Zukunftslust (eBook)
224 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-300-2 (ISBN)
Prof. Dr. Achim Kampker, Jahrgang 1976, ist deutscher Ingenieur, Miterfinder des in Aachen entwickelten Elektrofahrzeugs Streetscooter und Mitbegründer der StreetScooter GmbH. Bis Ende 2013 leitete Kampker den Lehrstuhl für Produktionsmanagement an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen. Seit Januar 2014 ist er Leiter des von ihm gegründeten Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen. Im Juni 2019 ergriff er die Initiative zur Gründung des Vereins Ingenieure retten die Erde.
Prof. Dr. Achim Kampker, Jahrgang 1976, ist deutscher Ingenieur, Miterfinder des in Aachen entwickelten Elektrofahrzeugs Streetscooter und Mitbegründer der StreetScooter GmbH. Bis Ende 2013 leitete Kampker den Lehrstuhl für Produktionsmanagement an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen. Seit Januar 2014 ist er Leiter des von ihm gegründeten Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen. Im Juni 2019 ergriff er die Initiative zur Gründung des Vereins Ingenieure retten die Erde.
Ausflug ins Übermorgen
Sommer 2050 // Ich reise im Air Taxi von Paris nach Aachen. Wir schweben über dichtem Wald und orientieren uns dabei an den Schneisen der alten Autobahnen unter uns. Die Trassen sind noch sichtbar, dienen heute aber als Standort für Solaranlagen, die als Energieadern die Gegend durchziehen. Bei unserem Flug überqueren wir immer wieder Areale der Landwirtschaft, die heute dezentral organisiert ist, aber in ihrer Produktivität massiv zugenommen hat. Ich blicke auf kleine, von Hecken abgetrennte Felder. Auf ihnen gibt es viel Bewegung: Vollautomatisierte und durch künstliche Intelligenz gesteuerte Roboter jäten Unkraut, bewässern und hegen die Nutzpflanzen. Die Vielfalt der Gewächse macht sie widerstandsfähiger gegen Schädlinge und Krankheiten. Altes Wissen über die ideale Kombination von Pflanzen vereint sich mit höchsten Ansprüchen an technologische Lösungen.
Mit mir sind vier weitere Menschen an Bord. Neben mir sitzt Marius, mit dem ich einst in Afrika gewesen bin, und ihm gegenüber Lilian, die ich seit zwei Jahren zum ersten Mal wiedersehe. Neben ihr befindet sich Heinz – ein befreundeter Unternehmer – und eine mir unbekannte Person. Mein Blick schweift wieder nach unten. In der Nähe der menschlichen Siedlungsgebiete ist das dichte Grün zu »essbaren Wäldern« umgewandelt worden. Dabei werden die drei natürlichen Ebenen des Waldes – Beere, Strauch und Baum – nutzbar gemacht und stetig optimiert. Die gesamte Landschaft ist von zahlreichen kleinen Teichen und Seen durchzogen, die dabei helfen, den Wasserbedarf für Pflanzen, Menschen und Tiere über das Jahr hinweg gut zu verteilen. Immer wieder blicken wir auch auf Gewächshäuser, die mit Solaranlagen bestückt sind. Lang gezogene Röhren in den Glasbauten geben mal rotes, mal grünes Licht von sich. »Was ist das denn?«, denke ich.
Mein Gegenüber schaut mich an und lacht. Erst da merke ich, dass ich in meiner Verwunderung halblaut vor mich hin gesprochen habe. Meinem alten Bekannten Heinz gehören viele dieser Gewächshäuser, und jetzt sprudelt es aus ihm heraus, was es damit auf sich hat. »Vor vielen Jahren war in mir der Gedanke gereift, dass Gewächshäuser ideal für Solaranlagen sind«, erklärt er. »Deshalb kaufe ich stillgelegte Gewächshäuser auf und bestückte sie mit Solarzellen. Danach hatte sich zufällig die Idee ergeben, sie für die Produktion von Algen zu nutzen. Aber nicht irgendwelche, sondern Algen, die rot werden, wenn man sie ärgert«, sagt er und lacht wieder. »Sie werden in langen Röhren gezüchtet. Wenn man sie unter Stress setzt, werden sie rot, lachsrot, und produzieren Astaxanthin, einen Stoff, der als Lebensmittel und als Zusatz genutzt wird.« Heinz weiß, wovon er spricht. Damals, im Jahr 2024, hatte er die Ostsee buchstäblich vor dem »Umkippen« gerettet – doch dazu später mehr.
Im Landeanflug auf Aachen kreuzen wir die gut ausgebaute Schnellzugverbindung. Eine dieser Bahnen, die im 15-Minuten-Takt vorbeirauschen, fährt gerade in einiger Entfernung. Ein Blick auf meinen Health Tracker zeigt mir, dass alles in Ordnung ist. Meine Kleidung beherbergt auf meinen Wunsch hin unterschiedliche Funktionen, die zahlreiche Gesundheitsparameter aufnehmen, diese mit Datenbanken und Risikofaktoren abgleichen und eventuell notwendige Maßnahmen anzeigen. Die Diagnose »Alles okay« deckt sich mit meinem morgendlichen Blick in den Spiegel, der meine Augen scannt und dadurch viele Krankheiten frühzeitig erkennen kann. Immerhin bin ich mittlerweile 74 Jahre alt und möchte noch eine ganze Zeit lang in verschiedenen Gremien mitwirken. Zum Beispiel in den lokalen Räten, die vor Ort die meisten Entscheidungen treffen, einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden und viel dazu beigetragen haben, dass wir als Gesellschaft hinter dem Wandel stehen, den wir in den vergangenen Jahren erfolgreich vorangetrieben haben.
Kurz bevor wir am Lousberg ankommen, einer Aachener Anhöhe, von der aus man gut die gesamte Stadt überblicken kann, laufen auf dem in meine Brille eingelassenen Prompter aktuelle Nachrichten – zum Beispiel über die erste deutsche Produktionsstätte im Orbit, in der Rohstoffe aus dem All verarbeitet und als Zwischenprodukte auf die Erde transportiert werden. In der Umlaufbahn gibt es pausenlos Solarstrom, weshalb Industriebetriebe einige ihrer energieintensiven Produktionsschritte dort oben absolvieren. Längst ist die kommerzielle Raumfahrt auf einem guten Weg, den sie in den 2020er-Jahren zaghaft eingeschlagen hatte. Damals ging es hauptsächlich noch um reine Erfahrungen, doch inzwischen ist aus dieser Pionierleistung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Glücklicherweise ist Europa vorne mit dabei, nachdem wir verstanden hatten, dass sich enorme Chancen bieten, die vieles verändern werden – ähnlich wie die neuerliche Entdeckung Amerikas vor so langer Zeit. Den Anfang der Produktion im und für den Weltraum machte damals die Serienherstellung von Kleinsatelliten, und von dort aus ging es richtig los. Vergleichbar mit der einstigen Erforschung der irdischen Meere, war es gelungen, wieder Begeisterung für das Neue, das Unbekannte zu entfachen.
Wir landen auf dem Lousberg und begeben uns direkt zur Seilbahn, die uns zur Station »Aachen Marktplatz« bringt. Kai-Uwe steigt zu uns in die Gondel, ein Kollege an der RWTH Aachen und Erfinder ebenjenes heutigen Mechanismus, der Seilbahnen und Individualverkehr miteinander verknüpft. Ursprünglich für die Raumfahrt entwickelt, wird er jetzt auch genutzt, um in der Luft wie auf dem Boden selbstfahrende Gondeln automatisch an die Seilbahn und wieder von ihr abzukoppeln – ein Adapter, der vieles verändert hat. Auf dem Weg in die Stadt schweben wir über einer einzigartigen Landschaft. Unter der Vegetation verstecken sich begrünte Häuserfassaden, die von oben eher wie bewachsene Hügel und Berge aussehen. Dort, wo wir Teile von Wänden und Fassaden erblicken können, die nicht von Pflanzen oder Solaranlagen bedeckt sind, erkennen wir den Baustoff Holz.
Die alten Straßen wirken wie grüne Adern, die sich durch die Stadt schlängeln und auch den alten Bächen wieder als Fläche dienen, die aus dem Untergrund zurückgeholt wurden. Im Zuge der notwendigen Kanalsanierung hat die Rohrpost eine Renaissance erlebt. Dank einer modernen Version dieser alten Idee lassen sich zahlreiche Waren einfach per Luftdruck unterirdisch an sämtliche Punkte der Stadt verteilen. Auch sonst ist die Versorgung gelungen: Alle Stadtviertel haben die wichtigsten Dinge, die zum täglichen Leben notwendig sind, in ihre Struktur integriert. Die einstige Trennung zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen ist weitgehend aufgehoben – was den Stau verursachenden Mobilitätsbedarf minimiert hat. Mein Mitreisender, Marius, deutet auf die Container zwischen den Häusern. Dort leben zu Hunderttausenden unsere Larven der Schwarzen Soldatenfliege, die zehnmal effizienter als andere Nutztiere sämtliche Reststoffe unserer Nahrung verwerten und so auch das CO2 im Kreislauf halten.
Apropos »Zusammenhalt«: Der Gemeinsinn der Menschen in den Vierteln ist im Verlauf der Jahre deutlich gestiegen. Man kennt sich und hilft sich gegenseitig. Da viele Funktionen wieder im eigenen Stadtteil angesiedelt sind, gibt es deutlich mehr Kontaktmöglichkeiten und lokale Geschäftsbeziehungen. Auch sprachliche Barrieren sind aus dem Weg geräumt. Der einzige mir unbekannte Mitgereiste aus der Gondel kommt aus dem Fernen Osten und parliert munter im chinesischen Dialekt, der aus der Region um Shanghai stammt. Kein Problem für uns, denn durch die kleinen Mobilstecker in unseren Ohren, deren System heute weit verbreitet ist, verstehen wir sämtliche Sprachen.
Die reine Fokussierung auf CO2-Reduktion zählt für die Aachener Region längst zur Vergangenheit. Wir haben erkannt, dass wir viel mehr zum Überleben benötigen und die Lösung aus einem System von Kreisläufen und Artenvielfalt besteht. Etliche Spin-off-Betriebe der Hochschule sind zu etablierten, mittelständischen Unternehmen herangewachsen. Innovation wird massiv gefördert, und die Ideen werden in ausgewählten Stadtvierteln frühzeitig erprobt – was den Lernprozess beschleunigt. Die Verbindung von starker Gemeinschaft und hoher Innovationskraft hat Aachen im Dreiländereck zu einem Magneten für Menschen mit Ideen gemacht. Aus ganz Europa zieht es Erfinderinnen und Erfinder, Unternehmerinnen und Unternehmer, Künstlerinnen und Künstler in die Stadt. Genehmigungsprozesse und bürokratische Rahmenbedingungen sind auf ein Minimum reduziert worden. Kurzum: Aachen ist der »Place to be«.
Das Wichtigste aber ist: Der urbane Kolonialismus ist beendet. Städte sind wieder Teil des Kreislaufs und weitgehend autark in ihrer Versorgung mit Wasser, Energie und Lebensmitteln. Die Energiewirtschaft ist auf »Erneuerbare« umgestellt, die Mobilität steht auch durch Seilbahnen hoch im Kurs, die Landwirtschaft ist fest integriert und dem Teufelskreis von immer mehr Pestiziden und Dünger entkommen.
Rückkehr in die Gegenwart // Wir sind in die Vergangenheit und in die Zukunft gereist. Aber nicht allein um des Reisens willen. Von unseren kurzen Abstechern haben wir vier wichtige Souvenirs mitgenommen, vier entscheidende Erkenntnisse...
Erscheint lt. Verlag | 2.9.2024 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Aquakultur • Bewahrung der Schöpfung • bücher über forschung • bücher über ki • buch über zukunft der menschheit • christlicher Glaube im Alltag • Eco city • E-Mobilität • Fortschrittskritik • Fortschrittsutopie • Geoengineering • Gesellschaftlicher Zusammenhalt • Glaube an die Zukunft • Globale Ökonomie • gute sachbücher • Gutes Leben • Hoffnung für die Zukunft • Humanotop • Klimawandel Buch • Kreislaufwirtschaft • Künstliche Intelligenz im Alltag • Lösungen für den Klimawandel • Mobilität der Zukunft • Mobilitätskonzept • Modellstadt Humanotop • nachhaltig leben • Ökonomie und Ökologie • regenerative Wirtschaft • sachbücher die man gelesen haben muss • sachbuch klimawandel • Sachbuch Technik • Sachbuch Wirtschaft • Selbstversorgung • Stadt der Zukunft • Stadtplanung • Technischer Fortschritt • Umweltmanagement • Umwelttechnik • Utopien für Realisten • wir schaffen das • wohlstand und nachhaltigkeit • zukunft buch • Zukunftsangst • Zukunftsforschung |
ISBN-10 | 3-96340-300-4 / 3963403004 |
ISBN-13 | 978-3-96340-300-2 / 9783963403002 |
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Größe: 4,4 MB
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