Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de
Maul aufmachen! -  Dieter Schlatermund

Maul aufmachen! (eBook)

Demokratie wlll konstruktiven Streit
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
260 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7583-4133-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Dieter Schlatermund, 1939 in Hamburg geboren, blickt auf eine Karriere im Management eines internationalen Chemiekonzerns zurück, zuletzt als Kaufmännischer Vorstand eines Unternehmens der Spezialchemie. Er bedauert unter "seinesgleichen" zu viel Zurückhaltung in der öffentlichen Debatte. Er widersetzt sich der verbreiteten resignativen Meinung, man könne als Einzelner nichts bewirken. Anhand konkreter Beispiele widerlegt er diese Ansicht. Mit seinem Buch will Dieter Schlatermund Menschen wie er selber ermutigen, sich zu Wort zu melden, Stellung zu beziehen, Meinung zu vertreten, sich dem Diskurs zu stellen - sprich: aktiv teilzunehmen am demokratischen Prozess. Es geht, so der Autor, um nicht weniger als die Verteidigung der Demokratie - auf der Ebene von derem Souverän, dem Bürger.

Dieter Schlatermund, geboren 1939 in Hamburg, sieht sich als Angehörigen einer privilegierten Generation. Er fühlt sich überdies vom Schicksal bevorzugt behandelt. Das ist für ihn Anlass, über sein Leben Rechenschaft abzulegen. Er tut das in diesem Buch, das keine "Biografie" ist, sondern die Schilderung prägender Erlebnisse, Erfahrungen, Meinungen und Taten.

1. MAUL AUFMACHEN!


Zugegeben: die Überschrift ist derb, ja leicht frivol. Ich habe mich dennoch dazu durchgerungen, sie nicht nur für dieses Kapitel, sondern zugleich als Titel für das Buch zu verwenden, dem im Vorwort beschriebenen Zweck des Buches zuliebe.

Wie im Vorwort bereits gesagt: Weit verbreitet sind die Ansicht und die Haltung: Sich gegen Missstände auflehnen lohnt nicht, man vermag als Einzelner ja doch nichts auszurichten. Ich habe mich immer gegen eine solche Einstellung gewandt. Ich könnte vielfältige Beweise dafür beibringen, dass man etwas bewirken kann, meist im Kleinen, manchmal auch im Größeren. Hier nur drei Beispiele pars pro toto für Verbesserungen, zunächst die kleine:

Als Bonn noch Bundeshauptstadt war und ich öfter zu Verbandstreffen dorthin fahren musste, hatte ich beim ersten Mal bei der Rückfahrt nach Frankfurt die falsche Autobahn erwischt, weil die Hinweisschilder beim Verlassen der Stadt immer nur die nächst gelegenen Orte nannten, nicht aber zum Beispiel Frankfurt im Süden oder Dortmund im Norden. Noch während der Rückfahrt diktierte ich einen kurzen Brief an den damals recht bekannten Regierungspräsidenten Antwerpes. Drei Tage später ging ein Dankesanruf in meinem Büro ein und nur wenige Tage später waren Zusatzschilder angebracht: »Nach Frankfurt über Sankt Augustin«. Das war ein Provisorium, bald ersetzt durch Schilder mit Frankfurt an erster Stelle. Wie vielen Bonn-Reisenden mag mit dieser winzigen Tat Zeit und Ärger erspart worden sein?

Von mehr Gewicht ist dieser Vorgang: Ein einstiger Kollege von mir im Geschäftsbereich Pharma der Hoechst AG, Fritz Straub, hatte 1992 aus der Treuhand die Deutschen Werkstätten Hellerau (DWH) in Dresden erworben. Die DWH sind ein kultur- und geschichtsträchtiges Unternehmen, eng verbunden mit der Lebensreform-Bewegung um die vorletzte Jahrhundertwende und dem späteren Bauhaus. In der DDR waren sie zum Massenmöbelhersteller degradiert worden und hatten auf dem Feld nach der Wiedervereinigung keine Chance gegen die westliche Konkurrenz. Fritz Straub hat mit einer ungeheuren Kraftanstrengung die DWH vollständig neu ausgerichtet, weg von Möbeln, hin zum hoch anspruchsvollen Innenausbau mit dem Schwerpunkt auf dem maritimen Feld, sprich: der Ausrüstung großer Luxus-Yachten. Er hat die DWH vor dem Untergang bewahrt und damit sehr viele anspruchsvolle Arbeitsplätze gerettet und mittlerweile neue geschaffen, zugleich ein Kulturdenkmal von Rang erhalten. Ich hatte ihn, ohne sein Wissen, für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen (das er nicht anstrebte, auch nicht zu Markte getragen hätte, über das er sich gleichwohl, das darf man annehmen, gefreut hätte). Der Bundestagsabgeordnete Vaatz, ehemaliger DDR-Dissident, danach Chef der Sächsischen Staatskanzlei und später Sächsischer Umweltminister, sowie »mein« damaliger Bundestagsabgeordneter Riesenhuber unterstützten den Vorschlag mit Nachdruck. Der Sächsische Ministerpräsident Milbradt aber befand, dass (Zitat) »die Etablierung der ´Deutsche Werkstätten Hellerau´ nach der Wende unter marktwirtschaftlichen Bedingungen und das Anknüpfen an die alte Produktphilosophie für sich allein nicht als ordenswürdige Leistung (gelte), zumal damit auch die Absicht der Gewinnerzielung verbunden war«. Diese Äußerung hatte mich derart empört, dass ich mich an den Bundespräsidenten Köhler gewandt hatte. Der Zufall wollte es, dass der frühere Leiter des Bundespräsidialamtes Jansen ein Freund eines Kollegen und Freundes von mir war. Der hatte dafür gesorgt, dass mein Brief tatsächlich auf den Tisch des Bundespräsidenten gelangte. Ich hatte darin gesagt, dass mir sehr viele Träger des Bundesverdienstkreuzes persönlich bekannt seien, deren Leistungen – und Wirkungen – nicht im Entferntesten an die des von mir Vorgeschlagenen heranreichten. Nur zwei Wochen später konnte man in der F.A.Z. auf der Titelseite lesen, dass der Bundespräsident bei der Ordensvergabe künftig kritischer verfahren wolle. Zufall? Vielleicht. Wahrscheinlicher aber ist, dass meine Beschwerde der letzte Tropfen in ein ohnehin schon randvolles Fass gewesen ist.

Und ein noch frischer Fall sei auch genannt: Aufgrund meiner Erfahrungen als Kriegs- und Nachkriegskind, aber auch im Angesicht heute vielerorts bestehender Hungersnot, stoße ich mich daran, dass in Restaurants regelmäßig Mengen an Speisen auf Tellern hinterlassen werden und dann entsorgt werden müssen, weil die Portionierungen grundsätzlich am denkbaren Maximum bemessen werden. Lange schon kreiste in meinem Kopf der Gedanke, diesem Frevel durch ein »Mini/Midi/Maxi«-System entgegenzuwirken. Aufgereizt durch einen Bericht in der F.A.Z. mit der Überschrift »All you can wegschmeißen«, habe ich mich dann im Januar 2018 aufgerafft und der Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), Frau Ingrid Hartges, in einem Brief den genannten Gedanken nahegebracht und sie gebeten, das Thema auf die Agenda des Verbandes zu setzen. Ich erhielt zunächst keine Antwort, schickte ihr bald darauf den Brief erneut, dieses Mal per Einschreiben mit Rückschein, mit ein paar Begleitzeilen, worin ich die Vermutung äußerte, dass mein Brief gar nicht zu ihr gelangt, sondern in ihrem »Orbit« abgefangen worden war. Kurz darauf erhielt ich einen dreiseitigen Brief von Frau Hartges, worin sie bestätigt, dass mein Schreiben sie nicht erreicht habe und mir für meine Hartnäckigkeit dankt. Sie verweist auf bereits in Gang gesetzte Initiativen, auf kritische Punkte im Umgang mit der Problematik, anerkennt aber, dass ich mich im Gegensatz zu manchen anderen forschen Vorschlägen, die ihr zugehen, differenziert mit der Thematik auseinandergesetzt hatte. Sie versprach, dem Thema noch mehr Aufmerksamkeit als bisher zu schenken. Dafür, dass sie mir nicht das Seniorengericht, das Pendant zum Kinderteller, entgegengehalten hatte, habe ich ihr ausdrücklich gedankt.

Dass man als ganz normaler Bürger in die »große Politik« rein menschlich einwirken kann, beweist der nachfolgende Briefaustausch mit dem letzten, aus freien Wahlen hervorgegangenen Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, im Rückblick immerhin eine historische Figur.

Brief vom 14. Januar 1991 an den Bundesminister Lothar de Maizière, c/o Bundeskanzleramt, Bonn:

Sehr geehrter Herr de Maizière,

auch wenn es einem mit Sympathiebekundungen vermutlich Überfrachteten noch zusätzliche Lektüre zumutet: es drängt mich, Sie wissen zu lassen, dass in meinem nicht so kleinen Freundes- und Bekanntenkreis einhellig die Überzeugung herrscht, dass Sie sich nicht schuldhaft in Stasi-Aktivitäten verstrickt haben.

Ich glaube, dass die überwältigende Mehrheit im ganzen Deutschland genauso denkt und es mit Bedauern, aber zugleich Respekt vor den Normen einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung, hinnimmt, dass Sie in die Fänge der Pharisäer unserer Zeit geraten sind: der sogenannten »Enthüllungspresse«.

Ihre Rolle als Mit-Wegbereiter der deutschen Einheit, nach der Sie sich deutlich wahrnehmbar niemals gedrängt haben, wird vor der kritischen Analyse der Historiker Bestand haben. Und einen ebenso unauslöschlich positiven Eintrag in das Buch der Geschichte hat Ihr – aber auch vieler anderer Politiker (aller Couleur) aus der ehemaligen DDR – wohltuender und hoffentlich nachhaltiger Beitrag zur »politischen Kultur« in der Bundesrepublik. Ihrer aller Verzicht auf Marktschreierei, Polemik und billige Effekte war und bleibt Balsam für viele Bürger, die der Schwadronage allzu vieler bundesdeutscher Politprofis überdrüssig sind.

Ich wünsche Ihnen von Herzen eine glückliche Zukunft.

Mit freundlichen und respektvollen Grüßen,

Dieter Schlatermund

Antwort von Lothar de Maizière:

Auch Leserbriefe sind ein Mittel, Einfluss zu nehmen, dies zumindest anzustreben. Die Resonanz bei anderen Lesern auf eine veröffentlichte Zuschrift zeigt, wie sehr man mit einer dezidierten Meinungsäußerung ins Schwarze – oder auch auf Widerspruch, auf jeden Fall auf Interesse – treffen kann. Zu den verschiedensten Themen habe ich mich ausgelassen, manchmal aber auch nur einzelne Redakteure auf deren Berichte und Glossen angesprochen, ohne Veröffentlichungswunsch. Immer stieß ich auf Aufgeschlossenheit, insbesondere da, wo man einen Kenntnis- oder Erfahrungsvorsprung hatte. Man kann Journalisten in ihren Äußerungen bestärken oder kritisieren, ggf. auch korrigieren, sollte das aber immer maßvoll tun. Zu einer ganz breiten Palette an Themen habe ich im Laufe der Jahre meine Meinung kundgetan, und meist, nicht immer, wurden meine Zuschriften auch aufgenommen. Ich verhehle nicht, dass man sich freut, sich mit seiner Äußerung in der Zeitung wiederzufinden. Natürlich ist auch ein Quäntchen Eitelkeit im Spiel. Nie aber war das die treibende Kraft; das waren immer das Thema und die persönliche Anteilnahme...

Erscheint lt. Verlag 14.2.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7583-4133-7 / 3758341337
ISBN-13 978-3-7583-4133-5 / 9783758341335
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die EU auf dem Weg zu einer neuen Identität

von Heinz Handler

eBook Download (2024)
Springer Fachmedien Wiesbaden (Verlag)
CHF 29,30