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Diagnose Demenz im jüngeren Lebensalter (eBook)

Praxisbuch für die Beratung und Betreuung
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
155 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61597-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Diagnose Demenz im jüngeren Lebensalter -
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Jüngere Menschen, meist zwischen 40 und 65 Jahren, die die Diagnose Demenz erhalten, sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert: Wie werden sich die zunehmenden Symptome auf das Berufsleben, die Familie, Zukunftsplanungen und die Lebensqualität auswirken? Fachleute, die diese Menschen beraten, werden mit diesem Buch optimal für ihre anspruchsvolle Tätigkeit ausgerüstet. Es liefert die nötigen medizinischen Fachinformationen rund um Diagnosen, Symptome, Verläufe und einen Überblick über Alltagsthemen wie Betreuungs- und Wohnformen, Beratungsangebote, Vorsorgeplanung, Partnerschaft etc. Fallbeispiele aus der Praxis illustrieren, wie eine einfühlsame Beratung gelingt. Dabei steht immer die individuelle Person im Zentrum, die es mit ihren besonderen Eigenschaften, Wünschen und Bedürfnissen zu verstehen gilt.

Dieter Käufer, Dipl. Sozialpädagoge, war langjähriger Leiter des AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen, Vorstandsmitglied des Landesverbandes der Alzheimer Gesellschaften in Bayern und als Referent rund um das Thema "Demenz" tätig. Bianca Broda, Studium der Sozialpädagogik / -management, ehem. als Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft München und derzeit beim AWO Regionalverband Brandenburg Süd e. V. als Fachbereichsleiterin der Einrichtungen der Eingliederungshilfe tätig.

Dieter Käufer, Dipl. Sozialpädagoge, war langjähriger Leiter des AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen, Vorstandsmitglied des Landesverbandes der Alzheimer Gesellschaften in Bayern und als Referent rund um das Thema "Demenz" tätig. Bianca Broda, Studium der Sozialpädagogik / -management, ehem. als Geschäftsführerin der Alzheimer Gesellschaft München und derzeit beim AWO Regionalverband Brandenburg Süd e. V. als Fachbereichsleiterin der Einrichtungen der Eingliederungshilfe tätig.

3 Beratung

3.1 Wie gehen Familien und Paare mit der Erkrankung um?

von Lisa Junglas

Gewohnheiten bewahren, loslassen, neu gestalten: Jeder Tag kann anders sein

Für Menschen jüngeren Alters stellt die Krankheit neben den allgemeinen Problemen, die sie mit sich bringt, auch noch viele spezifische altersbedingte Herausforderungen. Welche Lösungen, Strategien und vorbeugende Maßnahmen kann der Erkrankte in seiner Rolle als selbstbestimmter Bürger, als Partner, als Elternteil, Familienangehöriger, als Freund, als Berufstätiger für sich selbst und gemeinsam mit seinem Umfeld finden? Wie kann er in einer neuen „Normalität des Alltags“ seine Sorgen, seine Wünsche und Bedürfnisse, seine Freuden, seine Träume leben? Kann ein einvernehmliches Leben innerhalb der Familie oder in anderen familiären bzw. nichtfamiliären Lebensformen möglich sein und unter welchen Voraussetzungen? Wie kann die Familie dem Menschen mit kognitiven Einschränkungen Rückzug ins Private, Zuneigung und Sicherheit bieten?

Die Fragen sind zahlreich, entsprechende Antworten können nur individuell gefunden werden. Sie hängen ab von jeder einzelnen Person, ihrer Erziehung, ihrer Lebenshaltung, ihrem Interessensfeld, ihrem Lebensstil, ihrem kulturellen Hintergrund, ihrer sozialen Einstellung und vielem mehr. Meine Erfahrung als Ehe- und Familienberaterin zeigt, dass es keine allgemeinen Antworten gibt, sondern es geht darum, die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen wahrzunehmen und ihm und seinen Angehörigen auf der Suche nach in der momentanen Situation möglich erscheinenden Lösungen und Strategien unterstützend zu helfen.

Gleichzeitig helfen mir die von der Krankheit direkt oder indirekt betroffenen Menschen, ihre individuellen Sorgen und Bedürfnisse zu verstehen. Sie zeigen mir immer wieder neue Aspekte und Blickwinkel auf und geben mir und meinem Team neue Impulse, die es uns dann erlauben, Denkanstöße für andere Menschen anzubieten. Der Einzelne kann also in den Beispielen meines Artikels durchaus Parallelen zu selbst erlebten Situationen finden, die ihm vielleicht für die eigene Entscheidungsfindung hilfreich sein können. Aber es gibt noch viele Ideen und Beispiele, die nicht erwähnt werden, die aber natürlich je nach Wunsch und Bedürfnis jeder Person noch ergänzt werden können. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt …

Der Weg zur Diagnose: Alleine oder / und gemeinsam

„Ich habe sehr lange meine steigende Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit mit mir selbst ausgemacht, ich hatte Angst darüber zu reden, Angst ernsthaft krank zu sein. Ich war damals ja erst 49 Jahre alt. Mein Partner hat mich ermutigt, einen Arzt aufzusuchen. Seitdem hatte ich zahlreiche Termine. Es wurde zuerst eine ‚Depression‘ festgestellt, die mit Medikamenten behandelt wurde. Als meine kognitiven Probleme sich nicht verbesserten, wurde dann zwei Jahre später die Diagnose ‚Burnout‘ gestellt. Erst als ich meine Symptome meinem damals neuen Hausarzt erklärte, überwies der mich an ein Team von Ärzten und Psychologen, die sich auf kognitive Einschränkungen bei Menschen im jüngeren Alter spezialisiert haben. Als ich nach vielen Jahren Ungewissheit die Diagnose ‚Alzheimer‘ bekam, war ich fast schon erleichtert. Ich werde aber das Gefühl nicht los, wichtige Jahre der Behandlung versäumt zu haben und glaube, dass dadurch die Krankheit zu schnell fortgeschritten ist.“

TIPP

Ich kann mich

auf die Suche nach einem Hausarzt machen, der die Symptome ernst nimmt,

an Spezialisten weiterleiten lassen.

Nicht über die Symptome sprechen wollen oder können

Menschen im jüngeren Lebensalter haben bis zur Diagnose schon oft einen langen Weg auf der Suche nach einer Antwort hinter sich. Dieser Weg kann länger oder kürzer sein, er hängt auch davon ab, ob es dem Menschen leicht oder schwer fällt, über seine Symptome zu sprechen.

„Sie will ihre Krankheit nicht wahrhaben und tut so, als wäre alles in Ordnung. Ich sehe, dass sie oft traurig und verschlossen ist. Wenn ich oder die Kinder sie z. B. auf das regelmäßige Vergessen von Terminen anspreche, reagiert sie aggressiv und stößt uns ab, anstatt sich uns anzuvertrauen.“

Die Menschen, die nicht über ihre kognitiven Einschränkungen sprechen wollen oder können, fühlen sich mit ihren Problemen und Fragen alleine. Sie setzen viel Energie in Strategien und Ausreden, um die Krankheit vor den Mitmenschen zu verstecken. Die Vorurteile und Unwissenheit, die noch immer bezüglich neurogenerativer Krankheiten vorherrschen, und die damit verbundenen Ängste, können sie hemmen, mit einem Arzt oder einer vertrauten Person über die als beunruhigend wahrgenommenen Veränderungen zu sprechen. Die Zurückhaltung des Menschen, seine Schwächen und Probleme zu zeigen, kann aber auch mit der Angst verbunden sein, von dem anderen nicht ernst genommen zu werden und dadurch Gefahr zu laufen, in seinen Augen an Wertschätzung zu verlieren. Das Nicht-teilhaben-Lassen an den Sorgen kann auch ein Verlangen sein, den anderen oder sich selbst zu schützen. Er vertuscht die Schwierigkeiten, und dies kann von der ihm nahestehenden Person nicht verstanden oder falsch interpretiert werden. Das Nicht-mitteilen-Wollen oder -Können seiner Probleme kann im Nachhinein von einer nahestehenden Personen als Vertrauensbruch empfunden werden. Die daraus entstehenden Konflikte können dazu führen, dass das Umfeld immer mehr Abstand sucht und dass die betroffene Person sich immer mehr isoliert.

„Wenn ich den Mut aufbringe, von meiner Krankheit zu sprechen, so birgt dieses Coming-Out gleichzeitig das Risiko, dass man mir Alzheimer-Witze erzählt und dass ich belächelt werde.“

Die Betroffenen leiden unter den oft mitleidigen Blicken des Partners, der Kinder oder der Freunde und Arbeitskollegen. Sie werden sehr schnell als „unfähig und allgemein vergesslich“ eingestuft.

Erkrankte im jüngeren Lebensalter leiden zuerst einmal darunter, dass die Diagnose „Neurodegenerative Krankheit“ in ihrem Umfeld sehr viel Unsicherheit auslösen. So wie es bei älteren Betroffenen noch immer heißen kann „Er wird senil oder ist verkalkt, das ist normal in seinem Alter“, was natürlich nicht weniger verletzend ist, so kann es jüngeren Betroffenen passieren, dass sie überhaupt nicht ernst genommen werden: „Du bist doch jung und fit und siehst gut aus. Wir vergessen doch alle mal was.“ Es zeigt die Hilflosigkeit, die heute noch mit der Krankheit einhergeht. Worte und Gefühle, die nicht mitgeteilt und angehört werden, belasten nicht nur den betroffenen Menschen selbst, sondern auch die Paarbeziehung, das Familiengefüge und das soziale Umfeld. Das Tabu um die Wörter, die nicht genannt werden können, kann zur Scham führen, ein Schweigen kann sich einstellen oder Wut tritt in den Vordergrund.

TIPP

Ich kann

mich an eine Vertrauensperson wenden: den Partner, ein Familienmitglied, einen guten Freund, das Gespräch suchen,

fachliche Unterstützung einholen.

Eine rechtzeitige Sprechstunde beim Spezialisten, der die veränderten Verhaltensweisen von jüngeren Erkrankten untersuchen und behandeln kann, führt zur frühzeitigen Diagnose. Je früher die Diagnose erkannt wird, umso früher kann sich der Betroffene mit seiner Krankheit aktiv auseinandersetzen. Er kann die nötige Aufklärung bekommen, was die medizinische Behandlung und die Angebote anderer Fachkräfte betrifft und gewinnt dadurch die Möglichkeit, sein Leben mit der Krankheit selbstbestimmt zu gestalten.

Die von der Krankheit direkt betroffene Person und / oder der Partner bzw. die Angehörigen können sich bei professionellen Beratungsgesprächen der Alzheimer Gesellschaften über Themen austauschen, die Angst und Unsicherheit verbreiten. Sie können Fragen und Bedenken mitteilen und in einem vertrauensvollen Gespräch von dem jeweils sehr persönlichen Empfinden sprechen. Diese fachlich unterstützenden Beratungen können Verständnis schaffen und helfen, Unklarheiten zu erkennen und aus dem Weg zu räumen.

TIPP

Ich kann mich

an psychologische Fachkräfte wenden,

in Gruppengesprächen mit anderen, von der Krankheit betroffenen Menschen austauschen,

über Beratungs-, Behandlungs- und Unterstützungsmöglichkeiten informieren und

zu einem ganz persönlichen und vertraulichen Beratungsgespräch anmelden.

Der Umgang mit Krankheit

Eine sehr persönliche Geschichte

„Wenn ich bisher krank war, habe ich mich an meine Ärzte gewendet, die Krankheit wurde behandelt, ohne dass ich viel mit meinem Umfeld darüber sprach. Mit der Alzheimer-Krankheit ist es anders. Nicht ich selbst, sondern mein Partner hat, in einem Moment, wo ich es selbst noch gar nicht wollte, die Initiative ergriffen und einen Termin bei...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Reihe/Serie Reinhardts Gerontologische Reihe
Reinhardts Gerontologische Reihe
Co-Autor Janine Diehl-Schmid, Lisa Junglas, Sophia Poulaki, Ulrike Reder, Carola Roßmeier, Helga Schneider-Schelte, Gabi Strauhal, Annette Arand
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Medizin / Pharmazie Pflege
Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
Schlagworte Alzheimer • Beratung • Beruf • Betreutes Wohnen • Betreuungseinrichtung • Demenz • Demenz Diagnose • DEMENZ IN JUNGEN JAHREN • DEMENZ MIT 40 - 65 • Fachbuch • Gehirn • Junge Menschen Pflege • Persönlichkeit • Pflege • Praxisbuch • Praxistipps • Vorsorge • Vorsorgevollmacht • Wohneinrichtung • Wohnen
ISBN-10 3-497-61597-8 / 3497615978
ISBN-13 978-3-497-61597-1 / 9783497615971
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