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In guten Händen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Wie wir ein starkes Bindungsnetz für unsere Kinder knüpfen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
352 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2820-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In guten Händen -  Nora Imlau
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'Wie viel Eltern braucht ein Kind? Wie können wir Fürsorgepflicht und Freiheitsdrang vereinen? Und vor allem: Wie kann es uns gelingen, ein gutes, stabiles Bindungsnetz für unsere Kinder zu knüpfen?' Nora Imlau Es heißt, es brauche ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Doch in unserer modernen Welt ist es gar nicht so leicht, dieses Dorf zu finden. Schließlich leben wir längst nicht mehr in Großfamilienverbänden zusammen. Und wir wollen unsere Kinder auch nicht irgendwem anvertrauen. Im Gegenteil: Je sorgsamer wir unser Familienleben so gestalten, wie wir es für richtig halten. Desto schwerer fällt es uns, unsere Kinder auch anderen anzuvertrauen. Wie schaffen wir das also: unsere Kinder nicht in unserem Kleinfamilienkosmos festzuhalten, auch aber nicht zu riskieren, dass all unsere Bemühungen um Bindungssicherheit anderswo zunichte gemacht werden? Diesen brennenden Fragen und berechtigten Sorgen widmet Nora Imlau, selbst Mutter von vier Kindern, ihr neues Buch.

Nora Imlau, geboren 1983, ist Buchautorin, Journalistin und Referentin. Diverse Bücher (Auswahl): So viel Freude, so viel Wut, Babybauchzeit, Das Geheimnis zufriedener Babys. Journalistisch schreibt sie seit vielen Jahren u.a. für ELTERN und ELTERN family, ZEIT online, chrismon und wird regelmäßig von überregionalen Medien interviewt. Sie hält regelmäßige Vorträge sowohl auf Fachkongressen und Fortbildungen als auch bei Veranstaltungen im Bereich der Familienbildung. Aktiv auf Facebook, Twitter und Instagram. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt sie in Süddeutschland.

Einleitung
Wir müssen das nicht alleine schaffen!


Eine meiner prägendsten Erinnerungen ans Mutterwerden ist dieser Moment, als mein Mann und ich nach der Geburt unseres ältesten Kindes mit dem Baby zum ersten Mal ganz allein zu Hause waren. Da lag dieses winzige Neugeborene zwischen uns und schlief, und mir wurde plötzlich klar, dass wir ab jetzt auf uns allein gestellt sein würden. Keine Hebamme, keine Frauenärztin, keine Säuglingsschwester würde dafür Verantwortung tragen, dass dieses Kind gesund und sicher groß werden würde. Das war nun unser Job. Unserer ganz allein. Im Nachhinein muss ich ein wenig schmunzeln über das Pathos, das in dieser Erkenntnis gefühlt mitschwang: wir zwei. Allein. Verantwortlich. Für immer.

Dass ich damals das Gefühl hatte, von nun an müssten wir es ohne Hilfe schaffen, ist kein Zufall, sondern eine Botschaft, die in unserer Gesellschaft tief verankert ist: Kinder sind keine Gemeinschaftsaufgabe, sondern Privatvergnügen. Wer nicht eigenständig für sie sorgen kann, soll halt keine kriegen. Und wer welche hat, übernimmt gefälligst auch die Verantwortung für sie, ohne dabei dem Rest der Welt zur Last zu fallen.

Wohin dieses Verständnis von Elternschaft als eine Art zeitintensives Hobby im Extremfall führt, zeigte sich während der Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas: Während Schulen und Kitas geschlossen blieben und Großeltern sowie andere familiäre Bezugspersonen als Unterstützung ausfielen, wurde von Eltern ganz selbstverständlich erwartet, die gleiche Arbeitsleistung wie sonst auch zu erbringen – nur eben im Homeoffice und im Zweifelsfall mit Kleinkind auf dem Schoß. Besonders prägnant brachte die Autorin Nicole Huber diese Haltung des gesamtgesellschaftlichen Sich-nicht-zuständig-Fühlens auf den Punkt. Sie forderte in ihrem 2011 erschienenen Buch Kinderfrei das Ende der staatlichen Familienförderung mit dem Argument, es sei ungerecht, dass fleißige Kinderlose von ihren Sozialabgaben die klimafeindliche Kinderkriegerei anderer Leute unterstützen sollen. Ein Jahr später postulierte die Wirtschaftsjournalistin Heike Göbel: »In hohem Maße zahlen Kinderlose für fremder Leute Kinder. Und zwar ohne Gewähr, ob diese Kinder später zu guten Beitrags- und Steuerzahlern werden – oder in die Fürsorge fallen.«1 Die solidarische Unterstützung von Familien: ein wenig lukratives Investitionsmodell.

Und wir Eltern? Wir nehmen diesen unausgesprochenen Auftrag, bitte niemanden mit unserem Nachwuchs zu stressen, mehr oder weniger selbstverständlich an. Schließlich leben wir in einer Leistungsgesellschaft, in der Selbstständigkeit und Unabhängigkeit einen hohen Stellenwert haben. Wer will sich da schon schwach fühlen, angewiesen auf die Hilfe anderer? Dann lieber alles alleine wuppen, wie viel Kraft es auch kosten mag.

Da gibt es nur ein Problem: Wir mögen in unserer modernen Gesellschaft Kinder vielleicht nicht als Gemeinschaftsaufgabe ansehen. Das ändert aber nichts daran, dass Kinder Gemeinschaft brauchen. Eltern auch. Und das gleich in zweierlei Hinsicht: Zum einen brauchen Familien die Unterstützung der Solidargemeinschaft, also etwa familienfreundliche Gesetze, die sie vor Diskriminierung schützen, sowie gemeinschaftlich

gestemmte Investitionen in eine Infrastruktur, vor allem in Form qualitativ hochwertiger Betreuungs- und Bildungsstätten. Doch Eltern und Kinder brauchen Gemeinschaft nicht nur im großen, gesellschaftlichen Sinne, sondern auch im Kleinen: in ihrem ganz konkreten Alltag. »Alleine geht es nicht, zu zweit geht es auch nicht besonders gut. Wir müssen Familie größer denken«, fasste die österreichische Politikwissenschaftlerin und Autorin Mariam Irene Tazi-Preve diese Erkenntnis 2017 im Interview zusammen.2 Was sie damit meint: Natürlich gibt es Alleinerziehende, die gefühlt alles irgendwie ohne große Hilfe hinkriegen. Und Eltern, die niemanden haben, der ihnen im Familienleben unter die Arme greift, die ihr Kind trotzdem gut großkriegen. Nur: Die gesamte Verantwortung auf die Schultern von nur einer Person zu packen, ist eine unfassbare Zumutung, und auch für zwei Menschen allein wiegt die Last im Grunde noch zu schwer. Ein Kind ins Leben zu begleiten bedeutet nicht nur, Liebe, Fürsorge und Verbundenheit zu geben. Es ist auch unbeschreiblich harte Arbeit, sowohl körperlich als auch emotional. Allein die ganz praktische Care-Arbeit vom Wecken übers Anziehen, Wickeln, zu essen Geben, Einkaufen, Kochen, Putzen, Aufräumen, Wäschewaschen bis hin zum Fahren und Begleiten zu Terminen, Therapien und Hobbys hat in vielen Familien bereits den Stundenumfang eines Vollzeitjobs. Dazu kommt der Mental Load, den so ein Familienleben mit sich bringt. Das sind all die Dinge, die wir im Kopf behalten und über die wir uns Gedanken machen müssen, von Geburtstagsgeschenken, die besorgt, bis zu Anrufen, die getätigt werden müssen, von Vokabeln, die abgefragt, bis hin zu wettergerechten Jacken und Schuhen, die rechtzeitig gekauft sein wollen. Diese unsichtbare Arbeit – die in vielen Familien nahezu unbemerkt von der Mutter erledigt wird – bedeutet eine immense Kraftanstrengung. Da ist dann immer noch nicht die emotionale Arbeit eingerechnet, die es bedeutet, ein weinendes Baby auch dann liebevoll zu halten, wenn es sich davon nicht trösten lässt, ein zweijähriges Kind mehrmals pro Tag geduldig durch Wut- und Frustanfälle zu begleiten, einen Vierjährigen mit Albträumen nachts im großen Bett willkommen zu heißen, ein Schulkind mit schlechtem Zeugnis wieder aufzubauen und den ersten Liebeskummer eines Teenagers mit auszuhalten. Wenn in der Familie auch Kinder mit Behinderungen oder Krankheiten leben, ist die Belastung zeitlich und emotional oft besonders groß.

Wie unglaublich herausfordernd all das ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Als Mutter von vier Kindern zwischen zwei und fünfzehn Jahren bin ich an jedem einzelnen Tag damit beschäftigt, Essen zu kochen, Tränen zu trocknen, Nasen zu putzen, Windeln zu wechseln, Kinder zur Logopädie, Ergotherapie und Nachhilfe zu fahren, Brotdosen zu befüllen, Müll rauszubringen, Spül- und Waschmaschine ein- und auszuräumen, mir die neusten TikTok-Trends erklären zu lassen und jeden Abend mindestens eine Stunde an den verschiedenen Bettkanten zu sitzen, bis all meine Kinder gut einschlafen können. Mein Mann kann von sich dasselbe sagen. Wir sind zum Glück ein wirklich gutes Elternteam und kümmern uns beide mit Leib und Seele um unsere Rasselbande. Trotzdem ist mir gerade in den letzten Jahren immer stärker klar geworden, wie aufgeschmissen wir wären, läge die Verantwortung für unsere Kinder tatsächlich ganz allein auf unseren Schultern, wie ich das als junge Mutter dachte. Wenn ich mir anschaue, was mich und uns in den vergangenen Jahren durch all die Anstrengungen, Herausforderungen und sicher auch manchmal Überforderungen des Elternseins getragen hat, dann war es genau das: eben nicht allein zu sein mit allem, sondern Verantwortung abgeben und teilen zu können. Mit Menschen, denen wir vertrauen und denen unsere Kinder vertrauen. »Vater, Mutter, Kinder – das sind viel zu wenige Personen, um sich gegenseitig sämtliche Bedürfnisse erfüllen zu können«, meint Mariam Irene Tazi-Preve, und ich glaube, damit hat sie sehr recht.

Trotzdem handeln nahezu alle Bücher über Eltern- und Familienthemen von genau dieser Beziehung: der zwischen Eltern und Kindern, und davon, wie besonders und kostbar und einzigartig sie ist. Meine eigene Arbeit nehme ich davon explizit nicht aus. Seit 2006 schreibe ich als Fachjournalistin für Familien über Bindungs- und Beziehungsthemen, und bestimmt 95 Prozent meiner Artikel handelten dabei von Eltern und ihren Kindern. Auch in meinen bisherigen Büchern nimmt die Eltern-Kind-Beziehung mit all ihren Herausforderungen und Facetten den größten Raum ein. Das ist ja auch verständlich: Wenn wir Eltern werden, wollen und müssen wir erst einmal verstehen, was wir selbst tun und wie wir mit unseren Kindern umgehen wollen, um ihnen und uns ein gutes gemeinsames Leben zu ermöglichen.

Doch ich bin überzeugt: So wichtig es ist, uns über die Werte klar zu werden, die das Miteinander zwischen uns Eltern und unseren Kindern bestimmen und prägen sollen, so entscheidend ist es auch, dass wir über den Blick ins Innere unserer Familie nicht die Außenwelt aus dem Blick verlieren: all die Menschen, die zu unserem Umfeld gehören und ebenfalls eine wichtige Rolle im Leben unserer Kinder spielen können, und damit auch in unserem. Wir sollten nicht vergessen, dass auch die liebevollsten Eltern der Welt nur ein Mosaikstein einer bindungs- und beziehungsreichen Kindheit sind. Ein besonders zentraler, wichtiger und schöner sicherlich. Aber nicht das ganze Bild.

Unsere Kinder tragen die tiefe Sehnsucht in sich, in die Welt hinauszugehen und sie sich selbst zu erobern. Dazu gehört, dass sie Beziehungen außerhalb des engsten Familienkreises knüpfen und eigenständig gestalten. Das heißt nicht, dass wir sie gegen ihren Willen aus dem Nest hinausschubsen müssten oder dass jede Erfahrung mit anderen Menschen für sie gut oder wertvoll wäre. Im Gegenteil: Unsere Kinder brauchen uns als sicheren Hafen,...

Erscheint lt. Verlag 28.7.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Familie / Erziehung
Sozialwissenschaften Pädagogik
Schlagworte Attachment Parenting • Bindungsorientiert • Einschulung • Eltern • erziehen • Erzieher • Erziehung • Erziehungsratgeber • Fürsorge • Großeltern • Kinder • Kindergarten • Kindergärtner • Kita • Lehrer • Montessori • Mutter • Oma • Opa • Schule • Selbstbewusstsein • Vater • Waldorf
ISBN-10 3-8437-2820-8 / 3843728208
ISBN-13 978-3-8437-2820-1 / 9783843728201
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