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Maos deutscher Topagent (eBook)

Wie China die Bundesrepublik eroberte
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
248 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45545-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Maos deutscher Topagent -  Bernd Ziesemer
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Wer den Einfluss verstehen will, den China auf die deutsche Wirtschaft ausübt, muss den Namen Gerhard Ludwig Flatow kennen. Er war wohlhabender Stahldirektor und Kommunist, Abenteurer und Lobbyist, sprach fließend Chinesisch und wurde in den Fünfziger und Sechziger Jahren zum wichtigsten Agenten der Chinesen in Deutschland. Dabei hat er es verstanden, völlig unbekannt zu bleiben - bis der Wirtschaftspublizist und Chinakenner Bernd Ziesemer die Fäden zusammenführte und entdeckte, dass der Maoist und der Industrielle ein und dieselbe Person waren. Nach jahrelanger Recherche, Auswertung von Geheimdienstunterlagen, persönlichen Dokumenten und vielen Gesprächen präsentiert Ziesemer hier die spektakuläre Geschichte einer einzigartigen Persönlichkeit, in der sich zugleich eine ganze Epoche deutsch-chinesischer Beziehungen bis heute spiegelt.

Bernd Ziesemer, Wirtschaftspublizist, arbeitet als fester Kolumnist für »Capital«, schreibt für die Zeitschrift Internationale Politik, die »Financial Times«, das »Handelsblatt«, den »Stern« und weitere Magazine. Nach seiner Korrespondentenzeit in Asien und Russland war er lange Jahre Chefredakteur des »Handelsblatts«. Seit 1982 bereiste er China regelmäßig, 1988 studierte er an der Universität Chongqing. Sein erstes China-Buch - »Auf dem Rücken des Drachen« - erschien 1989. Im Jahr 2012 veröffentlichte er »Ein Gefreiter gegen Hitler«. Auf der Suche nach meinem Vater, im Jahr 2013 »Karl Marx. Der erste Denker der Globalisierung«. https://www.bernd-ziesemer.com/

Bernd Ziesemer, Wirtschaftspublizist, arbeitet als fester Kolumnist für »Capital«, schreibt für die Zeitschrift Internationale Politik, die »Financial Times«, das »Handelsblatt«, den »Stern« und weitere Magazine. Nach seiner Korrespondentenzeit in Asien und Russland war er lange Jahre Chefredakteur des »Handelsblatts«. Seit 1982 bereiste er China regelmäßig, 1988 studierte er an der Universität Chongqing. Sein erstes China-Buch – »Auf dem Rücken des Drachen« – erschien 1989. Im Jahr 2012 veröffentlichte er »Ein Gefreiter gegen Hitler«. Auf der Suche nach meinem Vater, im Jahr 2013 »Karl Marx. Der erste Denker der Globalisierung«. https://www.bernd-ziesemer.com/

Prolog: Von Einflussagenten, treuen Weggefährten und alten Freunden


Anfang der siebziger Jahre begann ich mich als Jugendlicher wie viele meiner Generation für die Kulturrevolution in China zu begeistern. Ich schwenkte selbst die Mao-Bibel und ließ mir jede Woche die Peking Rundschau auf Dünndruckpapier direkt aus der chinesischen Hauptstadt per Luftpost nach Hause schicken – für lächerliche 12 Mark pro Jahr. Tausende organisierten sich damals wie ich in den maoistischen K-Gruppen und träumten von der Weltrevolution.

Als die große Welle der Begeisterung nach ein paar Jahren wieder abebbte, beschäftigten sich nur noch die wenigsten der ehemaligen Mao-Anhänger weiter mit China. Im Gegensatz dazu wollte ich aber nun wissen, was im Reich der Mitte in diesen Jahren wirklich passiert war und dort weiter vor sich ging. 1982 reiste ich zum ersten Mal quer durch das damals noch sehr arme Land, das gerade erst wieder westliche Einzelreisende akzeptierte, sie aber nur in wenige ausgesuchte Städte hereinließ. Drei Jahre zuvor hatte der neue starke Mann Deng Xiaoping die Öffnung der Volksrepublik und den Beginn von Wirtschaftsreformen durchgesetzt.

Seit meinem ersten Besuch ließ mich das Interesse niemals wieder los. 1988 studierte ich ein paar Wochen an der Fremdsprachenhochschule in Chongqing Chinesisch und kam auf dem Campus mit vielen chinesischen Studenten in Kontakt. Im Sommer 1989 schlug das chinesische Militär bei dem Blutbad in Beijing (»Massaker auf dem Tiananmen-Platz«) gewaltsam Proteste der Bevölkerung nieder. Trotz des folgenden Einreiseverbots für Journalisten gelangte ich noch unerkannt ins Land, um über die harte Repressionswelle gegen Studenten und Intellektuelle zu berichten. Als Asien-Korrespondent deutscher Medien in Tokio flog ich später immer wieder in die Volksrepublik, aber auch in die Staaten an der Peripherie – zum Beispiel nach Taiwan. Ich erfuhr dabei mehr über die Schattenseite eines Regimes, das seit Anfang des neuen Jahrtausends von den meisten deutschen Medien nur noch als »Wirtschaftswunderland« dargestellt wurde.

Diese Lesart der jüngeren Geschichte ist nicht falsch, aber viel zu einseitig. China hatte sich unter der Führung Deng Xiaopings tatsächlich schnell aus der bitteren Armut der Nachkriegsjahre befreit. Landwirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Landesverteidigung erlebten einen qualitativen Sprung nach vorn, eine große historische Leistung der Kommunistischen Partei Chinas. Deng Xiaoping hatte diese »vier Modernisierungen« 1978 als Hauptaufgabe festgelegt. Aber diejenigen, die damals eine »fünfte Modernisierung« – die Einführung von demokratischen Rechten – forderten, verschwanden auch unter ihm genauso wie vorher unter Mao ohne fairen Prozess für viele Jahre im Straflager. Diese Brutalität der chinesischen Führung verdrängte die deutsche Wirtschaft. Und sie verdrängt sie größtenteils bis heute.

Als Chefredakteur des Handelsblatts begegnete ich in den Jahren nach der Jahrtausendwende auf dem Höhepunkt des China-Hypes vielen Industriellen, die sich anhörten wie Botschafter des Regimes. Der Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen Konzerns sagte mir, wir sollten uns China »zum Vorbild nehmen«, schließlich komme das Land wirtschaftlich schneller voran als Deutschland. Ich schrieb deshalb für meine Zeitung 2005 einen Essay mit dem Titel »Das hässliche China«, der sich mit den zahllosen fatalen Fehlentscheidungen und Verbrechen der kommunistischen Führer beschäftigte. Der Artikel wurde mit dem ersten Preis der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte ausgezeichnet.

Warum reden viele Leute aus der Wirtschaft bis heute über China fast so begeistert wie wir Maoisten in meiner Jugend, obwohl sie anders als wir damals gewiss nicht von der kommunistischen Gesellschaft träumen? Wie konnte sich eine so einseitige Sichtweise auf ein Land durchsetzen, das Millionen von Opfern weitgehend ausklammert? Wie gelingt es totalitären Staaten überhaupt, demokratische Gesellschaften für sich einzunehmen? Wie erobern sie die öffentliche Meinung? Diese Fragen stellte ich mir damals und ich stelle sie mir immer noch. Propaganda wirkt, aber niemals allein und schon gar nicht allein aus der Ferne. Wollen Diktaturen Menschen in anderen Ländern für sich gewinnen und für ihre Zwecke einspannen, dann müssen sie vor Ort, in ihren Zielländern, Netzwerke knüpfen. Und sie müssen dabei die Interessen derer aufgreifen, die sie zu Anwälten ihrer Sache machen wollen.

Vor allem zwei Staaten stechen hervor, wenn es um langfristige Strategien zur Eroberung der öffentlichen Meinung geht: Russland (samt seines Vorgängerstaats, der Sowjetunion) und China. Ihre Netzwerke ziehen sich bis heute rund um den ganzen Globus. Und sie ähneln sich: Man arbeitet zielgerichtet mit Einflussagenten und naiven Mitläufern, mit pensionierten Politikern und alten Freunden, mit eitlen Publizisten und rücksichtslosen Unternehmern, die man bevorzugt bedient, um sie an sich zu binden und von sich abhängig zu machen. Oft bilden sich über Jahre große Einflusskreise um einzelne Personen herum, die man in der breiten Öffentlichkeit nicht kennt, weil sie lieber im Halbschatten arbeiten.

So kann man Wladimir Putins Versuch, Deutschland vor dem Ukraine-Krieg 2022 in die Energieabhängigkeit zu treiben, gut an einer einzigen Person und ihrem Netzwerk erzählen: Matthias Warnig. Ein ehemaliger Stasi-Major und alter Freund Putins aus dessen KGB-Zeit, nach dem Zerfall der Sowjetunion Statthalter für die Dresdner Bank in Sankt Petersburg, ein Vertrauter von Altbundeskanzler Gerhard Schröder und mehreren SPD-Politikern, eng verbunden mit vielen Spitzenleuten der deutschen Energiekonzerne, Angestellter von Gazprom und als Geschäftsführer des Pipeline-Betreibers Nord Stream AG schließlich der entscheidende Mann für die Pläne des russischen Diktators, ganz Westeuropa in den ökonomischen Würgegriff zu nehmen.

Nicht anders China. Die Volksrepublik betreibt seit ihrer Gründung 1949 im Ausland das, was sie selbst »internationale Einheitsfrontarbeit« nennt. Und sie war über weite Strecken ganz besonders erfolgreich damit. Schon In den fünfziger Jahren knüpfte sie mitten im Kalten Krieg ein großes Netzwerk von »China-Freunden« in ganz Europa. Seit den frühen sechziger Jahren baute sie maoistische Parteien in fast allen kapitalistischen Ländern Europas auf (sogar im Zwergstaat San Marino), die ihre Ideologie unter die Jugend und in die ganze Gesellschaft tragen sollten. In den siebziger Jahren gelang es ihr, einzelne konservative Spitzenpolitiker wie Henry Kissinger oder Jacques Chirac fest an sich zu binden, die sich zunächst vor allem ein Gegengewicht gegen die Sowjetunion versprachen, allmählich aber die Weltsicht Beijings übernahmen und die brutale Unterdrückung der chinesischen Bevölkerung durch die Diktatur völlig ausblendeten. So konnte sich die KP Chinas auf sie als Kronzeugen berufen.

Ich war als Journalist dabei, als der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß 1987 in der Großen Halle des Volkes in Beijing von Deng Xiaoping mit feierlicher Geste und den Worten »Lao Pengyou« (alter Freund) empfangen wurde. In den achtziger Jahren zog China eine Gruppe von Industriellen heran, die auf das große China-Geschäft setzten und sich im Gegenzug als Bewunderer des autoritären Entwicklungsmodells im Reich der Mitte in der europäischen Öffentlichkeit positionierten. Eine Hand wusch die andere. Die Männer (und wenigen Frauen) in der zweiten Reihe, die diese engen Verbindungen für prominente Unternehmer pflegten, blieben dabei in der Regel in der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Bis heute.

Dieses Buch handelt von diesen erfolgreichen Versuchen der Kommunistischen Partei Chinas seit den fünfziger Jahren, die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik zu erobern: mit Lobby-Gruppen und Freundschaftsgesellschaften, mit maoistischen Mini-Parteien und einigen Großindustriellen, mit ausgesuchten Intellektuellen und Publizisten, die sich nach ihren zahlreichen Einladungsreisen in die Volksrepublik China als Experten gaben, obwohl sie nichts vom wirklichen Leben im Land gesehen und schon gar nicht verstanden hatten.

Ich erzähle von diesen Versuchen am Beispiel eines Mannes, den bis heute nur wenige Eingeweihte kennen, obwohl sich seine Lebenslinie mit vielen Schlüsselfiguren der deutschen Nachkriegspolitik und -wirtschaft kreuzte: Gerhard Ludwig Flatow (1910–80). Er führte ein...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2023
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Berthold Beitz • Gerhard Ludwig Flatow • Hermann Josef Abs • Hjalmar Schacht • Lobbyismus • Maoismus • Nachkriegspolitik • Otto Wolff von Amerongen • Stahlindustrie • Volksrepublik China • Wirtschaftsbeziehungen
ISBN-10 3-593-45545-5 / 3593455455
ISBN-13 978-3-593-45545-7 / 9783593455457
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