Als Lehrperson in den Beruf einsteigen (eBook)
200 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036038-9 (ISBN)
Jun.-Prof. Dr. Doris Wittek ist Professorin für LehrerInnenprofessionalität und LehrerInnenbildungsforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Prof. Dr. Manuela Keller-Schneider ist Professorin für Professionsforschung und LehrerInnenbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich.
Jun.-Prof. Dr. Doris Wittek ist Professorin für LehrerInnenprofessionalität und LehrerInnenbildungsforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Prof. Dr. Manuela Keller-Schneider ist Professorin für Professionsforschung und LehrerInnenbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich.
Einleitung
Nach mehreren Jahren an der Hochschule und im Vorbereitungsdienst (gilt nur für Deutschland) beginnt die eigentliche Berufstätigkeit in der Schule – eine Zeit, auf die Sie lange hingearbeitet haben. Nach diesen Jahren des Studiums und der schulfeldbezogenen Qualifikation – entweder ins Studium integriert (in der Schweiz und in Österreich) oder im Vorbereitungsdienst als zweite Phase der Lehrer:innenbildung (Deutschland) – eröffnet sich nun die berufliche Tätigkeit in einer selbst zu gestaltenden und selbst zu verantwortenden Weise. Der Einstieg in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit ist dabei von Freude und Enthusiasmus begleitet, zeitweilen aber auch von Unsicherheiten und Zweifeln. Die Verantwortung für das berufliche Handeln darf nicht nur selbst getragen werden, sondern sie muss auch übernommen werden. Verantwortung zu tragen, ist dabei häufig von widersprüchlichen Gedanken begleitet, wie das folgende Zitat einer Lehrerin im Berufseinstieg zeigt.
»Endlich kann ich selber bestimmen, wie ich eine Klasse unterrichten und führen möchte! – Aber nun muss ich auch selber wissen, wie ich das tun will.« (Barbara Binder, nach sieben Wochen Berufstätigkeit, in Keller-Schneider, 2009b, S. 41)
Der Einstieg in den Lehrer:innenberuf ist geprägt von dieser Eigenverantwortlichkeit und von einer größeren Reichweite des beruflichen Handelns als vollwertiges Mitglied des Kollegiums einer Schule. Die Schule als organisationale Einheit stellt über den Unterricht hinausgehende institutionsbezogene Anforderungen, die es als vollwertig ausgebildete Lehrperson über den Unterricht hinaus zu bewältigen gilt.
Der Halt gebende Rahmen der vorausgehenden Phasen der Lehrer:innenbildung und ihrer Akteur:innen, welche als Ausbildungspersonen unterstützend und begleitend, aber auch lenkend, fordernd und beurteilend das Handeln mitbestimmen, entfällt. Ein eigener Referenzrahmen muss entwickelt werden, nach welchem sich Visionen und eigene Ansprüche richten. Damit stellt der Einstieg in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit als Lehrperson Anforderungen, auf die im Rahmen des Studiums und des Vorbereitungsdienstes nur begrenzt vorbereitet werden kann (Keller-Schneider & Hericks, 2014, 2022).
Die Komplexität und die Dynamik der gleichzeitig zu meisternden Anforderungen nehmen durch die Übernahme der beruflichen Verantwortung an der Schule sprunghaft zu. Daraus ergeben sich strukturbedingt Herausforderungen, die es zu bearbeiten und zu meistern gilt (Hericks, 2006; Keller-Schneider, 2009a, 2020a). Die selbst zu gestaltende und zu verantwortende berufliche Tätigkeit auszuüben, zudem in einem veränderten schulischen Umfeld, in der neuen Rolle als eigenverantwortliche Lehrperson und damit auch als vollwertiges Mitglied eines Kollegiums, erfordert weitere Entwicklungsschritte, in welche die Lehrperson als ganze Person eingebunden ist. Lernen ist nicht abgeschlossen, sondern dauert ein Berufsleben lang an, bedingt durch die sich verändernden Anforderungen und die sich entwickelnden individuellen Vorstellungen und Ziele (Keller-Schneider, 2021a).
Im Berufseinstieg stellen sich situativ mitbedingte Anforderungen, die als Entwicklungsaufgaben anzunehmen und zu bearbeiten sind, um in der weiteren beruflichen Entwicklung als weiterführende Professionalisierung voranzukommen (▸ Kap. 1 und 2). Diese bezieht sich auf die Person als Berufsperson, auf die Sache und ihre Vermittlung, auf die Adressat:innen und ihre Anerkennung als entwicklungsbedürftige und entwicklungsfähige Schüler:innen sowie auf die Institution und die damit verbunden Anforderungen der mitgestaltenden und mitverantwortenden Kooperation im institutionellen und organisationalen Kontext (Keller-Schneider & Hericks, 2014; Hericks, Bonnet & Keller-Schneider, 2022).
Dieses Weiterlernen erstreckt sich über die gesamte Berufsbiografie (Biesta & Tedder, 2007; Herzog, 2014; Keller-Schneider, 2021a). Dabei hebt sich die Berufseinstiegsphase von der Qualifikationsphase durch die Berechtigung zur Berufsausübung ab und geht fließend in die Berufstätigkeit als zunehmend erfahrene Lehrperson über. Bedingt durch die subjektive Wahrnehmung von Anforderungen in spezifischen Kontexten ist die Lehrperson als eigenaktives Subjekt Gestalterin ihrer weiteren Entwicklung, nicht Opfer ihrer Lebensumstände (Keller-Schneider, 2020a). Professionsspezifische Anforderungen, in rahmende Strukturen eingebettet, sind dabei von Bedeutung. Diese werden jedoch von den Lehrpersonen je verschieden wahrgenommen und gedeutet. Damit werden sie auch interindividuell verschieden und individuell geprägt wahrgenommen. Aufgrund der situativen Bedingtheit von Anforderungen und ihrer individuell geprägten Wahrnehmung gibt es im Beruf von Lehrpersonen kein eindeutiges Richtig und Falsch, sofern damit das Lernen und die Entwicklung der Schüler:innen unterstützt werden. Die Profession stellt Erwartungen, doch Professionelle sind gefordert, diese ihren professionellen Haltungen entsprechend zu gestalten und zu vertreten.
Ziele und Anliegen des Bandes
Der Titel dieses Bandes lautet ›Als Lehrperson in den Beruf einsteigen. Herausforderungen angehen, Lösungen finden‹. Damit bringen wir den Anspruch und das Angebot dieses Bandes in zwei Richtungen auf den Punkt: Wir möchten Sie erstens darin unterstützen und Ihnen Anregungen geben, die sich im Berufseinstieg stellenden Anforderungen als herausfordernd wahrzunehmen. Dabei meinen wir ›herausfordernd‹ im wahrsten Sinne des Wortes als die Möglichkeit, sich aus seinen gewohnten Routinen und Sichtweisen ›heraus‹ zu ›fordern‹. Die eigene Komfortzone zu verlassen, neue Wege zu erproben, andere Perspektiven zu ergründen: Dieser Zugang ergibt das Potential, in Ihrer Professionalisierung als Lehrperson voranzuschreiten. Der professionstheoretische Ansatz, den Ihnen dieser Band bietet, betont dabei, dass es nicht nur wichtig ist, die Herausforderungen des Berufseinstiegs wahrzunehmen, sondern diese zugleich auch ›anzugehen‹. Wir verstehen Sie demzufolge als Ihre Berufsbiografie aktiv Gestaltende. Sie sind den Anforderungen des Berufs nicht machtlos ausgeliefert, sondern können und sollen sich lenkend in Ihren Entwicklungsprozess als Lehrperson einbringen.
Zweitens möchten wir Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie ›Lösungen finden‹, damit diese Herausforderungen bearbeitet und bewältigt werden können. Dazu wollen wir auf den Berufseinstieg ausgerichtetes Professionswissen vermitteln sowie Reflexionsimpulse geben. Dabei gehen wir davon aus, dass es in Schule und Unterricht kein eindeutig richtiges Handeln gibt: Die Lösungen von konkreten Anforderungen werden von der spezifischen Situation sowie von individuellen Sichtweisen der handelnden Lehrperson geprägt. Insofern zeigen wir hier auf, wie sich Lösungen finden lassen können, und geben Impulse, um das eigene Handeln zu reflektieren und darauf aufbauend eigene Lösungswege zu entwickeln.
Der Band gibt Ihnen Impulse und kann Ihnen so Wege im Berufseinstieg aufzeigen; die Entscheidung, wie Sie eine Situation angehen und bewältigen, verbleibt bei Ihnen. Es werden keine Tipps oder Rezepte, die es zu befolgen gäbe, sondern Impulse gegeben, die erst in der eigenverantwortlichen Präzisierung ihre Wirkung entfalten können. Die wissenschaftliche Basis dafür bildet unsere jahrelange Erfahrung als Forscherinnen zum Berufseinstieg von Lehrpersonen sowie als Dozentinnen in der Lehrer:innenbildung in Deutschland und der Schweiz. Ein Kerngedanke ist dabei, Sie als neu in den Beruf einsteigende Lehrperson darin zu stärken, die Berufsaufgabe eigenverantwortlich anzupacken und Ihr individuelles Potential dafür zu nutzen, Ihre Berufstätigkeit professionell zu gestalten. Dieser Kerngedanke weist über den Berufseinstieg hinaus, da es für Ihre gesamte Berufsbiografie wichtig ist, sich stets auf neue, ungewisse Situationen in der Schule und im Unterricht einzulassen. Der stete Wandel ist das zentrale Kennzeichen des Lehrer:innen-Berufs, das Veränderung und Entwicklung in vielfältiger Weise ermöglicht. Dieses Potential zu erkennen und zu ergreifen, darin kann Sie dieser Band unterstützen.
Vorgehen und Gliederung des Bandes
Der Band gliedert sich in drei Teile, die jeweils eine eigene Frageperspektive einnehmen: Im ersten Teil steht die Frage ›Was wissen wir über den Berufseinstieg?‹ im Zentrum. Die jeweiligen Kapitel zeigen umfassend die Merkmale dieser beruflichen Phase auf und bieten Ansätze dafür, die Professionalisierung von Lehrpersonen in ihren spezifischen Bedingungen zu ergründen. Auf Grundlage des Konzepts der beruflichen Entwicklungsaufgaben lässt sich die Wahrnehmung, Bearbeitung und Bewältigung von Anforderungen verstehen. Empirische Befunde ermöglichen zudem, die eigenen Erfahrungen daraufhin zu befragen: Was gelingt wem? Was ist von Bedeutung für wen? Was fordert heraus? Wer nimmt es wie wahr? Sich selbst als Lehrperson innerhalb dieser Befunde zu verorten, kann helfen, eigenen Entwicklungspotentialen auf den Grund zu gehen. Im zweiten Teil finden sich themenbezogen spezifische Anforderungen des Berufseinstiegs. Es geht hier um die Frage ›Welchen Anforderungen...
Erscheint lt. Verlag | 31.10.2023 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Pädagogik ► Bildungstheorie |
Schlagworte | Schulentwicklung • Übergang • Unterricht |
ISBN-10 | 3-17-036038-8 / 3170360388 |
ISBN-13 | 978-3-17-036038-9 / 9783170360389 |
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Größe: 9,4 MB
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