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DIE ZEIT GREEN (eBook)

Lösungen für die Welt von morgen | Wirklich nachhaltig leben - die besten Artikel aus der ZEIT-Rubrik GREEN

Uwe Jean Heuser (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46718-3 (ISBN)

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DIE ZEIT GREEN -
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Wirklich nachhaltig leben - das neue Sachbuch zu GREEN, der innovativen Rubrik der Wochenzeitung DIE ZEIT, zeigt, wie´s geht! Gemäß dem Slogan 'Für Menschen, die nach Lösungen suchen' analysiert DIE ZEIT GREEN nicht die drohende Klima-Katastrophe, sondern stellt Beispiele vor, die Alternativen zu den herrschenden Produktions- und Verhaltensweisen beschreiben und für ein nachhaltiges Leben und Konsumieren werben. Die Themenpalette ist so breit und bunt wie unser Alltag. Es geht u. a. um Wohnen, Heizen, Arbeiten, Reisen, Ernährung, Mobilität und alles, was damit zusammenhängt.  Immer schwingen dabei auch die großen Fragen unserer Zeit mit: Können wir die Klima-Wende schaffen? Wie kann ich persönlich meinen CO2-Fußabdruck verringern? Und wie können wir all das in einer gerechten Gesellschaft organisieren?  ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo fasst diese Zielsetzung prägnant zusammen: 'Jeder, der bei Verstand ist, weiß, dass wir zur Rettung des Planeten unser Leben ändern müssen - auf allen Ebenen. GREEN zeigt, wo es Lösungen gibt, die wirklich etwas bewegen und Menschen inspirieren: Im Alltag, in der Politik und in der Wirtschaft. Und wo es bei reinen Symbolhandlungen bleibt.' Das Buch enthält die wichtigsten, spannendsten und brisantesten Artikel von DIE ZEIT GREEN - ein Umweltbuch, das zum Aufbruch aufruft und Mut für eine lebenswerte Zukunft macht, auch wenn es die nicht zum Nulltarif gibt!

Uwe Jean Heuser, *1963, ist Journalist bei der Wochenzeitung DIE ZEIT, wo er das Wirtschaftsressort leitet und verantwortlich für ZEIT Green ist. 2015 wurde er von der Leuphana Universität Lüneburg als Honorarprofessor berufen.

Uwe Jean Heuser, *1963, ist Journalist bei der Wochenzeitung DIE ZEIT, wo er das Wirtschaftsressort leitet und verantwortlich für ZEIT Green ist. 2015 wurde er von der Leuphana Universität Lüneburg als Honorarprofessor berufen.

Stellen Sie sich vor: Wir essen Fleisch. Ohne dem Klima zu schaden. Geht das?


VON MARCUS ROHWETTER UND VERA SPROTHEN

Die grünen Weiden des Lindhofs reichen bis ans Wasser der Eckernförder Bucht. Kühe grasen, der Wind treibt kleine Wolken über den blauen Himmel, in der Ferne ziehen Segelboote vorbei. Wäre dies nicht das landwirtschaftliche Versuchsgut der Universität Kiel, man könnte sich in einem Werbeprospekt des schleswig-holsteinischen Tourismusverbands wähnen. Die milchkaffeebraunen Jersey-Kühe aber sind nicht Ferienkulisse, sondern wissenschaftliche Untersuchungsobjekte für ein großes Experiment. Das erkennt man bei näherem Hinsehen an einem weisen Metallgestell, an dem, in drei Meter Höhe über den Kühen, Messgeräte befestigt sind. Sensoren überwachen die chemische Zusammensetzung der Luft über der Weide. Friedhelm Taube, der wissenschaftliche Leiter des Lindhofs, will wissen, ob und wie die 90 Kühe auf der Weide klimafreundlicher werden können. Seine Messgeräte haben ihm, um das vorwegzunehmen, schon ein paar Ideen geliefert.

Jerseys gehören zu den ältesten Rinderrassen der Welt. Sie sind, weil robust und sanftmütig, bei Landwirten beliebt, haben aber das Problem aller Rinder: Sie brauchen nicht nur viel Futter, das im schlechtesten Fall irgendwo angebaut wird, wo zuvor Regenwald war, sondern sie produzieren auch enorme Mengen Methan, das zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählt. Man kann lange darüber reden, dass nicht die Tiere selbst das Problem sind, sondern die Menschen, die so viele Tiere zu Milch- und Fleischlieferanten machen, die nun mit all dem Methan den Planeten bedrohen. Aber egal, wer schuld ist – das Problem ist in der Welt: Die Vereinten Nationen schätzen, dass Methan heute fast ein Fünftel aller auf menschliches Handeln zurückgehenden Treibhausgase ausmacht. Und die Unternehmensberatung McKinsey hat berechnet, dass die Weltrinderpopulation mehr Treibhausgase verursacht als jedes Land der Erde, abgesehen von China.

Bisherige Versuche, das Problem zu lösen, fußen auf dem Gedanken, das Rind zu ersetzen. Hafer- statt Kuhmilch zu trinken, Sojawurst statt Rindersalami zu essen. Das funktioniert auch immer besser, zumindest in den reichen Ländern, wo der Anteil der Vegetarier wächst. Und trotzdem bleiben die Vegetarier eine wohlmeinende Minderheit. In Deutschland essen noch immer neun von zehn Menschen Fleisch. Der gute Wille von einem Zehntel der Bevölkerung reicht aber nicht, um den Klimawandel zu bremsen.

Und wenn man Fleisch ohne Methanausstoß produzieren könnte? In Labors in Israel, den USA und anderen Ländern wird an Kunstfleisch geforscht, mit dem genau das gelingen könnte. Fleischstücke aus Rinderstammzellen werden gezüchtet, die dann im Brutschrank heranwachsen – ganz ohne lebendes Tier. Was vor nicht so langer Zeit noch als Science-Fiction galt, funktioniert inzwischen tatsächlich: Ende vergangenen Jahres lud das Start-up Aleph Farms aus Tel Aviv Benjamin Netanjahu zum Probeessen in eine Showküche. Dem damaligen israelischen Ministerpräsidenten wurde ein künstliches Steak serviert, als Beilage gab es grünen Spargel und Pilze. »Ich schmecke keinen Unterschied!«, verkündete er zufrieden. Im nächsten Jahr will Aleph Farms sein Kunstfleisch auf den Markt bringen. In anderen Ländern werden ähnliche Produkte entwickelt. In Singapur wurden Ende 2020 synthetische Chicken Nuggets für den Verzehr im Restaurant zugelassen.

Es scheint ein weltweites Wettrennen zu sein. Aber wird Laborfleisch wirklich die Lösung sein? Werden jene Verbraucher, die Tofu und andere pflanzliche Ersatzprodukte ablehnen, es essen wollen? Werden sie es teuer bezahlen wollen?

Zu Fleischersatz und Laborfleisch kommt nun ein dritter, fast unglaublich erscheinender Ansatz hinzu. Forscher und Unternehmerinnen auf der ganzen Welt versuchen, das tierische Original zu erneuern: das Rind selbst. So wollen sie Fleischkonsum und Klimaschutz miteinander versöhnen. Und sie machen dabei erstaunliche Fortschritte.

Die Revolution soll tief im Innern des Rinds stattfinden: im Pansen. In diesem Teil des komplexen Verdauungssystems von Wiederkäuern entsteht das Problemgas Methan, das früher oder später als Rülpser wieder in die Umgebung drängt. Zwar baut sich Methan in der Atmosphäre schneller ab als das Treibhausgas CO2, allerdings richtet es dort auch mehr Schaden an: Auf zwanzig Jahre gerechnet, erwärmt es die Erde 86-mal stärker. Methan ist der unsichtbare Preis für Milch und Steak.

Dieser Preis lasse sich senken, glaubt der Agrarwissenschaftler Taube. Er analysiert nicht nur die Luft über der Weide an der Eckernförder Bucht. Monatelang hat er auch zwei Dutzend seiner Kühe auf dem Lindhof regelmäßig verkabeln lassen, um deren Atemluft zu analysieren. Blaue Schläuche leiteten die Rülpser vom Maul der Tiere bis in die Sammelbehälter auf ihrem Rücken. Taube hat herausgefunden, dass es einen enormen Unterschied macht, was die Kühe fressen. Handelt es sich um Weißklee, Weidelgras und andere typische Wiesenkräuter, ist der Methanausstoß gering. Vor allem aber geben die Kühe mehr Milch: Stehen sie draußen und fressen jene günstige Mischung, liegt der Ertrag zehn Prozent höher, als wenn sie andere Weidekost bekommen oder aber im Stall mit Soja oder Mais gefüttert werden, mit Kraftfutter also, das angebaut, verarbeitet und mit Lastwagen zu den Tieren gekarrt werden muss. Zehn Prozent mehr Milch – weil es auf das Verhältnis ankommt, verbessert sich die Klimabilanz der Kühe. Ob für Fleischrinder Ähnliches gilt, muss die Forschung noch aufklären.

Das Versuchsgut in Eckernförde verlässt man mit einem neuen Gedanken: Muss für den Klimaschutz vielleicht gar nicht der Mensch seine Ernährung umstellen – sondern die Kuh? Es wäre eine überraschende Wende in einer Debatte, die eigentlich schon entschieden schien. Gerade die großen Rindernationen der Welt machen sich derzeit Hoffnungen.

Australien ist nach Brasilien der zweitgrößte Rindfleischexporteur der Welt und der viertgrößte Exporteur von Milchprodukten. Hier kaufen viele bekannte Konzerne ihre Rohstoffe ein: Schokoladenhersteller wie Nestle und Cadbury, die Hamburger-Kette McDonald’s, der US-Einzelhändler Walmart. Der weltgrößte Fleischproduzent JBS mästet in Australien Freilandrinder bis zur Schlachtreife. All diese Konzerne standen bisher nicht im Ruf, sich übermäßig um die Umwelt zu kümmern. Doch nun macht der Kapitalmarkt Druck, und große Investoren, zum Beispiel Pensionsfonds, fordern mehr Klimaschutz. Die Unternehmen reagieren darauf, indem sie sich eigene Ziele setzen und von ihren Zulieferern verlangen, neue Wege im Umgang mit dem Rind zu finden. So kommt es, dass ausgerechnet Australien, das dem jüngsten Nachhaltigkeitsreport der Vereinten Nationen zufolge beim Klimaschutz zu den rückständigsten Nationen überhaupt zählt, zu einer Ideenbörse für eine grünere, emissionsarme Kuhwirtschaft geworden ist. Hier wird die Kuh-DNA nach den Genen der fruchtbarsten und zugleich abgasärmsten Tiere untersucht. Hier überwachen Satelliten, welches Vieh zu welcher Zeit mit welchem Gras die beste Klimabilanz erzielt. Besonders große Hoffnungen der Rinderfarmer aber ruhen auf der Rotalge.

Das rosafarbene und an Federn erinnernde Seegras mit dem wissenschaftlichen Namen Asparagopsis hat eine verblüffende Eigenschaft. Trocknet man es und mischt einen knappen Teelöffel davon unter ein Kilo Futter, stoßen Stallrinder gut 80 Prozent weniger Klimagase aus. Die Bestandteile der Rotalge blockierten die Entstehung von Methan im Pansen weitgehend, bestätigte kürzlich eine Studie mit 21 Tieren an der University of California in Davis: Sie habe »das Potenzial, die Rindfleischproduktion ökonomischer und umweltverträglicher zu machen«. Bislang wird sie nur versuchsweise eingesetzt, als kommerzielles Produkt ist sie noch nicht zugelassen. Und ähnlich wie die Wiesenkräutermischung, die schleswig-holsteinische Kühe mehr Milch geben lässt, hat auch die Rotalge einen für die Landwirte praktischen Nebeneffekt: Sie macht die Rinder dicker.

Doug McNicholl betreibt gemeinsam mit seinem Vater eine Rinderfarm in Queensland im Nordosten Australiens. Wegen des strengen Corona-Lockdowns kann man ihn dort nicht besuchen, aber McNicholl nimmt sich viel Zeit für ein Videogespräch mit der Reporterin in Sydney. Er trägt eine gefütterte blaue Allwetterweste und sitzt in seinem Arbeitszimmer. An der Wand hinter ihm erkennt man eine alte Luftaufnahme von einem Stück Farmland. »Eine echte Win-win-Situation« verspreche die Alge, sagt er. Sechs bis zwölf Prozent der Energie, die sich ein typisches Rind aus dem Futter zieht, verschwendet es ans Rülpsen und Pupsen. Ohne den Gärprozess steckt es diese Energie direkt in den Aufbau von Fleisch.

Doug McNicholl verkörpert einen neuen Typus Landwirt: den des Erneuerers, der für eine grüne Zukunft kämpft, in der auch Rindfleisch einen Platz hat. Seine Vision ist es, dass Viehzüchter im Einklang mit der Natur leben und schonend mit Boden, Luft und Tieren umgehen. Man sollte sich diesen australischen Farmer nicht als Träumer aus der Provinz vorstellen. Er hat Umweltwissenschaften studiert, in Großbritannien und den USA gearbeitet und bewegt sich mit der Nüchternheit eines Unternehmensberaters durch sein...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Arbeiten • Best Practice • Biodiversität • Bio-Landwirtschaft • Buch • CO2 Ausstoß • DIE ZEIT • Energie • Energie sparen • Energiewende • Ernährung • Fleischkonsum • Grünes Leben • grünes Wohnen • kampf gegen den klimawandel • Klimakrise • Klimasünden • Klimawandel • Klimawandel Buch • Klimawandel folgen • Lösungen • Mobilität • Neue Energien • Pariser Abkommen • Reisen • Umwelt & Ökologie • Umweltschutz • unsere Zukunft • Uwe Jean Heuser • Vegan • Veganes Leben • Veganismus • Verkehr • Verkehrswende • Wachstum • ZEIT Green • Zukunft
ISBN-10 3-426-46718-6 / 3426467186
ISBN-13 978-3-426-46718-3 / 9783426467183
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