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Warum wir lieben (eBook)

Eine Neurowissenschaftlerin über Verliebtsein, Verlust und das, was uns verbindet | Gehirnforschung ist romantisch
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2966-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Warum wir lieben -  STEPHANIE CACIOPPO
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Die weltweit führende Neurowissenschaftlerin auf dem Gebiet der romantischen Liebe erzählt eine persönliche Geschichte von Verbundenheit und Herzschmerz, die ein neues Verständnis für eine alte Wahrheit schafft: Es ist besser, geliebt und verloren zu haben, als nie geliebt zu haben.  Kunstvoll verbindet Cacioppo ihre eigene berührende Geschichte mit ihrer innovativen Forschung zur Chemie unseres Gehirns. Ihre Erkenntnisse darüber, wie und warum wir uns verlieben, was die Liebe haltbar macht und wie wir verlorene Liebe verarbeiten können, stellen eine unverzichtbare Lektüre für alle dar, die auf der Suche nach Verbundenheit sind oder sie bereits gefunden haben. 

Stephanie Cacioppo ist eine führende Neurowissenschaftlerin auf dem Gebiet sozialer Beziehungen. Sie forscht und lehrt an der University of Chicago und leitet dort das Brain Dynamics Laboratory. Ihre Arbeiten über romantische Liebe und Einsamkeit hat sie in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht und reichweitenstarke Medien wie die New York Times, CNN und National Geographic berichteten darüber.

Stephanie Cacioppo ist eine führende Neurowissenschaftlerin auf dem Gebiet sozialer Beziehungen. Sie forscht und lehrt an der University of Chicago und leitet dort das Brain Dynamics Laboratory. Ihre Arbeiten über romantische Liebe und Einsamkeit hat sie in renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht und reichweitenstarke Medien wie die New York Times, CNN und National Geographic berichteten darüber.

Einleitung


Sich verlieben ist nicht das Dümmste, was der Mensch tut –
die Gravitation kann aber nicht dafür verantwortlich gemacht werden.Albert Einstein1

Paul Dirac entsprach niemandes Vorstellung von einem Traumprinzen. Zugleich aber war er ein Genie – nach Einstein vielleicht der brillanteste theoretische Physiker des 20. Jahrhunderts. Er leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Quantenmechanik und sagte richtigerweise die Existenz von Antimaterie voraus. 1933 wurde er im Alter von 31 Jahren mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Doch in seinem Privatleben war der britische Wissenschaftler das menschliche Äquivalent eines Schwarzen Lochs. Kollegen beschrieben ihn als fast krankhaft zurückhaltend und erfanden im Scherz die Einheit »Dirac«, um die Konversationsrate zu messen: ein Wort pro Stunde. Weder an der Universität von Bristol noch während des Aufbaustudiums in Cambridge knüpfte Dirac enge Freundschaften, von Liebesbeziehungen ganz zu schweigen. Er kümmerte sich ausschließlich um seine Arbeit und war verwundert, dass andere Physiker kostbare Zeit damit vergeudeten, dichterische Werke zu lesen, die ihm zufolge mit der Wissenschaft »unvereinbar« seien. Als er einmal mit seinem Kollegen Werner Heisenberg eine Tanzveranstaltung besuchte, blickte er auf ein Meer wogender Körper und verstand nicht den Sinn dieses seltsamen Rituals.

»Warum tanzen Sie?«, fragte Dirac.

»Wenn da hübsche Mädchen sind, ist es ein Vergnügen zu tanzen«, meinte Heisenberg.2

Er dachte lange über die Antwort nach und stellte dann eine weitere Frage.

»Heisenberg, woher wissen Sie im Vorhinein, dass die Mädchen hübsch sind?«

1934 wurde Dirac einer Ungarin mittleren Alters namens Margit Wigner vorgestellt – von allen »Manci« genannt. In vielerlei Hinsicht war sie sein genaues Gegenteil: wissenschaftlich ungebildet, extrovertiert, lustig. Aber sie zeigte ein merkwürdiges Interesse an dem unnahbaren Physiker und entdeckte eine Fähigkeit in ihm, deren er sich gar nicht bewusst war. Sie schrieb ihm Liebesbriefe, worauf er achselzuckend reagierte, ihr Englisch korrigierte und ihre äußere Erscheinung kritisierte. Sie meinte, er verdiene einen zweiten Nobelpreis – »in Grausamkeit«.

Dennoch gab sie ihn nicht auf, überzeugte ihn, Zeit mit ihr zu verbringen, seine Träume mitzuteilen, seine Ängste einzugestehen. Nach und nach wurde er zugänglicher, sanftmütiger. Als sich beide nach einer langen Begegnung verabschiedeten, erstaunte ihn eine völlig neue Empfindung. »Ich vermisse dich«, sagte er. »Ich begreife nicht, warum dem so sein sollte, denn gewöhnlich vermisse ich Leute nicht, wenn ich sie verlasse.«

Schließlich heirateten Dirac und Manci und verbrachten ein halbes Jahrhundert in glücklicher Liebe. In einem seiner Briefe schrieb er an seine Frau, sie habe ihm etwas beigebracht, das er, trotz all seiner Begabung, niemals hätte allein herausfinden können: »Manci, mein Liebling … Du hast eine wunderbare Änderung in meinem Leben bewirkt. Du hast mich menschlich gemacht.«3

All die Alleinstehenden


Diracs Geschichte veranschaulicht, wie die Macht der Liebe dazu beiträgt, unser angeborenes menschliches Potenzial zu verwirklichen. Diese Macht zu verstehen – weshalb sie sich entwickelt hat, wie sie funktioniert, in welcher Weise sie genutzt werden kann, um unseren Körper zu stärken und unseren Geist zu öffnen –, ist das Thema dieses Buches. Gerade im Lauf der letzten Jahre hat es sich als umso vielschichtiger entpuppt. Wir leben in einer Zeit, in der das für die Erhaltung der Liebe notwendige gesellschaftliche Umfeld nie da gewesenen Belastungen ausgesetzt wird. Die Zahl der Eheschließungen ist auf einen historischen Tiefpunkt gesunken. In den Vereinigten Staaten ist heute bereits jeder zweite Erwachsene ledig – gegenüber 22 Prozent im Jahr 1950.4 Obwohl all diese Singles nicht unbedingt einsam sind – wie wir sehen werden, gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit –, neigen diejenigen, die nicht freiwillig, sondern aufgrund bestimmter Umstände allein leben, eher dazu, sich einsam zu fühlen. Das betrifft auch viele Alleinerziehende. Gemäß einer für die USA repräsentativen, 2020 durchgeführten Umfrage berichteten Familien mit nur einem Elternteil über ein höheres Maß an Einsamkeit als andere Haushalte.5 2018 ergab eine Umfrage in Schottland, dass eine(r) von drei Alleinerziehenden sich »häufig« einsam fühle, während dies bei jeder oder jedem Zweiten »manchmal« der Fall war.6 Tatsächlich ist die Einsamkeit inzwischen derart verbreitet und schädlich, dass zahlreiche Gesundheitsexperten sie als »ausgewachsene Epidemie« bezeichnen, die nicht nur Singles in Mitleidenschaft zieht, sondern auch unglückliche Paare.

Möglicherweise erklärt diese Sehnsucht nach menschlicher Verbindung, warum sich Onlinedating explosionsartig verbreitet hat. Zwischen 2015 und 2020 stiegen die Umsätze der Dating-Plattformen rasant von 1,69 auf 3,08 Milliarden Dollar und werden sich laut Prognosen bis 2025 noch einmal fast verdoppeln.7 Bei einer Online-Befragung im letzten Quartal 2020 gaben nahezu 39 Prozent der alleinstehenden, verwitweten oder geschiedenen Internetnutzer an, während der vergangenen Monate Onlinedating-Dienste in Anspruch genommen zu haben.8

Doch trotz der ausgeklügelten Algorithmen, die nicht nur den vollkommenen Partner präsentieren sollen, sondern auch einige ermutigende Daten über den Erfolg der im Netz angebahnten Langzeitbeziehungen, geben etliche Menschen an, dass die Partnersuche im letzten Jahrzehnt schwieriger geworden sei.9 Einige von uns finden zwar die erträumte Liebe, andere hingegen swipen weiter über den Touchscreen, halten noch immer Ausschau nach dem ganz besonderen Menschen – mit dem Gefühl, die perfekte Übereinstimmung sei zum Greifen nah, aber ohne zu wissen, wie sie eine Verbindung herstellen können.

Legen wir an die Liebe einen höheren Maßstab an als früher? Unterscheidet sich die Partnersuche im digitalen Zeitalter grundsätzlich von der im realen Leben? Erscheint Ihnen der Dating-Pool flach und leer? Oder schwimmen, im Gegenteil, einfach zu viele Fische im Meer? Je öfter Sie die Dating-Gewässer durchkämmen, desto besorgter sind Sie, dass mit Ihrem Fangnetz etwas nicht stimmt. Obwohl gemeinhin die Formel gilt: Je mehr Auswahl, desto besser, hat die Forschung diese Auffassung widerlegt: Es hat sich herausgestellt, dass Menschen ein begrenztes Angebot von Optionen – häufig zwischen acht und fünfzehn – einem größeren vorziehen.10 Bei über 15 Optionen fühlen sie sich allmählich überfordert. Psychologen bezeichnen dieses Problem als Auswahlparadox. Ich mag den Ausdruck FOBO lieber: fear of a better option (Angst vor einer besseren Option).

Wie immer man es nennt, es ist kräftezehrend – und zwar so sehr, dass der Ausbruch der Covid-19-Pandemie zahlreichen Singles auf dem Dating-Markt den Vorwand dafür lieferte, dichtzumachen und den Rückzug in das sichere Zölibat anzutreten. Als sich dann die pandemische Lage nach und nach entspannte, erlebten einige von ihnen FODA: the fear of dating again (die Angst vor der erneuten Partnersuche). Vielleicht waren sie traumatisiert infolge einer inneren Entfremdung, die daher rührte, dass sie sich selbst gleichsam in eine Ware verwandelten, die auf dem digitalen Marktplatz zum Konsum angeboten wurde. Oder sie waren einmal zu oft geghosted worden. Oder sie waren es leid, nach Liebe zu suchen und am Ende doch wieder auf der Strecke zu bleiben.

Natürlich erging es nicht allen so. Während in der Pandemie manche ihre romantischen Pläne auf Eis legten, nahm die Benutzung von Dating-Apps weltweit zu, da die Leute online nach Verbindungen suchten. Und während viele sich sträubten, nach der Aufhebung des Lockdowns wieder zu daten, verspürten andere geradezu einen Energieschub in der Hoffnung, endlich den einen Menschen zu finden, indem sie ihren Modus Operandi änderten: Einige legten sich auf einen bestimmten Typ fest (um nur solchen potenziellen Partnerinnen und Partnern zu begegnen, mit denen sich ein perfektes Match ergab); andere setzten auf Apocalypsing (suchten also in Zeiten der Krise verzweifelt nach einer Beziehung und behandelten diese dann so, als wäre sie ihre letzte).

Die Pandemie war nicht nur eine ungeheure Prüfung für Singles, die gegen die Auswirkungen der gesellschaftlichen Vereinsamung ankämpften, sondern auch für Menschen in Beziehungen, die mehr Zeit denn je miteinander verbrachten. Wie schon während früherer globaler Krisen (die Große Depression, der Zweite Weltkrieg) sank die Zahl der Eheschließungen und durchbrach sogar präpandemische Tiefstände. Mit ihren Plänen in der Warteschleife schalteten die Paare zwei Gänge runter und lernten sich genauer kennen – zum Besseren oder Schlechteren. Ein Doktorand der Mathematik in Cambridge kalkulierte, dass eine durchschnittliche Beziehung während des Lockdowns um vier Jahre alterte.11 Einige wollten Reißaus nehmen, weshalb Kulturwissenschaftler mutmaßten,...

Erscheint lt. Verlag 23.2.2023
Übersetzer Jochen Winter
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Ehe • Einsamkeit • Kommunikation • Liebe • Neurologie • Neurowissenschaft • Oxytocin • Soziale
ISBN-10 3-8437-2966-2 / 3843729662
ISBN-13 978-3-8437-2966-6 / 9783843729666
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