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Worte statt Waffen (eBook)

Wie Kriege enden und Frieden verhandelt werden kann | Der ehemalige UN-Biowaffeninspekteur und Konfliktforscher zur Dynamik von Konflikten und wie sich befrieden lassen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
224 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-3249-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Worte statt Waffen -  Jan Van Aken
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Kriege und Konflikte erschüttern die Welt. Doch wie steht es um die Chance auf Frieden? Als Konfliktforscher und ehemaliger UN-Waffeninspekteur ist Jan van Aken ausgewiesener Kenner der Materie. Er fragt: Was können wir aus früheren Kriegen und Konflikten lernen, welche Dynamiken und Werkzeuge sind notwendig, damit verfeindete Akteure miteinander sprechen und friedliche Lösungen möglich werden? Jan van Aken verwebt gekonnt neueste Erkenntnisse der Friedensforschung mit Geschichten und Beispielen aus dem wirklichen Leben, um die unterschiedlichsten Mittel und Wege einer friedlichen Konfliktlösung aufzuzeigen. Er beschreibt, wie Sanktionen funktionieren könnten, dass Krisenprävention möglich ist und welche Rolle die Weltgemeinschaft oder auch die Naturwissenschaften spielen könnten. Ein spannender, kenntnisreicher und persönlich verbriefter Blick hinter die Kulissen diplomatischer Friedensfindungsprozesse sowie eine Mut machende Erinnerung daran, dass eine Chance auf Frieden immer besteht.

Jan van Aken, Jahrgang 1961, arbeitet seit über 20 Jahren zu Themen der Außenpolitik und ist einer der bekanntesten Friedensaktivisten Deutschlands. Der promovierte Biologe war Gentechnikexperte für Greenpeace und von 2004 bis 2006 Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Zwischen 2009 und 2017 war er Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag und saß dort im Auswärtigen Ausschuss. Zur Zeit arbeitet er für die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu internationalen Konflikten und betreut mit einer Kollegin den Podcast dis:arm. Er ist häufiger Gast in den deutschen Medien zu allen Fragen der Außen- und Friedenspolitik.

Jan van Aken, geboren 1961, arbeitet seit über 20 Jahren zu Themen der Außenpolitik und ist einer der bekanntesten Friedensaktivisten Deutschlands. Der promovierte Biologe war Gentechnikexperte für Greenpeace und von 2004 bis 2006 Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen. Zwischen 2009 und 2017 war er Abgeordneter der Linksfraktion im Bundestag und saß dort im Auswärtigen Ausschuss. Zur Zeit arbeitet er für die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu internationalen Konflikten und betreut mit einer Kollegin den Podcast dis:arm. Er ist häufiger Gast in den deutschen Medien zu allen Fragen der Außen- und Friedenspolitik.

Was braucht es für den Beginn von Friedensverhandlungen?


Der syrische Bürgerkrieg hätte schon 2012 zu Ende sein können. Aber leider gibt im Krieg der Stärkere meistens nicht nach. Und Klügere gibt es viel zu selten.

Anfang 2011 war der Arabische Frühling auch in Syrien angekommen, mit großen Demonstrationen gegen das Regime von Bashar al-Assad. Als im März dann Polizisten auf friedliche Demonstrant:innen schossen, gab es viele Tote. Sehr schnell eskalierte die Gewalt, Syrien befand sich mitten in einem blutigen Bürgerkrieg. Zehntausende Soldaten desertierten und bildeten die »Freie Syrische Armee«. Das westliche Ausland – und viele andere – unterstützte die Rebellen, Bashar al-Assad geriet immer mehr unter Druck. 2012 sah es so aus, als ob er militärisch kaum noch eine Chance hätte.

In dieser Situation schlug Assad einen friedlichen Machtwechsel vor: Er selbst würde 2014 zurücktreten und den Weg für eine neue Regierung frei machen.3 Wie ernst er das meinte und welche Hintertürchen er sich vielleicht erhoffte, werden wir nie wissen. Aber es war zumindest ein erstes Angebot für einen friedlichen Wandel, ein erster Schimmer der Hoffnung für die Menschen in Syrien. Ich erinnere mich noch allzu gut daran, wie dieser Vorschlag in Deutschland aufgenommen wurde. Als Mitglied des Bundestages saß ich im Auswärtigen Ausschuss und musste mir anhören, wie über diesen Vorschlag gelacht wurde. Von wegen 2014 – jetzt sofort muss er gehen, und wenn er nicht will, dann wird die Revolution in Syrien ihn hinwegfegen. Assad wurde ausgelacht, weil man sich auf der Siegerstraße wähnte. Und glaubte, irgendeine Art von Kompromiss, Gespräch oder Verhandlung gar nicht nötig zu haben.

Ähnliches berichtete der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari, der für seine vielen Friedensvermittlungen 2008 den Friedensnobelpreis bekommen hatte. Er war 2012 in Gespräche zur Beendigung des syrischen Bürgerkrieges eingebunden. Dabei habe Russland als Schutzmacht Syriens angeboten, dass Assad nach einem Friedensschluss die Macht abgeben würde, aber die USA, Frankreich und Großbritannien hätten das abgelehnt, weil sie so davon überzeugt waren, dass der Sturz Assads kurz bevorstand.4

Welch ein Irrtum. Mit Hilfe aus dem Iran und Russland gewann schon ein Jahr später das Regime in Syrien wieder die Oberhand. Schiitische Milizen und russische Kampfflugzeuge brachten den militärischen Erfolg, im Gleichschritt mit einer unfassbar brutalen Kriegsführung des Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Es wurde offensichtlich, dass die bewaffnete Opposition dem Assad-Regime nicht standhalten konnte. In dieser Situation war es dann der Westen, der laut über mögliche Friedensverhandlungen nachdachte. Und jetzt war es Assad, der lachte, da er sie nun nicht mehr nötig hatte.

Der syrische Bürgerkrieg dauert bis heute an. UNICEF schätzt, dass bisher über eine halbe Million Menschen starben. Weil Assad mit größter Brutalität seinen Vernichtungsfeldzug gegen jeglichen Widerspruch fortführt – aber auch, weil in entscheidenden historischen Momenten keine Seite bereit war, aus einer Position der Stärke heraus einen friedlichen Weg zu suchen.

Jedes Zugeständnis ein Verrat


Lazaro Sumbeiywo, ein kenianischer General, der im sudanesischen Bürgerkrieg über Jahre Friedensgespräche moderierte, hat das zentrale Problem von Friedensverhandlungen einmal sehr treffend auf den Punkt gebracht: »Verhandlungen sind die Fortsetzung des Krieges auf einem anderen Schlachtfeld.«5 Ein fast schon brutal nüchterner Satz, in dem all die Schwierigkeiten komprimiert sind, mit denen Friedensgespräche zu kämpfen haben. Denn mit den Verhandlungen beginnt ja kein Frieden, sondern zunächst einmal wird der Kampf mit anderen Mitteln, mit Worten – und mit offenem Ausgang – weitergeführt. Da begegnen sich erbitterte Feinde, die mitunter brutalste Verbrechen begangen haben, die sich zutiefst verachten und seit Jahren den anderen mit jeder nur erdenklichen Hassrede verunglimpft haben. Da wird um jeden Millimeter gekämpft, da kostet jede diplomatische Floskel enorme Überwindung, jedes freundliche Wort wird als Schwäche empfunden und jedes Zugeständnis als Verrat.

In dieser Situation sollen sich die Gegner an einen Tisch setzen und miteinander reden. Eine Seite hat den Krieg ja aus Gründen begonnen. Sie wussten von Anfang an, dass der Krieg grausam wird, dass er auch auf ihrer Seite viele Menschenleben kosten wird und dass sie wirtschaftlich leiden werden. Und doch haben sie den Krieg angefangen. Warum sollten sie ihn jetzt wieder beenden, solange sie auch nur den Hauch einer Chance auf einen militärischen Sieg sehen? Die Bereitschaft zum Verhandeln gibt es meistens nur, wenn man sich in der Position der Schwäche sieht.

Genau in solchen Momenten bräuchte es einen Klügeren, der nachgibt. Auch im Angriffskrieg gegen die Ukraine gab es im Herbst 2022 eine ähnliche Situation, in der sich ein Fenster für Verhandlungen hätte öffnen können, aber dazu mehr am Ende dieses Buches. Es wäre für eine friedlichere Zukunft in dieser Welt schon sehr viel gewonnen, wenn in einem Krieg die militärisch stärkere Seite auch die klügere wäre. Die Friedensforschung hat in den letzten Jahrzehnten allerdings sehr gut herausgearbeitet, dass es in der Regel erst dann zu Friedensverhandlungen kommt, wenn ein Konflikt »reif« dafür ist, weil er beiden Seiten gleichzeitig sehr wehtut und sie nichts mehr zu gewinnen haben.

Es muss allen Seiten wehtun


Hier liegt eines der größten Probleme für eine friedliche Beendigung von Kriegen: die nicht vorhandene Gleichzeitigkeit des Friedenswillens. Denn nur selten gibt es einen »Klügeren«, der nachgibt. Eine Kriegspartei wird nicht verhandeln, solange sie glaubt, noch etwas gewinnen zu können. Oder sich wenigstens zu einer besseren Verhandlungsposition schießen zu können. Das ist ein trauriges Faktum, das sich in so vielen gewalttätigen Konflikten wieder und wieder gezeigt hat.

Solange ein Krieg nicht »reif« ist für Verhandlungen, ist jeder Versuch einer diplomatischen Lösung zum Scheitern verurteilt. Dieser Begriff der »Reife« wurde von William Zartman geprägt, der viele Jahre als Friedensforscher an der Johns Hopkins University in Baltimore gearbeitet hat. Er geht davon aus, dass es mindestens zwei Faktoren braucht, um Verhandlungen überhaupt erst möglich zu machen: auf der militärischen Ebene eine schmerzhafte Pattsituation und auf der politischen Ebene einen »way out«, die Vorstellung einer möglichen Lösung.6

Solange eine Seite glaubt, ihr Ziel ohne Verhandlungen erreichen zu können, wird sie nicht verhandeln, das zeigt der Fall Syrien, wo erst der Westen und dann Assad Friedensgespräche ablehnten, weil sie sich jeweils auf der Siegerstraße wähnten. Die Situation ändert sich, wenn sich militärisch eine Pattsituation ergibt, auf Englisch »Stalemate« genannt: Im Frontverlauf passiert nur noch wenig, über längere Zeit gibt es keine Durchbrüche der einen oder anderen Seite, und auch subjektiv hat keine Seite mehr das Gefühl, noch etwas gewinnen zu können. Wenn dieses Patt dann auch noch richtig wehtut, dann steigen die Chancen für Friedensgespräche. Der Schmerz kann vielfältig sein: weil viele Menschen sterben, weil der Krieg viel zu viel Geld kostet und die eigene Wirtschaft in den Ruin treibt oder weil die Unterstützung in der Bevölkerung nachlässt und damit die Machtposition im eigenen Land gefährdet ist. Wenn dies für beide Seiten im Konflikt gilt, dann spricht man von einem »Mutually Hurting Stalemate«, einem Patt, das allen Seiten wehtut und nach William Zartman die zentrale Voraussetzung für Friedensverhandlungen ist.

Wenn der Krieg mehr zu kosten droht, finanziell und / oder politisch, als er am Ende einbringen kann, dann lohnt er sich nicht mehr. Erst wenn das für beide Seiten gilt, werden sie anfangen, über mögliche Verhandlungslösungen nachzudenken. Zartman nannte das eine »Lose-lose-Situation«: Alle verlieren, niemand gewinnt. Das ist sehr rational gedacht, aber tatsächlich folgen die meisten Kriege rationalen Überlegungen. Vielleicht nicht immer eine Rationalität, die wir von außen verstehen können, und schon gar keine, die wir richtig finden würden – aber auch Diktatoren und Kriegsverbrecher folgen meist einer gewissen rationalen Logik, und sei es nur die des eigenen Machterhaltes.

Wie ein Mutually Hurting Stalemate aussieht, lässt sich sehr gut am Beispiel des Iran-Irak-Krieges zeigen. 1980 hatte der Irak unter Saddam Hussein das Nachbarland überfallen, um lange schwelende Grenzkonflikte militärisch zu seinen Gunsten zu klären. Zunächst konnte der Irak größere Gebiete des Iran erobern und besetzen, dann kam der Iran immer stärker in die Offensive, gewann alles Land zurück und versuchte seinerseits, in den Irak einzufallen. Es entbrannte ein Abnutzungskrieg, in dem immer mal wieder die eine oder andere Seite militärisch leichte Gewinne zu machen schien. Es war ein äußerst brutaler Krieg, in dem der Irak begann,...

Erscheint lt. Verlag 29.8.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Armee • Blauhelme • Buch • Diplomatie • Friedensforschung • Friedensverhandlungen • Gerechtigkeit • Internationale Beziehungen • Internationale Politik • Kompromiss • Konflikt • Krieg • Krisen • Militär • Prävention • Sanktionen • UNO • Vereinte Nationen • Waffenexporte • Waffeninspektionen • Waffenstillstand
ISBN-10 3-8437-3249-3 / 3843732493
ISBN-13 978-3-8437-3249-9 / 9783843732499
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