Dass der Kaffee nicht mehr schmeckt, ist mein kleinstes Problem (eBook)
208 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60295-2 (ISBN)
Ann-Marlene Henning studierte an der Universität Hamburg Neuropsychologie, bevor sie in ihrer alten Heimat Dänemark als Psychologin zu arbeiten begann. Später absolvierte sie dort und in der Schweiz das Studium der Sexologie und Paartherapie. 2019 machte sie ihren Master in Sexologie an der Hochschule Merseburg. Heute führt sie eine Praxis für Paar- und Sexualtherapie in Hamburg-Eppendorf und doziert bundesweit an verschiedenen akademischen Einrichtungen. Ihr erstes Buch »Make Love - Ein Aufklärungsbuch« wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 nominiert. Im Jahr 2014 folgte »Make More Love - Ein Aufklärungsbuch für Erwachsene«, beide Bücher wurden Besteller. Zuletzt erschien von ihr »Liebespraxis - eine Sexologin erzählt«, »Männer - Körper. Sex. Gesundheit.« sowie »Sex verändert alles - Ein Aufklärungsbuch für Fortgeschrittene«. Weiter hat sie zwei Spiele zur Sexualität auf den Markt gebracht: »DOCH! DOCH! DOCH! - (D)ein intimes Kartenspiel« (2019) und »Ach was?! - das sex-o-logische Gesellschaftsspiel« (2020).
Ann-Marlene Henning studierte an der Universität Hamburg Neuro-Psychologie, bevor sie in ihrer alten Heimat Dänemark als Psychologin zu arbeiten begann. Später absolvierte sie dort und in der Schweiz das Studium der Sexologie und Paartherapie. 2019 machte sie ihren Master in Sexologie an der Hochschule Merseburg. Heute führt sie eine Praxis für Paar- und Sexualtherapie in Hamburg-Eppendorf und doziert bundesweit an verschiedenen akademischen Einrichtungen. Ihr erstes Buch »Make Love – Ein Aufklärungsbuch« wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2013 nominiert. Im Jahr 2014 folgte »Make More Love – Ein Aufklärungsbuch für Erwachsene«, beide Bücher wurden Besteller. Zuletzt erschien von ihr »Liebespraxis – eine Sexologin erzählt«, »Männer – Körper. Sex. Gesundheit.« sowie »Sex verändert alles – Ein Aufklärungsbuch für Fortgeschrittene«.
Corona – haben oder nicht haben, das ist hier die Frage
5. – 12. November 2021
»Frau Henning, da sind Sie ja wieder, wir nehmen Ihnen gleich den Tubus raus.« Die weibliche Stimme drang ruhig und fest zu mir durch. Mein erster Gedanke: Ach, das war es gewesen – ein Koma! Die Einsicht war erleichternd. Hinter mir lagen, wie ich gleich erfahren würde, zwölf Tage im Koma, mit den schlimmsten Albträumen meines Lebens, wie in einer Endlosschleife, und von denen ich gedacht hatte, sie seien echtes Leben. Das störende Gefühl im Hals, das in fast allen Träumen eine Rolle gespielt hatte, war der Tubus gewesen.
Nun würden sie gleich mit dem Entfernen des Tubus loslegen. Ich bin eine nervöse Patientin, wie mir immer wieder gesagt worden war. Ich stelle mir das Heftigste vor und reagiere auf die kleinste Körperempfindung höchst aufmerksam. Eine »Entfernung« würde eher nicht zum Angenehmen gehören und konnte auch schiefgehen. Bevor ich aber einen weiteren Gedanken fassen konnte, ging es schon los. Ich hätte eh keine Kraft gehabt, mich zu wehren. Mein Trost: Dieses blöde Ding in meinem Hals würde endlich entfernt werden.
»Husten Sie, Frau Henning, toll machen Sie das. Husten Sie noch mal!« Die Ärztin schien über mein Mitwirken höchst begeistert. Dann war überall Schleim im Mund, sodass ich nicht atmen konnte.
Eine zweite Ärztin meinte: »Ich helfe Ihnen kurz, Frau Henning …« Sie steckte irgendetwas Langes in meinen Mund und meinen Hals und bewegte es hin und her wie ein Staubsauger. Das war es, ich war befreit. Mein Hals fühlte sich aber noch rau an, sie sagten, das sei normal und würde bald verschwunden sein.
Drei Personen standen um mich herum, wie ich jetzt sah. Da war noch ein Arzt.
Heiser fragte ich: »Ich war im Koma?« Sie nickten alle drei, und ich begann vor Erleichterung zu weinen. »Sie haben mir wohl damit mein Leben gerettet.«
Der Arzt meinte, das sei tatsächlich der Fall.
»Sie grinsen alle so«, sagte ich.
»Ja, wenn jemand wieder aus dem Koma zurückkommt, ist es immer ein besonderes Gefühl. Ein sehr gutes«, antwortete der Arzt.
»Danke!« Ich weinte noch immer, auch weil die Albträume eben nur Träume gewesen waren und nicht die Hölle auf Erden – oder nach dem Tod. Zwischendurch hatte ich das vermutet, während ich »schlief« …
Irgendetwas stimmt nicht
Es war Anfang November 2021, als ich von einem Dreh für einen Privatsender zum Thema sexuelle Erwachsenenbildung gegen siebzehn Uhr nach Hause in meine Praxis-Wohnung im fünften Stock kam. Ich fühlte mich »anders« als sonst. Irgendetwas ging in meinem Körper vor, weshalb ich mich gleich nach dem Abendessen ins Bett legte; ohnehin war es eine wilde Woche gewesen. Ich war wieder mal von Dänemark zum Arbeiten nach Hamburg gekommen. In Haderslev, gut fünfzig Kilometer von Flensburg entfernt, hatten mein Lebensgefährte Louis und ich zusammen ein Haus gekauft und renoviert, seit genau zehn Monaten hatte ich also zwei Wohnsitze, Louis war komplett nach Dänemark gezogen. Ich rief ihn an, spürte aber nach wenigen Minuten schon, dass ich nicht lange telefonieren konnte, ich sagte ihm, ich müsste jetzt schlafen. Kurz schoss es mir durch den Kopf, ob ich mich vielleicht mit Corona infiziert haben könnte. Ich spürte ein Kratzen im Hals.
Schnell schlief ich ein, und am nächsten Morgen war mir sofort klar, dass ich die Fortsetzung des Drehs würde absagen müssen: Mein Hals tat spürbar weh, und ich fühlte mich merkwürdig schlaff im ganzen Körper. Als ich die Produzentin anrief, wusste ich, dass es nicht leicht werden würde. Die Produzentin informierte alle Beteiligten, die mit mir zu tun gehabt hatten, das waren an die fünfzehn Personen, die jeden Morgen vor den Dreharbeiten getestet worden waren, so wie ich auch. Wir mussten nun alle einen offiziellen PCR-Test absolvieren.
Wirklich überzeugt, dass ich mir COVID-19 eingefangen hatte, war ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Dann klingelte es auch schon an meiner Praxistür, und ein Arzt im weißen Schutzanzug kam herein. Er führte den PCR-Test durch, dann ließ er mich allein zurück. Dieser Style, von Kopf bis Fuß »schutzgekleidet«, würde eine Woche später für längere Zeit in meinen Alltag einziehen. Der Arzt in meiner Praxis hatte wie ein Polarforscher ausgesehen, aber vielleicht war ich zu dem Zeitpunkt schon im Fieberwahn?
Meine Praxis, in der ich auch wohne, wenn ich in Deutschland arbeite, liegt in Hamburg, im schönen Eppendorf, umgeben von Parks und Wasser. Ich fühle mich dort, gerade als Dänin, sehr wohl. In meiner ganzen Kindheit war ich innerhalb einer Viertelstunde am Wasser oder unter Bäumen.
Die Praxis eröffnete ich 2006, bis heute arbeite ich dort als Paar- und Sexualtherapeutin. Als Sexologin[1] hatte ich eine eigene Fernsehsendung: Make Love – Liebe machen kann man lernen. Ich schreibe Bücher, gebe Fortbildungen, halte Vorträge und entwickelte zwei Spiele über Liebe und Sexualität. Mittlerweile betreibe ich auch zwei Podcasts: »Beziehungsweise« und »Ach, komm! – Der Sexpodcast«. Die Arbeit in meiner Praxis bleibt jedoch die Grundlage für mein Tun als Sexologin. Ich führe dort psychotherapeutische Gespräche und liebe den direkten Kontakt zu Menschen. Dadurch treffe ich aber auch in kürzester Zeit auf viele Personen, und ebendies sollte mir jetzt zum Verhängnis werden.
Ich lag krank auf dem Sofa in der Praxis-Wohnung.
Am nächsten Tag, einem Sonntag, hatte ich noch keine Antwort vom Polarforscher-Test, sondern nur meine gefühlte Gewissheit, eine Infektion zu haben. Als ich wieder Louis anrief, sagte ich: »Wenn es Corona ist, hoffe ich auf einen milden Verlauf. Mir geht es nicht gut, aber es ist erträglich. Ich muss nur viel schlafen und mich gut auskurieren.«
Der Arzt, der die Filmproduktion versicherungsbedingt betreute, sorgte dafür, dass mir einiges aus der Apotheke gebracht wurde: ein Thermometer, ein Nasenspray, Cortison und ein Sauerstoffsättigungsmessgerät – alles nur »für den Fall der Fälle«, dann wäre schon alles Nötige da. Das hatte mich beruhigt, ich dachte aber nicht, dass ich es brauchen würde. Die Sachen wurden mir auf die Matte vor der Praxis gelegt, ich sah den Menschen, der es brachte, nicht. Ein böses Omen.
Mehrfach loggte ich mich in die offizielle Corona-Test-Website ein und suchte nach meiner Testnummer. Sie war noch immer nicht aufgeführt. Ich konnte aber erkennen, wie viel Prozent der Getesteten positiv waren: Es waren viele, und die Zahl wuchs!
Inzwischen waren drei Tage vergangen, und meine Situation hatte sich nicht verschlimmert. Ich war okay, wenn auch angeschlagen. Dann klingelte am Nachmittag das Telefon.
»Sind Sie Frau Henning? Ich rufe Sie an, weil Ihr Test positiv war …« Es war das Labor.
»Das hat aber gedauert«, lautete meine Antwort.
Der Labormitarbeiter erklärte, dass sie schnell gewesen seien, sie hätten den Test gerade erst am Morgen erhalten. Der Arzt, der mich getestet hatte, hatte offenbar das Wochenende abwarten wollen.
Das positive Ergebnis war emotional ein unangenehmes Ereignis, aber ich glaubte nach wie vor an einen milden Verlauf.
Besonders viel Wissen hatte ich über die neuartige Krankheit nicht. Dass Gefäße und Lunge, bei meiner Virusvariante Delta, beteiligt sind, klar, aber dass häufig auch das Gehirn angegriffen wird, fand ich erst später heraus.
Mittlerweile war zu dem Halskratzen eine unangenehme Übelkeit hinzugekommen. Ich musste mich nicht übergeben, aber Schlaf und Erholung waren kaum möglich. Da lag ich also: mit Übelkeit, Halskratzen und COVID-19-positiv. Es war schon Dienstag. Der Tag begann und endete wie die anderen. Ich sagte Louis am Telefon: »Mir geht es schlecht, aber es wird bald vorbei sein.« Was ich nicht wusste: Die Delta-Infektion hatte ihre pulmonale Phase noch nicht erreicht … die Lungenphase.
Täglich maß ich meine Temperatur, sie war normal oder leicht erhöht. Meine Sauerstoffsättigung lag meist um die 99 Prozent, ich konnte gut und entspannt atmen. Das war...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Bewältigung chronische Erkrankungen • Corona Bücher • corona long covid • fatigue • Geschmacksverlust • Infektionkrankheit • Intensivstation • Koma • Kreislaufprobleme • Langzeitfolgen Corona • long covid • Long COVID-19 • Schmerzen • Volkskrankheit |
ISBN-10 | 3-492-60295-9 / 3492602959 |
ISBN-13 | 978-3-492-60295-2 / 9783492602952 |
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