Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Ich war BILD (eBook)

Spiegel-Bestseller
Ein Leben zwischen Schlagzeilen, Staatsaffären und Skandalen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
544 Seiten
Deutsche Verlags-Anstalt
978-3-641-30449-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ich war BILD -  Kai Diekmann
Systemvoraussetzungen
19,99 inkl. MwSt
(CHF 19,50)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
'Ich war ein Junkie. Und BILD meine Droge.' Kai Diekmann
16 Jahre lang hat der Chefredakteur der BILD bestimmt, worüber Deutschland spricht - jetzt spricht er erstmals selbst

Als am längsten amtierender Chefredakteur der BILD-Zeitung setzte Kai Diekmann Tag für Tag die Themen, die das Land bewegten. Die Mächtigen der Republik gaben sich in seiner Redaktion die Klinke in die Hand, vertrauten sich ihm an, stachen Staatsgeheimnisse zu ihm durch - oder redeten sich auf seiner Mailbox um Kopf und Kragen. Von Boulevard bis Staatsaffäre: Kai Diekmann wusste immer, wo in den Ereignissen die Schlagzeile für die nächste Ausgabe zu finden war. In Ich war BILD erzählt er die Geschichten hinter diesen Schlagzeilen - und wie sie ihn und die Republik verändert haben.

In Ich war BILD gibt Kai Diekmann exklusive Einblicke hinter die Kulissen von Europas auflagenstärkster Boulevardzeitung. Er erzählt vom legendären Telefonanruf Wulffs und dessen langem und tiefen Fall, von Putins Badehose und Erdo?ans Ausfälligkeiten, von der tiefen Freundschaft zu Helmut Kohl und den mit Hingabe ausgetragenen Feindseligkeiten mit Schröder und der linken taz, von der Abhöraffäre Wallraff und dem einzigen Interview, das Trump je einem deutschen Journalisten gab.

Als Macher und Blattmacher erzeugte Diekmann jede Menge Gegenwind: Er schmeichelte, lobte, umgarnte, kritisierte und vernichtete, er pflegte überraschende Freundschaften und tiefe Feindschaften - und aus dem einen wurde manchmal auch das andere. Über Jahrzehnte hat er Begegnungen und Ereignisse dokumentiert, Tagebuch geführt, Gesprächsnotizen angefertigt, Briefe und E-Mails aufbewahrt - ein privates Archiv voller Aufzeichnungen und Dokumente, die dieses Buch erstmals zugänglich macht.

Ich war BILD ist eine überraschend andere Geschichte der Berliner Republik, eine rasante Erzählung voller Enthüllungen, auf der Basis bislang unbekannter Quellen, üppig illustriert mit noch nie gesehenen Fotos und Dokumenten.

Kai Diekmann, geboren 1964, interviewte bereits 1982 als Bielefelder Gymnasiast Helmut Kohl für die von ihm gegründete konservative Schülerzeitung. Während seiner Bundeswehrzeit gelang ihm mit einem Praktikum beim Axel Springer Verlag der Einstieg in den Journalismus. Von 1998 bis 2000 war Diekmann Chefredakteur der WELT am SONNTAG, von Januar 2001 bis Januar 2017 an der Spitze von BILD. In diese Zeit fielen viele Ereignisse, die Deutschland bewegten: der Skandal um Christian Wulff, Putins Invasion der Krim, Angela Merkel und das Flüchtlingsdrama, der Tod von Altkanzler Kohl. Kai Diekmann selbst wurde zum Anschlagsziel von Extremisten. Er ist einer der Mitgründer der Social-Media-Agentur Storymachine und lebt mit seiner Familie in Potsdam.

PROLOG


Mal kurz vorweg: Eigentlich dürfte es dieses Buch nicht geben. Nicht etwa, weil Juristen mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hätten. Was nicht gänzlich auszuschließen gewesen wäre: Auf den nächsten paar Hundert Seiten erzähle ich nämlich viele Geschichten, die einer ganzen Reihe von Leuten nicht gefallen werden. Deshalb habe ich das Manuskript zu diesem Buch schon im Vorfeld Anwälten vorgelegt, damit Seite für Seite geprüft wird. Wir – der Verlag, meine Lektorin, ich – sind uns gleichwohl des Risikos bewusst, das wir mit der Veröffentlichung eingehen. Aber: Wir sind auch der Meinung, dass die Geschichten erzählt werden müssen, wie sie wirklich waren. Und was ich hier mit Ihnen teile, kann ich belegen: Ich habe über Jahrzehnte Dokumente, Briefe, Tagebuchnotizen, Kalender aufbewahrt. Ich war schon immer ein manischer Sammler. Manischer Messi, wie es meine Familie weniger schmeichelhaft formuliert.

Aber wie gesagt: Nicht Juristen haben mich ausgebremst. Ich selbst hätte mich beinahe aus dem Spiel katapultiert. Und zwar schon 22 Jahre vor diesem Buch.

Denn als ich im Januar 2001 meinen Job als BILD-Chef antrete, sieht es nach kürzester Zeit so aus, als würde ich nicht der am längsten amtierende BILD-Chef aller Zeiten werden, sondern der am schnellsten gefeuerte.

Fast wäre ich nie BILD gewesen.

Sondern nur eine kurze Bildstörung.

Und das kam so:

Es ist Montagfrüh, der 29. Januar 2001. Ich bin 36 Jahre alt und seit 28 Tagen Chef von BILD.

Wir haben auf Seite zwei ein riesengroßes Foto von Jürgen Trittin, dem grünen Umweltminister. Es zeigt ihn, reichlich unscharf, auf einer gewalttätigen Antifa-Demonstration in Göttingen. Was machte Minister Trittin auf dieser Gewalt-Demo?, lautet anklagend unsere Schlagzeile. In der Bildunterschrift heißt es:

Vermummte Autonome demonstrierten mit Schlagstock und Bolzenschneider gegen die Ermittlungen der Justiz in der linken Szene. Auf einem Foto ist der lächelnde Jürgen Trittin zu sehen.

Die Wörter Schlagstock und Bolzenschneider drucken wir zur Sicherheit besonders groß. BILD liegt nur wenige Stunden am Kiosk, da platzt die Bombe. Ich bekomme die Nachricht, dass der vermeintliche Bolzenschneider ein Handschuh ist, der angebliche Schlagstock ein Seil. Kurz: Unsere Berichterstattung ist blanker Unsinn.

Für einen Moment schwankt unter mir der Boden. Es ist dieses Gefühl aus Albträumen; als säßest du in der Matheklausur, schaust auf den Prüfbogen und stellst fest: Du kannst keine einzige Aufgabe. In Schockstarre erlebe ich, wie die Hölle losbricht. Mir wird vorgeworfen, ich hätte das Foto absichtlich manipulieren und verfälschen lassen, um Trittin zu schaden. SPD-Fraktionschef Peter Struck und Grünen-Vorsitzender Fritz Kuhn fordern mich auf, mich öffentlich bei Trittin zu entschuldigen. Es hagelt Gegendarstellungen, Anzeigen, Klagen. Unsere Rechtsabteilung weiß gar nicht, wo sie zuerst anfangen soll. Ein irrsinniger Druck liegt auf mir. Noch nie in meinem Leben habe ich so in der Kritik gestanden. Dabei muss ich erst mal verstehen, was da so katastrophal schiefgelaufen ist. Mir Klarheit verschaffen, um reagieren zu können.

Recht bald stellt es sich so dar: Das Münchener BILD-Büro hatte besagtes Trittin-Foto im Magazin Focus entdeckt, die ohnehin schon unscharfe Aufnahme – ein Standbild aus einem TV-Beitrag – auf den Kopierer gelegt und nach Hamburg in die BILD-Bundesredaktion gefaxt. Darüber waren die Bildränder abgeschnitten worden – Folge der begrenzten Technik. Erster fataler Umstand.

Hast du kein Glück, kommt auch noch Pech hinzu.

In der Tagesproduktion der Zeitung passierte dann der zweite entscheidende Fehler: Beim Layouten des Artikels war nicht, wie im redaktionellen Prozedere eigentlich üblich, ein sogenannter Blindtext als Platzhalter eingesetzt worden: lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing …, sondern ein Kollege hatte seinen eigenen Blindtext erfunden, weil er glaubte, auf dem Foto spannende Details zu erkennen.

So standen da plötzlich zwei schicksalhafte Wörter:

Bolzenschneider

Schlagstock

Vom Pech zum Desaster war es dann nur noch ein kleiner Schritt. Wir alle – vom Schlussredakteur bis hin zu mir, dem Chefredakteur, der die finale Seite vorgelegt bekommt, um sie abzunehmen – erkannten Bolzenschneider und Schlagstock nicht als blind getexteten Quatsch, sondern nahmen die zwei Wörter für bare Münze. Jeder verließ sich darauf, dass der andere genau hinguckte und die behaupteten Fakten verifiziert waren. Dabei bin ich eigentlich ein Kontrollfreak, der alles dreimal prüft und viermal hinterfragt. Ich übersah den blinden Fleck im System.

Niemand tritt an, um Fehler zu machen. Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Jeder kennt diese wohlfeilen Sätze. Sie stimmen. Aber sie retten mich jetzt in dieser Situation nicht. Das Trittin-Debakel ist so dramatisch, dass ich befürchte, dass es mir das Genick brechen wird. Während mein Telefon Sturm klingelt, bleibt es aus dem Verlag verdächtig still. Logisch. Wer sollte mir Rückendeckung geben, wo nicht klar ist, wie die Schlacht ausgeht? Das sind die brutalen Regeln an der Spitze:

Wer untergeht, tut das hübsch allein.

Die Schlagzeilen der nächsten Tage sind bitter.

»Bei BILD brennen die Sicherungen durch« (Süddeutsche Zeitung). 1

»BILD lügt wieder« (taz). 2

»Trittin prüft rechtliche Schritte gegen BILD-Zeitung« (dpa). 3

Manche Kommentatoren sehnen meine Vorgänger Claus Larass und Udo Röbel zurück. Es ist eine Katastrophe, und es wird jeden Tag schlimmer. Ich kann mir lebhaft vorstellen, was für ein wunderbares Fest das für all jene ist, die von Anfang an meinten, mit mir als Chefredakteur sei das Blatt wieder in alte, dunkle Zeiten zurückgefallen. In einem eilig anberaumten SPIEGEL-Interview stelle ich mich den Vorwürfen: »Ich nehme jede Seite der Bundesausgabe von BILD persönlich ab und trage damit die Verantwortung.« 4

Ich rechne täglich damit, gefeuert zu werden. Jeder Arbeitstag fühlt sich an wie der letzte. Wenn ich spätabends erschöpft nach Hause schleiche, kann ich nur mit Mühe den Impuls unterdrücken, mich bei den Kollegen mit den Worten zu verabschieden: »War schön mit euch!«

Das »Bis morgen!« geht mir jeden Tag schwerer über die Lippen.

»Wie geht es dir?«, fragt Katja, meine Freundin, mit der ich erst ein paar Tage zusammen bin.

»Dead man walking«, murmele ich matt.

BILD bittet Trittin schon am nächsten Tag um Entschuldigung. Parallel rufe ich in Trittins Büro an, um mich auch persönlich zu entschuldigen. Der Minister ist nicht erreichbar. Ich hinterlasse bei seinen Mitarbeitern eine Nachricht.

Trittin ruft nicht zurück.

Ich versuche es erneut, bitte noch mal um Rückruf. Wieder vergeblich.

Fünf quälende Tage geht das so. Von Trittin keine Reaktion.

Am Freitag wähle ich zum x-ten Mal die Nummer seines Ministerbüros:

»Wir stellen durch«, heißt es überraschend. Ich hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet.

»Trittin«, höre ich seine sonore Stimme. Meine Entschuldigung nimmt er ohne weiteren Kommentar zur Kenntnis.

»Sagen Sie mal, warum erreiche ich Sie erst jetzt?«, will ich am Ende dieses sehr kurzen Telefonats wissen.

»Sonst wäre es ja eine langweilige Woche geworden«, kommt es trocken zurück.

Und so lernte ich in einer meiner dunkelsten BILD-Stunden von Jürgen Trittin eine meiner wichtigsten Lektionen: Einen schönen Streit bloß nicht zu früh abräumen. Lass deinen Gegner schmoren. Mach ihn zum Frosch im Kochtopf, während das Wasser langsam seinen Siedepunkt erreicht.

Am Ende habe ich dann doch noch 16 lange Jahre einer BILD-Redaktion vorgestanden, die in ihrer besten Zeit über 800 Mitarbeiter hatte, 30 Regional- und Lokalausgaben produzierte, die größte Zeitung Europas war und online mehr Leser erreichte als jedes andere Medium in Deutschland. Kein anderer BILD-Chefredakteur hat es so lange an der Spitze dieser so mächtigen und so umstrittenen Marke ausgehalten wie ich.

Wenn man mich fragt, was es braucht, BILD-Chef zu sein, ist meine Antwort: Es braucht eine große Portion Resilienz, du musst einen Machtdrang verspüren, sehr viel Ehrgeiz, Leidenschaft bis zur Manie. BILD-Chef ist kein Job, BILD-Chef ist eine Haltung.

Dabei gibt es kein Handbuch, wie BILD-Chefredakteur geht. Das muss aus dir selbst kommen. Von meinem Vorgänger Günter Prinz stammt die Feststellung: »Die Zeitung ist immer ein Spiegel der Seele des Chefredakteurs.«

Aber wie sieht es denn nun in meiner Seele aus?

Im Kern bin ich ein Suchender, ein Ausprobierer, und in mir drin passt wenig zueinander. In meinem Bielefelder Elternhaus war BILD tabu – mit dem Ergebnis, dass ich weit über die Hälfte meines Lebens bei BILD verbracht habe. Ich habe von Fußball nicht den Hauch einer Ahnung, dabei ist BILD das Zentralorgan dieses Sports.

Als Schüler trieb ich mich liebend gern in Kunstmuseen herum, für BILD war Kultur, wenn auf der Theaterbühne der Hauptdarsteller vom herabfallenden Kronleuchter erschlagen wurde.

Aber ich bin auch ein Krawallheini.

Während meine Altersgenossen in den 1980er Jahren Parkas und Palästinensertücher trugen und Plakate mit Bildung statt Bomben hochhielten, um gegen USA, NATO und Atomkraft zu demonstrieren, trug ich demonstrativ einen schwarzen...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 2023 • affäre wulff • Angela Merkel • Berliner Republik • Bettina Wulff • Bild-Zeitung • Biografie • Biographien • Boulevardjournalismus • Boys Club • Christian Wulff • Donald Trump • eBooks • Friede Springer • Gerhard Schröder • Geschichte • Günter Wallraff • Helmut Kohl • Jürgen Trittin • kohl-söhne • Maike Kohl-Richter • Mathias Döpfner • Neuerscheinung • noch wach? • Papst Benedikt XVI. • Papstwahl • Politikskandale • politsche skandale • rücktritt christian wulff • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Springer-Konzern • Springer-Presse • staatsbegräbnis kohl • Stuckrad-Barre • taz • Wir sind Papst • Wladimir Putin
ISBN-10 3-641-30449-0 / 3641304490
ISBN-13 978-3-641-30449-2 / 9783641304492
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 35,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Warum sich im Rettungsdienst zeigt, was in unserer Gesellschaft …

von Luis Teichmann

eBook Download (2024)
Goldmann (Verlag)
CHF 14,65
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
CHF 16,60