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Der Esel in tiergestützten Interventionen (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 2. Auflage
153 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61601-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Esel in tiergestützten Interventionen -  Judith Schmidt
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Der Esel boomt! Sein sympathisches Äußeres und seine Gelassenheit wirken beruhigend auf Menschen - daher wird er auch vermehrt bei tiergestützten Aktivitäten eingesetzt. Das Buch vermittelt Basiswissen über Esel, warum sich welches Tier (Rasse, Größe, Alter, Geschlecht) für welche Zielgruppen besonders gut eignet - aber auch, welche Grenzen es gibt. Neben den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Esel in tiergestützten Interventionen werden auch Rechtefragen geklärt, Fallbeispiele mit vielen Fotos veranschaulichen die praktische Arbeit. Die Autorin gibt hier ihr Wissen aus jahrelanger Erfahrung in der Arbeit mit Eseln weiter - und lenkt den Blick auf die vielfältigen Talente der Esel, die den meisten Menschen in der tiergestützten Arbeit bisher vielleicht noch nicht bekannt waren.

Judith Schmidt, Burg-Reuland (Belgien), Tiertrainerin, gibt Seminare zur eselgestützten Arbeit, berät Einrichtungen und hält europaweit Vorträge zum Einsatz von Eseln in tiergestützten Interventionen (www.eselworkshop.com).

Judith Schmidt, Burg-Reuland (Belgien), Tiertrainerin, gibt Seminare zur eselgestützten Arbeit, berät Einrichtungen und hält europaweit Vorträge zum Einsatz von Eseln in tiergestützten Interventionen (www.eselworkshop.com).

2  Grundlagen der tiergestützten Arbeit mit Eseln

Was bedeutet überhaupt tiergestützte Arbeit? Einige Menschen retten Tiere, die in Not geraten sind. Aber auch umgekehrt helfen uns Tiere in schweren Lebenslagen immer wieder auf die Sprünge. Tiere tragen oft zur Heilung oder zumindest meist zur Linderung mancher Symptome bei – sei es bei physischen, psychischen und/oder neurologischen Erkrankungen sowie bei seelischen, körperlichen und/oder geistigen Behinderungen. Durch Tiere treten viele positive Wirkungen auf, die vielleicht nicht immer akribisch geplant waren, sondern eher zufällig entstanden sind, aber auf diese Weise einen angenehmen Effekt haben.

2.1   Definition und Terminologie tiergestützter Aktivitäten

Tiere sind natürlich keine Therapeuten im klassischen Sinne, so wie wir es beim Menschen bezeichnen würden. Sie werden eher als Unterstützung eingesetzt und erfüllen damit einen ausgezeichneten Zweck. „Tiergestützte Therapie“ ist als Schlagwort in aller Munde, aber wie definiert sie sich?

DEFINITION

Tiergestützte Intervention (TGI) ist der Oberbegriff für alle Formen tiergestützter Tätigkeiten. Folgende Hauptkategorien werden unterschieden:

  TGA = tiergestützte Aktivitäten,

  TGF = tiergestützte Fördermaßnahme,

  TGP = tiergestützte Pädagogik,

  TGT = tiergestützte Therapie.

Tiergestützte Aktivitäten (TGA): TGA haben kein bestimmtes Förderziel. Tiere werden bei Aktivitäten artgerecht eingesetzt. Dabei geht es lediglich um eine gemeinsame Aktivität von Menschen mit Tieren: z. B. Besuch auf dem Eselhof, Esel pflegen, Esel füttern, Eselwanderung durch den Wald (Abb. 34).

Abb. 34: Eine Eselwanderung ohne Förderziel ist eine tiergestützte Aktivität.

Tiergestützte Fördermaßnahmen (TGF): TGF sind Handlungen, die die Lebensqualität steigern. Sei es durch Motivation, Erholung oder Bildung. Meist werden tiergestützte Fördermaßnahmen von Laien durchgeführt und haben keine therapeutische oder pädagogische Orientierung. Viele Tierbesitzer bieten z. B. ihren Besuch im Seniorenheim ehrenamtlich an.

Tiergestützte Pädagogik (TGP): TGP findet man bei Ausbildungseinheiten in pädagogischen Bereichen, wo Tiere ganz gezielt eingesetzt werden. Vor allem bei der sozialen Entwicklung sind Tiere sehr dienlich und können den professionellen Pädagogen daher bestens unterstützen. Es finden regelmäßige Termine statt und häufig leben die Esel sogar in den Einrichtungen. Die pädagogische Intervention wird vorab gezielt geplant und durch Dokumentation, Reflexion und Auswertung ausgeführt.

Tiergestützte Therapie (TGT): TGT ist ein zielgerichteter Eingriff, in der ein Tier mit spezifischen Eigenschaften in einen therapeutischen Behandlungsprozess einbezogen wird. Auch hier wird die Intervention vor der Durchführung geplant. Am Ende erfolgt eine wissenschaftliche Auswertung und kann daher auch nur von ausgebildeten Therapeuten (z. B. in der Ergo-, Körper-, Alten- oder Sprachtherapie) durchgeführt werden.

Ich persönlich habe keinerlei Ausbildung in pädagogischen Bereichen und erst recht keine therapeutische Laufbahn absolviert. Mein Steckenpferd ist die Verhaltensforschung – vor allem bei Tieren. Daher kenne ich meine Tiere in allen Lebenslagen und habe, als mich vor Jahren die erste Anfrage zu einer Gemeinschaftsarbeit mit einem Krankenhaus erreichte, unsere „Rasselbande“ dahingehend ausgebildet. Im Großen und Ganzen biete ich also die unterschiedlichsten tiergestützten Aktivitäten an. Wenn das Angebot in Richtung Pädagogik oder Therapie geht, begleiten mich daher immer dementsprechend ausgebildete Menschen – Klinikclowns, Lehrer, Therapeuten, Ärzte. Meinen Part sehe ich in diesem weiten Feld vor allem darin, dass unsere Tiere Spaß an der Arbeit mit Menschen haben und diesen auch beibehalten sollen (Abb. 35).

Abb. 35: Unterwegs trifft man immer wieder auf leuchtende Augen, die ganz hingerissen vom Esel sind.

Wenn man sich mit den tierischen Individuen nicht bestens auskennt, der menschliche Ehrgeiz oder gar die finanzielle Habgier zu groß sind, werden Tiere schnell körperlich und geistig überfordert. Mahatma Gandhi formu-lierte dazu einen Satz, der beherzigt werden sollte: „Die Welt bietet genug für jedermanns Bedürfnisse, nicht aber für jedermanns Gier“.

Da Tiere der Sinn meines Lebens sind, würde ich niemals etwas bewusst mit ihnen anbieten, von dem ich weiß, dass es ihnen schaden wird. Ich genieße es vielmehr, dass ich mit ihnen, die ich über alles liebe, anderen Menschen helfen kann (Abb. 35).

Dass tiergestützt auch immer tiergeschützt sein muss, ist ein Aspekt, den ich äußerst wichtig finde, und der in den neu entdeckten alternativmedizinischen Behandlungsmaßnahmen unbedingt umgesetzt werden muss, frei nach Astrid Lindgren: „Man kann in die Tiere nichts hineinprügeln, aber man kann manches aus ihnen herausstreicheln“.

2.2   Wie Esel auf Menschen wirken

Wenn Interessenten zu mir kommen, stelle ich gerne die Frage, warum sie sich für eine Aktivität mit Eseln entschieden haben. Oft wird mir von Vertretern des weiblichen Geschlechts gestanden, dass sie Pferde angsteinflößend finden, da sie so groß und unberechenbar wären (Abb. 36). Männer sehen in Eseln eher einen komfortablen Nutzen, da sie bei Wanderungen das Gepäck tragen können.

Abb. 36: Esel wirken beruhigend auf viele Menschen, die oft gern das flauschige Fell berühren möchten.

Aber auch das äußere Erscheinungsbild der Esel ist ein wichtiger Punkt, der immer wieder zur Sprache gebracht wird:

  „Die sehen so kuschelig aus.“

  „Die sind so weich.“

  „Die sind nicht so groß.“

  „Die haben so schöne, lange Ohren.“

  „Die Augen sehen aus, als seien sie perfekt geschminkt.“ (Abb. 37)

Abb. 37: Die sogenannte Eselbrille empfinden manche Menschen auch als perfektes Make-up.

Unter dem Strich finden wir Menschen Esel eher knuffig und süß als edel oder schön. Die letzteren Attribute haben Pferde für sich gepachtet (Abb. 38).

Abb. 38: Einen Esel möchte ein jeder gerne drücken und liebhaben.

Seltener werden die Charaktereigenschaften thematisiert. Sicher, manch einer fragt vor einer Wanderung, was wir machen, wenn der Esel plötzlich nicht mehr weiter will. Denn es ist ja allgemein bekannt, dass Esel diesen Wesenszug innehaben. Dann erkläre ich, dass meine Esel das nicht tun werden, da es keinen Grund geben wird, sich komplett zu verweigern.

So komme ich mit meinen Kunden schnell ins Gespräch und erkläre, warum Esel bei Gefahr stehenbleiben. Dass wir Menschen diese Gefahr nicht immer mit Eseln teilen und oft sogar nicht einmal wahrnehmen, ist schlussendlich der Punkt, warum ein stehengebliebener Esel uns Rätsel aufgibt. Wenn man aber gelernt hat, mit Eselaugen durch die Welt zu gehen, wundert es einen kaum, wenn Esel schon einmal stutzenderweise verharren, um eine Situation genauer zu erfassen. Übt man aus Ungeduld oder Unverständnis in diesem Moment Druck auf Esel aus, machen sie in der Tat dicht.

!

Gibt man Eseln Zeit, sich mit dem Problem, das sie gerade beschäftigt, auseinanderzusetzen, werden sie das dankend zu Kenntnis nehmen und alsbald weiter folgen!

Die Tatsache, dass Esel dazu neigen vermehrt mit „Köpfchen“ als mit Kraft zu kommunizieren, ist vor allem für unerfahrene Menschen ein Sicherheitsaspekt. Denn wenn Esel stehenbleiben, kann nichts Schlimmes passieren. Reißt ein Tier sich jedoch vom Menschen los oder wird vom ihm angerempelt oder gar z. B. auf die Straße weggedrängt, kann das gefährlich werden.

Es kommen auch Gäste zu mir, die bereits einiges über Esel wissen und mir stolz erklären, dass die Langohren viel klüger als Pferde sind (Abb. 39). Innerlich muss ich dann immer ein wenig schmunzeln. Ja, solche Aussagen kann man sicher in den Medien hören und lesen. Ich freue mich natürlich, wenn das angeknackste Image des Esels dadurch aufpoliert wird, dennoch denke ich, dass man erst einmal den Begriff „Intelligenz“ eindeutig definieren sollte, bevor man solche Vergleiche anstellt.

Abb. 39: Es wirkt so, als wolle Esel Abraham dem Kursteilnehmer beim Ausfüllen des Esel-Fragebogens die richtigen Antworten „zuflüstern“.

Persönlich bin ich der Meinung, dass es keine dummen Tiere gibt, sondern dass jede Art die perfekte Intelligenz für ihr Überleben entwickelt hat.

Vereinzelt habe ich auch Interessenten, die auf Pferde allergisch reagieren und aus dem Grund, im wahrsten Sinne des Wortes, auf den Esel...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2022
Reihe/Serie mensch & tier
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik Sonder-, Heil- und Förderpädagogik
Schlagworte Esel • tiergestützt • Tiergestützte Intervention • Tiergestützte Pädagogik • Tiergestützte Therapie
ISBN-10 3-497-61601-X / 349761601X
ISBN-13 978-3-497-61601-5 / 9783497616015
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