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Der Geist aus der Maschine (eBook)

Eine superschnelle Menschheitsgeschichte des digitalen Universums. Nominiert für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2024
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-31279-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Geist aus der Maschine -  Andrian Kreye
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Welche Zukunft hat der Mensch im digitalen Universum?
Noch nie hat sich ein entscheidendes Kapitel der Menschheitsgeschichte so schnell vollzogen wie die digitale Revolution. Der renommierte Kulturjournalist Andrian Kreye hat den Aufstieg der digitalen Technologien von einer Subkultur der Programmierer, Wissenschaftler und utopischen Denker in den 1980er-Jahren zur kulturellen, sozialen und politischen Superkraft der Gegenwart genau verfolgt. Die Geschichte der digitalen Revolution beschreibt er nicht nur als Chronist eines Kulturwandels, sondern auch als Augenzeuge aus dem Blickwinkel des politischen Reporters.

Ein spannendes und wichtiges Buch für das Heute an der Schwelle zu einem neuen digitalen Zeitalter.

Andrian Kreye ist leitender Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung. Von 2007 bis 2020 war er dort Ressortleiter des Feuilletons. Davor arbeitete er lange als Korrespondent in New York. Von dort aus berichtete er nicht nur über die USA, sondern auch über Krisenherde in Lateinamerika, Afrika, Asien, dem Nahen Osten und auf dem Balkan. In den USA hat er seit den späten Achtzigerjahren die Entwicklung der digitalen Welt von der Subkultur zur Alltagstechnologie begleitet. Er ist Autor mehrerer Bücher und Filme. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Theodor-Wolff-Preis 2019, dem George F. Kennan Award for German-American Commentary 2021 und dem Medienpreis für digitale Aufklärung 2022 ausgezeichnet.

Vorwort


Wann genau hat sich mein Leben in einen Science-Fiction-Roman verwandelt? Während ich an diesem Vorwort arbeite, bereite ich gerade eine Reise in die Schweiz vor, wo Wissenschaftler in einem Labor am Genfer See eine künstliche Intelligenz entwickeln, die nicht mehr auf einem neuronalen Netz aus Siliziumchips läuft, sondern auf einem Netz aus menschlichen Zellen. Später werde ich einen Professor in München besuchen, der in seinem Labor synthetische DNA herstellt, die in Zukunft Chips und Festplatten als Speichermedien ersetzen soll. In Amerika feilschen sie unterdessen darum, das komplette Weltwissen jetzt und für alle Zukunft in KIs einzuspeichern. All dies soll die Entwicklung beschleunigen, die im Herbst des Jahres 2022 damit begann, dass ein paar Programmierer des Start-ups OpenAI in San Francisco beschlossen, ihre künstliche Intelligenz namens ChatGPT auf die Menschheit loszulassen.

Sie waren nicht die Einzigen, die solche KIs konstruiert hatten, mit denen man sich erstmals unterhalten konnte wie mit einem Menschen. Sie waren nur die Einzigen, die sich nicht darum scherten, dass diese Programme eigentlich noch nicht ausgereift genug waren, um sie in Massen zu verbreiten. So springt künstliche Intelligenz gerade aus den Maschinen ins Leben der Menschen. Vorbei die Zeiten, als KI sicher hinter den Glasscheiben von Monitoren und Touchscreens verwahrt war. Sie hat begonnen, in jeden Winkel des menschlichen Lebens vorzudringen, bis in die Köpfe hinein. Sie kann nun vor allem selbstständig handeln.

Die Menschen haben davor Angst. Fast die Hälfte aller Deutschen fürchten sich vor künstlicher Intelligenz. In Amerika sind es sogar mehr als die Hälfte der Menschen. Tendenz steigend, vor drei Jahren waren es nur ein Drittel. Diese Ängste haben wenig mit Science-Fiction zu tun, auch wenn einige Pioniere der KI Horrorszenarien vom Ende der Menschheit und der Welt entwerfen, als sei künstliche Intelligenz keine Technologie, sondern ein Monster, ein Meteorit oder eine Massenvernichtungswaffe. Das Ende der Menschheit oder der Welt ist allerdings die geringste Sorge, die KI den Menschen bereitet. Es sind konkrete Ängste, wenn man die Untersuchungen zum Beispiel des Bayerischen Forschungsinstituts für digitale Transformation oder des Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center liest. Das ist die Furcht vor Kontrollverlust, vor dem Verlust des Arbeitsplatzes und vor der Verstärkung gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten, es sind die Ängste vor Falschnachrichten, vor Angriffen mit digitalen und vor dem Einsatz autonomer Waffen. Das sind berechtigte Befürchtungen, weil digitale Technologien all diese Probleme schon länger verstärken. Diese Ängste sind aber auch Symptome eines Zukunftsschocks, wie ihn Soziologen und Futuristen in den 1970er-Jahren schon einmal diagnostizierten, als sich die Entwicklungen damals überschlugen. Die Geschwindigkeit, mit der sich der technische Fortschritt gerade vollzieht, ist ähnlich gewaltig. Wie vor fünfzig Jahren beschleunigt dieser Fortschritt die Auflösung von Institutionen. Wirtschaft, Politik und Bildung sind infrage gestellt. Geistesarbeit wird automatisiert, Kommunikation findet immer häufiger zwischen Mensch und Maschine statt, selbst Emotionen werden zu berechenbaren Datenpaketen.

So überraschend der KI-Boom im Herbst 2022 begann und eine Geschwindigkeit aufnahm, die einen auch dann beeindruckt, wenn man sich schon länger mit der digitalen Welt befasst, das kommt alles nicht plötzlich aus dem Nichts. KI ist eine Technologie aus den Fünfzigerjahren. Die digitale Gesellschaft hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Und selbst die neuen KI-Modelle, die eigenständig agieren und die mithilfe von Menschen Texte, Bilder und Videos produzieren können, gibt es seit über zehn Jahren. Deswegen geht die Menschheit nicht unvorbereitet über die Schwelle zu dieser neuen Phase der Digitalisierung.

Was sich in den vergangenen dreieinhalb Jahrzehnten vollzogen hat, war die Entstehung einer digitalen Gesellschaft, in der Informationen Rohstoffe und Produkte als größten Wert abgelöst haben. Man hat als Reporter selten das Glück, einen historischen Abschnitt von Anfang bis zu seinem Übergang ins nächste Kapitel zu begleiten. Wobei sich Entwicklungen von einem Ausmaß wie dem Aufstieg der digitalen Kultur vom Biotop einer Subkultur aus Wissenschaftlern und Techies zum Betriebssystem für die moderne Gesellschaft selten in einer solchen Geschwindigkeit vollziehen.

Begonnen hat das alles mit dem Mauerfall. Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Ende des Kalten Krieges lag eine lange Phase der Forschung. Rechner waren die meiste Zeit Werkzeuge und Forschungsobjekte von Universitäten, Konzernen und Militärs. Mit dem Ende des Kalten Krieges kam aber auch das, was der Politologe Francis Fukuyama erst einmal als Ende der Geschichte deklarierte. Aus dem Wettkampf der Ideen des 20. Jahrhunderts war der Kapitalismus mit seinen Idealen von der Freiheit der Märkte und Menschen als Sieger übrig geblieben. Forschung und Technik verloren aber auch ihre Geldquellen aus diesem Wettrennen, in dem sie als intellektuelle Muskelspiele ganzer Nationen nur selten in Wertschöpfungsketten gezwungen wurden.

Ende der Achtzigerjahre änderte sich das. Als ich den Pionieren der digitalen Gesellschaft zu dieser Zeit erstmals begegnete, war diese digitale Gesellschaft noch eine Vision. Jetzt ist sie Realität. Nicht nur das. Die digitale Gesellschaft war auch der Siegeszug einer sehr kleinen Gruppe Männer, die mehr Reichtum anhäuften als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.

Die Geschichte dieses digitalen Universums ist wie so vieles in dieser virtuellen Welt ein Spiegelbild der wahren Welt. Von ihrem Ursprung in den Achtzigerjahren bis heute findet man unzählige Parallelen. Selbst die Phasen der Geschichte gleichen sich, weswegen die Kapitel der ersten Jahrzehnte in diesem Buch diese historischen Abschnitte im Titel tragen. Das manifestierte sich hin und wieder in direkten Parallelen. Die Unterseekabel, welche die Kontinente mit dem Internet verbinden, verlaufen zum Beispiel entlang der Seehandelsrouten aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Das Silicon Valley wäre in diesem Bild die East India Company der Gegenwart. Ähnlich wie die Kaufmannsgesellschaft des britischen Kolonialreiches ist das Zentrum der digitalen Industrie reicher und damit auch mächtiger als die Nation, aus der sie ihre Geschäfte betreibt. Die East India Company verfügte auf ihrem Höhepunkt um 1800 über mehr Reichtum und vor allem über mehr Soldaten als die Krone. 200 000 Mann standen unter ihrem Befehl. Damit zementierten die Händler ihre Macht nicht nur in Indien, sondern auch in China und den südostasiatischen Inselreichen. Das war der Punkt, an dem die Krone einschritt, vor allem mit Gesetzen.

Die digitale Industrie ist an einem ähnlichen Punkt. Im Jahr 2021 summierten sich die Einkünfte der Big 5 aus dem Silicon Valley – also Amazon, Apple, Facebooks Mutterkonzern Meta, Googles Mutterkonzern Alphabet und Microsoft – auf 1,4 Billionen US-Dollar. Das Budget der amerikanischen Streitkräfte, also der mächtigsten und größten Armee der Welt, wurde in dem Jahr für 2022 auf etwas mehr als die Hälfte, auf 766 Milliarden Dollar festgelegt. Kein Wunder also, dass sich nicht nur die Menschen, sondern auch die Nationen vor dieser Macht fürchten, die aus dem Nichts und mit ein wenig Strom, Licht und Silizium ein Weltreich errichtet hat. Erste Vorstöße der Exekutive in den USA und der Gesetzgeber in Europa gibt es. Und auch im Volk der Nutzer rührt sich Widerstand.

Wenn ich nun die Geschichte der digitalen Gesellschaft aufschreibe, dann nicht mit der Analyse des Historikers, sondern mit meinen Erfahrungen als Reporter und den Erlebnissen als Zeitzeuge. Wenn ich dabei meist das generische Maskulinum verwende, ist das keine grammatikalische Bequemlichkeit, sondern die Realität der Welt der Technologie und Wissenschaften. Erst langsam bekommen Frauen in dieser Geschichte tragende Rollen. Meist noch als Whistleblowerinnen, so wie Frances Haugen, Brittany Kaiser und Sophie Zhang, oder als Kritikerinnen, so wie Shoshana Zuboff, Timnit Gebru und Emily Bender. Genialische Pionierinnen wie die Informatikerinnen Fei-Fei Li, Rosalind Picard oder Elisabeth André sind noch die Ausnahme.

Man kann aus dieser Geschichte sicherlich lernen. Was für Schlüsse man daraus ziehen mag, überlasse ich den Leserinnen und Lesern. Nur eines steht fest: Angst muss man keine haben, weder vor der Digitalisierung noch vor der künstlichen Intelligenz. Dreißig Jahre sind nur ein Augenblick in der Geschichte der Menschheit, selbst in einer Familiengeschichte nur eine Generation. Und doch ist es genug Zeit, um Erfahrungen zu sammeln, mit diesen neuen Technologien umzugehen.

Es sind vor allem Missverständnisse, die zu Problemen führen. Jeder kennt den Leitspruch der digitalen Kultur »Information wants to be free«. Das war nie als Freiheitsbegriff gemeint, sondern bedeutete, dass Informationen umsonst sein sollten. Das hat ganze Branchen und vor allem die Kultur um ihre Existenzgrundlagen gebracht. Ganz so aber war das nicht gemeint. Es handelte sich vielmehr um eine Überlegung, die der Vordenker der Hippie- und dann der digitalen Bewegung Stewart Brand 1984 anstellte. Da saß er mit seinem Freund, dem Literaturagenten John Brockman, bei der ersten Hackerkonferenz in einem alten Armeestützpunkt in Marin County an einem Tisch. Brand sagte damals: »Einerseits wollen Informationen teuer sein, weil sie so wertvoll sind. Die richtige Information an der richtigen Stelle verändert dein ganzes...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2024 • ChatGPT • Codes • eBooks • Elon Musk • Hyperlink • Internet • Julian Assange • KI • Marvin Minsky • Neuerscheinung • Revolution • Silicon Valley • Utopie
ISBN-10 3-641-31279-5 / 3641312795
ISBN-13 978-3-641-31279-4 / 9783641312794
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