Shitmoves (eBook)
272 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491826-6 (ISBN)
Iris Gavric und Matthias Renger betreiben zusammen den Erfolgs-Podcast »Couple Of« und haben eine gemeinsame Kreativagentur. Wenn sie nicht gerade entspannt streiten, nehmen sie TikToks auf - manchmal machen sie auch beides. Wöchentlich bringen sie Hunderttausende zum Lachen und Nachdenken. Auf TikTok sind sie unter @matthiasrenger und @irisgavric zu finden. Die beiden leben zusammen in Berlin.
Iris Gavric und Matthias Renger betreiben zusammen den Erfolgs-Podcast »Couple Of« und haben eine gemeinsame Kreativagentur. Wenn sie nicht gerade entspannt streiten, nehmen sie TikToks auf – manchmal machen sie auch beides. Wöchentlich bringen sie Hunderttausende zum Lachen und Nachdenken. Auf TikTok sind sie unter @matthiasrenger und @irisgavric zu finden. Die beiden leben zusammen in Berlin. Matthias Renger und Iris Gavric betreiben zusammen den Erfolgs-Podcast »Couple Of« und haben eine gemeinsame Kreativagentur. Wenn sie nicht gerade entspannt streiten, nehmen sie TikToks auf – manchmal machen sie auch beides. Wöchentlich bringen sie Hunderttausende zum Lachen und Nachdenken. Auf TikTok sind sie unter @matthiasrenger und @irisgavric zu finden. Die beiden leben zusammen in Berlin.
mit unterhaltsamen szenischen Beispielen, die im Kopf bleiben
2. The King’s Gambit
Der allerschlimmste Satz, den Iris jemals zu einem Menschen gesagt hat, lautete: »Entschuldigung, weißt du, wo hier die Tiefkühlpizzen sind?« Der Mann im Geschäft, den sie das fragte, brüllte sie dafür minutenlang dermaßen heftig zusammen, dass Iris die Tränen kamen und sie sich nie wieder traute, in dieses Geschäft zu gehen, aus Angst, dass der Mann wieder da sein könnte. Was hatte sie falsch gemacht? Sie hat ihn geduzt, obwohl die beiden sich gar nicht kannten.
Wenn du wie dieser Mann bist, dann liest du das hier vermutlich eh nicht mehr, weil du schon beim ersten Satz einen Wutanfall hattest. Aber es wäre einfach deplatziert, unsere Geschichten »Ihnen« zu erzählen. Denn wir werden uns jetzt über Stunden hinweg gemeinsam amüsieren, wundern und empören. Wir setzen uns zusammen mit dir in ein Wechselbad der Gefühle, und darin sprechen wir dich dann nicht als Herr Doktor Klöbner oder Herr Müller-Lüdenscheid an, sondern bieten dir das vertrauensvolle Du an. Als Iris und Matthias erzählen wir dir alles mit einer gemeinsamen Stimme – nur jetzt, im folgenden Teil, fragen wir uns zum Einstieg einmal gegenseitig, wie die Shitmoves eigentlich in unser Leben kamen. Los geht’s.
Matthias, nach einer Auseinandersetzung denkst du noch wochenlang an die Diskussion. Du gehst sie Wort für Wort durch, suchst nach unbemerkten Shitmoves und überlegst dir im Nachgang, welche Antwort noch besser gewesen wäre. Manchmal beobachte ich dich dabei, wie obsessiv du in deinen Gedanken das Gesagte sezierst und wie die Emotionen noch mal in dir hochkochen. Man könnte jetzt meinen, ich rede nur von Auseinandersetzungen mit mir oder anderen dir nahestehenden Menschen. Aber oft ist es einfach nur irgendein Fahrkartenkontrolleur, von dem du dich ungerecht behandelt fühlst. »NUR IRGENDEIN FAHRKARTENKONTROLLEUR?«, würdest du jetzt wohl dazu sagen. Denn was der in dir auslöst, gleicht diesen Szenen aus The Queen’s Gambit, wenn Beth die ganze Nacht hellwach im Bett liegt und wie im Wahn an die Decke starrt, wo sie ein gigantisches Schachbrett sieht, auf dem sie ununterbrochen tausend Varianten durchspielt. Genau so liegst du abends im Bett, starrst an die Decke, projizierst diesen Kontrolleur dorthin und schiebst Worte wie Schachfiguren hin und her, bis du ihn irgendwann rhetorisch besiegt hast. Und ich liege dann neben dir, starre dich an und frage mich: Warum zur Hölle bist du so?
NUR IRGENDEIN FAHRKARTENKONTROLLEUR? Iris, den würde ich in einem Film als Stasi-Paragraphenreiter besetzen! Dass du ihn hier überhaupt als Beispiel bringst, ist schon ein Shitmove, jetzt muss ich mich erst mal rechtfertigen: Ich bin mal in Berlin spontan zwei Stationen mit der Tram gefahren. Ich hätte auch zu Fuß laufen können, aber es war arschkalt, und die Tram hielt gerade so praktisch neben mir, also war ich halt kurz bequem. Obwohl es nur so eine superkurze Fahrt war, hab ich Depp mir am Automaten in der Tram ein Kurzstreckenticket gezogen. Kaum hatte ich’s, musste ich auch schon wieder aussteigen. Nur einen Schritt weiter wartete ein Mülleimer, in den ich mein gerade erst gekauftes Ticket warf.
Und was fällt mir nach zwei Sekunden in der Kälte auf? Dass ich meine Handschuhe in der Tram auf dem Automaten vergessen hab! Zum Bedienen des Displays und zum Bezahlen hatte ich sie kurz ausgezogen. Noch steht die Tram da, also springe ich sofort noch mal rein, dränge mich an den Zugestiegenen vorbei, packe meine Handschuhe, will wieder raus, aber da schließen sich vor meiner Nase die Türen, und die Tram fährt los. Ich rüttele noch frustriert an der Tür, drücke ein paarmal den Stopp-Knopf wie so ein Spielautomatensüchtiger in Las Vegas und bemerke erschrocken, dass ausgerechnet in dieser Situation dieses elende »Juten Tag, Fahrscheine bitte!« ertönt. Ich will sofort wieder zum Automaten, aber der verdammte Kontrolleur hat mich längst im Blick und deutet mein Verhalten ganz klar als Fluchtversuch.
Das finde ich übrigens völlig nachvollziehbar, wenn ich mein Verhalten der letzten zehn Sekunden durch seine Augen Revue passieren lasse. Also gehe ich einfach direkt zu ihm hin und erkläre ihm freundlich und aufrichtig den Sachverhalt. Halte ihm meine Handschuhe hin, als wären sie ein Beweis. Mir fällt ein, dass mich doch andere Fahrgäste gesehen haben müssen, wie ich noch vorhin am Automaten bezahlt hab und eigentlich schon ausgestiegen bin. »Fragen Sie die Leute, das war wirklich so«, bitte ich ihn, aber an seinem Blick erkenne ich schon, dass er längst weiß, wie er mit der Sache umgehen will.
Und hier kommt der Grund, warum mich die Ungerechtigkeit dieser Geschichte auch später noch beschäftigt hat. Man sollte doch annehmen, dass er nach meiner Erklärung vor der einfachen Wahl steht, mir entweder zu glauben und mich gehen zu lassen oder aber mir das nicht abzukaufen. Aber dieser Sack antwortet: »Gloob ick Ihnen ja allet! Aba ’ne Fahrkarte ham wa jetz nich, wa? Also Ausweis bitte.« Ein Trotzmove! Und ich muss 60 Euro Strafe zahlen für ein paar dumme Zufälle, die jedem passieren könnten! Was soll ich denn da noch sagen, wenn er mir den Verlauf sowieso schon glaubt? Ist es nicht ganz normal, sich darüber auch später noch zu ärgern? Wenn du recht hättest, dass ich auf solche Erlebnisse zu obsessiv reagiere, würden meine Emotionen darüber ja heute immer noch hochkochen.
Ach Scheiße, sie tun es! Du hast recht, Schachmatt.
Ich suche mal in meiner Kindheit nach der Antwort auf deine Frage, warum ich so bin. Wenn ich an meinen Vater denke, erinnere ich mich an ein paar typische Ausrufe von ihm. So wie Homer Simpson »D’OH!« schreit und zu Bart »Na warte, du …« sagt, bevor er ihn würgt, hatte auch mein Vater Catch Phrases. Seine waren: »Weil ich das sage. Basta« und »Drrrt! Keine Widerrede!«, mit extrastreng gerolltem R und drohend aufgerissenen Augen. Das war sein Versuch, mir zu erklären, warum ich dieses nicht darf und jenes muss.
Meine Mutter war das komplette Gegenteil. Sie begründete alles argumentativ. Mir fällt keine einzige erzieherische Äußerung oder Handlung von ihr ein, deren Erklärung nicht ein eigenes Kapitel in einem Buch füllen könnte.
Und da ich dieses Kontrastprogramm schon spüren durfte, noch bevor ich denken konnte, hatte ich ein hocheffektives Paket aus positiver und negativer Bestärkung, die gemeinsam in dieselbe Richtung zielten: Argumente = super! Shitmoves = Scheiße!
Wenn etwas durchdacht und klug verargumentiert wird, fühlt es sich gut und richtig an, diesen Argumenten entsprechend zu handeln. Dann ist das im Grunde keine vorgegebene Regel mehr, sondern zumindest teilweise mein eigener Wille. Auf jeden Fall findet das Gespräch darüber dann auf Augenhöhe statt.
Dagegen machen mich unbegründete Autoritätsansprüche immer zuverlässig wütend. Im Prinzip sind Shitmoves ja nichts anderes. Sie müssen nicht immer so durchschaubar und angreifbar klingen wie »Weil ich das sage. Basta«. Das ist übrigens Nummer 11, der Quellen-Shitmove. Aber im Grunde wollen sie ja alle dasselbe: die Kompensation fehlender Argumente. Und weil es oft nicht einfach ist, das zu durchschauen und sich dagegen zu wehren, liege ich nachts wach und denke noch mal über vergangene Schlachten nach.
In dieser Geschichte fehlt nun aber noch ein wichtiger Wendepunkt. Und der bist du, Iris. Denn wenn ich ehrlich bin, dachte ich bisher meistens über vergangene Schlachten nach, um nächstes Mal besser gewinnen zu können. Jetzt schreiben wir hier zusammen dieses Buch und erklären, dass es eigentlich nicht ums Gewinnen der Auseinandersetzung gehen sollte, sondern ums Gewinnen des Gegenübers. Diese Erkenntnis habe ich erst durch dich gewonnen. Mit dir war Streiten plötzlich etwas anderes. Hinterher stehen wir einander jedes Mal gegenüber und sagen beide denselben Satz: »Ich verstehe jetzt, was in dir vorgegangen ist!«
Wer hat denn gewonnen oder verloren, wenn wir beide verstehen, was im jeweils anderen vorging? Ich glaube, jeder Mensch kennt diesen verzweifelten Versuch, im Streit mit Familie oder Partner auf wiederkehrende Shitmoves hinzuweisen, um sich zu wehren: »Da machst du’s schon wieder! Das machst du jedes Mal! Es geht mir so auf den Sack!« Mit dir kann ich in so einem Moment sagen: »Hey, das ist jetzt genau diese Sache, bei der du mich doch letztes Mal verstehen konntest. Gehen wir diesmal anders damit um.«
Und deshalb frage ich dich zum Schluss zurück: Du hast diesen Wendepunkt in mein Leben gebracht, weil deine Empathie größer ist als dein Ego – wie bist du zu diesem Menschen geworden?Durch Schläge. Es ist 1990, und Another Day in Paradise von Phil Collins trendet auf Platz eins der Charts. Ich stehe mit einem blutigen Bein vor meiner Mutter in ihrem Kiosk, als dieser Song im Radio läuft. Sie ist völlig entsetzt und fragt: »Was ist passiert? Warum bist du hier?« Ich bin noch völlig aus der Puste und den Tränen nahe. Zu diesem Zeitpunkt bin ich vier Jahre alt und gerade aus dem katholischen Kindergarten von – nennen wir sie – Schwester Violenta weggerannt. Ich habe ein Puzzle nicht richtig fertig gepuzzelt und daraufhin die Hand Gottes in aller Härte zu spüren bekommen. Das geschieht oft, und ich bin auch nicht das einzige Kind im Kindergarten, dem das widerfährt. Nur dieses Mal war es anders als sonst, die Schläge waren brutaler, und ich wurde gegen einen Pfosten geschleudert, woraufhin ich weggerannt...
Erscheint lt. Verlag | 27.9.2023 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Bewusst leben • Booktok • Booktok Bestseller • Burnout • Coaching • Couple of • da ein Weg • Die subtile Kunst des darauf Scheißens • humorvolle Sachbücher • Lebenshilfe • lustig • Manipulation • optimieren • Podcast • Ratgeber • Sachbuch • Schwarze Rhetorik • Selbstachtung • Selbständigkeit • Selbstoptimierung • Selbstvertrauen • Selbstwirksamkeit • Shit moves • Souveränität • SPIEGEL-Bestseller • TikTok • tiktok made me buy it • Tipps und Tricks • Weihnachten • Weihnachtsgeschenk • Wertschätzung • Wo ein Fuck it |
ISBN-10 | 3-10-491826-0 / 3104918260 |
ISBN-13 | 978-3-10-491826-6 / 9783104918266 |
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