Das Wissen der Leser (eBook)
250 Seiten
Herbert von Halem Verlag
978-3-7445-0907-7 (ISBN)
Dr. Gianna Haake war wissenschaftliche Mitarbeiterin für Kommunikationswissenschaft an den Universitäten Münster und Trier, wo sie mit der vorliegenden Arbeit promoviert wurde.
Dr. Gianna Haake war wissenschaftliche Mitarbeiterin für Kommunikationswissenschaft an den Universitäten Münster und Trier, wo sie mit der vorliegenden Arbeit promoviert wurde.
3 Internet, Journalismus und Anschlusskommunikation
Die Entwicklung des Internets ist eines der offensichtlichsten Merkmale einer Gesellschaft, in der Informationen und Wissen zentral sind. Es ermöglicht eine von Raum und Zeit fast unabhängige Verbreitung von Daten in einem bisher nicht bekannten Ausmaß. Doch neben der einfachen Bereitstellung und Rezeption von Informationen erlaubt es auch die zweiseitige Kommunikation zwischen einer großen Zahl von Personen, die so genannte many-to-many Kommunikation. Die vielfältigen Formen des interaktiven Austausches insbesondere in Form von sozialen Netzwerken werden häufig als Web 2.0 oder Social Web beschrieben. Dessen Funktionen gehen weit über die traditionellen Massenmedien hinaus und tragen somit zu einer neuen Form der Wissens- und Kulturproduktion bei. Daher ist für die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit des Social Web nicht einfach die Menge der verfügbaren Informationen relevant, sondern dass „es Werkzeuge und Mechanismen bietet, mit denen eine größere Zahl von Akteuren Informationen bereitstellen, mit anderen teilen, bearbeiten und weiter verbreiten kann“ (Schmidt 2011: 97).
3.1 Traditionelle Massenmedien und das Internet
Wo die Wissensgesellschaft zur „digitalen Wissensgesellschaft“ (Schetsche, Lehmann & Krug 2007: 19) wird, generiert nicht mehr allein eine zentrale Institution wie die Zeitungsredaktion das bereitgestellte Wissen. Wissensproduktion wird stattdessen dialogisch und kollaborativ; Diffusität und Intertextualität nehmen zu (vgl. ebd.: 29). Dennoch spielt die Rezeption von professionell erstellten Nachrichten- und Informationsangeboten auch dort noch eine große Rolle.
Informationssuche im Internet
Für viele Menschen ist das Internet bereits zu einer der bedeutendsten Informationsquellen geworden. 40 % der Deutschen zwischen 14 und 64 Jahren bezeichnen das Internet für ihre tägliche Information als unverzichtbar und 20 % nutzen es täglich, um sich über das aktuelle Geschehen zu informieren (vgl. Schneller 2009). Unter den Nutzern des Social Web geben sogar fast alle an, das Internet zur Informationssuche einzusetzen (vgl. Haas, Trump, Gerhards & Klingler 2007: 218). Insgesamt 55 % der Internetnutzer lesen mindestens gelegentlich ak tuelle Nachrichten online (vgl. Eimeren & Frees 2013: 364). Diese können entweder die Form klassischer journalistischer Angebote haben oder ein neues Erscheinungsbild aufweisen, können von kommerziellen Onlineanbietern oder von Personen bereitgestellt werden, die sich in ihrer Freizeit mit dem Internet beschäftigen. Die Motive der Nachrichtenrezeption, wie Informationssuche, Integration und Unterhaltung, bleiben gegenüber all diesen Medienangeboten fast identisch, was jedoch nicht bedeutet, dass im Internet allgemein oder im Social Web die gleichen Inhalte ausgewählt werden wie in den traditionellen Massenmedien (vgl. Lin, Salwen & Abdulla 2005: 229). Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass nationale und politische Nachrichten beim Lesen von Zeitungen im Internet weniger beachtet werden (vgl. Lin, Salwen & Abdulla 2005; Tewksburry & Althaus 2000). In der ACTA Befragung 2009 geben 55 % der Deutschen an, Nachrichten zur Politik im Internet abzurufen (vgl. Schneller 2009). Allerdings werden „harte“ Nachrichten wie etwa Berichte über Politik und Wirtschaft, dort wo entsprechende Optionen im Internet vorhanden sind, seltener kommentiert als „weiche“ (vgl. Deuze, Bruns & Neuberger 2007: 343). Eine mögliche Erklärung ist, dass die durch Journalisten vorgegebene Strukturierung im Internet deutlich schwächer ist als sie beispielsweise durch den Aufbau einer Zeitung oder den Ablauf einer TV-Sendung zustande kommt, und dass sich die Relevanzkriterien der Nutzer zumindest in gewissem Grad von denen der professionellen Medienschaffenden unterscheiden. In diesem Sinne sind Internetnutzer mit Bezug auf den Selektionsprozess die aktiveren Rezipienten. Gezwungener Maßen müssen sie mehr Anstrengungen darauf verwenden, im nahezu unendlichen Angebot des Internets bestimmte Informationen zu suchen, zu filtern und zu bewerten. Ihre Sachauseinandersetzung, bei der es um die Orientierung in der Welt geht, kann daher auch als Informationsmanagement beschrieben werden (vgl. Schmidt 2008: 24). Eine besondere Form der Selektion durch Rezipienten sind Social-News-Plattformen, auf denen Informationsangebote von Nutzern bewertet werden. Ganz im Sinne von Alvin Tofflers (1980) „Prosumenten“ wird hier eine Dienstleistung – die Selektion – von den Nutzern selbst erbracht. Den Beginn einer solchen „Do-it-yourself“-Bewegung datiert Toffler lange vor das Internetzeitalter3, womit sich das neue Medium lediglich in diese gesellschaftliche Tendenz einfügt und sie möglicherweise beschleunigt. Doch nicht alle Mediennutzer haben den Willen und die Fähigkeit, entsprechend selbstständig Aktivitäten zu entwickeln.
So ist der Einfluss journalistischer Selektion auch im Internet sehr groß und selbst auf Social-News-Seiten dominieren professionell erstellte Medieninhalte (vgl. Schmidt 2009: 148). Die klassischen Medienunternehmen bieten eine bekannte und für die meisten Personen glaubwürdige Anlaufstation für die Onlineinformationssuche, weil dort professionelle Journalisten ihre Gatekeeper-Funktion erfüllen und für den Rezipienten nur die vermeintlich relevanten Informationen bereitstellen. Nach Nachrichtenangebote von Webportalen wie Google oder AOL sind die Webseiten von Medienorganisationen wie CNN, FOX und CBS in den USA die meistgenutzten Seiten für Onlinenachrichten. 46 % der amerikanischen Nutzer von Onlinenachrichten, greifen täglich auf deren Angebote zu, 38 % auf die Webseiten von nationalen oder lokalen Zeitungen (vgl. Purcell et al. 2010: 37). Für Deutschland halten Gehrau und Goertz (2010) fest, „dass Intemetnutzer sich trotz der großen Themenvielfalt immer wieder auf bestimmte Angebote (z. B. spiegel.de, bild.de) konzentrieren“ (ebd.: 169). Auch für die Anschlusskommunikation im Internet gilt: „Die großen Nachrichtensites und Ableger der traditionellen Medienangebote sind […] wichtige Vermittler“ (Nuernbergk 2012: 560). Um ein Verständnis für neue, nutzergenerierte Inhalte zu entwickeln, sind sie als Impulsgeber daher weiterhin von großem Interesse.
Zeitungen im Internet
Schon in den 1980er-Jahren haben die ersten Zeitungen Webportale aufgebaut. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG war 1995 eine der ersten deutschen Tageszeitungen, die mit einer eigenen Internetpräsenz online ging. In den darauffolgenden Jahren stieg die Zahl der deutschen Zeitungswebseiten kontinuierlich an, bis es 2003 schließlich über 600 waren (vgl. Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) 2009: 371). Seitdem kommen nur noch wenige neue Seiten hinzu. Schließlich verfügen 95 % der reichweitenstarken Offlinemedien inzwischen über ein ergänzendes Onlineangebot mit redaktionellem Inhalt (vgl. Trost & Schwarzer 2012: 71). Dies orientiert sich in vielen Fällen noch überwiegend an den Inhalten und Darstellungsformen des ursprünglichen Produktes, weshalb die Onlineangebote der Zeitungsverlage im Folgenden auch als Nachrichtenportale bezeichnet werden. Eine eigenständige exklusive Onlineberichterstattung ist eher unüblich (vgl. Garrison 2005: 17). Stattdessen beschränken sich die Betreiber nicht selten auf eine laufende Aktualisierung und Hintergrundinformationen zu offline veröffentlichten Berichten. Im Rahmen der zunehmenden Verknüpfung unterschiedlicher Medienangebote finden sich in Zeitungen und Fernsehprogrammen inzwischen immerhin mehr und mehr Verweise auf vertiefende Onlineinformationen (vgl. Eimeren & Frees 2009: 337). Viele der neuen Möglichkeiten des Internets wie interaktive Funktionen, die es den Rezipienten erlauben, eigene Inhalte auf den Seiten der Medienanbieter bereit zu stellen, werden bisher nur begrenzt eingesetzt. Es sind eher Unternehmen mit hohen Marktanteilen, die solche Angebote auf ihren Webseiten integrieren (vgl. Chan-Olmsted & Park 2000: 322). Dies scheint zunächst unverständlich, wenn man beispielsweise Kommentarfunktionen als Pendant zu den in den Printmedien weit verbreiteten Leserbriefrubriken versteht. Doch durch die digitale Umgebung unterscheiden sich beide in einigen wesentlichen Punkten. So reduzieren Anonymität, geringere Kosten und kleinerer zeitlicher Aufwand die Hemmschwelle einen eigenen Text zu verfassen. Nur teilweise sind Hürden wie eine persönliche Registrierung oder eine vorgeschaltete redaktionelle Kontrolle mit den Angeboten verbunden. Viele Medienunternehmen besitzen jedoch nicht die notwendigen Ressourcen, die technischer, aber in erster Linie personeller Art sind, um ein solches Onlineangebot zu verwalten. 80 % der nutzergenerierten Inhalte auf britischen Medienseiten werden vor ihrer Veröffentlichung editiert (vgl. Thurman 2008: 142). Allerdings beteiligen sich die Journalisten kaum aktiv an den Diskussionen (vgl. Singer 2009: 488). 2002 gaben immerhin 28 % der deutschen Journalisten an, Foren oder Chats zu betreuen (vgl. Neuberger 2007a: 72). So verfügen auch unter den 23 größten US-amerikanischen Onlinezeitungen 2003 nur knapp die Hälfte über ein Forum (vgl. Imfeld & Scott 2005: 211). In Deutschland boten 2007 je 22 % der Tageszeitungen und Rundfunkanbieter moderierte Diskussionen und 42 % der Tageszeitungen bzw. 13 % der Rundfunkanbieter Kommentarfunktionen zu journalistischen Beiträgen im Internet an (vgl. Neuberger, Nuernbergk & Rischke 2009: 282ff). Deutlich höher liegt der Anteil bei den Publikumszeitschriften und Wochenzeitungen. Im Gegensatz zur Mediengattung sind die Länge des Bestehens einer Webseite und die regionale Ausbreitung des Offlinemediums in den USA kein Prädiktor für das Angebot an interaktiven Funktionen (vgl. Zeng & Li...
Erscheint lt. Verlag | 18.2.2015 |
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Zusatzinfo | 25 s/w Abb. |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Kommunikation / Medien ► Kommunikationswissenschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Expertenwissen • Laienkommunikation • Leserkommentare • Reproduktionsmedizin • Social Web • Wissenschaftsjournalismus |
ISBN-10 | 3-7445-0907-9 / 3744509079 |
ISBN-13 | 978-3-7445-0907-7 / 9783744509077 |
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