Big Tech muss weg! (eBook)
288 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45471-9 (ISBN)
Martin Andree ist habilitierter Medienwissenschaftler und unterrichtet digitale Medien an der Universität Köln. Er ist zudem Gründer von AMP Digital Ventures mit Fokus auf KI und digitale Innovation, Autor von sieben Büchern, gefragter Interviewpartner sowie Gastautor bei führenden Medien (u.a. ARD, ZDF, WDR, NDR, FAS, Welt) und Konferenzen (u.a. Digitalgipfel der Bundesregierung, Gamescom, Dmexco, ScreenForce u.a.).
Martin Andree ist habilitierter Medienwissenschaftler und unterrichtet digitale Medien an der Universität Köln. Er ist zudem Gründer von AMP Digital Ventures mit Fokus auf KI und digitale Innovation, Autor von sieben Büchern, gefragter Interviewpartner sowie Gastautor bei führenden Medien (u.a. ARD, ZDF, WDR, NDR, FAS, Welt) und Konferenzen (u.a. Digitalgipfel der Bundesregierung, Gamescom, Dmexco, ScreenForce u.a.).
Kapitel I
GAME OVER 2029:
Die Herrschaft der Digitalkonzerne
1. Unsere Demokratie ist in Gefahr
In hundert Jahren wird man auf unsere Zeit zurückblicken und sich verwundert die Augen reiben. Wie konnte eine Handvoll US-amerikanischer Digitalkonzerne unsere Demokratie und unsere freie Wirtschaft gleich im Doppelpack unter ihre Kontrolle bringen? Lag es zuletzt an den riesigen Aufmerksamkeitsschatten der Klimakrise, der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine, dass wir es nicht bemerkt haben? Wie konnte Big Tech bei der feindlichen Übernahme unseres Mediensystems überhaupt so weit kommen? Am helllichten Tag. Ohne dass wir uns dagegen gewehrt haben.
Alle reden gerade über ChatGPT – aber in der Rückschau wird die generative KI »nur« den allerletzten Todesstoß für unser Mediensystem darstellen (→ II.6). Wenn Millionen von maschinell erzeugten Texten und Beiträgen die sozialen Medien fluten, wird die seit Jahrzehnten voranschreitende Entwertung der Inhalte im Netz ihren endgültigen Abschluss erreichen. Die Digitalkonzerne können den Sack zumachen – die redaktionellen Medien haben nicht die geringste Chance.
Als Ergebnis einer jahrzehntelangen feindlichen Übernahme durch Big Tech wird unser Mediensystem schon in wenigen Jahren nicht mehr unter unserer Kontrolle stehen. Aber es gibt keine Anzeichen einer gesellschaftlichen Beunruhigung. Sicher, man diskutiert die Potenziale und Gefahren von generativer KI. Aber die sich abzeichnende Übernahme unserer demokratischen Öffentlichkeit durch Big Tech ist kein Thema. Dabei sind doch die Medien die Basis unserer Demokratie. Sie informieren die Menschen, sie ermöglichen politische Meinungsbildung der Bürger, sie kontrollieren die Politiker, die Mächtigen und die Reichen in unserem Land.
Wir erleben mit dem Vormarsch der digitalen Medien eine der größten technologischen Revolutionen der Menschheit. Die immer weiter voranschreitende Ablösung der klassischen Informationsangebote durch digitale Plattformen gleicht einer Operation am offenen Herzen unserer Demokratie. Wir wissen spätestens seit McLuhan (»The medium is the message«), dass Medien nie »unschuldig« sind1 – sie bilden die Grundlage unserer gesellschaftlichen Denkmuster, Einstellungen und Haltungen. Eine massive Veränderung unserer Medienlandschaft hat massive Folgen für unsere demokratische Gesellschaft.
Natürlich spielen die Digitalkonzerne bei diesem Prozess eine zentrale Rolle. Wie unsere Messungen des gesamten bundesdeutschen Internet-Traffics erstmals gezeigt haben, gehören den Tech-Riesen über ihre Vormachtstellungen bereits große Teile dieser zukünftigen Öffentlichkeit, die in wenigen Jahren die neue digitale Grundlage unserer Demokratie bilden werden. GAFAM werden übernehmen.
Das ist demokratiepolitisch alarmierend. Unter keinen Umständen dürfen einzelne Kräfte jemals Hoheit über unsere Medien gewinnen, egal ob es sich dabei um Parteien, um die Regierung, um mächtige Personen oder eben um Digitalkonzerne handelt. Wenn das geschieht, ist es um die Freiheit und Unabhängigkeit unserer Medien geschehen und unsere Demokratie in ihrem innersten Kern beschädigt.
Sie wundern sich, dass diese Gefahr aktuell in den gesellschaftlichen Debatten kein Thema ist? Sie haben Recht. Sie fragen sich, ob ich hier nicht etwas übertriebene Panikmache betreibe? Leider nein. Wir haben das gesamte Netz vermessen und unsere Daten sprechen eine klare Sprache: Bald werden wir einen Kipppunkt überschreiten und dann wird es kein Zurück mehr geben. Den Digitalkonzernen wird allein durch die Dynamik der digitalen Transformation unser Mediensystem – und damit die Grundlage unserer Demokratie – in den Schoß fallen.
Fangen wir an mit den wichtigsten Eckpunkten:
- Dass die digitalen Medien die analogen ablösen werden, ist eine Binsenweisheit, Haken dran.
- Was die wenigsten Menschen ahnen: Diese Transformation ist schon sehr weit fortgeschritten. Schon heute haben die digitalen Medien die analogen überholt und sind zu den neuen Leitmedien geworden.
- Schon bald, im Jahr 2029, werden die analogen Medien unter einen Anteil von 25 Prozent gesunken sein. Für die analoge Welt heißt es ab dann: GAME OVER. Jeglicher politische Diskurs wird dann in den Händen der Plattformen liegen.
FUN FACT :
Seit 2020 sind die digitalen Medien die Leitmedien.
Herrschaft der Digitalkonzerne – sechs gefährliche Folgen
- Redaktionelle Medien und Journalismus werden erbarmungslos immer weiter an Bedeutung einbüßen und schneller wegschmelzen als das Eis in der Arktis.
- Es geht um viel mehr als das Überhandnehmen von Fake News, denn: Die Tech-Riesen können in Zukunft bestimmen, welcher Bürger welche Nachrichten über die Plattformen ausgespielt bekommt. Schon jetzt manipulieren sie den Traffic nach ihren Interessen. Weder Wissenschaft noch Politik haben einen Zugang zu diesen Prozessen. Die Menschen werden dabei immer mehr entmündigt.
- Politische Meinungsäußerung und Einflussnahme werden zunehmend durch die Plattformen kontrolliert.
- Die redaktionellen Medien hatten bislang immer auch die Funktion einer kontrollierenden Instanz. Bürger konnten Missstände anprangern, zum Beispiel Korruption in der Wirtschaft oder der Politik. Auch Straftaten konnte man publik machen, bis etwa die Staatsanwaltschaft eingriff. Diese Funktion wird in Zukunft von den Plattformen übernommen werden – was auch bedeutet: Eine Handvoll Digitalkonzerne kann dann darüber entscheiden, welche Themen bekannt werden und welche nicht. Sie können aktiv das sogenannte »Agendasetting« in unserer Gesellschaft kontrollieren – die Auswahl an Themen, über die gesprochen wird.
- Auch Regierungen und Politiker werden in Zukunft einen Großteil ihrer Kommunikation über die Plattformen erzielen – weswegen sie immer abhängiger von den Digitalkonzernen werden. Denn die Tech-Riesen können in Zukunft nach Belieben darüber entscheiden, wie viel Aufmerksamkeit (Traffic) die verschiedenen politischen Botschaften erhalten. Nur sie werden den Zugang zum Maschinenraum der digitalen Medien und der Abmischung der Botschaften im Netz besitzen. Und sie werden diesen Zugang aggressiv zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.
- Jede Art von Widerstand gegen die digitale Elite der Tech-Riesen wird zwecklos sein. Denn die Digitalkonzerne haben die Macht über unsere Öffentlichkeit erlangt. Unser politischer Diskurs ist dann in ihrer Gewalt.
Bis hierhin herrscht meist Konsens, fraglich ist höchstens, wie schnell diese Transformation erfolgen wird. Aber was wird passieren, wenn die Mediendemokratie, wie wir sie kennen, verloren geht? Wie betrifft das unser Leben? Ich garantiere Ihnen, die Folgen für die Menschen in diesem Land werden sehr konkret spürbar sein (siehe Textbox unten auf der Seite).
Was passiert, wenn wir den Kipppunkt überschreiten?
Einer Handvoll Digitalkonzerne ist es gelungen, den westlichen Gesellschaften unser wunderbares demokratisches Internet durch aggressive Methoden und unfaire Tricks zu stehlen (→ II.2). Durch die Übernahme weiter Teile des Internets haben sie es geschafft, eine rundum segensreiche digitale gesellschaftliche Transformation auf eine abschüssige Bahn zu bringen und für ihre eigenen Zwecke auszubeuten. Sie sind dabei schon sehr weit fortgeschritten. Wie weit, das werden wir auf den kommenden Seiten wissenschaftlich belegen. Es wird nicht leicht sein, diese Entwicklung umzukehren. Denn fatalerweise haben wir unsere freiheitliche Ordnung gegen alle möglichen Angriffe geschützt – gegen staatsfeindliche Parteien, gegen Umstürze, gegen gewaltsame Angriffe von außen. Aber wir verfügen aktuell über keine wirksamen Abwehrmechanismen gegen die akute Bedrohung durch die Digitalkonzerne (→ IV). Und durch Technologien wie generative KI wird diese Übernahme nur massiv beschleunigt.
Die entscheidende Frage ist, ab welchem Punkt die Vormacht der Digitalkonzerne durch die fortschreitende digitale Transformation so weit fortgeschritten ist, dass die dadurch ausgelöste Eigendynamik unumkehrbar ist. Aus den existierenden Daten können wir erkennen, dass dieser Punkt in etwa fünf bis maximal zehn Jahren eintreten wird. Danach wird es kaum noch Möglichkeiten geben, diese abgleitende Bewegung zu stoppen, weil die demokratischen Medien und die Systeme, die uns noch zur Verfügung stehen, dann nicht mehr in ihrer freiheitlichen Form funktionieren können. Der gesamte Redeanteil der geschrumpften redaktionellen Medien wird zu klein sein, um gegen die Übermacht der Plattformen noch etwas auszurichten. Als sie noch groß und mächtig waren, haben sie nicht protestiert. Ab diesem Punkt wird jeder Protest zwecklos sein.
Die Konsequenzen sind für uns kaum absehbar: Was ist, wenn infolge einer absichtlich fehlgeleiteten digitalen Transformation die Herrschaft über weite Teile unserer Gesellschaft den Tech-Riesen in den Schoß fällt? Was, wenn die freie Marktwirtschaft selbst dieser Dynamik zum Opfer fällt? Wenn die Digitalkonzerne langfristig ihre Monopole an die Stelle unserer pluralistischen, freien Wirtschaftsordnung setzen? Wenn dabei unsere Demokratie für immer Schaden nimmt?
2. Der...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2023 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Automobile • Digitalisierung • Finanzdienstleistungen • Internet • Konsumgüter • Märkte • Marktwirtschaft • Medien • Monopole • Netzaktivisten • Regulierung • Social Media • Telekommunikation • Verfassungswidrigkeit |
ISBN-10 | 3-593-45471-8 / 3593454718 |
ISBN-13 | 978-3-593-45471-9 / 9783593454719 |
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Größe: 17,2 MB
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