Joint Adventure (eBook)
256 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60462-8 (ISBN)
Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, trampte mit siebzehn nach Indien und beschloss, Journalist zu werden. Er zählt zu den innovativsten Journalisten und Reiseschriftstellern Deutschlands und veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, Stern, Spiegel, Playboy u. a. »Tiger fressen keine Yogis« war sein erster großer Erfolg. Bei Malik und Piper erschienen mehrere Bestseller, zuletzt u. a. die Reisebücher »Die Straßen der Lebenden«, »Das Mantra gegen die Angst«, die Autobiografie »Lecko mio« und »Joint Adventure«.
Helge Timmerberg, geboren 1952, zählt zu den innovativsten Journalisten und Reiseschriftstellern Deutschlands. Er holte in den 80er-Jahren den New Journalism aus den USA nach Deutschland und hat damit eine ganze Generation von Pop-Autoren auf dem Gewissen. »Tiger fressen keine Yogis« war sein erster Bestseller, »Straßen der Lebenden« und »Lecko mio« (beide Piper) waren seine bisher letzten.
Die Cannabis-Hasser
William Randolph Hearst war vor 100 Jahren der böse Gott der US-Medien. Er besaß 25 Tageszeitungen, 24 Wochenzeitungen, zwölf Radiosender, zwei weltweite Nachrichtendienste, das Cosmopolitan-Filmstudio und eine Pistole, mit der er, Gerüchten zufolge, im November 1924 den Filmproduzenten Thomas Harper Ince versehentlich erschoss. Eigentlich galt die Kugel Charlie Chaplin, der Hearsts Geliebte erfolgreich angebaggert hatte. Und das alles geschah natürlich auf einer Jacht. Dass man hier Gerüchte als Quellen angeben muss, liegt an des Schützen Medienmacht. Seine Morgenzeitungen berichteten am nächsten Tag zwar von dem tödlichen Schuss auf John Ince, aber nicht, wer ihn abgefeuert hatte. Und schon seine Abendzeitungen ließen auch den Rest einfach weg und gaben als Todesursache einen Herzinfarkt bekannt. Wer die Tat hätte bezeugen können, tat es nicht, sondern machte stattdessen einen Karrieresprung, wie die Klatschkolumnistin Louella Parsons, die ebenfalls auf der Jacht gewesen war und danach einen Traum-Vertrag auf Lebenszeit von Hearst bekam. Und was Charlie Chaplin anging – nun ja, ein Mann, der grad dem Tod entronnen war, würde natürlich auch die Klappe halten, weil er wusste, wozu der Megaverleger William Randolph Hearst in seinem Zorn fähig war.
Das alles wäre für den Kiffer nicht unbedingt von Interesse, wenn Hearst nicht auch noch riesige Wälder und Papiermühlen besessen hätte und deshalb von den neu entwickelten Hanf-Erntemaschinen nicht sonderlich angetan war. Die Hanfpflanze galt seit Jahrhunderten als erste Adresse für die Papierherstellung, selbstverständlich verkündete auch die Urausgabe der Lutherbibel auf Hanfpapier Gottes Wort, nur für den unendlichen Papierbedarf der Moderne erwies sich die Hanfpflanze dem Holz unterlegen, weil ihre Ernte komplizierter und damit teurer war als die Papierwerdung der Bäume. Die neuen Erntemaschinen brachten das Mutterschiff des THC zurück ins Geschäft, und für einen Wald- und Holzmühlen-Besitzer vom Schlage eines William Randolph Hearst bedeutete das: Egal ob Chaplin oder Cannabis – die Konkurrenz muss weg.
Ähnliches dachte man bei dem Chemiekonzern DuPont, der im 19. Jahrhundert mit Sprengstoff angefangen hatte und in dieser Branche zum größten Lieferanten der US Army aufstieg, bevor er in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts auch an nicht explosiven Produkten zu forschen begann und schließlich Nylon erfand, was er sich patentieren ließ. Aber alles, was Nylon konnte, das konnte, bis auf die Nylonstrümpfe, die Hanfpflanze seit Jahrtausenden besser: Textilien, Planen, Segel – und am besten konnte sie Seile und Taue und war deshalb in der Schifffahrt weltweit beliebt. Wie schön es wäre, wenn der Hanf verschwände und es nur noch Nylon gäbe, hat man sich deshalb bei DuPont gefragt und natürlich auch, wie das Verschwinden zu bewerkstelligen sei.
DuPonts Banker, der auch der Banker von Hearst war, wusste Rat, denn er war zum einen der Onkel des US-Finanzministers Andrew W. Mellon und hatte zum anderen auch zu dem ehemaligen Leiter des Federal Bureau of Narcotics Harry J. Anslinger familiäre Beziehungen. Der hatte grad seinen Job verloren, weil das Alkoholverbot in den USA 1933 wieder aufgehoben worden war. Doch nachdem der Banker zusammengebracht hatte, was zusammengehört, wurde Harry J. Anslinger im Jahre 1930 zum Beauftragten der USA für Rauschmittel ernannt. Während es DuPont und Hearst nur um die Pflanze ging, hasste der nunmehr Dritte im Bunde die Blüte und ihre Güte. Aber der hasste so manches.
Wann immer ich über den Fotos von Harry J. Anslinger brüte, schaue ich in die klassische Hassfresse. Er hasste Schwarze, er hasste Mexikaner, und vor allem hasste er es, weiße Frauen mit schwarzen Männern tanzen zu sehen, denn wohin das führt, weiß jeder Rassist. Was sich auf der Tanzfläche durchmischt, das mischt sich auch im Bett. Darum hasste er auch den Jazz. Denn das Marihuana kam mit den Mexikanern und beflügelte alsbald den Jazz der Afroamerikaner, und Rassisten haben zwar nichts gegen schwarze Blues- und Gospelsänger, denn leiden und zu Gott beten dürfen die Nachkommen ihrer Sklaven gern, aber beim Jazz werden sie frech. Und noch frecher werden sie, wenn sie bekifft sind. Anslinger, der Rassist, erwies sich deshalb für Hearst und DuPont als idealer politischer Lobbyist für das Verbot von Cannabis.
Es war keine einfache Mission, der sich die Schrecklichen Drei verschrieben hatten. Die älteste Nutzpflanze der Welt war gleichzeitig auch die älteste Heilpflanze. Schon um 2800 vor Christi Geburt war der Meister Shennong eigentlich täglich in den Wiesen und Wäldern des alten China unterwegs, um Kräuter zu testen. Welche werden heilen, welche werden Gegenteiliges bewirken, und welche werden gar nichts tun, außer vielleicht gut zu schmecken? Weil Meister Shennong die Tests an sich selbst vornahm, passierte es schon mal, dass er sich an nur einem Tag 70-mal vergiftete, aber er hatte auch einen Tee gefunden, der ihm verlässlich als Gegenmittel diente. Oder war es umgekehrt, und der Wundertee fand ihn?
Man sagt, der Wind habe die Blätter eines brennenden Teestrauchs in den Topf geweht, in dem der Meister Shennong grad Wasser zum Kochen brachte. Wie dem auch sei, sein Gegenmittel wirkte tadellos, nur einmal nicht, und danach war der Meister tot. Doch bis es ihm dieses eine Mal den Magen zerriss, hatte der Urvater der chinesischen Medizin über 300 heilende Kräuter identifiziert und deren Wirkung notiert. Und Cannabis war halt auch dabei. Meister Shennong schrieb demnach schon vor 4800 Jahren dem Harz der Blüte heilende Wirkung bei Verstopfungen, Gicht, Malaria, Frauenkrankheiten und Geistesabwesenheit zu, erst etwa 1000 Jahre später, aber immer noch 1700 Jahre vor Cleopatra, erweiterten die alten Ägypter die Liste der Krankheiten, die Cannabis zu lindern vermag, um das Leiden entzündeter, faulender oder pilzbefallener Zehennägel.
Alte Chinesen, alte Ägypter, da dürfen die alten Inder nicht beiseitestehen. Sushruta gilt als Vater des Ayurveda und erster indischer Chirurg in Personalunion. Wann genau er lebte, ist nicht bekannt, aber irgendwann zwischen 1000 Jahren vor oder etwa 200 Jahren nach Christus vermuten Historiker seine Schaffenszeit. Sein Werk beschreibt 300 Operationen mit 121 Instrumenten, darunter auch ein gruseliges Sortiment an Zangen, und zur Betäubung der Armen empfahl Sushruta indischen Hanf, also Ganja, also Haschisch. Der alte Orient und seine islamischen Ärzte bestätigten im 9. und 10. Jahrhundert die schmerzstillende Wirkung der Hanfsamen und fügten ihrerseits noch deren Wohltaten bei Wurmbefall und Hautkrankheiten hinzu. Die Kreuzritter des Mittelalters, die im Orient ein und aus zu reiten pflegten, brachten das mittlerweile fast Allheilmittel zu nennende Biomedikament dann flugs nach Europa, wo immerhin die heilige Äbtissin Hildegard von Bingen – und nicht etwa eine Kräuterhexe – das heilende Potenzial der Cannabis-Blüte bei Übelkeit und Magenschmerzen entdeckte, und schon bald hieß es, Religion ist Opium für das Volk, aber Haschisch ist die Droge der Klöster.
Die Nebenwirkungen der Cannabis-Medizin verschafften den Ordensbrüdern und Klosterschwestern fromme Visionen und öffneten ihnen die Tore zum kreativen Christentum. Die heilige Hildegard von Bingen ist ja nicht nur als heilkundiges Universalgenie des Mittelalters bekannt, sondern machte sich weit über ihr Kloster und ihr Jahrhundert hinaus einen Namen als Malerin, Poetin und des Mittelalters erste Mystikerin – und das alles war legal. Dabei blieb es auch die nächsten 900 Jahre, und in den Tagen, als Harry J. Anslinger, William Randolph Hearst und DuPont ihren Kreuzzug gegen Marihuana begannen, waren in Europa über 100 verschiedene Cannabis-Medikamente in den Apotheken zu haben, in Amerika machten sie 50 Prozent aller verschriebenen Schmerzmittel aus, und auch der nicht medizinische Gebrauch war so normal und legal wie seit über 4000 Jahren. Also, wie macht man das? Wie kriegt man das hin? Wie raubt man der Menschheit das Gewohnheitsrecht auf gesunde Drogen?
Gehirnwäsche. Anders geht es nicht. Und dafür war William Randolph Hearst der beste Mann. Er wies die Armee seiner Journalisten an, jedes Gewaltverbrechen, jede Schandtat, jeden blutigen Frevel irgendwie, aber grundsätzlich mit Marihuana in Verbindung zu bringen. Seine Zeitungen erreichten täglich 40 Millionen Leser, und was die nun zum Frühstück auf den Tisch bekamen, galt selbst in der...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Cannabis • cannabiskonsum • Cannabisliberalisierung • Drogen • Drogenpolitik • Hanf • Kiffen • Legalisierung • Legalize it • Marihuana • Sucht • Suchtbekämpfung • Suchthilfe |
ISBN-10 | 3-492-60462-5 / 3492604625 |
ISBN-13 | 978-3-492-60462-8 / 9783492604628 |
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