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Tierisch systemisch (eBook)

Lösungs- und Ressourcenorientierung in der tiergestützten Intervention
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
160 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61664-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Tierisch systemisch -  Charlotte Darga,  Dorothea Dapper
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Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied? Ja, aber nicht allein! Systemische Therapie sieht den Menschen nicht nur als einzelnes Individuum, sondern immer eingebunden in sein soziales Umfeld, sein System. Anstatt auf dem Problem liegt der Fokus auf den vorhandenen Ressourcen im System, die zur Lösung und Zielerreichung beitragen können. Dieses Buch leistet einen innovativen Beitrag zur Zusammenführung systemischer und tiergestützter Arbeit und deren Professionalisierung. Ob Schafe, Hunde oder Hühner, sie alle können dabei kreativ eingesetzt werden. Ein wichtiges Anliegen der Autorinnen ist es, die Tiere konzeptionell sinnvoll und für alle Beteiligten bereichernd in die Interventionen zu integrieren. Dabei zeigen sie vielfältige Interventionsmöglichkeiten auf, die auch im komplexen und multiprofessionellen Setting wirksam sind.

Charlotte Darga, Gütersloh, ist Diplom Pädagogin, Systemische Kinder- und Jugendlichentherapeutin (SG), Systemische Supervisorin (SG), Fachkraft für tiergestützte Intervention (ISAAT), Coach für Mensch-Hund-Teams sowie Dozentin und Leitung der Weiterbildung "Besuch auf 4 Pfoten". Dorothea Dapper, Marl, ist Dipl. Sozialarbeiterin, Systemische Familientherapeutin mit Weiterbildung im Bereich "Grundzüge der Supervision" (DGSF), Fachkraft für tiergestützte Therapie / Intervention (ISAAT) und Leitung des Instituts für systemische und tiergestützte Therapie.

Charlotte Darga, Gütersloh, ist Diplom Pädagogin, Systemische Kinder- und Jugendlichentherapeutin (SG), Systemische Supervisorin (SG), Fachkraft für tiergestützte Intervention (ISAAT), Coach für Mensch-Hund-Teams sowie Dozentin und Leitung der Weiterbildung "Besuch auf 4 Pfoten". Dorothea Dapper, Marl, ist Dipl. Sozialarbeiterin, Systemische Familientherapeutin mit Weiterbildung im Bereich "Grundzüge der Supervision" (DGSF), Fachkraft für tiergestützte Therapie / Intervention (ISAAT) und Leitung des Instituts für systemische und tiergestützte Therapie.

Grundlagen des systemischen Ansatzes

Der systemische Ansatz oder auch die systemische Praxis ist nicht auf der Grundlage einer einzelnen Theorie zu verstehen. Vielmehr setzt sich die systemische Denkweise aus verschiedenen Theorien zusammen. Auf lange theoretische Ausführungen soll insgesamt verzichtet werden. Doch ganz ohne theoretischen Hintergrund kommen wir trotz der Praxisorientierung des systemischen Ansatzes leider – oder zum Glück – auch nicht aus. Denn die Arbeit auf der Grundlage systemischen Denken und Handelns beruht schließlich auf wissenschaftstheoretischen Erkenntnissen. Allen Theoretikern und wissenschaftlich Interessierten sei an dieser Stelle gesagt, dass sich ein Blick in das ausführliche Literaturverzeichnis lohnt, denn dort sind viele wertvolle Grundlagenwerke und auch weiterführende Literatur zu den in diesem Buch behandelten Themen zu finden.

Es geht in diesem Buch nicht um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Theorien und auch nicht um die Vermittlung von vertiefendem Wissen der Systemtheorie, sondern um eine kurzweilige, aber informative Einführung in die Thematik mit Bezug zur Tiergestützten Intervention. Ziel ist es, ein Verständnis des Begriffs systemisch zu vermitteln und eine Idee darüber zu erlangen, aus welchen guten Gründen sich der systemische Ansatz so sinnvoll mit der tiergestützten Arbeit verbinden lässt. Daher werden einige wesentliche Aspekte genauer beleuchtet, die aus Sicht vieler Praktiker und Fachkräfte so bedeutungsvoll für die TGI (Tiergestützte Intervention) sind.

Im Rahmen von Fallbeispielen und Praxistipps werden erste einsteigende Methoden und Fragetechniken präsentiert. Die meisten hier vorgestellten systemischen Methoden lassen sich von Fachkräften ganz einfach in die Praxis übertragen und auch ohne große Vorkenntnisse oder systemische Grundausbildung direkt umsetzen. Ein gewisses Hintergrundwissen ist allerdings unbedingt notwendig. Daher wird es in diesem und den folgenden Kapiteln praxisnah veranschaulicht.

Abb. 10: Huhn

Die Systemische Gesellschaft (SG), ein in Berlin gegründeter Verband zur Förderung systemischen Denkens und Handelns, erklärt systemisch als einen allgemeinen interdisziplinären wissenschaftlichen Ansatz, der verschiedene Leitgedanken und Denkansätze beinhaltet, die alle den Umgang mit Komplexität gemein haben. Weiterhin führt die SG aus, dass der systemischen Haltung die Annahme des Selbst-Expertentums zugrunde liegt (Abb. 10). Das bedeutet, Systemiker gehen davon aus, dass jeder Mensch Experte für sich selbst und seine Lebenswelt ist, wobei die Gesamtheit aller Beziehungserfahrungen des einzelnen Menschen als subjektiv eingeordnete, individuelle Erlebnisse betrachtet werden. In der systemisch-tiergestützten Intervention wird diese Annahme in gleichem Maße auf die Tiere bezogen und spiegelt sich in der Haltung und dem Umgang mit ihnen wider. Im Kontext von Beratung, Pädagogik und Therapie bedeutet dies, dass der Hilfesuchende demnach selbst ein Experte für seine eigenen Fragestellungen und Herausforderungen ist (Abb. 11). Sein subjektives, individuelles Wahrnehmen gründet sich auf seiner Biografie und wird von ihm bestmöglich genutzt (Systemische Gesellschaft o. J.).

Abb. 11: Meerschweinchen

In der systemischen Beratung und Therapie wird zudem davon ausgegangen, dass jeder Mensch bereits über die Ressourcen und Fähigkeiten verfügt, die er für die Lösung seines Problems braucht. Für die systemische Praxis bedeutet dies, dass der Berater oder Therapeut seinem Klienten hilft, die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten wieder zu finden oder neu zu entdecken (Abb. 12). Die Begegnung mit dem Klienten findet dabei auf Augenhöhe und mit viel Wertschätzung, positiver Neugier und Interesse statt, sodass sich der Klient auf dem Weg zu seinem persönlichen Ziel optimal begleitet fühlt, sich dabei aber aktiv und selbstwirksam erlebt. Und das gilt nicht nur für uns Menschen!

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Unsere Tiere lernen und arbeiten besonders freudig und erfolgreich mit uns, wenn wir sie als kompetente Partner behandeln, das Training mit ihnen an ihre Bedürfnisse, Talente und Fähigkeiten anpassen und so gestalten, dass sie sich als aktiv und selbstwirksam erleben.

Abb. 12: Tiere können auf Ressourcen, die Klienten mitbringen, aufmerksam machen.

Was ist der Auftrag? In der systemischen Beratung und Therapie wird auftragsorientiert gearbeitet. Damit ist gemeint, dass zu Beginn eines Beratungs- oder Therapiekontraktes immer die Auftragsklärung steht, die am Anliegen des Klienten ausgerichtet ist. Klienten formulieren zu Beginn einer Beratung mit der Unterstützung des Systemikers ein Ziel, einen Auftrag. In der systemischen Praxis wird versucht, im Gespräch mit dem Klienten Beschreibungen zu formulieren, die zu Erweiterungen des jeweiligen Blickwinkels der Beteiligten sowie zu mehr Denk- und Handlungsoptionen führen. Es werden somit Bedingungen geschaffen, die es dem Klienten ermöglichen, Ressourcen zu aktivieren und möglichst selbstständig die eigenen Ziele zu erreichen. Die Auftragsklärung ist elementar und kann einige Termine in Anspruch nehmen. Unter Umständen ist mit der Klärung des Auftrags aber auch bereits das Ziel erreicht. Lebensumstände und Beziehungen sind durch das Wechseln der Perspektive und den Einbezug des Systems verständlicher geworden und können in Eigenregie verändert werden. Oft spielen auch mehrere und teils verdeckte Aufträge eine Rolle. Indem diese aufgedeckt und somit sichtbar gemacht werden, können komplexe oder verzwickte Sachverhalte klarer erscheinen. Bestenfalls können Knoten gelöst werden, sodass die Sicht auf das Ziel frei ist und erste Schritte des Lösungsweges gegangen werden können (Abb. 13).

Abb. 13: Schaf

Die Ressourcen- und Zielorientierung ist ein wesentliches Merkmal der systemischen Haltung und Denkweise. Wie bereits beschrieben, geht der Systemiker davon aus, dass der Klient all die Ressourcen mitbringt, die er für die Lösung seiner Probleme braucht – und der Systemiker orientiert sich am Anliegen seines Klienten und erfragt bzw. erarbeitet gemeinsam mit ihm sein jeweiliges individuelles, ganz konkretes – sogenanntes smartes Ziel.

Ein Ziel muss SMART formuliert sein:

  spezifisch: Wie genau sieht das Ziel aus? Was ganz konkret ist dann anders?

  messbar: Woran erkenne ich/erkennst du/erkennt jemand anderes, dass du dein Ziel erreicht hast? Wie oft musst du xy geschafft haben, dass du sagen kannst, du hast dein Ziel erreicht?

  attraktiv: Was wäre gut daran? Warum würde es sich für dich/für andere lohnen? Mal angenommen, du hättest dein Ziel erreicht, was wäre dann möglich?

  realistisch: Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 gar nicht und 10 absolut bedeutet, wie zuversichtlich bist du, dass du dein Ziel erreichst?

  terminiert: In welchem Zeitraum musst du xy geschafft haben, dass du sagen kannst, du hast dein Ziel erreicht? Bis wann möchtest du xy sein/haben/können? Wann möchtest du überprüfen, ob du dein Ziel erreicht hast?

Diese Ziel-Formel kommt ursprünglich aus dem Bereich des Projektmanagements und wird wie zuvor beschrieben oder ähnlich in der systemischen und lösungsfokussierten Gesprächsführung meist innerhalb der ersten Sitzungen und zur Auftragsklärung angewandt (Abb. 14).

Schlippe und Schweitzer (2007) beziehen sich bei der konkreten und wohlformulierten Zielklärung auf Walter und Peller (1994):

1.  positive Formulierung: Das Ziel muss den Zielzustand beschreiben. Es geht nicht darum, was nicht (mehr) da ist, sondern was stattdessen da ist (wenn z. B. kein Ärger der Wunsch ist, geht es darum, herauszufinden, was dann stattdessen da sein soll, z. B. Ruhe/Zufriedenheit/Freude).

2.  den Prozess beschreibend: Wie werde ich das Ziel erreichen? Was genau werde ich wann (anders) tun?

3.  im Hier und Jetzt: Es geht nicht um eine vage Planung der Veränderung, die irgendwann oder morgen vielleicht beginnen könnte, sondern um die unmittelbare Umsetzung: Was ist der erste klitzekleine Schritt, den Sie in Richtung Ihres Ziels unternehmen werden? Woran werden Sie merken, dass Sie auf dem Weg in Richtung Ihres Ziels sind, wenn Sie gleich nach unserer Sitzung nach Hause gehen?

4.  Spezifisch: Wie genau werden Sie das tun? Was genau werden Sie (anders) machen?

5.  Kontrollierbar und machbar: Über welche Möglichkeiten verfügen Sie, um Ihr Ziel zu erreichen?

6.  Wichtig ist es, in der Sprache des Klienten zu bleiben und die (Schlüssel-)Worte des Klienten zu verwenden.

Oder wie Carmen Kindl-Beilfuß (2012) es beschreibt: den Blick weg vom Problem hin zum Ziel richten bzw. vom Minus ins Plus, also: Was kann weg und was will ich haben?

Abb. 14: SMART-Ziele im Überblick

Es geht also nicht darum, Ursachen zu erforschen oder Fehlverhalten aufzuzeigen, also nicht problem- und defizitorientiert zu schauen, sondern lösungs-, ressourcen- und zielorientiert. Der Klient erfährt Anerkennung für bereits Geleistetes und für bisherige Bewältigungsstrategien. Er wird in seinen Äußerungen und (Veränderungs-)Wünschen ernst genommen, wobei der Fokus auf dem...

Erscheint lt. Verlag 5.9.2022
Reihe/Serie mensch & tier
mensch & tier
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Sozialwissenschaften Pädagogik
Schlagworte Mensch-Tier-Beziehung • Pädagogik • Systemische Intervention • TGI • Therapie • Tiere • tiergestützt • Tiergestützte Intervention • Tiergestützte Jugendhilfe • Tiergestütztes Coaching
ISBN-10 3-497-61664-8 / 3497616648
ISBN-13 978-3-497-61664-0 / 9783497616640
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