Macht & Millionen (eBook)
256 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8052-3 (ISBN)
Solveig Gode studierte Publizistik, Politik- und Kommunikationswissenschaft. Sie ist Wirtschaftsredakteurin bei Business Insider und wurde vom Magazin Der Wirtschaftsjournalist als eine der »Top 30 bis 30«-Wirtschaftsjournalisten Deutschlands ausgewählt.
Solveig Gode studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft sowie Politikwissenschaft. Kayhan Özgenc, geb. 1969, studierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Politik und Kriminologie in Hamburg. 1997 ging er zum Nachrichtenmagazin Focus, wo er u. a. als Leiter des Hamburger sowie des Berliner Büros tätig war. 2010 wurde er Chef des Ressorts "Investigative Recherche". 2011 wechselte er als Leiter des Investigativ-Ressorts zur Bild am Sonntag, wo er seit 2018 Mitglied der Chefredaktion war. Seit 2020 ist er stellvertretender Chefredakteur bei Business-Insider. 2006 erhielt Özgenç den Henri-Nannen-Preis für die "Beste investigative Leistung" für die Berichterstattung zur VW-Korruptionsaffäre. 2016 wurde er gemeinsam mit Jan C. Wehmeyer mit dem Helmut-Schmidt-Journalistenpreis ausgezeichnet. 2017 erhielt er vom Fachmagazin Wirtschaftsjournalist die Auszeichnung "Wirtschaftsjournalist des Jahres".
Vorwort
»Pausenschmaus« heißt die Raststätte an der A2 in der Nähe von Magdeburg. Sie zeichnet weder ein besonderer Charme aus, noch sticht sie durch ihr kulinarisches Angebot hervor. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass sie über einen Festsaal verfügt, falls einmal jemand eine Feierlichkeit direkt an der Autobahn ins Auge fassen möchte. Und doch ist die Raststätte mit dem »Pausenschmaus« ein ganz besonderer Ort. Denn dorthin führt die Spur der VW-Dieselaffäre, eines der spektakulärsten Betrugsskandale in der deutschen Wirtschaft.
Für die geheimen Recherchen zu »Dieselgate« verfügte der »Pausenschmaus« über einen unschätzbaren strategischen Vorteil. Auf halber Strecke zwischen der VW-Konzernzentrale in Wolfsburg und der Redaktion in Berlin gelegen, konnten wir in einer unscheinbaren Lokalität streng vertrauliche Gespräche mit Informanten führen. Es waren Vertreter der mittleren Führungsebene, die uns dort über Hintergründe und interne Details der illegalen Machenschaften beim Auto-Giganten ins Bild setzten. Im Laufe der Gespräche lieferten sie auch interne Dokumente, die im »Pausenschmaus« den Besitzer wechselten. So konnten die jahrelangen Abgas-Manipulationen rekonstruiert und die Beteiligung von Vorständen enthüllt werden.
Ohne die Hilfe solcher Informanten würden viele Affären und Missstände niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Ohne die Hinweisgeber und Whistleblower kämen die Kämpfe um Macht und Millionen nicht ans Licht. Deswegen sind diese Menschen die heimlichen Helden hinter den Geschichten, deren Identität aber stets verborgen bleiben muss. Sie liefern die Beweise, ohne die Veröffentlichungen von kriminellen Machenschaften in der Wirtschaft unmöglich wären.
Gerade in der Wirtschaft ist es viel schwieriger, an Informationen zu gelangen, als etwa in der Politik. Während dort direkt aus Fraktionssitzungen SMS verschickt werden, befinden sich Unterlagen aus Aufsichtsratstreffen der Unternehmen unter Verschluss. Wer gegen die Geheimhaltungsklauseln verstößt und Unterlagen weitergibt, macht sich strafbar.
Was aber treibt die Informanten an? Warum berichten sie über Interna, leaken Dokumente und riskieren damit alles – ihre Karriere, ihr Ansehen, ihr Vermögen? Die Motive unterscheiden sich. Sie reichen von dem Wunsch nach Gerechtigkeit, dem Wiederherstellen einer Ordnung, der Suche nach der Wahrheit bis hin zu kalter Rache.
Ein gutes Beispiel ist der Dieselskandal: Unsere Gesprächspartner aus dem VW-Reich ärgerten sich über die Strategie der Konzernspitze, die Fehler einigen Mitarbeitern in die Schuhe zu schieben. Nach Bekanntwerden der Abgas-Manipulationen durch US-Behörden im September 2015 sprach der Konzern vom Fehlverhalten »einiger Ingenieure« und schob die Verantwortung des Vorstands um den langjährigen CEO Martin Winterkorn weit von sich. Ein paar Techniker sollen demnach eine der größten Betrügereien erdacht und begangen haben, die zu Milliardenstrafen für den Autobauer führten – alles angeblich ohne Beteiligung oder Mitwissen der Chefetage.
Genau dieses Märchen aus Wolfsburg verletzte deren Ehrgefühl und sorgte dafür, dass wir mit den VW-Informanten ins Gespräch kamen. Stück für Stück packten sie aus. Sie waren bitter enttäuscht von ihren Chefs und wollten die Wahrheit ans Licht bringen. Etliche Vorstände wurden in der Folge der Berichterstattung belastet. Die meisten von ihnen mussten den Konzern verlassen, einige landeten vor Gericht oder zeitweise sogar hinter Gittern. Das Wichtigste ist: Keiner der Informanten wurde enttarnt, die Treffen im »Pausenschmaus« blieben geheim.
Für die Recherchen in Sachen Wirtschaftskriminalität ist es entscheidend, zu wissen, was die Motive der Informanten sind. So können wir Aussagen und Dokumente klarer einordnen. Wichtig ist ebenfalls, die Informanten zu treffen, sie gut kennenzulernen, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und sich einen Eindruck von deren Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Dabei stellt sich im Gespräch meist zügig heraus, ob es sich um eine seriöse Quelle handelt – oder um eitle Wichtigtuer, die ihr angebliches Insiderwissen aus zweiter Hand erworben haben und ihre Widersacher lediglich kompromittieren wollen.
Bisweilen kommt es aber vor, dass die Hinweisgeber im Hintergrund agieren und einen Mittelsmann vorschicken. Das war bei dem CSU-Politiker Georg Fahrenschon der Fall. Der frühere bayerische Finanzminister war an die Spitze des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes gewechselt. Zwei Tage vor seiner Wiederwahl als Präsident im November 2017 bekamen wir über einen Dritten einen brisanten Tipp: Gegen Fahrenschon würde ein Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung aufgrund zu spät eingereichter Steuererklärungen vorliegen. Der oberste Sparkassenchef als Steuersünder? Die Information stimmte. Seine Wiederwahl wurde erst verschoben, wenige Tage später trat Fahrenschon als Präsident zurück und tauchte danach nie wieder in der Öffentlichkeit auf. Sein Sturz beruhte auf einer bis heute unbekannten Quelle.
Für die Wirtschaftskrimis in diesem Buch haben wir mit vielen Informanten gesprochen und zahlreiche Dokumente ausgewertet. Wie wichtig umfangreiche Unterlagen sind, um der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen, zeigt der erbitterte Familienstreit bei den Albrechts, den Inhabern von Aldi. Dort kämpfen Gründer-Sohn Theo Albrecht und seine Schwägerin Babette samt deren Kindern erbittert um Macht und Milliarden im Discounter-Imperium.
Beide Seiten bringen seit Jahren Anwälte und PR-Berater mit aberwitzigen Stundensätzen in Stellung. In unserem Kapitel zur Aldi-Familienfehde zitieren wir deshalb ausführlich aus Original-Dokumenten wie etwa dem Testament der Patriarchin Cäcilie Albrecht und persönlichen Briefen. So kann sich jede Leserin und jeder Leser selbst ein Bild von dem Familienstreit und den Machtkämpfen in einer der reichsten Familien unseres Landes machen.
Drei Arten von Wirtschaftsaffären behandeln wir in diesem Buch: Da sind zum einen die Familienstreitigkeiten wie bei den Albrechts, aber auch bei der milliardenschweren Familie Haub, den Inhabern von Tengelmann, sowie beim Fleischproduzenten Tönnies. Es wird gestritten bis aufs Blut. Diese Fälle sind hoch emotional. Es geht um Verletzungen aus der Vergangenheit, Demütigungen von Familienmitgliedern untereinander. Aber auch um Familiengeheimnisse sowie den Streit um Traditionen und Werte.
Die Kontrahenten, von Geburt an Erben, kennen das »normale« Leben nicht. Ihr Lebensinhalt ist der Streit um die Milliarden, welche die Generationen vor ihnen erwirtschaftet haben. Wem es mehr um Macht als um Millionen geht, lässt sich in vielen Fällen schwer beurteilen.
Bei der zweiten Kategorie von Wirtschaftskriminalität, bei den Hochstaplern, ist die Gier nach Reichtum und Ruhm am stärksten ausgeprägt. Die Protagonisten lügen und betrügen, um ihren Traum vom gesellschaftlichen Ansehen zu verwirklichen. Haben es die Außenseiter bis ganz nach oben geschafft, sonnen sie sich im erschlichenen Luxus – bis das Lügengebäude in sich zusammenbricht. Das Möchtegern-It-Girl Anna Delvey aus dem beschaulichen Eschweiler baute via Instagram eine Schein-Identität auf und avancierte so zum umschwärmten Society-Magneten der New Yorker Elite. Sie erleichterte diese um mehrere Hunderttausend Dollar, beinahe ohne dass sie es merkten. Erst nach Jahren landete sie wegen ihrer Betrügereien hinter Gittern.
Ein Leben mit Privatjets, Traumvillen und reichlich Champagner genoss Manfred Schmider, genannt »Big Manni«. Das Geld dafür ergaunerte er sich mit Bohrmaschinen, die es gar nicht gab und die nur auf dem Papier existierten. Sein Größenwahn war derart ausgeprägt, dass ihn ein Psychiater bei seinem Betrugsprozess auf Megalomanie untersuchte. Auch er wanderte in den Knast.
Die dritte Dimension von Wirtschaftskriminellen sind in Konzernen anzutreffen, wie etwa bei Volkswagen. Nicht nur bei den jahrelangen Abgas-Manipulationen griffen Angestellte von Europas größtem Autobauer zu illegalen Methoden. Auch bei dem Skandal um geschmierte Betriebsräte verstießen VW-Manager auf unglaubliche Weise gegen Recht und Gesetz. Hochrangige Gewerkschafter wurden durch Lustreisen, Bordellbesuche und Bonuszahlungen gefügig gemacht. Dem langjährigen Arbeiterführer Klaus Volkert finanzierte VW gar eine brasilianische Geliebte auf Konzernkosten.
Bei Siemens wiederum gehörten Schmiergelder in...
Erscheint lt. Verlag | 1.9.2022 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | Aldi-Brüder • Betrug • Cum-Ex • Entführer • Entführung • Ermittler • Ermittlungsverfahren • Familienunternehmen • Gewalt • Hedgefond-Manager • Justiz • Klatten • Korruption • Kriminalfälle • Lösegeld • Lustreisen • Machtmissbrauch • Milliardär • Millionär • Millionenerbe • Millionenerbin • Millionenraub • Mord • Opfer • Podcast • Polizei • Polizeiarbeit • Prostituierte • Sachbuch • Sexpartys • Spionage • Steuerbetrüger • Strafe • Täter • True Crime • True-Crime • Verbrechen • VW-Skandal • Wahre Begebenheit • wahre Begebenheiten • wahre Fälle • Wahre Verbrechen • Weihnachtsgeschenke für Männer • Wire-Card • Wirtschaftskriminalität • Wirtschaftskrimis • Wirtschaftsverbrechen • Wulff |
ISBN-10 | 3-8270-8052-5 / 3827080525 |
ISBN-13 | 978-3-8270-8052-3 / 9783827080523 |
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