Was Männer kosten (eBook)
304 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-28977-5 (ISBN)
Diese Zahlen stehen nicht nur für Schmerz und Trauer - sie verursachen auch immense Kosten. Boris von Heesen trägt erstmals Schritt für Schritt zusammen, wie hoch der Preis ist, den wir alle für toxische männliche Verhaltensweisen bezahlen: Über 63 Milliarden Euro kosten sie dieses Land jedes Jahr - mindestens. Er erläutert die Ursachen und zeigt Wege auf, wie wir diesem dramatischen Ungleichgewicht begegnen können: indem wir eine Gesellschaft schaffen, in der alle Geschlechter ihre Potentiale frei von patriarchalisch geprägten Klischees und festgefahrenen Rollenmustern entwickeln können.
Boris von Heesen (*1969) ist Wirtschaftswissenschaftler mit ersten beruflichen Stationen bei der Diakonie in Bayern und der Drogenhilfe in Frankfurt am Main. Er ist Gründer eines der ersten deutschen Online-Marktforschungsinstitute. Heute arbeitet er als Männerberater und geschäftsführender Vorstand eines Jugendhilfeträgers. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich als Autor und Referent mit dem Thema kritische Männlichkeit und veröffentlichte bereits zwei erfolgreiche Bücher zum Thema.
Einleitung
Wegweiser durch dieses Buch
Bei der Untersuchung der negativen Auswirkungen des Patriarchats auf unsere Gesellschaft folge ich einem Dreischritt.
In TEIL I widme ich mich der Kernidee des Buches und ermittele stufenweise die volkswirtschaftlichen Schäden, die durch ungesundes männliches Verhalten jedes Jahr verursacht werden. Ich beleuchte solche Themenfelder und Statistiken, in denen Männer überdurchschnittlich schlecht abschneiden, und bewerte sie mit den entsprechenden Kostenparametern. Beispielhafte Themenfelder sind der Strafvollzug, Verkehrsunfälle oder das Gesundheitswesen. Die errechneten Ergebnisse werden im Anschluss an jede Untersuchung in übersichtlichen Grafiken visualisiert. Mit jeder neuen Auswertung werden die Kosten aufsummiert. So schält sich Kapitel für Kapitel heraus, wie hoch die Gesamtbelastung tatsächlich ist.
In TEIL II betrachte ich dann solche Folgen toxischen männlichen Verhaltens, die nicht oder nur mit sehr großem Aufwand in Geldwert gemessen werden können. Das große Feld der Sexualität mit seinen Auswüchsen in Pornografie oder Prostitution sei hier exemplarisch genannt. Darüber hinaus thematisiere ich sensible Bereiche, für die es aus ethischen Gründen nicht zielführend ist, Kosten zu ermitteln. Die Suizidforschung ist ein Beispiel hierfür. Die Anzahl der Suizide wird durch das Statistische Bundesamt jährlich erfasst und veröffentlicht. Die Folgen eines Freitods, wie z.B. Trauer, Schuldgefühle oder Einbußen der Lebensqualität durch den Verlust des Partners oder der Partnerin, können kaum in ökonomischen Rastern erfasst werden.
Als Männer- und Jungenberater, als Leiter eines Jugendhilfeträgers und als Vater und Mann bin ich jeden Tag mit toxischem männlichem Handeln (auch mit dem eigenen!) und seinen Folgen konfrontiert. Genau deshalb ist es mir ein Anliegen, im letzten TEIL III des Buches konkrete Impulse zu geben, wie wir dem sich scheinbar unermüdlich drehenden Rad des Patriarchats entschieden in die Speichen greifen können. Ich konzentriere mich dabei auf solche gesellschaftlichen Felder, die bedeutende Einflüsse auf die Entwicklung von Männlichkeit und auch von Weiblichkeit haben. So untersuche ich unter anderem das Konzept der bürgerlichen Kernfamilie oder den Einfluss der Medienwelt. Beides unterziehe ich einer kritischen Betrachtung mit Blick auf die Erhaltung des Patriarchats und bringe Gegenmodelle ins Spiel. Weiterhin thematisiere ich Hilfs- und Präventionsangebote für Männer, die dazu beitragen, dem Patriarchat seine Kraft zu entziehen. Ich verbinde mit den im letzten Teil zusammengetragenen Ideen die Hoffnung, dass sie von anderen Menschen, Politiker:innen, Forscher:innen und Autor:innen aufgegriffen und in einem konstruktiven Diskurs weitergetragen und weiterentwickelt werden.
Blick hinter die Statistik
Auf den folgenden Seiten trage ich Statistiken zusammen, die außerordentlich schwierige Themenfelder oder Lebensbereiche abbilden. Sucht, Unfälle, Gewalt oder soziale Nöte. Die Zahlen wirken zuweilen hart, sachlich und analytisch. Deshalb ist es mir wichtig an dieser Stelle zu erwähnen, dass sich hinter jeder Statistik Einzelschicksale verbergen, die mehr verdient hätten, als in einer Grafik unterzugehen. Ich möchte sogar noch weiter gehen und feststellen, dass ich dieses Buchprojekt im Kern gerade wegen dieser Einzelschicksale realisiert habe. Der spielsüchtige junge Familienvater, der seiner Partnerin, seinen Kindern und sich selbst das Leben zur Hölle macht. Die Eltern, die mit einem pflegebedürftigen Sohn zurückbleiben, weil er bei einer Schlägerei auf den Hinterkopf gestürzt ist. Die junge Mutter, die sich mit ihren Kindern allein durchs Leben kämpfen muss, weil ihr Mann dem Temporausch mit dem Motorrad zum Opfer gefallen ist. Ich möchte die Leser:innen dafür sensibilisieren, dass die nachfolgend präsentierten Zahlen nicht nur messbaren volkswirtschaftlichen Schaden aufzeigen, sondern vor allem für Schmerzen, Trauer und Trennung stehen, die in keiner Statistik abgebildet werden können.
Art und Weise der Datenerhebung
Beim Zusammentragen der Daten, die ich in diesem Buch vorstelle, habe ich bestimmte Quellen genutzt, handwerkliche Regeln befolgt sowie Methoden angewandt, die ich vorab kurz erläutern möchte:
- Die Datenquellen, auf die ich bei der Untersuchung zurückgegriffen habe, sind öffentlich zugänglich, allerdings nicht alle kostenfrei. Interessierte Lesern:innen werden im Anhang nachvollziehen können, um welche Quellen es sich handelt und wo sie zu finden sind. In vielen Fällen habe ich auf amtliche Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zugegriffen. Aber auch andere staatliche Stellen (z.B. Ministerien, Behörden), Fachverbände oder die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungsprojekte waren bei meiner Recherche wertvolle Datenquellen.
- Bei der Bewertung der verfügbaren Statistiken habe ich in der Regel nur solche Kostenkategorien in die Betrachtung einbezogen, die einem Bereich direkt und konkret zugeordnet werden können. Hierbei handelt es sich um sogenannte direkt tangible Kosten. Das sind tatsächlich getätigte Ausgaben für Dienstleistungen und Güter, die mit dem Schaden in direktem Zusammenhang stehen. Ein Beispiel hierfür sind die Unterbringungskosten für Häftlinge pro Tag.
- In Ausnahmefällen, wenn entsprechende Daten vorlagen, habe ich zudem die indirekt tangiblen Kosten in der Untersuchung berücksichtigt. Hierbei handelt es sich um Kosten, die indirekt mit einem Schaden in Verbindung stehen. Zum Beispiel entgangene Einnahmen einer Frau, die aufgrund häuslicher Gewalt nicht arbeiten und nicht in die Sozialversicherung einzahlen konnte. Das Konzept der tangiblen Kosten geht auf die Kosten-Nutzen-Analyse2 zurück, die als eine Form der Wirtschaftlichkeitsrechnung bei der Bewertung von Ausgaben öffentlicher Körperschaften hinzugezogen werden kann, einer Art Evaluationsinstrument für staatliche Eingriffe, so wie es auch in der Bundeshaushaltsordnung vorgesehen ist.3
- Damit der volkswirtschaftliche Schaden, der durch ungesunde männliche Verhaltensweisen in dieser Gesellschaft Jahr für Jahr entsteht, transparent wird, habe ich jeweils die Kosten, die von Frauen verursacht werden (z.B. bei Autounfällen mit Todesfolge), von denen der Männer abgezogen. Allein der Betrag, der durch männliche Verhaltensweisen in den Statistiken an zusätzlichen Kosten verursacht wird, steht im Fokus dieses Buches. Da es sich hierbei um eines der Kernargumente meiner Analyse handelt, möchte ich die Vorgehensweise kurz an einem fiktiven Beispiel veranschaulichen. Angenommen ein Ehepaar – beide pendeln mit dem Auto zur Arbeit – zahlt jährlich aufgrund von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung 300 Euro an Bußgeldern. Auf das Konto des Mannes gehen aufgrund seines rasanten Fahrstils 231 Euro und auf das der Frau 69 Euro. Die Aufteilung entspricht im Übrigen dem Geschlechterverhältnis der in Flensburg beim Kraftfahrtbundesamt angesammelten Punkte (77 Prozent vs. 23 Prozent). Ziehe ich von den 231 Euro die von der Ehefrau angesammelten Bußgelder ab, verbleiben 162 Euro. Dieser Betrag wird vom Ehemann an Mehrkosten für den Haushalt verursacht.
- Bei der Bewertung öffentlich verfügbarer Statistiken mit entsprechenden Kosten bin ich als Wirtschaftswissenschaftler dem Grundsatz der Vorsicht gefolgt. Lag für ein Feld nur eine Kostenspanne (z.B. zwischen 150 Millionen Euro und 220 Millionen Euro) vor, habe ich bei der Analyse stets auf die niedrigeren Werte zurückgegriffen. Um die ermittelten Summen der untersuchten Bereiche an das heutige Preis- bzw. Lohnniveau anzupassen, habe ich allein Kosten, die schon vor zehn Jahren oder länger ermittelt wurden, mit der Veränderung der Inflationsrate oder des Bruttoinlandsprodukts bewertet. In einigen wenigen Fällen, wenn die Kosten auf der Basis von Schätzungen erfolgten, mache ich im Text deutlich darauf aufmerksam.
- Es gibt auch Statistiken, in denen Frauen schlechter abschneiden als Männer. So liegen beispielsweise Studien darüber vor, dass die »stille Sucht« der Tablettenabhängigkeit bei Frauen weitaus stärker ausgeprägt ist als bei Männern. Solche Themenfelder gibt es, und sie sollten unbedingt beforscht werden. Ich konzentriere mich in diesem Buch aber ausschließlich auf die Männer.
- Die zusammengetragenen Zahlen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt zahlreiche weitere von Männern dominierte Statistiken, die entweder aus konzeptionellen Gründen keinen Eingang in dieses Buch gefunden haben oder für die schlicht keine verlässlichen Kostenparameter vorliegen. Damit verbinde ich auch die Annahme, dass die von mir zusammengetragenen Kosten nur einen Ausschnitt abbilden und dass das Problem in Wahrheit viel größer ist.
Datenbasierte Geschlechterkonkurrenz
Noch ein Wort zu einem Gedanken, der unter Umständen bei der Lektüre aufkommen könnte: Führt das Aufrechnen stereotypisch männlichen Verhaltens und der damit verbundenen Kosten möglicherweise zu einer Kostenkonkurrenz zwischen den Geschlechtern? Während der Planung dieses Buches habe ich, wo immer möglich, die Gelegenheit genutzt, mit den unterschiedlichsten Menschen über meine Ideen zu sprechen. Relativ häufig war die Reaktion, dass Frauen in einigen Feldern doch auch mehr Kosten verursachen als Männer und dass man das doch berücksichtigen müsse. Ich hoffe sehr, dass es nicht zu einem solchen »Gegeneinander-Aufrechnen« geschlechtsspezifischer Kosten kommen wird. Die Grundidee des Buches liegt ja gerade darin, die Geschlechter einander...
Erscheint lt. Verlag | 9.5.2022 |
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Zusatzinfo | mit Abb. |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 2022 • Abgründe der Gesellschaft • alter weißer Mann • Diskriminierung • eBooks • Extremismus • Feminismus • Gefühle zeigen • Gender-Stereotype • Gesellschaftliche Veränderung • Gewaltkriminalität • Gleichberechtigung • Kosten • Männer-Beratung • Männer-Buch • Männliches Verhalten • Mansplaining • Neuerscheinung • Patriarchat • Psychologie • Soziologie • Sucht • toxische männlichkeit |
ISBN-10 | 3-641-28977-7 / 3641289777 |
ISBN-13 | 978-3-641-28977-5 / 9783641289775 |
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