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Stuttgarter Beiträge zur Qualitätsentwicklung und Praxisforschung in der Jugendhilfe, Band 2 -

Stuttgarter Beiträge zur Qualitätsentwicklung und Praxisforschung in der Jugendhilfe, Band 2 (eBook)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
268 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8439-9 (ISBN)
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Wie begegnet die Jugendhilfe den Herausforderungen der Zeit? Der zweite Band der Stuttgarter Beiträge zur Qualitätsentwicklung und Praxisforschung bietet einen umfassenden Einblick in die fachliche Vielfalt des Jugendamts Stuttgart. Er umfasst praxisbezogene Forschungsarbeiten und Analysen zu den zentralen Arbeitsbereichen Frühe Hilfen, Kindertagesbetreuung, Beratung und Erziehungshilfen sowie zu immer wichtiger werdenden Aufgaben wie Personalgewinnung und Öffentlichkeitsarbeit. Themen sind unter anderem Inklusion, Selbstvertretung junger Menschen in der Jugendhilfe und medienpraktische Konzepte in Kindertageseinrichtungen.

„Je mehr ich mich über den Abbruch informiert habe, desto ruhiger und gefasster wurde ich.“ Informationsaneignung von ungewollt Schwangeren


Ergebnisse eines Forschungsprojekts mit Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in der Region Stuttgart und der Universität Tübingen

Christiane Bomert und Britta Grotwinkel

Einleitung


Der § 218 Strafgesetzbuch (StGB) existiert seit 1871 und ist somit genau 50 Jahre älter als das Jugendamt Stuttgart, das 2021 sein hundertjähriges Jubiläum feierte. Im Jugendamt hat sich allerdings weitaus mehr verändert als beim § 218. So ist zum Beispiel seit über 50 Jahren die gesetzlich vorgeschriebene Beratung im Schwangerschaftskonflikt auch als Angebot der Landeshauptstadt Stuttgart bei der staatlich anerkannten städtischen Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen und -konflikte nach § 219 StGB verortet. Obwohl und gerade weil die gesellschaftlichen und somit auch die politischen Auseinandersetzungen mit Schwangerschaftsabbrüchen weiterhin anhalten, derzeit erneut geprägt von Tabuisierung, moralischer Wertung und Stigmatisierung, übernimmt an dieser Stelle ein kommunaler Träger Verantwortung für diese Thematik und bietet fachlich fundierte Beratung und Information an der Schnittstelle von Jugend- und Gesundheitshilfe an. Die Beteiligung der städtischen Beratungsstelle am Forschungsprojekt „Soziale Unterstützung und Informationsaneignung von ungewollt Schwangeren“ (Bomert et al., 2022), das in diesem Beitrag vorgestellt wird, zeigt diese Verantwortungsübernahme deutlich.

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war die anhaltende Tabuisierung von ungewollter Schwangerschaft und Schwangerschaftsabbrüchen, die für ungewollt Schwangere zu weiterreichenden Konsequenzen führt: Zu nennen sind hier etwa die medizinische Unterversorgung für Schwangerschaftsabbrüche, der fehlende Erfahrungsaustausch von Frauen untereinander oder die öffentliche Überrepräsentanz des „Prinzips des Rechts des Fötus“ (Hahn, 2015, S. 57). In einer Situation, in der ungewollt Schwangere „in sehr kurzer Zeit umfangreiche und komplexe Informationen“ (Schweiger 2015, S. 240) benötigen, stoßen sie nicht zuletzt auf einen Mangel an medizinisch korrekten und moralisch neutralen Informationen (vgl. Busch, 2019, S. 7 ff.). Während für andere medizinische Leistungen eine Recherche im Internet selbstverständlich ist, können sich ungewollt Schwangere auf den Websites von Ärztinnen und Ärzten nicht ausreichend informieren, ob diese Abbrüche anbieten und welche Methoden sie dabei nutzen. Auch scheint das im Sommer 2022 gestrichene Werbeverbot (§ 219a StGB) an diesem grundlegenden Recht auf Informationsbeschaffung vor einem medizinischen Eingriff keine bedeutende Änderung ergeben zu haben (vgl. Kubitza & Böhm, 2023). Gleichzeitig streuen Abtreibungsgegner*innen bewusst Falschinformationen, mit der sie die Schwangeren zu einer Austragung der Schwangerschaft bewegen wollen. Auch im Beratungsalltag der Schwangerschaftskonfliktberatung, die vor einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtend aufgesucht werden muss (§ 218 StGB), ist diese defizitäre Informationslage zu spüren: Die Frauen sind zum Teil schlecht informiert und die Berater*innen haben nicht selten auch die Aufgabe, die vorhandenen Informationen der Frauen zu korrigieren. Die Möglichkeit, sich wertfrei und korrekt über einen Abbruch zu informieren, wie das Zitat in der Überschrift exemplarisch zeigt, hat eine wesentliche Bedeutung im Entscheidungsprozess und ist eine Grundvoraussetzung für eine selbstbestimmte Entscheidung.

Wie sich Frauen konkret informieren, inwiefern sie die von ihnen recherchierten Informationen als seriöse Quellen oder Falschinformationen einordnen können oder wie sie ihren Informationsstand selbst einschätzen beziehungsweise wie dieser von Beraterinnen und Beratern eingeschätzt wird, wurde bislang nicht empirisch erhoben. Diese und weitere Fragen standen daher im Mittelpunkt des wissenschaftlich begleiteten Forschungsprojekts, bei dem neben dem Jugendamt Stuttgart weitere Beratungsstellen aus der Region Stuttgart mitwirkten. Die erarbeiteten Ergebnisse ermöglichen Schlussfolgerungen für neue Perspektiven und eine weitere sehr praxisnahe Qualitätsentwicklung der Beratung. Darüber hinaus stärken sie das Selbstverständnis des kommunalen Trägers, Stellung zu Tabus zu beziehen und die diesbezügliche Öffentlichkeitsarbeit neu und innovativ zu gestalten.

Informationen im Schwangerschaftskonflikt – der Forschungsstand


Neben gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen hat die Suche nach Informationen eine besondere Relevanz im individuellen Erlebens- und Entscheidungsprozess von (ungewollt) Schwangeren. Hierbei gibt es zwar einen hohen Bedarf an Onlineinformationen, aufgrund der Kriminalisierung und Stigmatisierung von Schwangerschaftsabbrüchen müssen Ratsuchende jedoch sowohl mit Falschinformationen als auch mit Beschimpfungen im Netz rechnen.3 Eine Studie aus den USA zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Google-Suchmaschinenanfragen qualitativ minderwertig ist (vgl. Pleasants et al., 2021). Obschon Forschungen zur Onlinerecherche von sexuellen und reproduktiven Themen auch hierzulande an Bedeutung gewinnen, ist bislang wenig über die genaue Suche und die genutzten Internetquellen von Personen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, bekannt (vgl. Kubitza et al., i. V.).

Darüber hinaus kann das Schwangerschaftskonfliktberatungsgespräch ebenfalls eine Informationsquelle, zum Beispiel über den Abbruch, zur Verhütung, zu psychosozialen Konflikten sein. Diese Informationsvermittlung ist in § 2 Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) festgelegt und wird dort entsprechend der fallspezifischen Bedarfe und Fragen der Frauen durch die Beratenden umgesetzt (vgl. Koschorke, 2019, S. 63 f.). Welche Relevanz diese Informationsvermittlung jedoch für die ungewollt Schwangeren hat, bei welchem Aufklärungs- beziehungsweise Informationsstand der Frauen die Beratenden hierbei ansetzen müssen und inwiefern die Frauen vorab recherchierte Onlinequellen als seriös einschätzen können, wurde bislang nicht untersucht. Mit diesen Forschungsdesideraten beschäftigte sich das Projekt.4

Gemeinsam forschen – das methodische Vorgehen


Methodische Grundlage des hier vorgestellten Forschungsprojekts bildete die Kooperation von Beratungsfachkräften von insgesamt neun Beratungsstellen der pro familia, der Diakonie, von donum vitae und in städtischer Trägerschaft aus der Region Stuttgart, die eine Beratungsbescheinigung nach § 219 StGB ausstellen, und der Erziehungswissenschaftlerin Dr. Christiane Bomert von der Universität Tübingen. Diese Zusammenarbeit war mit dem Ziel verbunden, die Beratungspraxis zu reflektieren und relevante, selbst gewählte Aspekte und Probleme aus einer distanzierteren Perspektive zu beleuchten.

Um die oben genannten Fragen zu beantworten, wurden mit wissenschaftlicher Unterstützung zwei Fragebögen konzipiert. Diese wurden im Anschluss an die Beratungsgespräche durch die ungewollt Schwangeren (168 befragte Personen) sowie die Berater*innen (zur inhaltlichen Ergänzung; 174 ausgefüllte Fragebögen) ausgefüllt. Anschließend an die mehrmonatige Befragung wurden die rund 350 Fragebögen gemeinsam ausgewertet und Implikationen für die Beratungspraxis abgeleitet.

Informationsstand und -aneignung im Kontext ungewollter Schwangerschaften: Ergebnisse der Befragungen


Die Erwartungen an das Beratungsgespräch ...

Erscheint lt. Verlag 19.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-7799-8439-3 / 3779984393
ISBN-13 978-3-7799-8439-9 / 9783779984399
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