel mehr als ChatGPT oder Google Gemini oder Microsoft Copilot – oder wie all die anderen Programme heißen, die mittlerweile überall sind. Diese Chatbots alleine werden nicht für die große Revolution sorgen. Aber sie haben selbst den Menschen, die sich davor gar nicht für KI interessiert haben, bewusst gemacht, wie weitreichend die Veränderung sein wird, die uns da bevorsteht – und die auch vor der Arbeitswelt nicht haltmachen wird.
Sie wird uns alle betreffen, egal, in welchem Job oder in welcher Branche wir arbeiten. Und diese Veränderung wird sehr schnell kommen. Das wird uns als Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellen, ganz klar. Deutschland ist nicht gerade dafür bekannt, die Digitalisierung perfekt gemeistert zu haben. Das wissen alle, die in den letzten Jahren auf dem Amt eine neue Adresse melden oder einen Ausweis erneuern wollten, die jedes Quartal mit ihrer Versichertenkarte in eine Arztpraxis rennen müssen oder die einfach per E-Mail ein Abo kündigen wollen, aber denen gesagt wurde, dass das nur per Brief oder Fax (!!) gehe. Aber die KI-Welle wird kommen, und die Frage ist, ob wir darauf richtig vorbereitet sind – und was wir heute tun müssen, damit wir morgen auf der Welle surfen können, statt von ihr überrollt zu werden.
Ich habe in den vergangenen Monaten viele Gespräche und Diskussionen über Arbeit geführt. Darüber, wie wir heute arbeiten und wie wir in Zukunft arbeiten werden. Über das, was gut funktioniert, und das, was von Grund auf geändert werden muss. Eine Frage, die dabei immer häufiger aufkam, war die folgende: »Nimmt KI mir meine Arbeit weg? Muss ich mir Sorgen machen?« Oder ganz konkret: »Was soll ich heute studieren, damit ich morgen noch einen Job kriege?«
Da ich seit Jahren über Technologie und Digitalisierung schreibe, zeitweise selbst im Technologiekonzern LinkedIn gearbeitet habe und, zugegeben, ein ziemlicher Nerd bin, hatte ich zwar immer eine schnelle Antwort parat, aber so richtig befriedigend fand ich sie nie. Ich wollte tiefer in das Thema eintauchen und mit Menschen sprechen, die KI bereits im Arbeitsalltag nutzen, die zu künstlicher Intelligenz forschen und die sich Gedanken um die Zukunft unserer (Arbeits-)Welt machen. Ich wollte wissen: Was wäre eigentlich, wenn KI uns wirklich einen Teil unserer Arbeit abnehmen würde? Welche Branchen verändert das? Welche Berufe bleiben davon (vermeintlich) unberührt? Und was macht es mit uns, wenn wir künftig anders über Arbeit nachdenken müssten, und über den Stellenwert, den sie in unserem Leben hat?
Ich bin fest davon überzeugt, dass KI unsere Arbeitswelt nicht nur anders, sondern besser machen kann. Und dass dieser Umbruch zum genau richtigen Zeitpunkt kommt. Denn wir brauchen diese Veränderung dringend: Arbeit, wie sie heute funktioniert, macht uns krank und müde. Unsere Arbeitswelt ist kaputt. Der demografische Wandel bringt einen Mangel an menschlichen Arbeitskräften mit sich. Wir haben also zwei Optionen: Entweder arbeiten alle noch mehr, um das auszugleichen. Manche sehen mehr Bock auf Arbeit oder mehr Lust auf Überstunden als Lösung – und ignorieren die Gefahr, dass wir so noch stärker ausbrennen, als das jetzt schon der Fall ist. Oder wir nutzen KI, um unsere Arbeitswelt komplett umzugestalten, und zwar so krass, wie die Menschheit es seit der Dampfmaschine nicht mehr gesehen hat.
Wir haben mit KI eine neue Partnerin an unserer Seite. Oft wirkt diese Technologie ziemlich menschlich – auch weil sie eine immer größere Rolle auf unseren Smartphones und bei unserer Internetnutzung einnimmt. Deshalb reden wir auch so über sie: dass sie denke oder etwas wolle oder etwas tue. Dabei hat keine KI menschlichen Gefühle oder Gedanken – auch wenn in der künstlichen Intelligenz jede Menge menschliche Intelligenz steckt. Wir übertragen in der Art, wie wir über KI sprechen, menschliche Eigenschaften auf die Technologie. Kein Wunder, schließlich wurde sie mit menschlichem Wissen trainiert, mit Dingen, die Menschen geschrieben, geschaffen, gesagt, gedacht und sogar gefühlt haben. Davon zu sprechen, dass KI etwas tue oder denke, fühlt sich deshalb kaum vermeidbar an, wie in diesem Buch immer wieder zu sehen sein wird.
Das bringt allerdings die Gefahr mit sich, dass wir vergessen, dass KI nicht wirklich für sich selbst denken, entscheiden, agieren kann, sondern dass hinter ihr immer Menschen stehen, die sie entwickeln, ihr ein Weltbild mitgeben und entscheiden, welchen Zweck die Maschine hat. Diese Entscheidungen werden von Menschen mit viel Macht getroffen, die so wiederum besonders viel Einfluss darauf haben, wie wir unsere (Arbeits-)Welt gestalten. In diesem Falle gilt das für die Menschen, die die Unternehmen leiten, in denen die größten KI-Anwendungen entwickelt werden, die an ihrer Nutzung verdienen und Geschäftsmodelle gestalten, von denen sie besonders profitieren.
Aber es gibt auch andere Menschen, die Macht haben: weil sie durch Wahlen damit ausgestattet wurden. Weil sie als Konsument*innen entscheiden, unter welchen Umständen sie welche...
Erscheint lt. Verlag | 15.8.2024 |
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Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 40-Stunden-Woche • Arbeitskräftemangel • Arbeitsmarkt • Arbeitsmodelle • Arbeitsweise • Arbeitswelt • Arbeitswelt von morgen • ChatGPT • Digitalisierung • Erschöpfung • Homeoffice • KI • KI als Werkzeug. • Kündigung • Künstliche Intelligenz • Large language model • Neues Arbeitszeitalter • Optimierung • positive Veränderung • Sabbatical • Soziale Gerechtigkeit • Work-Life-Balance • Zukunft |
ISBN-10 | 3-462-31289-8 / 3462312898 |
ISBN-13 | 978-3-462-31289-8 / 9783462312898 |
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Größe: 4,6 MB
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