Diskriminierungskritische Mediation und Konfliktbearbeitung (eBook)
116 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8063-6 (ISBN)
Gudrun Perko, Jg. 1962, Prof. Dr., Philosophin (Studium der Philosophie in Wien), Professorin für Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Potsdam (Fachbereich Sozial- und Bildungswissenschaften). Sie ist Mitbegründerin des Instituts 'Social Justice und Radical Diversity'.
1.Diskriminierungskonflikte und Machtdynamiken
Stehen in der Mediation Konflikte im Zentrum, in denen das Thema Diskriminierung eine direkte oder indirekte, also nicht ausgesprochene Rolle spielen, schlage ich vor, diese Konflikte mit dem Begriff „Diskriminierungskonflikte“ zu benennen. Diese Bezeichnung wirft die Frage auf, ob Diskriminierung ein Konflikt sein kann bzw. ob bei Diskriminierungspraxen von einem Konflikt gesprochen werden kann.
1.1Konflikte – Diskriminierung – Macht
Ein Konflikt – vom lateinischen Begriff confligere (zusammentreffen, kämpfen) und conflictus (Aneinanderschlagen, Zusammenstoßen; im weiteren Sinne auch Streit, Kampf) – bedeutet, wie in der Einleitung beschrieben, dass es sich um unvereinbare Interessen, Vorstellungen, Meinungen, Werte und Ziele handelt und dass es um die Unvereinbarkeit im Denken, Fühlen, Wollen zwischen den Akteur*innen geht (Glasl 2002 a, b, Rosenstiel 1980). Sind soziale Konflikte von Fragen der Diskriminierung charakterisiert, so zeigen sich diese Momente als Thema im Konflikt. Mit der Bezeichnung Diskriminierungskonflikte wird also Diskriminierung weder relativiert noch verharmlost. Vielmehr wird damit angezeigt, dass der Konflikt zwischen zwei oder mehreren Personen sich um das Thema Diskriminierung kreist. Das kann u. a. bedeuten, dass die Konfliktparteien von Diskriminierung getroffen sind und darüber in Konflikt geraten, wer Furchtbareres erlebt hat, dass sich Konfliktparteien gegenseitig diskriminieren oder dass eine dritte Person Diskriminierung erfährt und sich die Konfliktparteien dazu unterschiedlich verhalten. Das Wesentliche ist die freiwillige Entscheidung und Autonomie der Konfliktparteien diese Konflikte in einer Mediation lösen zu wollen.
Beispiele aus meiner eigenen Praxis im Kontext der Sozialen Arbeit und in der diskriminierungskritischen Erwachsenenweiterbildung „Social Justice und Diversity“ (siehe dazu Czollek/Perko et al. 2019; Czollek/Czollek 2023) verdeutlichen unterschiedliche Konfliktthemen, welche die Konfliktparteien mit Unterstützung einer Mediation lösen wollten, weil sie nicht mehr arbeitsfähig waren.
Beispiele: Themen bei Diskriminierungskonflikten
Konfliktparteien | Konfliktthemen |
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2 Personen | „Einseitige Diskriminierung“ In diesem Konflikt diskriminiert eine Person (A) eine andere Person (B), beispielsweise im Arbeitskontext oder in einer Weiterbildung. Die Konfliktparteien sind nicht mehr arbeitsfähig. |
2 Personen | „Gegenseitige Diskriminierungserfahrungen nicht ernst nehmen“ In diesem Konflikt diskriminieren sich Person (A) und Person (B) gegenseitig, beispielsweise im Arbeitskontext oder in einer Weiterbildung. Die Konfliktparteien möchten davon Abstand nehmen, die Hintergründe eruieren und Lösungen finden. |
2 Personen | „Diskriminierung einer dritten Person“ In diesem Konflikt ist eine Person (C), die nicht an der Mediation teilnimmt, aber Grund für den Konflikt ist, von Diskriminierung getroffen. Die Konfliktparteien (A, B) nehmen diese Diskriminierung, die nicht von ihnen selbst ausgeht, beispielsweise im Arbeitskontext wahr oder sie nehmen sie im Arbeitskontext nicht wahr. |
2 Personen | „Diskriminierung der Anderen“ In diesem Konflikt diskriminieren die Konfliktparteien (A, B) andere Personen (C, D, E), beispielsweise im Arbeitskontext. Sie geraten dadurch selbst in einen Konflikt, weil sie ihre eigene Diskriminierungspraxen zugunsten eines anerkennenden und wertschätzenden Umgangs beenden möchten. |
Gruppe/Team | „Diskriminierend in einer Gruppe“ Eine Anzahl von Personen diskriminieren einen Teil der Gruppe. Es kommt beispielsweise zu sexistischen, antisemitischen, rassistischen Äußerungen. Der Rest der Gruppe äußert sich nicht zu dem Geschehen. Die Gruppe ist nicht mehr arbeitsfähig. |
Gruppe/Team | „Beanspruchen eines Raumes aufgrund von Diskriminierungserfahrungen“ Eine Anzahl von Personen beansprucht im Arbeitskontext einen Raum mit je unterschiedlichen Bedürfnissen aufgrund erfahrener Diskriminierung, wobei die Beteiligten von verschiedenen Diskriminierungsformen getroffen sind. Dabei geht es um Antimuslimischen Rassismus, Antisemitismus, Ableismus und Diskriminierung von LGBTQ+. |
Leitung/Team | „Diskriminierung im Kontext von Bossing“ Eine Leitungskraft oder der Vorstand diskriminiert Mitarbeiter*innen (eine oder mehrere). Die diskriminierten Mitarbeiter*innen erleben diese Diskriminierungspraxis in ihrer Verbindung mit Bossing, eine Form von Mobbing, die von der Leitungsebene ausgeht. |
Gruppe/Team | „Konkurrenz zwischen diskriminierten Personen“ Die Personen sind jeweils von einer bestimmten Diskriminierungsform getroffen. Sie werfen sich gegenseitig Rassismus, Sexismus, Klassismus etc. vor und beanspruchen jeweils am meisten „Opfer“ zu sein. Die Gruppe ist nicht mehr arbeitsfähig. |
Gruppe/Team | „Eigene Diskriminierungserfahrungen“ Einige Personen erleben Diskriminierung (z. B. Rassismus, Klassismus, Sexismus) und werfen aus diesen Erfahrungen heraus anderen Personen vor, z. B. Rassismus, Klassismus, ... |
Erscheint lt. Verlag | 10.4.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Sozialpädagogik |
ISBN-10 | 3-7799-8063-0 / 3779980630 |
ISBN-13 | 978-3-7799-8063-6 / 9783779980636 |
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Größe: 813 KB
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