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Amerika hat die Wahl (eBook)

Wie der Machtkampf ums Weiße Haus unsere Zukunft bestimmt
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
240 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-4876-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Amerika hat die Wahl -  Peter Winkler
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Im November 2024 wird in den USA gewählt. Es wird das Schicksalsjahr für Amerikas Demokratie, denn Donald Trump hat 2020/21 ein Tabu gebrochen: Er versuchte, den friedlichen Machttransfer aufzuhalten und ließ fanatische Fans das Kapitol stürmen. Wer sind die wichtigsten politischen Köpfe und wofür stehen sie? Wird Biden noch einmal antreten? Und warum verschwand die Hoffnungsträgerin Kamila Harris in der Bedeutungslosigkeit? Was haben Deutschland, Europa und die Weltpolitik von den USA nach den Wahlen zu erwarten? Die Außenpolitik, die Wirtschaftsbeziehungen und das Verhältnis zu China werden maßgeblich von der nächsten US-Regierung geprägt.



Peter Winkler hat über drei Jahrzehnte als Auslandskorrespondent der NZZ berichtet, seit 2011 aus den USA. In dieser Zeit hat er neben drei Präsidenten Trump, Obama und Biden auch die immer stärker werdende politische und gesellschaftliche Polarisierung miterlebt. Er ist bekannt für seine schonungslosen Analysen, die er seinen Leser:innen auf verständliche Art vermitteln kann. Winklers Artikel gehören zu den meistgelesenen der NZZ denn er berichtet unabhängig, anschaulich und direkt.

Peter Winkler hat über drei Jahrzehnte als Auslandskorrespondent der NZZ berichtet, seit 2011 aus den USA. In dieser Zeit hat er neben drei Präsidenten Trump, Obama und Biden auch die immer stärker werdende politische und gesellschaftliche Polarisierung miterlebt. Er ist bekannt für seine schonungslosen Analysen, die er seinen Leser:innen auf verständliche Art vermitteln kann. Winklers Artikel gehören zu den meistgelesenen der NZZ denn er berichtet unabhängig, anschaulich und direkt.

Einleitung: Die Qual dieser ganz besonderen Wahl



»Amerika hat die Wahl« – und das in vielerlei Hinsicht. Buchstäblich am 5. November, wenn das grosse Finale des Wahlzyklus 2024 über die Bühne gehen soll. Aber statt freudiger Erwartung herrscht im Publikum im Vorfeld vielmehr Unmut. Da stehen sich aller Wahrscheinlichkeit nach zwei alte weiße Männer gegenüber, der amtierende und ein ehemaliger Präsident, die eine Mehrheit der Amerikaner eigentlich gar nicht mehr wählen möchte. Der eine wäre bei seiner Vereidigung 82 Jahre alt, der andere 79. Ist es so schwierig, anderes, vielleicht gar jüngeres Personal zu finden?

Wir wissen vermutlich immer noch nicht, ob es wirklich zu diesem Duell kommen wird. Im amerikanischen Wahlkampf ist vieles möglich. Doch selbst wenn im November Joe Biden und Donald Trump zur Wahl antreten, steht mehr auf dem Spiel als nur die Frage, welcher der beiden der westlichen Führungsmacht vorsteht. Amerika hat auch die Wahl, ob es den Aufbruch in eine Zukunft wagen will, in der es auf seine vielfältig zusammengesetzte Bevölkerung stolz ist und in der zwar ein gesunder Wettbewerb herrscht, sich die verschiedenen Gruppen aber nicht stets neidisch belauern und missgünstig gegenüberstehen. Oder wollen sich die USA doch lieber noch einmal rückwärts wenden, vergangene Größe herbeisehnen und die Zeiten der unbestrittenen weißen Vorherrschaft beschwören?

Amerika hat auch die Wahl, ob es seine Führungsaufgabe im Lager der freiheitlichen Demokratien in einem kooperativen oder einem konfrontativen Stil wahrnehmen will – und nicht zuletzt hat es die Wahl, ob es diese Rolle überhaupt noch spielen will. Das sind Fragen, die auf Amerika zukommen, ob nun einer der zwei alten weißen Männer Präsident wird oder doch noch jemand anderer. Und es sind Fragen, die uns auch diesseits des Atlantiks bewegen und bewegen müssen.

In manchen europäischen Staaten scheinen die Meinungen allerdings bereits gemacht: Da heißt es, das Duell der Alten sei schlechte Werbung für die Demokratie, die im letzten Jahrzehnt von autoritären »Gegenmodellen« ohnehin immer stärker unter Druck geraten ist. Dass ein Duell stattfinden könnte, das eigentlich die Mehrheit nicht will, wird häufig den amerikanischen Republikanern und ihrer Hinwendung zu Donald Trump angelastet. Sie hätten die Chance verpasst, sich von Trump zu emanzipieren, dann hätten sie eine unbelastete Figur in eine aussichtsreiche Position für die Wahl im Herbst bringen können. Und dann hätte vielleicht auch Biden der Versuchung widerstehen können, trotz seiner unübersehbaren Schwäche erneut anzutreten. Biden fühlt sich gegenüber dem Mann, den er aus dem Weißen Haus verdrängte, im Vorteil. Und offensichtlich glauben auch viele Demokraten, dass ein Mann mit so viel Gepäck wie Trump unmöglich noch einmal gewinnen könne.

Genau deshalb wollen Biden und die Mehrheit der Parteiführung offenbar im November den dramatischen Showdown des klassischen Westerns inszenieren. Dafür kamen ihnen die verschiedenen Strafverfahren gegen Trump gerade recht. Sie wussten natürlich, dass die Anklagen im gegnerischen Lager zu einem Wagenburg-Effekt führen würden, dass sich die Republikaner um Trump scharen würden und dass es für jeglichen Herausforderer in der Republikanischen Partei umso schwerer werden würde.

Trotz beunruhigender Umfrageresultate in einigen kritischen Bundesstaaten rechnen sich die Demokraten für die Wahl im November 2024 deshalb Vorteile aus. Die Medienberichte über die Prozesse oder deren Vorbereitungen sollen dafür sorgen, dass Trumps Tabubruch nach der letzten Präsidentenwahl in den Schlagzeilen bleibt. Er selbst wird keine Gelegenheit auslassen, die Mär von der »gestohlenen Wahl« zu verbreiten und sich als Opfer dunkler Machenschaften darzustellen. Er soll dazu provoziert werden, immer schrillere Töne anzuschlagen, was in den letzten Monaten des Jahres 2023 bereits unüberhörbar der Fall war. Das müsste ihn, so lautet das Kalkül der Demokraten, für Wechselwähler und Unabhängige unwählbar machen. Zugleich soll es die potenziellen demokratischen Wählerinnen und Wähler derart aufschrecken, dass sie hoch motiviert an die Urnen strömen.

Sollte der Plan der Demokraten aufgehen, würde Trump sowohl rechtlich als auch politisch zur Verantwortung gezogen: einerseits mit möglichen Schuldsprüchen vor Gericht, anderseits mit einer weiteren Wahlniederlage. Das wäre, so hoffen sie, ein wirksames Mittel der Abschreckung gegen all jene, die sich Trump und dessen Verhalten nach seiner Wahlniederlage 2020 zum Vorbild machen wollen. Das einzige Problem dieser Wette ist, dass auch ein ganz anderer Ausgang möglich ist. Ein Sieg Trumps hätte verheerende Folgen. Eine Wiederwahl würde ihn nicht nur für geraume Zeit juristisch unantastbar machen, sie würde ihn und seinen Versuch, die friedliche Übergabe der Macht zu torpedieren, auch politisch rehabilitieren.

Trump hat bereits mehrfach damit gedroht, dass er sich im Fall eines Wahlsiegs rächen werde. Er schiebt vor, Unrecht vergelten zu wollen, das seinen Wählerinnen und Wählern angetan worden sei. Aber es ist völlig klar, dass es ihm nur um seine eigene Person geht. Es ist kaum vorstellbar, dass Trump nicht versuchen würde, diese Drohungen wenigstens zum Teil wahrzumachen. Es könnte dann in Amerika zum neuen Normalzustand werden, dass jene an der Macht den politischen Gegner mit Strafverfahren überziehen.

Wenn es denn so offensichtlich ist, was die Demokraten vorhaben, so fragt man sich unwillkürlich, warum die Republikaner das Spiel mitspielen. Dafür gibt es eine Reihe von Erklärungen. Die einfachste ist, dass ein wesentlicher Teil der konservativen Wählerschaft kompromisslos hinter Trump steht. Dieser hatte die Republikanische Partei mit seinem Sieg in den Vorwahlen von 2016 gekapert wie ein Pirat. Die unfreundliche Übernahme war relativ einfach, weil die Partei sich in einer Identitätskrise befand. Vier Jahre zuvor, 2012, hatte sie nämlich gegen einen Präsidenten verloren, der wegen des schleppenden Gangs der Wirtschaft und wegen der damals äußerst unbeliebten Reform der Krankenversicherung durchaus zu schlagen gewesen wäre. Aber Barack Obama siegte, dank einer Regenbogenkoalition mit Mehrheiten bei den Frauen, den jungen und den nicht weißen Wählern.1 Die republikanische Führung stellte ihre Strategie daraufhin auf den Prüfstand. In ihrer Analyse kam sie zum Schluss, die Partei müsse sich gegenüber genau diesen Wählergruppen stärker öffnen, um wieder wachsen und sich reale Siegeschancen erarbeiten zu können.2

Doch die Parteibasis hatte andere Pläne. Unter den Bewerberinnen und Bewerbern, die vier Jahre später versuchten, den Sprung ins Weiße Haus zu schaffen, wählten sie exakt denjenigen, der von einer Öffnung der Partei für neue Bevölkerungsschichten am wenigsten hielt. Ganz im Gegenteil – Donald Trump wandte sich vornehmlich an die Weißen und schaffte es, diese immer noch größte Wählergruppe in einer Art zu mobilisieren, die kaum jemand für möglich gehalten hatte.

Die Übernahme der Republikanischen Partei durch Trump war auch darum so einfach, weil es die beiden großen Parteien in Amerika in den letzten Jahrzehnten zuließen, dass von außen kommende, manchmal intransparente Kräfte über ihre Geldspenden sehr viel Einfluss erhielten. Die Ohnmacht der Parteien, unerwünschte Quereinsteiger abzuwehren, zeigte sich 2016 exemplarisch. Trump, der republikanische Kandidat, hatte seine Parteizugehörigkeit wie die meisten seiner Ansichten immer wieder mal gewechselt; er hatte sich auch schon als Demokrat und als Unabhängiger registrieren lassen. Bei den Demokraten war Bernie Sanders, der plötzlich zum überraschend starken Rivalen Hillary Clintons aufstieg, nicht einmal Parteimitglied.

Amerika ist nicht Europa


Wenn ausländische Journalisten und Analytiker vor einer Wahl jeweils die Parteiprogramme mit der Lupe nach politischem Sprengstoff absuchen und atemlos darüber berichten, wenn sie welchen gefunden haben, bedeutet dies vor allem eines: Sie haben das amerikanische Parteiensystem missverstanden, weil sie es aus einer europäischen Perspektive heraus betrachteten. Die beiden großen Parteien, die Demokraten und die Republikaner, unterscheiden sich jedoch fundamental von ihren europäischen Schwestern. Früher waren sie in erster Linie bloße »Wahlmaschinen« gewesen. Die Spannweite ihrer Flügel war dermaßen groß, dass sich darunter problemlos vier oder mehr Parteien im westeuropäischen Sinn wiederfinden konnten. Eine gemeinsame ideologische Ausrichtung existierte kaum.

Das hat auch mit ihrer etwas eigenartigen Führungsstruktur zu tun. Formell stehen den Parteien zwar Leitungsausschüsse vor, das Republican National Committee (RNC) und das Democratic National Committee (DNC). Aber deren Aufgabe ist grundsätzlich administrativer Natur. Die wirklichen Chefs der amerikanischen Parteien sind amtierende Präsidenten oder die Präsidentschaftskandidaten, wenn ihre Nominierung feststeht. Selbst wenn diese an Macht und Einfluss verlieren, wenn sie zu »lame ducks« werden, zu lahmen Enten, die nichts mehr bewirken können, droht in der Regel keine Gefahr von der formellen Parteiführung in den Leitungsausschüssen. In diesem Fall positionieren sich eher Parteikolleginnen und -kollegen im Kongress oder einflussreiche Gouverneure, um personelle Fragen zu klären. Doch solange sie noch Autorität haben und politisches Gewicht auf die Waage bringen, lassen sich Präsidenten ganz sicher nicht von einem Parteiprogramm vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben.

Für Kandidaten sind solche Programme eigentlich nur bis zum...

Erscheint lt. Verlag 28.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Politik • USA, Wahl, Präsident, Donald Trump, Amerika, Demokratie
ISBN-10 3-7517-4876-8 / 3751748768
ISBN-13 978-3-7517-4876-6 / 9783751748766
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