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Maoismus (eBook)

Eine Weltgeschichte | PLATZ 1 SACHBUCH-BESTENLISTE | Ein preisgekröntes und bahnbrechendes Werk über den globalen Einfluss Maos und Chinas von einer vielfach ausgezeichneten Autorin

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
768 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-77546-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Maoismus -  Julia Lovell
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PLATZ 1 SACHBUCH-BESTENLISTE

WIE DIE WELT DEM MAO-FIEBER ERLAG

Unter der Herrschaft Xi Jinpings prägt der Maoismus bis heute die Politik Chinas. Umso wichtiger ist es, seine Geschichte zu verstehen. Revolutionär, brutaler Diktator, Pop-Ikone: Mao Zedong war eine der prägendsten Personen des 20. Jahrhunderts. Das kleine Rote Buch, bis heute knapp eine Milliarde Mal gedruckt, verbreitete sein Denken weltweit. Antikoloniale Bewegungen beriefen sich ebenso auf den Großen Vorsitzenden wie Politsekten und Terrororganisationen. Rudi Dutschke propagierte den »Langen Marsch durch die Institutionen«. Andy Warhol wählte Mao als sein erstes nichtwestliches Motiv.
In ihrem monumentalen Buch zeigt Julia Lovell, wie der Maoismus in China und zahlreichen anderen Ländern rund um den Globus zu einer so wirkmächtigen Ideologie werden konnte. Dabei verschiebt sie die Koordinaten der herkömmlichen Geschichtsschreibung. Fernab von Moskau und Washington beeinflusste Peking zur Hochzeit des Kalten Krieges den Konflikt in Vietnam, verhalf den Roten Khmer in Kambodscha an die Macht und inspirierte Guerillas in Indien und Peru.
Lovell erklärt, warum Intellektuelle in Westeuropa von einer Weltanschauung fasziniert waren, die sich an chinesische Bauern richtete. Sie folgt den Wegen revolutionärer Kämpfer aus Afrika, Südamerika und den USA. »Ein beeindruckendes, zugängliches und [...] erstaunliches Buch« (Ian Johnson, Pulitzer-Preisträger).



Julia Lovell, geboren 1975, ist Sinologin und Übersetzerin. Nach Stationen in Peking und Cambridge lehrt sie als Professorin für moderne chinesische Geschichte und Literatur am Birkbeck College, University of London. Für ihre Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt 2019 mit dem Cundill History Prize.

7Einleitung


Peking, Herbst 1936, ein geräumiges Haus mit Innenhof, Wohnsitz der amerikanischen Journalisten Helen und Edgar Snow. Helen, Ende 20, von knabenhafter Schlankheit, mit dem Aussehen eines Hollywoodstars, setzt sich für ihr morgendliches Arbeitspensum an den Schreibtisch. Die Haustür geht auf, Edgar kommt herein. Vier Monate hat sie ihren Mann nicht gesehen. Seit Juni war er auf einer Reise zu dem kommunistischen Staat im Nordwesten Chinas und hatte in dieser Zeit kaum Kontaktmöglichkeiten. Nun »grinst er«, in der für Helen typischen prägnanten Beschreibung, »albern hinter dem graumelierten Vollbart wie die Katze, die den Kanarienvogel gefressen hat«. Er tanzt, auf dem Kopf eine »graue Mütze mit einem roten Stern auf der ausgebleichten Vorderseite«, überglücklich im Zimmer herum und bestellt bei dem chinesischen Koch der beiden ein deftiges amerikanisches Frühstück mit Eiern, Kaffee und Milch.1 Seine Tasche ist voll mit Notizbüchern, verknipsten Filmen und 20000 transkribierten Wörtern Mao Zedongs. In den kommenden Monaten wird er aus dem Material ein Buch mit dem Titel Roter Stern über China zusammenstellen – einen Weltbestseller. Das Buch sollte nicht nur Snow zu einem Chronisten der kommunistischen Revolution in China und zu einem Vermittler zwischen den chinesischen Kommunisten und einem internationalen Publikum, sondern auch Mao zu einer internationalen politischen Berühmtheit machen. Es wird Mao und seine Revolution für indische Nationalisten, chinesische Intellektuelle, sowjetische Partisanen, amerikanische Präsidenten, malaiische Aufständische, Anti-Apartheid-Kämpfer, westliche Linksradikale, nepalesische Rebellen und viele andere übersetzen. Roter Stern über China ist der Beginn des globalen Maoismus.

Dschungel in Perak, British Malaya, Ende der vierziger Jahre. Soldaten der britischen Kolonialarmee (Briten, Malaien, Australier, Gur8khas) durchstöbern die Reste verlassener Lager der Kommunistischen Partei Malayas (Parti Komunis Malaya, PKM). Sie finden Dutzende Exemplare von Edgar Snows Roter Stern über China in der chinesischen Übersetzung. Im Jahr 1948 hat die von ethnischen Chinesen dominierte PKM einen Aufstand gegen die Briten begonnen, den die Kolonialmacht als »Emergency« bezeichnet. Es ist einer der ersten Entkolonialisierungsaufstände gegen die alten europäischen Imperien nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Rebellen sind inspiriert von Mao und seiner Revolution: von der Zähigkeit, mit der er seinen langwierigen Guerillakrieg führte; von der stark ideologisch geschulten Partei und Armee, die er schuf; und davon, wie er dem europäischen, amerikanischen und japanischen Imperialismus die Stirn bietet.

Washington, November 1950. Kalte-Kriegs-Hysterie im Außenministerium. Die Nachricht von der Intervention der Rotchinesen im Koreakrieg hat sich bestätigt und weckt die Angst vor einem weltweiten maoistischen Aufstand. Senator Joe McCarthy, »der große nationale Einschüchterer«,2 profitiert stark von der allgemeinen Angst vor einer kommunistischen Infiltration der Vereinigten Staaten und treibt zwei linksliberale Senatoren durch die Beschuldigung, sie hätten Verbindungen mit »Roten«, aus dem Amt. Für die amerikanische Führung ist der malaiische Aufstand ein Teil des Kalten Krieges und kein antikolonialistischer Kampf. Zu seiner Hauptursache wird die transnationale Subversion der Chinesen erklärt. Die Rebellion muss niedergeschlagen werden, um einen globalen Sieg des Kommunismus zu verhindern. Die »Dominotheorie«, die Überzeugung, dass die Länder Südostasiens ohne amerikanisches Eingreifen eines nach dem anderen unter kommunistische, unter chinesische Herrschaft geraten, wird geboren. Als der Koreakrieg in jenem Winter eine schlimme Wendung nimmt und etwa 7000 GIs in Gefangenschaft geraten, als Wellen chinesischer Soldaten die amerikanischen Linien durchbrechen und nach Seoul vorstoßen, kursieren in den USA Gerüchte über einen neuartigen maoistischen Psychokrieg, der an den amerikanischen Kriegsgefangenen in Korea ausprobiert 9wird. Der amerikanische Journalist (und möglicherweise irgendwann auch CIA-Agent) Edward Hunter beschuldigt Mao, eine schreckliche neue Waffe gegen die Menschheit einzusetzen: »Gehirnwäsche«. CIA-Agenten, Journalisten, Verhaltensforscher, Romanschriftsteller und Filmemacher leisten während der fünfziger Jahre ihren Beitrag zu der kollektiven Wahnvorstellung eines mächtigen maoistischen Apparats zur Gedankenkontrolle. Diese panische Angst vor chinesischer »Gehirnwäsche« – basierend auf der zuvor schon existierenden Angst vor sowjetischem Psychoterror – führt zu einem exponentiellen Wachstum der »geheimen Sphäre« in den USA und dient als Rechtfertigung für einen geheimen Staat im Staate und für das gewaltige psychologische Operationsprogramm der CIA. Durch eine Serie von Initiativen mit Codenamen wie Bluebird, Artichoke oder MKUltra wird die CIA in den gesamten fünfziger und sechziger Jahren versuchen, die chinesischen und sowjetischen Techniken zur Gedankenkontrolle nachzuvollziehen, die sie für so gefährlich hält. Am Ende werden aus diesem Programm die »erweiterten Verhörtechniken« des Krieges gegen den Terror hervorgehen, der die Fundamente der US-amerikanischen Demokratie untergräbt.

Die Bronx, New York 1969. Der junge amerikanische Linksradikale Dennis O’Neil hat eine Meinungsverschiedenheit mit einem Freund. Wie viele aus seiner Generation ist O’Neil ein leidenschaftlicher Bewunderer von Mao Zedong und dessen Kulturrevolution. Sein Freund bevorzugt Trotzki. Die beiden entwickeln ein wissenschaftliches Verfahren, um zu klären, wessen politische Strategie die bessere ist. Für einen bestimmten Zeitraum wird jeder auf dem Balkon ihrer Wohnung im 15. Stock einer anderen Hanfpflanze aus den Werken seines jeweiligen Idols vorlesen. »Meine Pflanze gedieh, seine verwelkte«, berichtet O’Neil später. »Das war der Beweis.« Unterdessen findet in der Buchhandlung China Books and Periodicals in San Francisco, dem wichtigsten Outlet für Maos Wort an der West Coast, ein weiterer exzentrischer Versuch statt: Die Mitglieder der Seven Diggers, einer Gruppe selbsternannter »Ultrademokraten«, sitzen 10im Lotossitz zwischen Stapeln mit Mao-Bibeln und lesen, inspiriert von Haschischkeksen, Maos Worte über die chinesische Revolution und den Guerillakrieg. Zwei FBI-Beamte in Regenmänteln, die die Zusammenkunft überwachen, vertreiben sich die Zeit, indem sie in einer anderen Ecke des Geschäfts das Angebot chinesischer Briefmarken studieren.3

Die Experimente der CIA mit LSD, als der Geheimdienst an seinem Programm zur »Gehirnwäsche« arbeitet, spielen eine Schlüsselrolle in den drogengetriebenen Jugendrevolten der sechziger und siebziger Jahre. Ab 1969 sickert das in den Forschungslaboren der CIA massenweise produzierte LSD an die Studierenden durch, die es als Freizeitdroge verwenden. Die expandierende Drogenszene ist an der Entfesselung einer lautstarken Protestbewegung beteiligt, die sich mit der Kulturrevolution identifiziert. Maoistische Hippies wie die Vorleser auf Dennis O’Neils Balkon oder die Mitglieder der Seven Diggers sind das Ergebnis. Mao-Fieber erfasst den amerikanischen Westen. An den französischen Universitäten werden überall »Wandzeitungen« plakatiert, west-deutsche Studierende tragen Mao-Buttons, Zitate aus der Mao-Bibel werden an die Wände italienischer Hörsäle geschmiert. Maoistische Anarchisten steigen auf die Berliner Gedächtniskirche und bombardieren die Passanten mit Hunderten von Mao-Bibeln. Aber nicht nur harmlose Spinner, auch harte Jungs werden aktiv. Junge Revolutionäre reisen nach China oder Albanien, wo sie von der Volksrepublik China entwickelte und finanzierte politische und militärische Trainingszentren besuchen. Nach 1968 inspiriert der militante Maoismus der Kulturrevolution den urbanen Terrorismus der Roten Armee Fraktion in der Bundesrepublik und der Roten Brigaden in Italien beim Angriff auf die beiden fragilen Demokratien, die nach dem Faschismus um ihre Legitimität kämpfen.

Nanjing 1965. Als die Begeisterung für Maos Revolution Linke auf der ganzen Welt erfasst, besucht der peruanische Philosophieprofessor Abimael Guzmán eine Militärakademie in Nanjing. Dort könnte er Spekulationen...

Erscheint lt. Verlag 2.4.2023
Übersetzer Helmut Dierlamm, Norbert Juraschitz
Sprache deutsch
Original-Titel Maoism. A Global History
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 1968 • Adrian Geiges • Afrika • aktuelles Buch • Andy Warhol • Antikolonialismus • Bestseller • Bestseller bücher • Bestsellerliste • buch bestseller • bücher neuerscheinungen • China • China mein Vater und ich • Chip-Krieg • Cundill History Prize 2019 • Das kleine rote Buch • Deutscher Herbst • Elektroautos • Felix Lee • Frank Dikötter • Frank Sieren • Kalter Krieg • K-Gruppe • Kommunismus • Mao-Bibel • Maoism. A Global History deutsch • Mao Zedong • Neuerscheinungen • neues Buch • Paul Breitner • Pop • Popkultur • Putin • Revolution • Rote Khmer • Rotes Buch • Rudi Dutschke • Sachbuch-Bestenliste • Sachbuch-Bestseller-Liste • Seidenstraße • Solar • Stefan Aust • Studentenbewegung • Taiwan • Welt • Xi Jinping
ISBN-10 3-518-77546-4 / 3518775464
ISBN-13 978-3-518-77546-2 / 9783518775462
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